BGH,
Urt. v. 16.7.2009 - 3 StR 148/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 148/09
vom
16. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.
a.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16.
Juli 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
der Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Mayer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Y. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
1. Auf die Revision des Angeklagten Y. wird das Urteil des Landgerichts
Hannover vom 4. September 2008, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch
über die Gesamtfreiheitsstrafen mit den zugehörigen
Feststellungen und mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine
nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die
Gesamtstrafenbildung sowie über die Kosten des Rechtsmittels
nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das vorbezeichnete Urteil,
soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in zwei Fällen (Taten 3 und 6 der
Urteilsgründe) wegen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurde;
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Auf die Revision des Angeklagten M. wird das vorbezeichnete Urteil,
soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
in Tateinheit mit Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge (Tat 5 der Urteilsgrün-
- 4 -
de) sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in drei weiteren Fällen verurteilt wird;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe für die Tat 5
der Urteilsgründe sowie über die
Gesamtfreiheitsstrafe mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete
Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) bezüglich des Angeklagten Y. im Ausspruch über die
Gesamtfreiheitsstrafen;
b) bezüglich aller Angeklagter im Ausspruch über die
Entschädigung für eine rechtsstaatswidrige
Verfahrensverzögerung.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die
den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen,
hinsichtlich des Angeklagten Y. mit der Maßgabe, dass eine
nachträgliche gerichtliche Entscheidung nach
§§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
- 5 -
5. Die weitergehenden Revisionen aller Beschwerdeführer werden
verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten Y. wegen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei
Fällen unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von sechs
Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 26. Mai 2004 zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten sowie wegen
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit
mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und
wegen unerlaubten Besitzes von Patronenmunition für
Schusswaffen mit gezogenen Läufen unter Einbeziehung der
Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten aus dem Urteil des
Landgerichts Hannover vom 21. Dezember 2007 unter Auflösung
der dort nachträglich mit der Strafe aus dem Urteil des
Amtsgerichts Hamm gebildeten Gesamtstrafe zu einer weiteren
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten
verurteilt. Im Hinblick auf eine rechtsstaatswidrige
Verfahrensverzögerung hat es von beiden Strafen jeweils sechs
Monate als vollstreckt erklärt.
1
Den Angeklagten K. hat es wegen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf
Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen
unerlaubten Erwerbs in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer
halbautomatischen Selbstladepistole sowie mit unerlaubtem Besitz von
Patronenmunition für Schusswaffen mit gezogenen
Läufen zu einer Gesamtstrafe von sieben Jahren
2
- 6 -
und neun Monaten verurteilt. Im Hinblick auf eine rechtsstaatswidrige
Verfahrensverzögerung hat es davon ein Jahr als vollstreckt
erklärt.
Den Angeklagten M. hat es wegen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in vier Fällen, davon in einem Fall
in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge zu einer Gesamtstrafe von vier Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Im Hinblick auf eine rechtsstaatswidrige
Verfahrensverzögerung hat es hiervon ein Jahr als vollstreckt
erklärt.
3
Die Revision des Angeklagten Y. rügt die Verletzung
materiellen Rechts. Mit Einzelausführungen wendet sie sich
gegen die Beweiswürdigung, hält den Zweifelssatz
für verletzt, beanstandet die Verurteilung wegen des
Waffendelikts und rügt eine fehlerhafte Gesamtstrafenbildung.
4
Die Revision des Angeklagten K. rügt die Verletzung
materiellen Rechts. Mit Einzelausführungen beanstandet sie das
Urteil hinsichtlich der Zahl der abgeurteilten Taten als
widersprüchlich und hält in den Fällen 3, 5
und 6 der Urteilsgründe die Feststellungen nicht für
ausreichend, um den Schuldspruch zu tragen.
5
Die Revision des Angeklagten M. erhebt die allgemeine Sachrüge.
6
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf sachlichrechtliche
Beanstandungen gestützten Revision ausschließlich
dagegen, dass die Angeklagten in drei Fällen (Fälle
3, 5 und 6 der Urteilsgründe) nicht wegen
bandenmäßig begangenen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln verurteilt worden sind, sowie gegen die
Gesamtstrafen, hinsichtlich des Angeklagten Y. aber nur ge-
7
- 7 -
gen die zweite Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun
Monaten. Außerdem beanstandet sie die Feststellungen zu einer
rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung und die
dafür vorgenommenen Kompensationen.
