BGH,
Urt. v. 16.11.2006 - 3 StR 139/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 139/06
vom
16.11.2006
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nur II. 1.)
Veröffentlichung: ja
___________________________________
StPO § 55 Abs. 1, § 238 Abs. 2
1. Liegt einer sachleitenden Anordnung des Vorsitzenden eine
strafprozessuale Regelung zugrunde, die ihm einen Beurteilungsspielraum
oder Ermessen eröffnet, so kann ein Verfahrensbeteiligter die
Revisionsrüge, die Maßnahme habe die Grenzen des
Beurteilungsspielraums bzw. Ermessens überschritten,
grundsätzlich nur dann zulässig erheben, wenn er in
der Hauptverhandlung von dem Rechtsbehelf nach § 238 Abs. 2
StPO Gebrauch gemacht hat.
2. Hat der Vorsitzende einem Zeugen unter Verletzung seines
Beurteilungsspielraums zu Unrecht ein Auskunftsverweigerungsrecht
gemäß § 55 StPO zugebilligt, so kann ein
Verfahrensbeteiligter eine Verfahrensrüge hierauf
demgemäß im Allgemeinen nur dann stützen,
wenn er in der Hauptverhandlung die Entscheidung als
unzulässig beanstandet hat.
BGH, Urteil vom 16.11.2006 - 3 StR 139/06 - Hanseatisches OLG Hamburg
in der Strafsache
gegen
- 2 -
wegen Beihilfe zum Mord u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 12.10.2006 in der Sitzung am 16.11.2006, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
Becker,
Hubert
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- nur in der Verhandlung vom 12.10.2006 -,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
1. Auf die Revisionen des Generalbundesanwalts sowie der
Nebenkläger Pu. und P. wird das Urteil des Hanseatischen
Oberlandesgerichts Hamburg vom 19. August 2005
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der
Beihilfe zum 246-fachen Mord in Tateinheit mit Mitgliedschaft in einer
terroristischen Vereinigung schuldig ist;
b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch werden die zugehörigen
Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten dieser Rechtsmittel sowie
die dem Angeklagten und den Nebenklägern Pu. und P. hierdurch
entstandenen notwendigen Auslagen, an einen anderen Strafsenat des
Oberlandesgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Generalbundesanwalts wird verworfen.
2. Die Revisionen des Angeklagten sowie der Nebenkläger D. ,
C. , L. und H. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
Der Angeklagte und die genannten Nebenkläger haben die Kosten
ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
Das Oberlandesgericht hatte den Angeklagten im Zusammenhang mit den
Anschlägen vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten
von Amerika wegen "Beihilfe zum Mord in 3066 Fällen sowie zum
versuchten Mord und zur gefährlichen Körperverletzung
in fünf Fällen in Tateinheit mit Mitgliedschaft in
einer terroristischen Vereinigung" zu einer Freiheitsstrafe von 15
Jahren verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat
dieses Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht
zurückverwiesen (BGHSt 49, 112). Dieses hat den Angeklagten
nunmehr wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu
einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen richten
sich die Revisionen des Generalbundesanwalts, des Angeklagten und
einiger Nebenkläger.
1
I. Das Oberlandesgericht hat aufgrund der erneuten Hauptverhandlung
folgende Feststellungen getroffen:
2
Der Angeklagte - marokkanischer Staatsangehöriger - begann im
Oktober 1999 ein Studium der Elektrotechnik an der Technischen
Universität Hamburg-Harburg. Er schloss sich dort einem Kreis
anderer Studenten muslimischen Glaubens an, die spätestens
während ihrer Studienzeit in Hamburg auf der Grundlage einer
radikal-islamischen Sichtweise ein ausgeprägtes Bewusstsein
für die Probleme islamisch geprägter Länder
entwickelten, sich immer stärker der Religion zuwandten sowie
zunehmend strenger und schließlich radikal in ihren Ansichten
wurden. Zu diesem Kreis zählten neben anderen die bei den
Anschlägen vom 11. September 2001 ums Leben gekommenen Mohamed
El Amir Atta, Marwan Alshehhi und Ziad Jarrah, die anderweitig
verfolgten - flüchtigen - Zakariya Essabar und Said Bahaji
sowie der - in einem Parallelverfahren rechtskräftig
freigesprochene - Abdelghani Mzoudi. Außerdem
gehörte der Gruppe Ramzi Binalshibh an, der im September 2002
in Pakistan verhaftet
3
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und an die Vereinigten Staaten von Amerika überstellt wurde;
er befindet sich seither an unbekanntem Ort in US-amerikanischem
Gewahrsam.
