BGH,
Urt. v. 16.7.2003 - 2 StR 68/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 68/03
vom
16.7.2003
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zum versuchten Totschlag
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
16.7.2003,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter,
Dr. Bode,
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Trier vom 24. Juli 2002, soweit es die Angeklagte
P. betrifft, mit den Feststellungen - mit Ausnahme derer
zum äußeren Tatgeschehen - aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Mainz
zurückverwiesen.
2. Die Revision der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil
wird verworfen. Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels
und die dadurch dem Nebenkläger entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I. Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Anstiftung zum versuchten
Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe
von sechs Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die
Revisionen
der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Die Angeklagte
rügt die
Verletzung formellen und materiellen Rechtes. Die Staatsanwaltschaft
beanstandet
mit der Sachrüge, daß eine Verurteilung wegen
versuchten Mordes (in
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Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) mit
rechtsfehlerhafter Begründung
abgelehnt worden sei.
Das Rechtsmittel der Angeklagten hat keinen Erfolg. Die vom
Generalbundesanwalt
vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, die sich nicht gegen
die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen wendet,
greift in vollem Umfang
durch.
II. Das Landgericht hat u.a. folgende Feststellungen getroffen:
Die Angeklagte und der Nebenkläger heirateten 1983 in Polen.
1987
siedelten sie in die Bundesrepublik Deutschland über, wo in
demselben Jahr
ihr Sohn M. zur Welt kam. Im Laufe der Jahre verschlechterte sich das
eheliche Klima. Das Zusammenleben nahm immer mehr den Charakter eines
Ehekrieges an. Die Angeklagte, die selbst berufstätig war,
gönnte sich einen
bürgerlichen Lebensstil, der Nebenkläger dagegen
lebte äußerst sparsam. Im
Jahre 1996 erwarben sie gemeinsam eine Doppelhaushälfte.
Bereits 1997
wurde über eine Ehescheidung gesprochen. 1999 trat die
Angeklagte dem Gedanken
einer Scheidung erneut näher. Ihr war allerdings
bewußt, daß der Nebenkläger
erbittert um das Eigentum am Haus kämpfen und sich einen
Verzicht
auf das gemeinsame Sorgerecht für den Sohn teuer bezahlen
lassen würde. Ihr
war klar, daß bei einer Scheidung ihr aufwendiger Lebensstil
in Gefahr geraten
würde. Die Angeklagte lernte im Rahmen ihrer
geschäftlichen Tätigkeiten den
Zeugen O. kennen, von dem sie auch vom Zeugen L. erfuhr, der mehrmals im
Jahr nach Kiew fuhr. Ihr kam der Gedanke, die Fahrten des L. nach Kiew
für
ihre Interessen auszunutzen. Sie beschloß, ihren Ehemann in
Kiew beseitigen
zu lassen, da sie die Mühen eines Scheidungsverfahrens und die
zu erwarten-
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den erheblichen finanziellen Einbußen nicht in Kauf nehmen
wollte. L. erklärte
sich etwa Mitte 2000 bereit, bei seiner nächsten Reise nach
Kiew, die er Anfang
Oktober 2000 plante, den Auftrag der Angeklagten auszuführen.
Dazu, ob
die Angeklagte ihre Vorstellung nur mit O. erörterte oder ob
sie durch Vermittlung
des O. unmittelbar Kontakt mit L. aufnahm, hat die Kammer keine
Feststellungen
getroffen. Die Angeklagte mußte nun dafür Sorge
tragen, daß der
Nebenkläger sich zum selben Zeitpunkt in Kiew aufhalten
würde wie L. Die Angeklagte
versprach dem Nebenkläger Erstattung von Unkosten, eine
Geldprämie
und Übereignung ihres Hausanteils, wenn er - was frei erfunden
war - eine
äußerst wichtige geschäftliche
Angelegenheit in Kiew für sie erledige. Sie besorgte
für den Nebenkläger, der sich letztlich dazu
bereitfand, ein Visum und
Flugtickets. Am 12.10.2000 brachte sie den Nebenkläger zum
Flughafen und
teilte ihm mit, daß er ihren Geschäftspartner am
Flughafen an einem Schild mit
der Aufschrift "Kargo" erkennen würde. L. war bereits am
10.10.2000 in Kiew
eingetroffen und hatte sich am Morgen eine Pistole Kaliber 7,65 mit
fünf
scharfen Patronen besorgt und diese in einem Gebüsch an einem
einsamen
Ort versteckt. Mit einem Papier mit der Aufschrift "Kargo" machte er am
Flughafen
den Nebenkläger auf sich aufmerksam. Als L. vom
Nebenkläger die Aushändigung
von Reisepaß und Ticket erbat, begann dieser
mißtrauisch zu werden.