I. Die Revision des Angeklagten Y.
8
Die Revision hat nur den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen
Teilerfolg.
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1. Der Schuldspruch enthält keinen durchgreifenden
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Auf der Grundlage einer
Beweiswürdigung, die den Maßstäben
revisionsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. BGH NJW 2005, 2322,
2326) standhält, hat das Landgericht ausreichende, den
jeweiligen Schuldspruch tragende Feststellungen getroffen. Dies gilt -
entgegen dem Bedenken des Generalbundesanwalts - auch für die
Tat 8. Den unerlaubten Besitz des Angeklagten an einem Einsteckmagazin
für Selbstladepistolen des Modells 08 mit 6 Patronen, Kaliber
9 mm, sowie an einer weiteren Patrone desselben Kalibers hat das
Landgericht hinreichend festgestellt. Die Munition wurde bei der
Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten "in einer Jacke" gefunden. Mit
der theoretischen Möglichkeit, es könnte sich dabei
um ein nicht dem Angeklagten gehörendes
Kleidungsstück handeln, musste sich das Landgericht im Rahmen
der Beweiswürdigung nicht auseinandersetzen; denn der
Angeklagte war wenige Monate zuvor wegen einschlägiger Taten
(er bewahrte u. a. eine Pistole Mauser P 08 und entsprechende Patronen
in seiner Wohnung auf) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.
10
Auch die Annahme von Tatmehrheit zwischen den Taten 1 und 2
hält rechtlicher Prüfung stand. Nach den
Feststellungen zahlten die Angeklagten
11
- 8 -
Y. und K. das im Fall 1 erworbene Heroin bei dem Zeugen Yi. und
bestellten bei der Geldübergabe weitere
Betäubungsmittel, die ihnen zwei Wochen später
geliefert werden sollten. Die Bestellung weiterer
Betäubungsmittel anlässlich der Bezahlung zuvor
gelieferter Betäubungsmittel verbindet die beiden
Handelsgeschäfte nicht zu einer Tat im Rechtssinn. Allein ein
Handeln am selben Ort und zur selben Zeit begründet im
Allgemeinen keine Tateinheit im Sinne einer natürlichen
Handlungseinheit; erforderlich ist grundsätzlich vielmehr die
(Teil)Identität der objektiven Ausführungshandlungen
(vgl. Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. § 52 Rdn. 20 m. w. N.).
Daran fehlt es hier. Die Bezahlung der Erstlieferung und die Bestellung
der Zweitlieferung sind gesonderte Handlungen, die je nur für
die einzelne Lieferung das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln erfüllen. Schon deswegen
unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von
Konstellationen, in denen in der Rechtsprechung Tateinheit infolge
eines Zusammenfallens von Zahlungsvorgängen für
mehrere Betäubungsmittelkäufe angenommen worden ist
(vgl. BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 29; § 29 Abs. 1
Nr. 3 Konkurrenzen 5; ebenso BGH, Beschl. vom 17. Oktober 2007 - 2 StR
376/07 m. w. N. und Beschl. vom 9. Januar 2008 - 2 StR 527/07; zu den
Bedenken hiergegen vgl. BGH NStZ 2009, 392).
Im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen
in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts.
