BGH,
Urt. v. 16.12.2009 - 2 StR 446/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 446/09
vom
16. Dezember 2009
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person
mit Todesfolge u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16.
Dezember 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Rissing-van Saan,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und Assessor
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Darmstadt vom 25. März 2009 mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauch
widerstandsunfähiger Personen mit Todesfolge verurteilt ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird als
unbegründet verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch der
Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten
Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren
Verbrauch sowie wegen sexuellen Missbrauchs
widerstandsunfähiger Personen mit Todesfolge zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Dagegen richten sich
die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der
Staatsanwaltschaft und die Revision des Angeklagten jeweils mit der
Sachrüge.
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I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts traf sich der Angeklagte am
Abend des 24. April 2008 mit dem späteren Tatopfer S. . Der
Angeklagte hatte MDMA-Kristalle mitgebracht, die er zu Pulver
zerstieß und in Cola auflöste. Der Angeklagte und S.
tranken jeweils ein Glas; beide nahmen jeweils etwa 1480 mg reines MDMA
zu sich, was der Wirkstoffmenge von 14 bis 15 Ecstasy-Tabletten
entsprach. Es kam dann zu einverständlichen sexuellen
Handlungen, auch mit verschiedenen Dildos und Analplugs. Der Angeklagte
versuchte, den größten Analplug mit einem
Durchmesser von 12 cm bei S. einzuführen, was aber nicht
gelang, weil er zu groß war. Der Angeklagte suchte dann die
Toilette auf; als er ins Schlafzimmer zurückkehrte, lag S.
aufgrund der Intoxikation mit MDMA bewusstlos in Bauchlage auf dem
Bett. Der Angeklagte bemerkte dies. Er war aufgrund der stimulierenden
Wirkung des MDMA, von am Nachmittag betrachteten pornographischen
Bildern und Filmen, die das Einführen von Händen und
großen Gegenständen in Anus und Vagina von Frauen
zum Gegenstand hatten, und der vorangegangenen sexuellen Handlungen
hochgradig erregt und sah eine willkommene Gelegenheit, seine sexuellen
Fantasien in die Tat umzusetzen. Unter erheblichem
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Kraftaufwand, wobei er S. zum Teil an den Oberarmen und Oberschenkeln
kräftig festhielt, führte der Angeklagte unter
anderem den großen Analplug mit 12 cm Durchmesser in ihren
Anus ein, wobei er die Enddarmwand durchstieß und
umfangreiche Zerreißungen des umgebenden Gewebes verursachte.
Ebenso führte er mit großem Kraftaufwand eine
Weinflasche, die er am Flaschenhals fasste, mit dem Boden voran nahezu
vollständig ein, wobei er die Flasche hin- und herdrehte, um
das Einführen zu ermöglichen. S. erlitt dadurch in
der Vaginal- und Analregion schwerste Verletzungen, die in Kombination
mit der Intoxikation durch das MDMA nach einem Zeitraum von mindestens
15 Minuten zum Tode führten.
Der Angeklagte bemerkte, dass S. blutete. Er untersuchte sie mit Hilfe
der Nachttischlampen und sah, dass er ihr schwere Verletzungen
zugefügt hatte. Er führte dennoch weiter
Gegenstände in ihren Körper ein, bis die
verschiedenen von ihm verwendeten Cremes und Gleitmittel nahezu
vollständig aufgebraucht waren. Der Angeklagte ließ
schließlich von ihr ab und legte eine der Bettdecken
über ihren von der Hüfte abwärts
blutverschmierten Körper. Er reinigte sich mit
Handtüchern und Papiertüchern und sammelte den
Aschenbecher mit Kippen, die blutigen Sexspielzeuge, die blutbenetzte
Weinflasche, die blutbeschmierten Behältnisse der Cremes und
Gleitmittel, die benutzten blutverschmierten Papiertücher und
Handtücher sowie CD's, DVD's u.a. in einen Stoffbeutel. Er
versuchte, einige der blutigen Spuren in der Wohnung zu beseitigen.
Dann duschte er sich und zog sich an. Gegen 8.00 Uhr am 25. April 2008
verließ er die Wohnung mit dem Stoffbeutel und fuhr zu einer
nahe gelegenen Bank, wo er am Automaten Geld abhob.
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Nach der Überzeugung des Landgerichts war dem Angeklagten
nicht bewusst, dass er S. durch seine Handlungen so schwere
Verletzungen zufügte, dass sie an deren Folgen - im
Zusammenwirken mit dem Dro-
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genkonsum - versterben würde. Er habe die von ihm benutzen
Gegenstände nicht als "Waffen" oder gefährliche
Werkzeuge angesehen, sondern als Sexspielzeug, wie er es auch im
Einvernehmen mit verschiedenen Frauen zuvor schon vielfach eingesetzt
gehabt habe, und habe sein eigenes Lusterleben lediglich durch die
Verwendung größerer Gegenstände noch
steigern wollen. Er habe die Möglichkeit, dass S. aufgrund der
sexuellen Handlungen versterben könne, auch nicht billigend in
Kauf genommen. Zu dem Zeitpunkt, als er S. untersucht habe, sei diese
möglicherweise schon tot gewesen, jedenfalls sei der
Angeklagte nicht ausschließbar subjektiv davon ausgegangen.