L. nahm den Nebenkläger in seinem Auto mit, um ihn angeblich
ins Hotel
zu bringen. Als L. in eine dunkle Seitenstraße abbog und dort
anhielt unter
dem Vorwand, er müsse "austreten", stieg auch der erneut
mißtrauisch gewordene
Nebenkläger aus. L., der seine Pistole aus dem
Gebüsch geholt und in
seiner Jackentasche versteckt hatte, kam zurück und lief
hinten um das Auto
herum auf die Beifahrerseite zu. Das Mißtrauen des
Nebenklägers war jetzt
"vollends geweckt". L. zog die Pistole heraus und schoß
zweimal in den Kopf
des Nebenklägers. Der Nebenkläger konnte trotz seiner
schweren Kopfverlet-
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zungen fliehen und sich in Sicherheit bringen. L. war zunächst
hinter dem fliehenden
Nebenkläger hergelaufen. Als ihm aber bewußt wurde,
daß sein Opfer
entkommen war, versteckte er die Pistole. Er konnte aber kurze Zeit
später
festgenommen werden.
L. wurde durch Urteil des Berufungsgerichts der Stadt Kiew
rechtskräftig
wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren
verurteilt.
III. Revision der Staatsanwaltschaft:
Das Rechtsmittel hat Erfolg. Die Verurteilung nur wegen Anstiftung zum
versuchten Totschlag (in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung) hält
rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Schon bei der Verneinung
der Mordmerkmale
"Heimtücke" und "Habgier" weisen die Urteilsgründe
durchgreifende
Rechtsfehler auf.
Der Tatrichter hat zu seiner Ansicht, die Angeklagte habe den L. nur zu
einem versuchten Totschlag angestiftet, folgende Ausführungen
gemacht:
"Das Mordmerkmal der Heimtücke, von dem die Anklage ausgeht,
ist
nicht verwirklicht, da der Nebenkläger zur Zeit des Angriffs
nicht arglos war.
Wie aufgrund der Angaben des Nebenklägers festzustellen war,
hatte bereits
das Verhalten des L. am Flughafen dessen Argwohn geweckt; die Fahrt zu
der
alten Tankstelle und erst recht das Anhalten in der dunklen P.
straße
zum Zwecke des 'Austretens' hatten ihn wachsam und abwehrbereit gemacht.
A. P. hat insoweit angegeben, daß er in beiden
Fällen deshalb aus dem Pkw
ausgestiegen sei, weil er das Gefühl gehabt habe,
außerhalb des Fahrzeugs
besser auf etwaige Gefahren reagieren zu können. Die Tatsache,
daß L., als er
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aus dem Gebüsch zurückkam, nicht zur Fahrer- sondern
zur Beifahrerseite gekommen
sei, habe ihn alarmiert. A. P. rechnete also mit einem Angriff und war
reaktionsbereit, so daß nicht von Arg- und Wehrlosigkeit des
Opfers ausgegangen
werden kann. Da es sich bei dem Mordmerkmal der Heimtücke um
ein
tatbezogenes Merkmal handelt, ist das Fehlen dieses Merkmals auch der
Angeklagten
zugute zu halten. Die Mordmerkmale der Habgier oder 'sonstige
niedrige Beweggründe' können ebenfalls nicht als
verwirklicht angesehen werden.