Im Verlauf des Jahres 1998 diskutierte man in der Gruppe mit
zunehmender Intensität den gewaltsamen Djihad gegen
"Ungläubige" und die Möglichkeit der Teilnahme an
diesem Kampf, was mit ständigen Hasspredigten gegen Israel und
die USA verbunden war. Gruppenmitglieder, die diese Radikalisierung
nicht mitvollzogen, wurden ausgegrenzt. In den Mittelpunkt der
Diskussionen der Gruppe geriet immer mehr die Durchführung von
Selbstmordattentaten. Endpunkt dieser Entwicklung war
schließlich die Bereitschaft, sich selbst am Djihad
namentlich gegen "die Amerikaner und Juden" zu beteiligen mit dem Ziel,
als Märtyrer einen direkten Zugang zum Paradies zu erhalten
und dort einen bevorzugten Platz einzunehmen. Auf diese Weise war
spätestens am 1.11.1999 unter Führung Attas eine aus
ihm und den genannten weiteren Personen bestehende, hierarchisch
aufgebaute Vereinigung entstanden. Aus ihr heraus sollten unter Einsatz
des eigenen Lebens Attentate gegen Juden und Amerikaner begangen
werden, bei denen das eigene Leben eingesetzt werden sollte; zur
Erreichung dieses Zieles waren alle Beteiligten bereit, ihren eigenen
Willen und ihre persönlichen Interessen
zurückzustellen. Der Angeklagte stand hierbei am unteren Ende
der hierarchischen Ordnung und sorgte - wie Mzoudi und Bahaji - in der
Folgezeit für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur der
Gruppe.
4
Spätestens ab 1.11.1999 waren die Gruppenmitglieder auch dazu
entschlossen, erste Schritte zur Planung und Ausführung der
ins Auge gefassten Attentate zu unternehmen. Ihre Vorstellung war, nach
einem Aufenthalt in Lagern der Al Qaida in Afghanistan, bei dem sie
Unterstützung gewinnen und sich militärisch ausbilden
lassen wollten, von Hamburg aus zu operieren. Dabei war jedoch noch
unklar, welcher Art der Einsatz sein und wo er stattfinden sollte. Es
sollte sich "jedenfalls um Sprengstoffanschläge
größeren Ausmaßes"
5
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handeln. Dass bereits damals die Begehung der später am 11.
September 2001 ausgeführten "Flugzeuganschläge"
geplant war, hat das Oberlandesgericht nicht festzustellen vermocht.
Entsprechend der Abrede reisten zwischen Mitte November und Anfang
Dezember 1999 zunächst Alshehhi, Jarrah, Atta und Binalshibh
über Pakistan nach Afghanistan, wo sie sich in ein Lager der
Al Qaida begaben. Innerhalb dieser Organisation waren seit Ende 1998
oder Anfang 1999 Pläne entwickelt worden, in den USA durch den
Einsatz von Flugzeugen als Waffen Anschläge zu begehen. Zu
Piloten ausgebildete Terroristen sollten mit entführten
Verkehrsflugzeugen wichtige Gebäude in den USA rammen, wobei
in einer ersten Anschlagswelle vier Flugzeuge entführt werden
sollten; als Ziele waren das Weiße Haus und das Kapitol in
Washington, das Verteidigungsministerium der USA (Pentagon) sowie das
World Trade Center in New York ins Auge gefasst worden. Der
Anführer der Al Qaida, Osama Bin Laden, hatte zur Vorbereitung
der Anschläge bereits vier Männer
ausgewählt, die sich in den USA zu Verkehrspiloten ausbilden
lassen sollten. Hiervon erhielten zwei kein Einreisevisum für
die USA. Die beiden anderen - Khalid Al Midhar und Nawaf Al Hazmi -
durften zwar in die USA einreisen und begannen dort auch mit der
Pilotenausbildung, mussten diese aber mangels hierfür
ausreichender Englischkenntnisse spätestens Anfang Juni 2000
wieder abbrechen; an den Anschlägen vom 11. September 2001
wirkten sie später in anderer Funktion mit.