Der Angeklagte habe sich aber des sexuellen Missbrauchs einer
widerstandsunfähigen Person mit Todesfolge schuldig gemacht,
weil sich ihm die Möglichkeit der Verursachung schwerster
innerer Verletzungen habe aufdrängen müssen. Hingegen
sei ihm die Todesfolge hinsichtlich des Überlassens des MDMA
nicht zuzurechnen, weil der Tod nur im Zusammenwirken mit den sexuellen
Handlungen eingetreten und dies im Zeitpunkt des Überlassens
nicht vorhersehbar gewesen sei.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat im Wesentlichen Erfolg.
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1. Die Beweiswürdigung, mit der das Landgericht einen
Tötungsvorsatz bei Vornahme der sexuellen Handlungen verneint
hat, ist widersprüchlich und lückenhaft. Die
Feststellung, dass der Angeklagte die von ihm benutzten
Gegenstände nicht als "Waffen" oder gefährliche
Werkzeuge, sondern als Sexspielzeuge angesehen habe (UA S. 16, 55),
lässt sich hinsichtlich des Analplugs mit 12 cm Durchmesser
und der Weinflasche nicht mit den festgestellten Umständen
vereinbaren. Der Angeklagte wusste, dass der Analplug mit
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12 cm Durchmesser zu groß war, um ihn anal oder vaginal
einzuführen. So hatte eine frühere Sexualpartnerin in
Gegenwart des Angeklagten vergeblich versucht, diesen Analplug in ihre
Vagina einzuführen (UA S. 6). Bei S. hatte der Angeklagte dies
vor dem Tattag (UA S. 7) und am Tattag selbst, als sie noch bei
Bewusstsein war, ebenfalls vergeblich (UA S. 14) versucht. Unter diesen
Umständen liegt es fern, dass dem Angeklagten nicht bewusst
gewesen ist, dass ein gewaltsames vollständiges vaginales oder
anales Einführen dieses großen Analplugs zu schweren
Verletzungen führen könnte. Dies gilt erst recht
für das Einführen einer Weinflasche mit dem
Flaschenboden voran durch Hin- und Herdrehen unter erheblichem
Kraftaufwand. Bei dieser Art des Einsatzes liegt es ausgesprochen nahe,
dass erhebliche, möglicherweise sogar
lebensgefährliche körperliche Verletzungen
hervorgerufen werden. Das Landgericht hat sich mit der Verwendung einer
Weinflasche auch nicht ausdrücklich auseinandergesetzt,
sondern diese fehlerhaft mit üblichem "Sexspielzeug"
gleichgesetzt, das der Angeklagte zuvor schon vielfach eingesetzt habe.
Auf der Grundlage der hierzu neu zu treffenden Feststellungen wird der
neue Tatrichter dann das voluntative Element des Vorsatzes zu
prüfen haben.
2. Falls ein (bedingter) Tötungsvorsatz bei Verursachung der
schweren Verletzungen nicht feststellbar ist, wird erneut zu
prüfen sein, ob der Angeklagte im Verlauf der Nacht erkannte,
dass S. hilfebedürftig war, also ein - ggf. versuchtes -
Tötungsdelikt durch Unterlassen vorliegt.
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3. Demgegenüber weist die Verurteilung des Angeklagten wegen
unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln zum
unmittelbaren Verbrauch keinen Rechtsfehler auf; ein solcher wird von
der Revisionsführerin auch nicht dezidiert behauptet.
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III.
Die Revisionsbegründung des Angeklagten zeigt weder zum
Schuldspruch noch zum Strafausspruch Rechtsfehler zu seinem Nachteil
auf.
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Eine Rechtfertigung der Tathandlungen durch die Einwilligung von S. mit
der Einnahme des Betäubungsmittels und der Vornahme von
sexuellen Handlungen, worauf der Revisionsvortrag des Angeklagten
abzielt, kommt nach den vorliegenden Feststellungen nicht in Betracht.
Angesichts des Umfangs der dem Opfer hier beigebrachten
Gesundheitsschädigung und des Grades der damit verbundenen
weiteren Leibes- oder Lebensgefahr wäre die
Körperverletzung auch bei einer Einwilligung unvereinbar mit
den guten Sitten (vgl. BGHSt 49, 34, 42; 49, 166, 171 f.). Im
Übrigen würde eine wirksame Einwilligung
voraussetzen, dass sie mit vollem Verständnis der Sachlage
erteilt wird und der Einwilligende namentlich eine zutreffende
Vorstellung vom voraussichtlichen Verlauf und den möglichen
Folgen der zu erwartenden Handlungen hat (vgl. BGH NStZ 2000, 87).
Schon dies erscheint nach den bisherigen Feststellungen ausgeschlossen.
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Rissing-van Saan Fischer Roggenbuck
Appl Schmitt |