Zwar handelte die Angeklagte in der Absicht, eine Verschlechterung ihrer
wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Folgen der Scheidung
zu verhindern,
jedoch kann dieses Motiv nicht einem über die Gewinnsucht
hinaus gesteigerten
Gewinnstreben um jeden Preis gleichgesetzt werden. Entscheidend war
für
sie der Wunsch, für sich und ihren Sohn eine angenehme
Existenzgrundlage
zu erhalten. Der Umstand, daß auch die Sorge um das Wohl des
Kindes Bestandteil
ihrer Motivation war, verhindert auch die Annahme des Mordmerkmals
der 'sonstigen niedrigen Beweggründe'."
1. Die Verneinung des Mordmerkmals "Heimtücke" begegnet
rechtlichen
Bedenken.
Es kann dahinstehen, ob objektiv keine Heimtücke vorlag oder
ob - wie
die Staatsanwaltschaft meint -, ein heimtückisches Handeln des
L. gegeben ist,
weil der Nebenkläger in einen Hinterhalt gelockt wurde (vgl.
hierzu u.a. Tröndle/
Fischer StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 11 m.w.N.). Denn
für die rechtliche
Qualifizierung als versuchter Mord würde es genügen,
daß der Haupttäter L.
glaubte, heimtückisch zu handeln (vgl. u.a. BGHR StGB
§ 211 Abs. 2
Heimtücke 19).
Die Strafkammer hat aber die aufgrund des festgestellten
Geschehensablaufs gebotene Würdigung des Umstandes
unterlassen, daß L. -
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was durch Verbergen der Waffe in der Jacke belegt ist - ersichtlich
nach wie
vor davon ausging, der Geschädigte rechne nicht mit einem
Angriff gegen sich,
und daß er dies zur Begehung seiner Tat ausnützen
wollte.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß die
Strafkammer unter
Beachtung dieser Grundsätze bei L. zur Annahme eines versuchten
Heimtückemordes gelangt wäre. Es kann weiter nicht
ausgeschlossen werden,
daß die Angeklagte den entsprechenden Anstiftervorsatz hatte.
Dieser muß die
fremde Haupttat nicht in allen Einzelheiten, sondern nur in ihren
Hauptmerkmalen erfassen. Ob entsprechende Merkmale der Tat dem
Anstiftervorsatz zuzurechnen sind, hängt davon ab, ob die
Rahmenvorstellung
des Anstifters vom nachfolgenden Tatgeschehen dies umfaßt
(vgl. u.a. BGH
NStZ 1996, 434, 435). Da die Angeklagte den Nebenkläger unter
Verschleierungsmaßnahmen zum Tatort Kiew gelockt hatte, liegt
nicht fern,
daß sie den L. vorsätzlich zu einer
heimtückischen Tötung des Nebenklägers
bestimmt hat.
2. Auch die Ablehnung des Mordmerkmals "Habgier"
läßt Rechtsfehler
erkennen.
Der Tatrichter stellt zur Verneinung einer "Habgier"
ausschließlich auf
die Angeklagte ab, die aber nicht als Täterin, sondern als
Anstifterin verurteilt
wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zum
Verhältnis des § 211 StGB zu § 212 StGB
(vgl. u.a. BGHSt 22, 375; vgl. dazu
auch Tröndle/Fischer StGB § 211 Rdn. 4 und 40 jeweils
m.w.N.) kommt es für
die Bejahung des täterbezogenen Mordmerkmals der Habgier auf
die Person
des Haupttäters und nicht auf den Teilnehmer an. Für
letzteren sind seine
Vorstellungen und Kenntnisse von der Motivation des
Haupttäters maßgebend.
Das Landgericht hätte deshalb prüfen müssen,
ob der Haupttäter L. habgierig
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handelte und die Angeklagte dies wußte. Das lag hier nahe.
Denn die Tat eines
für Geld gedungenen "Mörders" stellt sich
regelmäßig als eine typische
Erscheinungsform der Tötung aus Habgier dar (vgl. dazu BGHR
StGB § 211
Abs. 2 - Habgier 1 m.w.N.). Die Angeklagte, die zum
Nebenkläger einmal gesagt
hat, sie kenne einen Mann, der für Geld Leute beseitige (UA S.
101), hat
nach eigenen Angaben (UA S. 40) "eine finanzielle Belohnung nach
Erledigung
des Auftrags zugesagt". Die Einlassung der Angeklagten, L. habe die Tat
nur
aus Freundschaft zu O. begehen wollen (UA S. 44), hat sie
anschließend dahin
korrigiert, "der Mann, der nach Kiew gefahren sei, habe etwas
dafür haben
wollen, daß er den Auftrag übernommen habe" (UA S.