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Als Alshehhi, Atta und Jarrah in Afghanistan angekommen waren, trafen
sie alsbald mit Osama Bin Laden und Atef, dem militärischem
Führer der Al Qaida, zusammen. Diese erkannten sofort, dass
Alshehhi, Atta und Jarrah aufgrund ihrer Englischkenntnisse und ihres
Studiums im westlichen Ausland für die Vorbereitung und
Durchführung der Anschläge besonders geeignet waren.
Sie gewannen sie innerhalb kurzer Zeit für die Mitwirkung und
vereinbarten mit ihnen, dass sie sich von Hamburg aus in die USA
begeben, dort die Pilotenaus-
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- 7 -
bildung absolvieren und dann die in Umrissen bereits geplante
"Flugzeugoperation" ausführen sollten. Der zuletzt
eintreffende Binalshibh wurde ebenfalls über die bisherigen
Planungen informiert, für die Beteiligung angeworben und von
den Al Qaida-Führern als weiterer Pilot vorgesehen. Osama Bin
Laden bestimmte Atta zum Führer der Attentäter, Al
Hazmi zu dessen Stellvertreter. Zwischen dem 10. Dezember 1999
(Alshehhi) und Anfang April 2000 (Binalshibh) reisten die
Gruppenmitglieder wieder aus Afghanistan ab und kehrten in die
Bundesrepublik zurück.
Während ihres Aufenthalts in Afghanistan hatte der Angeklagte
abredegemäß daran mitgewirkt, ihre Abwesenheit sowie
Ziel und Zweck ihrer Reisen nach außen zu verschleiern. So
verschaffte er sich etwa unter Vorlage einer ihm von Alshehhi bereits
im Juli 1998 erteilten Generalvollmacht eine spezielle Vollmacht
für dessen Girokonto und wickelte nach der Abreise Alshehhis
für diesen fällige Zahlungen für Monatsmiete
und Verbrauchskosten über dieses Konto ab. Außerdem
kündigte er dessen Mietvertrag sowie einen Vertrag mit einem
Mobilfunkunternehmen; in dem Kündigungsschreiben zum
Mietvertrag suchte er den Eindruck zu wecken, dieses stamme von
Alshehhi selbst. Darüber hinaus nahm er telefonisch Kontakt zu
der in B. lebenden Freundin des Jarrah - der Zeugin S. - auf, um
sicherzustellen, dass diese "keine offiziellen und Aufsehen erregenden
Nachforschungen" über den Verbleib Jarrahs anstellen werde.
Dessen Aufenthaltsort offenbarte er ihr hierbei aber ebenso wenig wie
anlässlich späterer Telefonate, als die Zeugin S. -
besorgt über das Verschwinden Jarrahs - ihrerseits den
Angeklagten anrief. Ihre Frage nach dem Aufenthalt Jarrahs beantwortete
er sinngemäß dahin, es sei besser für sie,
nicht zu fragen.
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Nach ihrer Rückkehr aus Afghanistan traf sich der Angeklagte
zumindest mit Atta, Alshehhi und Binalshibh. Hierbei erfuhr er, dass
diese zusammen mit Jarrah "einen Anschlag gegen Juden und Amerikaner,
wie die Vereinigungsmit-
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glieder ihn sich im Herbst 1999 vorgestellt hatten, vorbereiteten und
wegen einer Pilotenausbildung in die USA reisen würden".