12
2. Mit Recht beanstandet die Revision jedoch, dass die
Gesamtstrafenbildung des Landgerichts fehlerhaft ist. Die Strafkammer
hat dem Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 26. Mai 2004
"Zäsurwirkung" beigemessen und aus den Strafen für
die (verfahrensgegenständlichen) Taten 1 und 2 und der Strafe
für die durch das Amtsgericht Hamm abgeurteilte Tat eine
Gesamtstrafe gebil-
13
- 9 -
det. Daneben hat sie aus den Strafen für die weiteren Taten 3
bis 6 sowie 8 und aus der Strafe für eine vom Landgericht
Hannover mit Urteil vom 21. Dezember 2007 abgeurteilte Tat eine zweite
Gesamtstrafe gebildet. Dies hält rechtlicher
Nachprüfung nicht stand, weil die Taten 1 und 2, die sich aus
einer "im Sommer 2004" entstandenen Bekanntschaft des Angeklagten mit
dem Zeugen C. entwickelten (UA S. 14), erkennbar nach dem 26. Mai 2004
begangen worden sind. Das Urteil des Amtsgerichts Hamm bleibt deshalb
für die Gesamtstrafenbildung aus den Einzelstrafen
für die hier verfahrensgegenständlichen Taten ohne
Bedeutung. Weder die Einzelstrafe von sechs Monaten aus diesem Urteil
noch die für ein im Februar/März 2004 begangenes
Betäubungsmitteldelikt vom Landgericht Hannover im Urteil von
21. Dezember 2007 verhängte Einzelstrafe von drei Jahren und
drei Monaten waren mit einer der hier abgeurteilten Taten
gesamtstrafenfähig.
Zudem hat es das Landgericht unterlassen, den Vollstreckungsstand
hinsichtlich des Urteils des Amtsgerichts Hannover vom 7. Dezember 2005
festzustellen, durch das der Angeklagte wegen eines Ende Oktober 2005
begangenen Waffendelikts zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und
acht Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung auf die Dauer
von drei Jahren verurteilt worden ist. Es kann nicht ausgeschlossen
werden, dass die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit
erlassen worden ist. Für diesen Fall würde dieses
Urteil keine Zäsurwirkung mehr entfalten, so dass aus
sämtlichen gegen den Angeklagten festgesetzten Einzelstrafen
in vorliegender Sache nur eine Gesamtstrafe zu bilden wäre.
Damit ist der Angeklagte durch die fehlenden Feststellungen im
angefochtenen Urteil beschwert. Die Gesamtstrafenbildung muss erneut
vorgenommen werden.
14
- 10 -
Sollte der neue Tatrichter feststellen, dass die Strafe aus dem Urteil
des Amtsgerichts Hannover vom 7. Dezember 2005 am 4. September 2008
(bei Zurückverweisung kommt es auf den Zeitpunkt des ersten
Urteils an, vgl. BGH NStZ 2009, 263 m. w. N.) noch nicht erledigt war,
so wird er aus der Strafe dieses Urteils und den hier für die
Taten 1 und 2 verhängten Einzelstrafen nachträglich
eine Gesamtstrafe zu bilden haben.
15
Die Entscheidung über die neue Gesamtstrafe kann im
Beschlussverfahren nach den §§ 460, 462 StPO
getroffen werden (§ 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO). Dabei ist auch
über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden. Eine
Entscheidung hierüber durch den Senat kommt nicht in Betracht,
da der Erfolg des Rechtsmittels im Einzelnen derzeit nicht absehbar ist.
16
II. Die Revision des Angeklagten K.
17
Die Revision hat nur den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen
Teilerfolg.
18
1. Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die
Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen,
also das Tatgeschehen mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der
Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung
aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch
der dazugehörigen inneren Tatsachen in so
vollständiger Weise geschehen, dass in den konkret
angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt
werden kann (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1
Sachdarstellung 4 und 7). Nur dann kann das Revisionsgericht auf die
Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen
Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet
19
- 11 -
worden ist (§ 337 Abs. 2 StPO; vgl. BGH, Urt. vom 12. Mai 2009
- 1 StR 718/08 - juris).
Nach diesen Maßstäben hält die Verurteilung
des Angeklagten hinsichtlich der Taten 3 und 6 rechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
20
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts zur Tat 3 hatten die
Angeklagten Y. und M. beschlossen, Marihuana im Kilobereich zu
erwerben, um es sodann gewinnbringend weiterzuverkaufen. Der Angeklagte
Y. fuhr in die Niederlande, erwarb dem Tatplan entsprechend 4 kg
Marihuana und brachte sie nach Hannover in ein Hotel, wo er von M.
erwartet wurde, der sodann zwei Kilo des Betäubungsmittels
übernahm. Danach bat der Angeklagte Y. den Angeklagten K. in
das Hotel. "Dort informierte Y. den K. von dem Kauf." Der gesondert
verfolgte N. verkaufte später die anderen beiden Kilo
Marihuana "für die Angeklagten Y. und K. " (UA S. 19).