45).
3. Im übrigen drängten schon die bisherigen
Feststellungen zur Erörterung
einer Mittäterschaft der Angeklagten. Die Abgrenzung von (Mit-)
Täterschaft zur Anstiftung hat der Tatrichter in wertender
Betrachtung der Gesamtumstände
vorzunehmen (vgl. hierzu u.a. BGHSt 37, 289, 291; BGH, Urt.
vom 12. Dezember 1995 - 1 StR 571/95). Da der Tatrichter nach den
Urteilsgründen
die Abgrenzungsfrage nicht bedacht hat, fehlen bereits Feststellungen
zu bedeutsamen Umständen. Der Tatrichter hat zum Beispiel
offen gelassen,
ob die Angeklagte den geplanten Tatablauf in Kiew kannte und ob sie
jemals
selbst Kontakt mit L. hatte. Entsprechende Feststellungen wird der neue
Tatrichter
zu treffen und dann die gebotene Wertung vorzunehmen haben. Er wird
hierbei zu beachten haben, daß Mittäterschaft auch
bei Tatbeiträgen nur im
Vorfeld der Tatausführung in Betracht kommen kann.
4. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des
Urteils. Dies
gilt auch hinsichtlich der - für sich rechtsfehlerfrei
festgestellten - gefährlichen
Körperverletzung, die mit dem versuchten
Tötungsdelikt in Tateinheit steht (vgl.
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BGH, Beschl. vom 11. Februar 2003 - 4 StR 25/03; auch BGHR StPO
§ 353
Aufhebung 1).
Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von
den Rechtsfehlern
jedoch nicht berührt und können daher bestehen
bleiben. Ergänzende,
nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind möglich.
5. Im Hinblick auf die Nähe zur Tatvollendung ist im
übrigen auch rechtlich
bedenklich, daß der Tatrichter ohne jede Begründung
von der Möglichkeit,
wegen Versuch zu mildern (§§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1
StGB), Gebrauch gemacht
hat (UA S. 118).
6. In Anbetracht des bisherigen Verfahrensganges hat der Senat die Sache
- im Umfang der Aufhebung - an eine Schwurgerichtskammer eines anderen
Landgerichts zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 Satz 1
StPO).
IV. Revision der Angeklagten:
Die Revision der Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Die Sachrüge
und die
Verfahrensrügen A II bis A VI der
Revisionsbegründungsschrift vom
9. Dezember 2002 sind unbegründet. Insoweit wird auf die
zutreffenden Ausführungen
des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 2. April
2003 Bezug genommen.
Einer Erörterung bedarf aber die Verfahrensrüge A I,
mit der beanstandet
wird, § 338 Nr. 2 StPO sei verletzt, weil an der Entscheidung
Richter mitgewirkt
hätten, die von der Ausübung des Richteramtes kraft
Gesetzes ausgeschlossen
gewesen seien.
1. Dieser Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
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Gegen den Zeugen O. lief parallel zur hiesigen Sache ein eigenes
Verfahren
zum nämlichen Sachverhalt. Die Vorsitzende Richterin (Fi.) im
Verfahren
gegen O. und der Beisitzer W. im dortigen Verfahren waren als Beisitzer
im
hiesigen Verfahren tätig. Da O. in der hiesigen
Hauptverhandlung die Aussage
unter Berufung auf § 55 StPO verweigerte, sollte Beweis
erhoben werden darüber,
wie sich O. im eigenen Verfahren als Angeklagter eingelassen hatte.
Hierzu wurde am 30. Verhandlungstag der zweite berufsrichterliche
Beisitzer
(Fa.) des Verfahrens gegen O. als Zeuge vernommen. Am 31.