Näheres zu den mit der Al Qaida-Führung
abgesprochenen Plänen wurde ihm nicht mitgeteilt. Er war daher
insbesondere nicht darüber informiert, dass vier nahezu
zeitgleiche Anschläge mit großen Verkehrsflugzeugen
auf symbolträchtige Gebäude in den USA
durchgeführt werden sollten. Zum Zeitpunkt der Abreise Attas,
Alshehhis und Jarrahs in die USA war ihm aber, wie allen
übrigen Mitgliedern der Gruppierung, zumindest bekannt, dass
Atta, Alshehhi, Jarrah und Binalshibh oder dessen Ersatzmann
Anschläge als Selbstmordattentate mit von ihnen gesteuerten
Flugzeugen begehen sollten. Ihm war damit jedenfalls klar, dass die zu
Piloten ausgebildeten Gruppenmitglieder Flugzeuge unbekannter Art und
Größe in ihre Gewalt und an irgendwelchen Orten zum
Absturz bringen sollten, um Menschen zu töten. Dies
akzeptierte er.
Atta, Jarrah und Alshehhi erhielten die von ihnen beantragten Visa
für die Einreise in die USA erteilt, die entsprechenden
Anträge Binalshibhs wurden dagegen zurückgewiesen.
Als daher ab November 2000 feststand, dass dieser sich nicht in die USA
würde begeben können, übernahm er im
Einvernehmen mit den anderen Gruppenmitgliedern und der
Führung der Al Qaida die Rolle eines Koordinators zwischen den
verschiedenen an der Vorbereitung der Anschläge beteiligten
Personengruppen. An seiner Stelle sollte nun Essabar als vierter Pilot
eingesetzt werden. Auch diesem wurde indessen ein Visum für
die Einreise in die USA verweigert. Daraufhin bestimmte die
Führung der Al Qaida zum vierten Piloten Hani Hanjour, der
schon früher in den USA eine Pilotenausbildung absolviert
hatte. Auch die weiteren bei den Anschlägen mitwirkenden
Attentäter, die die Piloten der zu entführenden
Flugzeuge "auszuschalten" und danach die übrige Besatzung
sowie die Passagiere in Schach zu halten hatten, wählte Osama
Bin Laden persönlich aus.
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In der Zeit zwischen ihrer Rückkehr aus Afghanistan und der
beabsichtigten Weiterreise in die USA waren Atta, Alshehhi, Jarrah und
Binalshibh darauf bedacht, möglichst wenig
Außenkontakte zu haben, um nichts über ihr Vorhaben
nach außen dringen zu lassen und dieses dadurch nicht zu
gefährden. Aus diesem Grund wurden einige ihrer
Angelegenheiten weiterhin von den übrigen Mitgliedern der
Vereinigung erledigt. So kümmerte sich der Angeklagte in
Absprache mit Alshehhi darum, dessen zum 28. Februar 2000
gekündigten Mietvertrag abzuwickeln; insbesondere
räumte er die Wohnung. Da er entsprechend den Planungen der
Vereinigung alsbald selbst nach Afghanistan reisen sollte, gab er in
Abstimmung mit Bahaji dessen Adresse in Korrespondenz mit dem Vermieter
und den Gaswerken als neue Anschrift Alshehhis an, damit sich Bahaji
während der Abwesenheit des Angeklagten um die für
Alshehhi eingehende Post kümmern konnte.
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Der Angeklagte reiste am 22. Mai 2000 nach Afghanistan in ein Lager der
Al Qaida. Gegenüber seiner Ehefrau, seiner Familie und
gegenüber Kommilitonen verheimlichte er die Reise. Auch die
anderen Mitglieder der Vereinigung verschleierten gegenüber
Außenstehenden den wahren Aufenthalt des Angeklagten. In
Afghanistan absolvierte der Angeklagte eine "Grundausbildung" und
erlernte den Umgang mit Waffen. Er wurde außerdem - da als
Angehöriger der Vereinigung um Atta bekannt - durch die
Führung der Al Qaida auf seine Zuverlässigkeit und
Verwendbarkeit geprüft. Da er dem "Anforderungsprofil" nicht
genügte, wurde er jedoch als ungeeignet für eine
Beteiligung an den Anschlägen selbst eingestuft.