21
Damit ist eine aktive Mitwirkung des Angeklagten an dem
Betäubungsmittelgeschäft der Mitangeklagten nicht
belegt. Festgestellt ist allein die nachträglich erlangte
Kenntnis des Angeklagten von der Betäubungsmitteleinfuhr. Was
zu dem Verkauf "für" (auch) den Angeklagten K.
geführt hat, bleibt offen. Wenn sich das tatrichterliche
Urteil fehlerhaft auf die Mitteilung von Indiztatsachen
beschränkt, kann es nicht die Aufgabe des Revisionsgerichts
sein, aus diesen eigene Schlüsse zu ziehen und die
erforderlichen Feststellungen selbst zu treffen.
22
b) Auch bezüglich der Tat 6 fehlt es, worauf der
Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, an einer Feststellung,
die eine strafbare Beteiligung
23
- 12 -
des Angeklagten K. an dem mit der VP "R. " angebahnten Handel der
Mitangeklagten mit 70 kg Haschisch belegen könnte. Der
Umstand, dass die Mitangeklagten ihrem Geschäftspartner
gegenüber den geforderten Preis mit der Behauptung zu
rechtfertigen suchten, sie müssten auch den Angeklagten "an
dem Gewinn beteiligen", was sie auch von vorneherein vorhatten, reicht
hierfür nicht aus. Zudem hat das Landgericht
ausdrücklich festgestellt, dass der Angeklagte K. "mit dem
geplanten Haschischgeschäft nichts zu tun hatte" (UA S. 21,
56).
2. Die Aufhebung des Urteils in diesen beiden Fällen
führt zur Aufhebung der gegen den Angeklagten erkannten
Gesamtstrafe. Die übrigen Einzelstrafen können
bestehen bleiben. Es ist auszuschließen, dass deren
Höhe von der Verurteilung des Angeklagten in den
Fällen 3 und 6 beeinflusst ist.
24
3. Im Übrigen hat die Revision keinen durchgreifenden
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgezeigt. Zwischen den
Taten 1 und 2 hat das Landgericht zutreffend Tatmehrheit angenommen
(vgl. oben I. 1.). Soweit es dem Angeklagten in der rechtlichen
Würdigung auch die Tat 4 zugerechnet hat, handelt es sich
erkennbar um einen Schreibfehler. Der Angeklagte ist für diese
Tat weder verurteilt, noch ist für diese Tat eine Strafe
festgesetzt worden.
25
III. Die Revision des Angeklagten M.
26
Die Revision hat nur den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen
Teilerfolg.
27
1. Im Fall 5 der Urteilsgründe hält die Verurteilung
des Angeklagten wegen täterschaftlich begangener Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer
28
- 13 -
Menge rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach den
Feststellungen planten die Angeklagten Y. und K. , Kokain in den
Niederlanden zu erwerben, mit einem Auto nach Deutschland zu verbringen
und gewinnbringend weiterzuverkaufen. Der Angeklagte M. besorgte auf
ihre Bitten hin den P. als Fahrer. Als P. ohne
Betäubungsmittel zurückkam, nahm der Angeklagte den
Wagen entgegen und brachte ihn sodann zum Angeklagten K. , der
daraufhin seinerseits mit dem Auto in die Niederlande fuhr, dort
gemeinsam mit Y. 500 g Kokain erwarb und dies zwei Tage später
nach Deutschland verbrachte. Danach traf sich der Angeklagte M. mit den
beiden. Telefonisch kontaktierten sie potentielle Abnehmer, um das
Rauschgift zu verkaufen.
