BGH,
Urt. v. 16.11.2005 - 2 StR 296/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 296/05
vom
16.11.2005
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
16.11.2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Darmstadt vom 10. September 2004 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 34
Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubter
Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung
formellen und materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Der Schuldspruch hält rechtlicher
Überprüfung stand.
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1. Die den Schuldspruch betreffenden Verfahrensrügen (II. der
Revisi-onsbegründung vom 2.05.2005) sind aus den zutreffenden
Erwägungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom
15.07.2005 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2. Auch die Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten auf. Dies gilt insbesondere - entgegen der Auffassung
der Revision und des Generalbundesanwalts - für die Annahme
rechtlich selbständiger Taten für die Fälle
II.3. bis II.33. der Urteilsgründe.
Zu Fall II.3. hat die Strafkammer festgestellt, dass der Angeklagte
zusammen mit zwei anderen Personen Anfang des Jahres 2000 aus den
Niederlanden ca. 30 kg Haschisch und ca. 1 kg Kokain
eingeführt, in die Wohnung eines Bekannten verbracht und von
dort je nach Bedarf zum Zwecke des Weiterverkaufs abgeholt hat. Zu den
Fällen II.4. bis 33. teilt die Strafkammer mit, der Angeklagte
habe von Anfang März 2000 bis zum 2. August 2000 mindestens
alle fünf Tage, mithin in mindestens 30 Fällen
jeweils mindestens 50 g Kokain an T. verkauft.
Die Strafkammer hat die Frage der Bewertungseinheit für diese
Fälle nicht erörtert. Dies stellt unter den gegebenen
Umständen keinen Rechtsfehler dar. Der Zweifelsgrundsatz
gebietet es grundsätzlich nicht, eine einheitliche Tat im
Sinne einer Bewertungseinheit anzunehmen, wenn sich in der
Hauptverhandlung keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür
ergeben, dass mehrere Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln dieselbe Rauschgiftmenge betreffen (BGHR
StGB § 52 I in dubio pro reo 6; BtMG § 29
Bewertungseinheit 4, 5, 6, 8, 11, 12, 13). Konkret festgestellte
Einzelverkäufe sind nicht zur Tateinheit zusammenzufassen, nur
weil die nicht näher konkretisierte
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Möglichkeit besteht, dass die zugrunde liegenden Einzelmengen
ganz oder teilweise aus einem - als Gesamtmenge zum unerlaubten
Handeltreiben angeschafften - Verkaufsvorrat stammen könnten.
Angesichts des zeitlichen Abstands zwischen dem Erwerb des Kokains
(Anfang 2000) und den Verkäufen an T. (März bis 2.
August 2000) drängte es sich hier nicht auf, dass die
verkauften Einzelmengen noch aus der Erwerbstat von Anfang des Jahres
2000 stammen könnten. Der Angeklagte hat von der
zunächst bei dem Bekannten verwahrten Menge von 1 kg Kokain
bereits nach fünf bis sechs Tagen - wie die Zeugin B. bekundet
hat (UA S. 35) - ein halbes Kilogramm in die Wohnung der Zeugin
gebracht und vor ihren Augen abgewogen. Dieser Umstand könnte
dafür sprechen, dass diese Menge zum Verkauf an einen Abnehmer
gedacht war. Dass der Angeklagte auch sonst in dieser
Größenordnung verkauft hat, ergibt sich u.a. auch
aus den Feststellungen zu Fall II.37. (Verkauf von 400 g Kokain an
einen Abnehmer). Unter diesen Umständen fehlt es an
hinreichenden Anhaltspunkten, die es nahe legen, alle Verkäufe
an T. der von dem Angeklagten Anfang des Jahres erworbenen Gesamtmenge
oder einer oder mehreren anderen bestimmten Erwerbsgeschäften
im Sinne einer Bewertungseinheit zuzuordnen, so dass lediglich eine
willkürliche Zusammenfassung in Betracht käme. Eine
solche ist aber rechtlich nicht zulässig (BGH NStZ 1997, 137;
BGH NJW 2002, 1810).
