BGH,
Urt. v. 16.2.2006 - 4 StR 305/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 305/05
vom 16.2.2006
in der Strafsache
gegen 1. 2.
wegen Untreue
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
16.02.2006, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien, Richter am Bundesgerichtshof Maatz,
Prof. Dr. Kuckein, Richterinnen am Bundesgerichtshof Solin-Stojanović,
Sost-Scheible als beisitzende Richter, Bundesanwalt als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt für den Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt für den Angeklagten S. als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das
Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 12. Juli 2004 werden
verworfen. 2. Jeder der Angeklagten trägt die Kosten seines
Rechtsmittels; die Staatskasse trägt die durch die Revisionen
der Staatsanwaltschaft den Angeklagten entstandenen notwendigen
Auslagen. Von Rechts wegen Gründe: I. Das Landgericht hat die
Angeklagten wegen Untreue in zwei Fällen jeweils zu einer
(Gesamt-)Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu je
130 Euro verurteilt. Im Übrigen hat es die Angeklagten
freigesprochen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der
Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Die Angeklagten wenden sich mit
der Sachrüge insbesondere gegen die Beweiswürdigung
in den ihre Verurteilung betreffenden Fällen II. 1 und 2 der
Urteilsgründe (Tatkomplex Werbe-CD). Die Revisionen der
Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten werden,
richten sich ausschließlich gegen die
Teilfreisprüche der Angeklagten im Komplex "Hotel R. GmbH".
Die Rechtsmittel erweisen sich im Ergebnis insgesamt als
unbegründet. 1
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II. Revisionen der Angeklagten 2 Tatkomplex Werbe-CD (Fälle
II. 1 und II. 2 der Urteilsgründe) 3 1. Der Verurteilung der
Angeklagten wegen Untreue in zwei Fällen liegen folgende
Feststellungen des Landgerichts zugrunde: Die Angeklagten waren
alleinige Vorstandsmitglieder einer Wohnungsbaugenossenschaft sowie
Mitglieder des Aufsichtsrates einer GmbH, an der die Genossenschaft als
Gesellschafterin zu 50 Prozent beteiligt war. Im Sommer 1999 erfuhren
die Angeklagten von dem seit März dieses Jahres auch
für die GmbH tätigen Zeugen Sch. , dass es angeblich
ein Komplott eines Personenkreises um den
Geschäftsführer der GmbH gebe „mit dem
Ziel, die Angeklagten aus ihren Posten
herauszudrängen“. Die Angeklagten, die an die
Möglichkeit eines solchen Komplotts glaubten, waren an
detaillierten Informationen durch Sch. interessiert. Sch. machte den
Angeklagten klar, dass er für weitere Informationen Geld
wollte. Deshalb übergaben ihm die Angeklagten am 26. Juli 1999
einen auf ein Konto der Wohnungsbaugenossenschaft bezogenen Scheck
über 31.320 DM. Im Gegenzug erhielten sie von Sch. eine auf
diesen Betrag lautende Rechnung über die Erstellung einer
Werbe-CD für die GmbH. Danach übergab ihnen Sch. ein
von ihm am selben Tag bei einer Anwaltskanzlei unterschriebenes
„Protokoll“, in dem die Bezichtigungen
über die an dem angeblichen Komplott Beteiligten
näher ausgeführt waren. Der überwiegende
Teil der darin enthaltenen Behauptungen war erfunden. Auf Grund der
Vorführung der Werbe-CD war den Angeklagten klar, dass die CD