Diese Feststellungen belegen noch ausreichend die
Mittäterschaft des Angeklagten M. am Handeltreiben, nicht aber
an der Einfuhr der Betäubungsmittel. Zwar verlangt der
Tatbestand kein eigenhändiges Verbringen des Rauschgifts
über die Grenze. Mittäter kann auch der sein, der
Betäubungsmittel von anderen Personen transportieren
lässt. So lag es hier jedoch nicht. Alle
maßgeblichen Schritte zur Organisation und
Durchführung der Einfuhrfahrt nahmen die beiden Mitangeklagten
vor. Demgegenüber war der Beitrag des Angeklagten zur
Förderung der Tat von nur untergeordneter Bedeutung. Eine
Tatherrschaft hatte er im Hinblick auf den Einfuhrvorgang nicht.
29
2. Der Senat hat, da weitergehende Feststellungen in diesem Fall nicht
mehr zu erwarten sind, den Schuldspruch auf tateinheitlich zum
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
stehende Beihilfe zu deren Einfuhr umgestellt. § 265 StPO
steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte, der die Tat
bestritten hat, gegen diesen Vorwurf nicht anders hätte
verteidigen können.
30
- 14 -
Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der
für diesen Fall verhängten Einzelstrafe und der
Gesamtstrafe.
31
3. Der Schuldspruch gibt zum Vorteil des Angeklagten nicht wieder, dass
der Angeklagte nach den Feststellungen jeweils mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben
hat. Der Senat hat deshalb (wie schon im Fall 5) den Schuldspruch
bezüglich der weiteren Taten des Angeklagten entsprechend
geändert.
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4. Im Übrigen hat die Revision keinen durchgreifenden
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgezeigt.
33
IV. Die Revision der Staatsanwaltschaft
34
1. Die Beschränkung der Revision auf die zweite
Gesamtfreiheitsstrafe erweist sich als unwirksam, weil die von der
Staatsanwaltschaft erstrebte Aufhebung des Urteils hinsichtlich der
Taten 3, 5 und 6 auch den Bestand der ersten Gesamtfreiheitsstrafe
berührt; denn wegen der unter I. 2. aufgezeigten Fehler des
angegriffenen Urteils bei der Bildung der Gesamtstrafen könnte
im Fall der von der Staatsanwaltschaft erstrebten Aufhebung der zweiten
Gesamtfreiheitsstrafe eine zutreffende neue Gesamtstrafenbildung nicht
ohne Mitberücksichtigung der Einzelstrafen für die
Taten 1 und 2 der Urteilsgründe sowie (gegebenenfalls) der
Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 7. Dezember 2005
vorgenommen werden. Angefochten ist damit auch die vom Landgericht
gebildete erste Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten.
35
- 15 -
Mit diesem Anfechtungsumfang hat die Revision den aus der
Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
36
2. Das Rechtsmittel greift nicht durch, soweit es beanstandet, das
Landgericht habe sich rechtsfehlerhaft nicht davon zu
überzeugen vermocht, dass die Angeklagten die Taten 3, 5 und 6
als Mitglieder einer Bande begangen hätten.
37
Das Landgericht hat bezogen auf die Taten 5 und 6 im Einzelnen
dargelegt (UA S. 56), warum es einen Zusammenschluss der Angeklagten zu
einer Bande nicht festzustellen vermochte. Der Maßstab
revisionsgerichtlicher Überprüfung der
tatrichterlichen Beweiswürdigung ist in den Fällen,
in denen sich der Tatrichter nicht vom Vorliegen eines Umstands
überzeugen kann, kein anderer als in den Fällen, in
denen er die erforderliche Überzeugung gewonnen hat. Die von
der Beschwerdeführerin vorgebrachten Indizien hätten
einen Schluss auf einen bandenmäßigen
Zusammenschluss ermöglicht, das macht indes das
entgegengesetzte Ergebnis des Landgerichts nicht rechtsfehlerhaft.
Hinzu kommt, dass in den Fällen 3 und 6 eine Mitwirkung des
Angeklagten K. nicht belegt ist (vgl. oben II. 1.).
38
3. Der Gesamtstrafenausspruch betreffend den Angeklagten Y.
hält rechtlicher Überprüfung auch auf die
Revision der Staatsanwaltschaft nicht stand.