II.
Der Strafausspruch ist aus Rechtsgründen ebenfalls nicht zu
beanstanden.
1. Die den Strafausspruch betreffenden Verfahrensrügen haben
keinen Erfolg. Der Generalbundesanwalt hat zutreffend
ausgeführt, dass die Rüge des Art. 6 Abs. 1 MRK
bereits unzulässig ist. Die Revision verschweigt, dass die
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Strafkammervorsitzende mit der weiträumigen Terminierung der
Hauptverhandlungstage entgegen ihrer ursprünglichen
Terminierungsabsicht und ihrem ernsthaften Bemühen um eine
engere Terminierung dem ausdrücklichen Wunsch der Verteidiger
folgte.
Auch die im Zusammenhang mit dieser Rüge erhobene, vom
Beschwerdeführer als "gemischt formellmateriellrechtlich"
bezeichnete weitere Rüge, mit der - unabhängig von
der Verletzung des Beschleunigungsgebots - die
Nichtberücksichtigung der extrem langen Hauptverhandlungsdauer
und der damit verbundenen Widrigkeiten der Untersuchungshaft
für den Angeklagten bei der Strafzumessung beanstandet wird,
greift nicht durch.
Die Revision trägt insoweit vor, dass sich die
Hauptverhandlung über zwei Jahre erstreckte. Dabei sei an den
insgesamt 91 Hauptverhandlungstagen an 57 Tagen (abzüglich
etwaiger Verhandlungspausen) maximal eine Stunde verhandelt worden. Der
Angeklagte habe die sitzungsfreie Zeit zwischen dem Transport von der
Justizvollzugsanstalt zum Landgericht gegen 7.00 Uhr morgens bis zum
Rücktransport zwischen 14.00 Uhr und 16.00 Uhr in der
Vorführzelle verbringen müssen, er habe deshalb am
Hofgang nicht teilnehmen können. Auch habe es in der
Vorführzelle weder Lesestoff noch Radio oder Fernsehen gegeben.
Die Rüge, mit der der Sache nach eine Verletzung des Art. 5
Abs. 3 MRK beanstandet wird, ist unzulässig, soweit es um
einen behaupteten Verfahrensverstoß geht. Die Revision
versäumt es, die Gründe für die vereinbarten
Kurztermine zu benennen. Diese beruhten jedenfalls teilweise auf einer
Vereinbarung aller Verfahrensbeteiligten.
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Die Rüge wäre zudem auch als materiell-rechtliche
Rüge unbegründet. Entgegen der Auffassung der
Revision und des Generalbundesanwalts - letzterer nur für die
Gesamtstrafenzumessung - handelt es sich bei den von der Revision
vorgetragenen Umständen nicht um einen bestimmenden
Strafzumessungsgrund im Sinne von § 267 Abs. 3 StPO, der der
Erörterung in den Urteilsgründen bedurfte. Zwar kann
aus dem Rechtsgedanken des § 51 Abs. 4 StGB gefolgert werden,
dass besonders schweren Haftbedingungen Rechnung zu tragen ist. Die von
der Revision geschilderten Umstände gehen aber nicht
über das hinaus, was im Rahmen der Untersuchungshaft
üblicherweise als zumutbar angesehen wird.
2. Auch bedurfte weder die noch im Rahmen des Üblichen
liegende Zeitdauer zwischen Tat und Aburteilung noch die
Verfahrensdauer als solche besonderer Erörterung. Die mit der
Verfahrensdauer verbundene psychische Belastung hat die Strafkammer mit
der ausdrücklich strafmildernd gewerteten "langen Dauer der
bereits erlittenen Untersuchungshaft" berücksichtigt. Die
Erörterung dieses Umstands nur bei den
Zumessungserwägungen zur Gesamtstrafe lässt nicht
besorgen, dass er bei der Bemessung der Einzelstrafen
übersehen wurde.
Rissing-van Saan Bode Otten
Rothfuß Roggenbuck |