Verhandlungstag
beantragte die Verteidigung die Vernehmung der beiden beisitzenden
Berufsrichter
(Fi. und W.), des Rechtsanwalts D. sowie des Staatsanwalts Fr. als
Zeugen bezüglich der Einlassung des O. In dem Beweisantrag
wurde u.a. als
Behauptung unter Beweis gestellt, O. habe sich in seinem Verfahren dahin
eingelassen, daß "er Frau P. angeboten habe, als diese sich
über ihren
Ehemann beklagte, sich ihrem Ehemann als neuen russischen Freund
vorzustellen
und Frau P. es abgelehnt habe." Zur Begründung wurde auch
angeführt, daß der Zeuge Fa. sich daran nicht mehr
erinnern konnte und daß
die beiden beisitzenden Richter (Fi. und W.) in der Lage seien, "die
Aussage
des gesondert verfolgten O. vollständig zu erinnern und die
unter Beweis gestellte
Tatsache zu bestätigen." Rechtsanwalt D. berief sich auf seine
anwaltliche
Schweigepflicht; Staatsanwalt Fr. konnte sich erinnern und die
Beweisbehauptung
insoweit bestätigen, als O. bekundet habe, er habe zu Frau P.
gesagt, daß er zu ihr nach Hause kommen und ihren Mann
erschrecken
könne.
Auf Befragen erklärte die Verteidigerin, daß ihr
Beweisantrag damit nicht
erledigt sei, und sie auf der Vernehmung der benannten beisitzenden
Richter
bestehe. Beide Richter äußerten sich dahingehend
dienstlich, daß sie die im
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Beweisantrag aufgestellte Behauptung nicht bestätigen
können. Diese dienstlichen
Erklärungen wurden verlesen.
Nachdem hierzu keine Erklärungen abgegeben wurden, wies das
Gericht
durch Beschluß den Antrag auf Vernehmung der Zeugen Fi. und
W. ab.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antrag sei
insoweit unzulässig, "da die
Zeugen dienstlich erklärt haben, die aufgestellte Behauptung
nicht bestätigen
zu können. Soweit auf dem Antrag beharrt wird, offenbart dies,
daß der Antrag
nur den Zweck verfolgt, die als Zeugen benannten Richter auszuschalten
und
das Gericht an der Ausübung seines Amtes zu hindern."
Die Verteidigung beantragte daraufhin zum Beweisthema die Vernehmung
der Dolmetscherin des Verfahrens gegen O. Diese wurde vernommen.
Am 32. Verhandlungstag beantragte die Verteidigung zum Beweisthema die
Vernehmung der ehrenamtlichen Richter und des Protokollführers
des Verfahrens
gegen O. Diese wurden am 33. Verhandlungstag vernommen. Am
34. Verhandlungstag beantragte die Verteidigung festzustellen,
daß die beiden
Beisitzer Fi. und W. von der Ausübung des Richteramtes kraft
Gesetzes ausgeschlossen
seien (§ 22 Nr. 5 StPO). Die Richter hätten in ihren
dienstlichen
Erklärungen nicht lediglich erklärt, nichts sagen zu
können, sondern bekundet,
die Beweisbehauptung nicht bestätigen zu können. Dies
komme einer Zeugenvernehmung
gleich.
Dieser Antrag wurde durch Gerichtsbeschluß
zurückgewiesen, da die
Richter nicht zur Sache vernommen worden seien. Zur Begründung
wurde
weiter ausgeführt:
"Dienstliche Erklärungen der genannten Art, die sich zu der
Frage verhalten,
ob der als Zeuge benannte Richter die in sein Wissen gestellten Be-
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weisbehauptungen über Vorgänge aus einer
früheren Hauptverhandlung bestätigen
kann, erfüllen nicht ohne weiteres die Voraussetzungen einer
Zeugenaussage
im Sinne des § 22 Nr. 5 StPO. Soweit sie allein dem
Bedürfnis nach
Zurückweisung rechtsmißbräuchlicher
Zeugenbenennung erkennender Richter
Rechnung tragen, sind sie nicht dazu bestimmt, Gegenstand der
Beweiswürdigung
zu sein, sondern sie sollen lediglich der Vorbereitung einer
gerichtlichen
Entscheidung darüber dienen, ob über
Vorgänge, die für die Schuld- und
Straffrage von Bedeutung sein können, Beweis zu erheben ist.