39
Die vom Landgericht ausgesprochenen beiden Gesamtstrafen erweisen sich
aus den unter I. 2. dargelegten Gründen auch zu Gunsten des
Angeklagten als rechtsfehlerhaft; denn war die Strafe aus dem Urteil
des Amtsgerichts Hannover vom 7. Dezember 2005 zum Zeitpunkt der
Verkündung der hier ange-
40
- 16 -
fochtenen Entscheidung noch nicht erledigt, so hätte unter
Einbeziehung dieser Strafe mit den Einzelstrafen für die Taten
1 und 2 eine gesonderte Gesamtstrafe gebildet werden müssen,
wodurch naheliegend die vom Amtsgericht Hannover bewilligte
Strafaussetzung zur Bewährung weggefallen wäre.
Zuletzt unterliegt die Gesamtstrafenbildung auf die Revision der
Staatsanwaltschaft auch wegen § 301 StPO der Aufhebung.
Über sie muss erneut entschieden werden.
41
4. Zutreffend beanstandet die Beschwerdeführerin hinsichtlich
aller Angeklagter auch die Entscheidung über die Kompensation
wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung. Das
Landgericht hat sich bei der Feststellung, ob und in welchem Umfang das
Verfahren nicht in dem durch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK gebotenen Umfang
betrieben worden ist, darauf beschränkt auszuführen,
dass das Verfahren bei der erforderlichen konzentrierten
Durchführung an zwei Hauptverhandlungstagen in der Woche
"schätzungsweise nach 6 Monaten Hauptverhandlung"
hätte abgeschlossen werden können.
Tatsächlich hat die Hauptverhandlung an 52 Tagen vom 20.
November 2006 bis zum 4. September 2008, also ein Jahr und neuneinhalb
Monate angedauert. Das Landgericht geht demnach von einer
Verfahrensverzögerung von einem Jahr und dreieinhalb Monaten
aus. Es hat hierfür zur Kompensation (vgl. BGHSt 52, 124 = NJW
2008, 860) jeweils ein Jahr Freiheitsstrafe (bei dem Angeklagten Y. in
der Form einer Kompensation von jeweils 6 Monaten hinsichtlich der
beiden Gesamtfreiheitsstrafen) für vollstreckt
erklärt.
42
a) Damit hat das Landgericht bereits den Umfang einer
Verfahrensverzögerung nicht rechtsfehlerfrei bestimmt. Hierzu
hat der Senat in seinem Urteil vom 18. Juni 2009 (3 StR 89/09 - juris)
ausgeführt:
43
- 17 -
"Der von der Strafkammer zu Grunde gelegte, rein rechnerische
Maßstab ist zur Feststellung einer rechtsstaatswidrigen
Verfahrensverzögerung und ihres Ausmaßes nicht
geeignet. Vielmehr beurteilt sich die Angemessenheit der Frist,
innerhalb derer über eine strafrechtliche Anklage gegen einen
- ggf. in Untersuchungshaft einsitzenden - Angeklagten verhandelt
werden muss und ein Urteil zu ergehen hat (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 2.
Halbs., Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK), nach den besonderen
Umständen des Einzelfalles, die in einer umfassenden
Gesamtwürdigung gegeneinander abgewogen werden
müssen. Zu berücksichtigen sind dabei namentlich der
durch die Verzögerungen der Justizorgane verursachte Zeitraum
der Verfahrensverlängerung, die Gesamtdauer des Verfahrens,
Umfang und Schwierigkeit des Verfahrensgegenstands, Art und Weise der
Ermittlungen sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des
schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen
besonderen Belastungen. Keine Berücksichtigung finden hingegen
Verfahrensverzögerungen, die der Beschuldigte selbst, sei es
auch durch zulässiges Prozessverhalten, verursacht hat (vgl.
BVerfG, Beschl. vom 10. März 2009 - 2 BvR 49/09;
Meyer-Goßner aaO [StPO 52. Aufl.] Art. 6 MRK Rdn. 7 a m. w.
N.). Nicht eingerechnet werden auch die Zeiträume, die bei
zeitlich angemessener Verfahrensgestaltung beansprucht werden durften
(vgl. BGH NStZ 2008, 478). Zu beachten ist ferner, dass eine
Verzögerung während eines einzelnen
Verfahrensabschnitts für sich allein keinen Verstoß
gegen das Beschleunigungsgebot begründet, wenn das
Strafverfahren insgesamt in angemessener Zeit abgeschlossen wurde (vgl.