auf Grund ihrer dilettantischen Machart und zahlreicher Fehler als
Werbemittel völlig wertlos war. Die Zahlung der 31.320 DM an
Sch. diente in Wahrheit nicht als Gegenleistung für die CD,
sondern für die Informationsbeschaffung durch Sch. (Fall II.1
der Urteilsgründe). 4
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Am 3. September 1999 schlossen die Angeklagten für die
Wohnungsbaugenossenschaft mit der GmbH einen Darlehensvertrag, in der
der GmbH ein Darlehen in Höhe von 231.320 DM gewährt
wurde. Dabei wurde der Teilbetrag von 31.320 DM mit einer angeblich
für die GmbH vorfinanzierten Rechnung
„verrechnet“. Den Angeklagten war beim
Darlehensabschluss klar, dass eine solche Verbindlichkeit nicht
bestand. Es ging ihnen vielmehr darum, den der Wohnungsbaugesellschaft
durch die Zahlung an Sch. entstandenen Schaden durch die Verlagerung
auf die GmbH zu verschleiern (Fall II. 2 der Urteilsgründe). 5
2. Das von den Beschwerdeführern geltend gemachte
Verfahrenshindernis fehlender Anklage der ihre Verurteilung
betreffenden Fälle liegt, wie der Generalbundesanwalt bereits
in seinen Antragsschriften vom 22. September 2005 zutreffend
ausgeführt hat, nicht vor. 6 3. Die Verurteilung beider
Angeklagter hält auch der sachlichrechtlichen
Nachprüfung des angefochtenen Urteils stand. 7
Rechtsfehlerfrei hat sich das Landgericht die Überzeugung
verschafft, dass die von dem Zeugen Sch. erstellte Werbe-CD wertlos war
und ihr Kauf durch die Angeklagten für die Genossenschaft
lediglich als Scheingeschäft der Verschleierung der
tatsächlich bezweckten Informationsbeschaffung über
das angebliche Komplott diente. Die hiergegen gerichteten Angriffe der
Beschwerdeführer stellen nur den revisionsrechtlich
unzulässigen Versuch dar, die eigene Beweiswürdigung
an die Stelle der des Tatrichters zu setzen. 8
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Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist die
Beweiswürdigung auch nicht insoweit lückenhaft und
deshalb rechtsfehlerhaft, als sie die Feststellung des Landgerichts
betrifft, die Angeklagten hätten den Betrag von 31.320 DM zu
Lasten der Wohnungsbaugenossenschaft an den Zeugen Sch. bewusst allein
für sie persönlich betreffende Informationen gezahlt,
ohne dass diese Informationen für die Genossenschaft
wirtschaftlichen Wert gehabt hätten. Dieser
Schlußfolgerung der Strafkammer steht insbesondere nicht
entgegen, dass der Zeuge Sch. in seiner „eidesstattlichen
Versicherung“ vom 26. Juli 1999 auch einzelne Handlungsweisen
der am Komplott beteiligten Personen behauptete, die - ihre Richtigkeit
unterstellt - für die Wohnungsbaugenossenschaft
schädigend gewesen wären. Denn bei den im Urteil
mitgeteilten vorangegangenen Treffen der Angeklagten mit dem Zeugen war
ersichtlich nur von dem angeblichen Komplott die Rede. Es bedurfte
unter diesen Umständen keiner näheren
Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Zahlung auf eine nicht
bestehende Forderung aus Unternehmensmitteln der
Wohnungsbaugenossenschaft mit dem Ziel, auf diese Weise an für
die Genossenschaft nützliche Informationen zu gelangen, einem
Untreuevorsatz der Angeklagten entgegenstehen könnte. Dies
gilt umso mehr, als sich die Angeklagten hierauf auch nicht berufen
haben. 9 III. Revisionen der Staatsanwaltschaft 10 Tatkomplex Hotel R.