Der Richter, der
eine solche Erklärung abgibt, gerät damit noch nicht
in die Zwangslage, seine
eigenen Angaben im Vergleich mit anderen Zeugenaussagen einer Bewertung
unterziehen zu müssen, so daß seine vom Gesetzgeber
mit der Regelung des
§ 22 Nr. 5 StPO angestrebte kritische Distanz erhalten bleibt
(BGH StV 2002,
294, 296). Es ist selbstverständlich, daß die Kammer
ihrem Urteil nur Kenntnisse
zugrundelegen darf, die im vorliegenden Verfahren
ordnungsgemäß erhoben
wurden."
2. Die Verfahrensweise des Landgerichts ist aus Rechtsgründen
nicht zu
beanstanden. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 2 StPO
liegt deshalb
nicht vor.
Bei dem angefochtenen Urteil hat kein ausgeschlossener Richter
mitgewirkt.
Die beiden berufsrichterlichen Beisitzer wurden in der Sache nicht als
Zeugen vernommen. Die dienstlichen Erklärungen (vgl. hierzu
auch BGHSt 44,
4 ff.) sind keine Zeugenaussagen im Sinne des § 22 Nr. 5 StPO.
Es kann dahinstehen, ob dem Generalbundesanwalt darin zu folgen ist,
die Berufsrichter wollten mit ihren dienstlichen Erklärungen
lediglich zum Ausdruck
bringen, daß sie sich an die Beweisbehauptung nicht erinnern
und sie
deshalb nicht bestätigen können. Denn selbst wenn man
die dienstlichen Erklä-
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rungen dahin versteht, daß die beiden Richter sich daran
erinnern, aber gerade
deshalb das Beweisthema nicht bestätigen konnten,
führt dies hier nicht dazu,
daß deswegen von einer Zeugenvernehmung im Sinne des
§ 22 Nr. 5 StPO
auszugehen ist.
Der Richterausschluß kraft Gesetzes ist an
abschließend aufgezählte
Tatbestände geknüpft, denen objektivierbare Tatsachen
und Vorgänge zugrundeliegen,
die jederzeit zuverlässig und eindeutig nachprüfbar
sind (vgl. BVerf-
GE 46, 34, 37). Diese auch als Konkretisierung des
verfassungsrechtlichen
Grundsatzes des gesetzlichen Richters zu verstehenden Vorschriften sind
eng
auszulegen (vgl. u.a. BGHSt 44, 4, 7). § 22 Nr. 5 StPO setzt
voraus, daß der
Richter in der Sache als Zeuge vernommen ist. Eine Zeugenvernehmung im
Sinne des § 22 Nr. 5 StPO erfordert allerdings nicht stets
eine persönliche Anhörung
durch ein Organ der Rechtspflege; es kommen auch schriftliche
Erklärungen
in Betracht. Dienstliche Erklärungen sind jedoch nicht ohne
weiteres
solchen schriftlichen Zeugenerklärungen gleichzusetzen.
Diejenigen dienstlichen
Erklärungen eines Richters, die nicht dazu bestimmt sind,
Gegenstand
der Beweiswürdigung zu sein, sondern sich lediglich zu
prozessual erheblichen
Vorgängen und Zuständen verhalten, etwa wenn sie der
freibeweislichen Aufklärung
der Frage dienen, ob ein Richter überhaupt als Zeuge zu den in
sein
Wissen gestellten Tatsachen in Betracht kommt, führen nicht
zum Richterausschluß
nach § 22 Nr. 5 StPO (BGH a.a.O.).
Der Verfahrensgang belegt hier, daß die dienstlichen
Erklärungen nur
der Vorbereitung der Entscheidung der Frage dienten, ob die beiden
berufsrichterlichen
Beisitzer als Zeugen vernommen werden sollten oder ob mit dem
Beweisantrag prozeßfremde Zwecke verfolgt wurden.
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Beweisanträge, mit denen prozeßfremde Ziele verfolgt
werden, sind gemäß
§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO als unzulässig zu verwerfen.