BGH StraFo 2008, 513 m. w. N)."
44
Eine Auseinandersetzung mit diesen Umständen lässt
das angefochtene Urteil vermissen.
45
- 18 -
b) Zudem erweist sich der Umfang der Kompensation als rechtsfehlerhaft.
Hierzu hat der Senat in seiner vorbezeichneten Entscheidung
ausgeführt:
46
"Aber selbst bei Zugrundelegung der vom Landgericht angenommenen Dauer
einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung
könnte das Maß der Kompensation nach den
Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats
für Strafsachen des Bundesgerichtshofs keinen Bestand haben,
weil der in der Urteilsformel für vollstreckt
erklärte Teil der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe
rechtlich nicht mehr vertretbar ist. Zwar lassen sich allgemeine
Kriterien für die Festlegung der Entschädigung nicht
aufstellen; entscheidend sind stets wiederum die Umstände des
Einzelfalls, wie der Umfang der staatlich zu verantwortenden
Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der
Strafverfolgungsorgane sowie die Auswirkungen all dessen auf den
Angeklagten. Jedoch muss stets im Auge behalten werden, dass die
Verfahrensdauer als solche sowie die hiermit verbundenen besonderen
Belastungen des Angeklagten bereits mildernd in die Strafzumessung
eingeflossen sind und es daher in diesem Punkt der
Rechtsfolgenbestimmung nur noch um einen Ausgleich für die
rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Umstände geht (vgl.
BGH - GS - NJW 2008, 860, 866; BGH NStZ 2008, 527)."
47
Die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung wurde von der
Strafkammer mit (höchstens) einem Jahr und dreieinhalb Monaten
festgestellt: Durch die Anordnung, zu deren Entschädigung
seien von den Gesamtstrafen jeweils ein Jahr als vollstreckt anzusehen,
hat es die Kompensation nahezu in der Höhe des vom
Großen Senat für Strafsachen ausgeschlossenen
Maßstabs des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB bestimmt (BGHSt
52, 124, 146 f.). Das Landgericht hat den Angeklagten eine
Strafreduzierung zugebilligt, die zu einer Verkürzung der
verhängten Strafen in einem Umfang geführt hat, der
nahezu durch
48
- 19 -
Anrechnung einer der festgestellten Verfahrensverzögerung
entsprechenden inländischen Untersuchungshaft hätte
erreicht werden können. Damit hat es bei der Bemessung des als
vollstreckt geltenden Teils der Gesamtfreiheitsstrafen die Grenzen des
dem Tatrichter insoweit zustehenden Bewertungsspielraums in
rechtsfehlerhafter Weise überschritten (vgl. BGH NStZ 2008,
477).
c) Über die Kompensationen muss deshalb erneut entschieden
werden. Sollte dabei wiederum eine rechtsstaatswidrige
Verfahrensverzögerung festgestellt werden, so wird bei der
Kompensationsentscheidung zu bedenken sein, dass neben dem
Konventionsverstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK auch ein
solcher gegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. MRK in Betracht kommen
könnte (vgl. EGMR StV 2006, 474, 478; Urt. vom 26. Oktober
2006 - 65655/01 - juris; BGHSt 52, 124, 143; BGHR MRK Art. 6 Abs. 1
Satz 1 Verfahrensverzögerung 31; BGH StV 2008, 633, 634).
49
d) Die Entscheidung kann bezüglich des Angeklagten Y. zusammen
mit der erforderlichen Entscheidung über die
Gesamtstrafenbildung im Beschlussweg nach §§ 460, 462
StPO ergehen. Die dazu notwendigen Feststellungen können im
Freibeweis getroffen werden und erfordern keine erneute
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Hauptverhandlung. Auch andere Formen der Kompensation für
rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen - etwa
Verfahrenseinstellungen oder -beschränkungen nach
§§ 153, 153 a, 154, 154 a StPO (vgl. BGHSt 52, 124,
132 f.) - werden in Beschlussform vorgenommen.
Becker Pfister Sost-Scheible
Hubert Mayer |