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Als der Angeklagte Ende Juli 2000 aus Afghanistan nach Hamburg
zurückkehrte, waren Atta, Alshehhi und Jarrah bereits in die
USA abgereist und ließen sich dort zu Piloten für
Verkehrsflugzeuge ausbilden. Dass der Angeklagte mit einem von ihnen
bis zum 11. September 2001 noch einmal direkten Kontakt gehabt
hätte, hat das Oberlandesgericht nicht festzustellen vermocht.
Auch
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war dem Angeklagten nicht bekannt, wo genau sie sich in den USA
aufhielten. Um jedoch in Hamburg den förmlichen Rahmen ihrer
studentischen Existenz aufrechtzuerhalten, regelte der Angeklagte im
Zusammenwirken mit den anderen in Hamburg verbliebenen
Vereinigungsmitgliedern weiterhin ihre anfallenden
persönlichen Angelegenheiten. Die Vereinigung und ihre
einzelnen Mitglieder sollten keine besondere Aufmerksamkeit erregen und
keine Nachforschungen provozieren, durch welche ihre Aufdeckung
riskiert oder die erfolgreiche Umsetzung der Pläne
gefährdet werden könnte. Außerdem sollte
hierdurch den in die USA gereisten Mitgliedern der Vereinigung eine
Rückkehr nach Hamburg ermöglicht werden, falls es
nicht zu ihrer beabsichtigten Selbsttötung durch Begehung von
Anschlägen kommen sollte. Nach den Vorstellungen ihrer
Mitglieder sollte die Vereinigung für diesen Fall mit den in
Hamburg verbliebenen Mitgliedern dort fortgeführt werden mit
dem weiter bestehenden gemeinsamen Ziel, neue Pläne
für Attentate gegen Juden und Amerikaner zu entwickeln und zu
verwirklichen. In Umsetzung der getroffenen Absprachen erledigte der
Angeklagte teilweise die Post Attas und auch Essabars.
Außerdem wirkte der Angeklagte an der Bereitstellung von
Geldmitteln mit, die zur Deckung der Kosten des Aufenthalts und der
Pilotenausbildung der Vereinigungsmitglieder in den USA dienen sollten.
Die Vorbereitung der Anschläge vom 11. September 2001 wurde
zwar ganz überwiegend mit Geldern finanziert, die von der Al
Qaida oder deren Unterstützern in arabischen Ländern
stammten und auf Konten überwiesen wurden, die Atta, Alshehhi
und Jarrah in den USA eröffnet hatten. Jedoch war Ende August
2000 der Habensaldo auf dem gemeinschaftlichen Konto Attas und
Alshehhis auf unter 2.000 $ gesunken. Sie setzten sich deshalb mit
Binalshibh in Verbindung mit der Bitte, zur
Überbrückung des Engpasses Geld zu
überweisen. Da sich Binalshibh zu diesem Zeitpunkt im Jemen
aufhielt, er aber wusste, dass der Angeklagte eine Vollmacht
für das Konto Alshehhis in Hamburg hatte, nahm er Kontakt zu
ihm auf. Er bat ihn, zur Weiterleitung an Alshehhi 5.000 DM von dessen
Konto auf sein - Binalshibhs - Konto bei der Citibank Hamburg zu
überweisen. Dem kam der
- 11 -
Angeklagte am 6. September 2000 nach. Binalshibh leitete das Geld als
Teil einer größeren Überweisung allerdings
erst am 27. September 2000 auf das Konto Attas und Alshehhis in den USA
weiter, auf dem bereits am 30. August 2000 19.985 $ und am 18.
September 2000 69.985 $ aufgrund von Überweisungen durch
unbekannte Personen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten
gutgeschrieben worden waren.