Ein prozeßfremdes
Ziel wird auch dann verfolgt, wenn ein erkennender Richter durch
Benennung
als Zeuge ausgeschaltet werden soll, obwohl in Wirklichkeit keine
Sachaufklärung
erstrebt wird (vgl. hierzu u.a. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1
Unzulässigkeit
4, 9; BGHSt 7, 330, 331; 44, 4 ff.; 45, 354, 362; BGH StV 2002, 294,
296; zur Problematik insgesamt auch Rissing-van Saan MDR 1993, 310).
Ein deutliches Indiz für diesen sachfremden Zweck ist das
Beharren auf
einer Zeugenvernehmung, wenn der als Zeuge benannte Richter bereits
dienstlich erklärt hat, daß er die Behauptung,
für die er als Zeuge benannt
wurde, nicht bestätigen könne (vgl. u.a. BGHSt 7,
330, 331; BGHR StPO § 244
Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 4). Es ist unerheblich, ob er die
Behauptung nicht
bestätigen kann, weil er sich nicht mehr erinnert oder weil er
das Gegenteil der
Behauptung in Erinnerung hat (vgl. hierzu auch BGH StV 2002, 294, 296
und
2003, 315).
Ein Beweisantrag ist darauf gerichtet, daß ein Zeuge eine
bestimmte
Tatsache bekundet. Wenn nun der als Zeuge benannte Richter dienstlich
erklärt,
daß er die Beweisbehauptung nicht bestätigen
könne, und gleichwohl der
Antragsteller mit der Behauptung, der Zeuge werde das Beweisthema
bestätigen,
auf der Zeugenvernehmung des erkennenden Richters beharrt, legt ein
solches Vorgehen nahe, daß prozeßfremde Zwecke
verfolgt werden.
Bei der gegebenen Sachlage konnte das Landgericht davon ausgehen,
daß der Verteidigung bewußt war, daß die
beantragte weitere Beweiserhebung
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine anderen
Erkenntnisse
erbringen würde und daß der aufrechterhaltene
Beweisantrag nur noch der
Verfahrensverzögerung diente (vgl. BGH StV 2003, 315). Allein
noch nicht ge-
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klärt war nämlich die behauptete Bekundung des O., er
habe angeboten, sich
als neuer russischer Freund der Angeklagten vorzustellen. Die
Zurückweisung
des Antrags als unzulässig durch das Landgericht war daher
rechtlich nicht zu
beanstanden.
Die Vorgehensweise der Kammer belegt zugleich, daß sie sich
von
vornherein der Problematik bewußt war, und daß
deshalb die dienstlichen Erklärungen
nicht als Zeugenaussagen über Tatsachen und Vorgänge
zur
Schuld- und Straffrage dienen, sondern nur im Freibeweisverfahren die
Entscheidung
vorbereiten sollten, ob mit dem Beweisantrag Sachaufklärung
erstrebt
wird oder lediglich prozeßfremde Zwecke verfolgt werden. Eine
Bestätigung
findet dies im Gerichtsbeschluß vom 34. Verhandlungstag, mit
dem der
Antrag auf Feststellung, daß die beiden Berufsrichter
ausgeschlossen seien,
zurückgewiesen wurde. Das bringt das Gericht unter Bezugnahme
auf BGH
StV 2002, 294 ff. eindeutig zum Ausdruck.
3. Eine Verletzung des § 261 StPO in Verbindung mit §
250 StPO liegt
ebenfalls nicht vor.
Äußert sich ein erkennender Richter in einer
dienstlichen Erklärung über
Wahrnehmungen, die er in einer früheren Hauptverhandlung
gemacht hat, darf
der Inhalt der dienstlichen Erklärung nicht für die
Beurteilung der Schuld- und
Straffrage im Rahmen der Beweiswürdigung verwertet werden
(vgl. BGH StV
2002, 294). Das ist hier aber nicht der Fall. Das Landgericht hat sich
darauf
beschränkt, in den dienstlichen Erklärungen einen
Anknüpfungspunkt für die
Verfolgung prozeßfremder Zwecke durch die Verteidigung zu
sehen. Ausweislich
der schriftlichen Urteilsgründe wurde der Inhalt der
dienstlichen Erklärungen
nicht verwertet, wie im Kammerbeschluß vom 34.
Verhandlungstag bereits
angekündigt worden war.
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Rissing-van Saan Detter Bode
Rothfuß Fischer |