GmbH 11 1. Die zugelassene Anklage wirft den Angeklagten unter
Tatkomplex II. Fälle 8. bis 20. vor, als Vorstand der bereits
erwähnten Wohnungsbaugenossenschaft in der Zeit vom 2. Februar
1996 bis zum 30. März 2000 der Hotel R. GmbH, deren Anteile im
Tatzeitraum zu einhundert Prozent von der 12
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Wohnungsbaugenossenschaft gehalten wurden, mehrfach
Krediterhöhungen gewährt zu haben, obwohl ihnen
bekannt war, dass die Darlehensforderungen in unvertretbar hohem
Maße mit wirtschaftlichem Ausfall bedroht waren und die
gewährten Sicherheiten in Höhe von 2,5 Mio. DM
gegenüber den nunmehr ausgereichten Darlehensvolumen zur
Absicherung des Ausfallrisikos ungenügend waren. Vom
Anklagevorwurf in diesen Fällen hat das Landgericht die
Angeklagten freigesprochen (VII. „5. bis 17.“ der
Urteilsgründe). Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren
Revisionen die Freisprüche im Zusammenhang mit der
Kreditgewährung an die Hotel R. GmbH lediglich für
den Zeitraum in den Jahren 1998 bis 2000, in dem das
satzungsmäßige Kreditlimit von 7,5 Mio. DM
überschritten wurde (Fälle 10 bis 20 der Anklage). 13
Die so wirksam beschränkten - vom Generalbundesanwalt nicht
vertretenen - Rechtsmittel haben keinen Erfolg. 14 2. Auf der Grundlage
der getroffenen Feststellungen hat das Landgericht allerdings zu Recht
den objektiven Tatbestand der Untreue in der Missbrauchsalternative
durch die Angeklagten verwirklicht gesehen. Gleichwohl hat es die
Angeklagten aus subjektiven Gründen vom Vorwurf der Untreue
freigesprochen. Nicht ausschließbar hätten die
Angeklagten in der über 7,5 Mio. DM hinausgehenden weiteren
Kreditbewilligung zugunsten der Hotel R. GmbH bis zur Fusion mit der
Genossenschaft eine nachvollziehbare Maßnahme zur Erhaltung
der Sachwerte der GmbH gesehen und deshalb „nur
bewußt fahrlässig und damit
tatbestandslos“ gehandelt. 15
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Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft ohne Erfolg. 16 3. Spricht
der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er sich von der Schuld des
Angeklagten nicht zu überzeugen vermag, so ist dies vom
Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen. Die
revisionsgerichtliche Beurteilung ist auf die Prüfung
beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind.
Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht insbesondere der Fall, wenn die
Beweiswürdigung lückenhaft ist oder erkennen
läßt, dass das Gericht überspannte
Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche
Überzeugungsbildung gestellt hat. Hieran gemessen,
hält der angefochtene Teilfreispruch der rechtlichen
Nachprüfung stand. 17 Die Angeklagten haben sich unwiderlegt
dahin eingelassen, die weiteren Kredite seien für die
Aufrechterhaltung des Betriebes der Hotel R. GmbH erforderlich gewesen,
die von der Insolvenz bedroht gewesen sei; eine Insolvenz sei ihnen
aber als die ungünstigere Alternative zu einer Fusion
erschienen. Wenn das Landgericht hiervon ausgehend nicht
auszuschließen vermochte, dass die Angeklagten darauf
vertraut haben, den Schaden für die Genossenschaft durch die
weiteren Kredite geringer zu halten, als wenn die GmbH in die Insolvenz
ginge, so stellt dies nicht nur eine abstrakt-theoretische
Möglichkeit dar. Vielmehr trägt die Wertung des
Landgerichts der Rechtsprechung zu unternehmerischen Entscheidungen
Rechnung, nach der den Verantwortlichen auch bei risikobehafteten
Investitionen ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen ist (vgl. dazu
BGH, Urteil vom 22. November 2005 - 1 StR 571/04). Das gilt hier zumal
deshalb, weil die Angeklagten - worauf das Landgericht bei seiner
Würdigung abgestellt hat - nicht eigennützig
gehandelt haben und die Hotel R. GmbH im Tatzeitraum bereits eine
hundertprozentige Tochter der Genossenschaft war. Zudem wurde im
Tatzeitraum die Fusion bereits betrieben, 18
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die alsbald nach Ausreichung des letzten Kredits auch vollzogen wurde.
Nahezu gleichzeitig damit wurde auch die Kreditlinie erhöht.
Nach alledem hat es bei dem angefochtenen Urteil sein Bewenden. 19
Tepperwien Maatz RiBGH Prof.Dr.Kuckein ist wegen Urlaubs an der
Unterschrift gehindert Tepperwien Solin-Stojanović Sost-Scheible |