Darüber hinaus verschleierte der Angeklagte den
tatsächlichen Aufenthaltsort Alshehhis, als Vertreter der
Vereinigten Arabischen Emirate zusammen mit dessen Bruder im Januar
2001 in Hamburg erschienen, um nach diesem zu suchen. Auf die Frage
nach seinem Verbleib gab er an, dass er ihn in Afghanistan oder
Tschetschenien vermute; hierdurch wollte er eine Gefährdung
der von der Vereinigung verfolgten Ziele verhindern. Über
Binalshibh ließ er sodann Alshehhi benachrichtigen, dass in
Hamburg Nachforschungen über seinen Verbleib angestellt worden
waren. Hierauf meldete sich Alshehhi am 20. Januar 2001 telefonisch bei
seiner Familie und beruhigte sie. Daraufhin wurde die Suche nach ihm
eingestellt, in die bereits die Polizei in Hamburg eingeschaltet worden
war.
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Nachdem die Vorbereitung der Anschläge weitgehend
abgeschlossen war und feststand, dass sie innerhalb weniger Wochen
durchgeführt würden, warnte Atta im Juli 2001 Bahaji
mittels einer telefonischen Kurznachricht (SMS), dass die
Anschläge bevorstünden und Bahaji sich absetzen
solle. Er solle auch den Angeklagten sowie den Zeugen T. informieren.
Bahaji verließ Anfang September 2001 die Bundesrepublik. Auch
Binalshibh und Essabar setzten sich ab. Dagegen verblieb der Angeklagte
- ebenso wie Mzoudi - in Hamburg. Er konnte sich nicht zur Flucht
entschließen, weil er seinen ein Jahr alten Sohn und seine
schwangere Ehefrau nicht verlassen wollte.
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Am Vormittag des 11. September 2001 setzten Atta, Alshehhi, Jarrah und
Hanjour als Piloten sowie 15 weitere Mittäter die
Anschlagspläne in die Tat um. Sie brachten auf
Inlandsflügen in den USA vier Passagierflugzeuge in ihre
Gewalt. Atta und Alshehhi steuerten zwei der Maschinen in die beiden
Türme des World Trade Centers in New York. Dies
führte aufgrund des Einsturzes der Gebäude zum Tod
von über 3.000 Menschen. Das dritte Flugzeug flog Hanjour in
die Südwestseite des Pentagon. Hierdurch fanden 125
Mitarbeiter des amerikanischen Verteidigungsministeriums den Tod. Die
vierte Maschine, die in das Gebäude des amerikanischen
Kongresses in Washington, das Kapitol, gestürzt werden sollte,
brachte Jarrah als Pilot zum Absturz, als einige Passagiere versuchten,
das Flugzeug wieder in ihre Gewalt zu bringen. Durch die
Abstürze der vier Flugzeuge wurden alle 246 Passagiere und
Besatzungsmitglieder sowie die Attentäter getötet.
Mit den Anschlägen löste sich die bis dahin in
Hamburg fortbestehende Vereinigung auf.
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II. Revision des Angeklagten
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Der Angeklagte rügt die Verletzung formellen und materiellen
Rechts. Sein Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
18
1. Die verfahrensrechtlichen Beanstandungen greifen nicht durch. Die
maßgeblichen Gründe hierfür hat der
Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 28. April 2006 im
Einzelnen dargelegt. Hierauf nimmt der Senat im Wesentlichen Bezug.
Näherer Erörterung bedarf lediglich die
Rüge, das Oberlandesgericht habe unter Verstoß gegen
§ 55 Abs. 1, § 244 Abs. 2 StPO von der Sachvernehmung
des Zeugen Mzoudi abgesehen.
19
Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Nachdem
der in einem Parallelverfahren wegen gleichgelagerter
Tatvorwürfe angeklagte Mzoudi rechtskräftig
freigesprochen worden war, wurde er als Zeuge zur Hauptverhandlung
gegen den Angeklagten geladen. Dort berief er sich über die
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ihm als Zeugenbeistand bestellte Rechtsanwältin auf ein
umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO,
weil er durch die Beantwortung jeglicher Frage zur Sache die Gefahr
einer Wiederaufnahme des gegen ihn geführten Strafverfahrens
begründen würde. Danach äußerte er
sich allein zu der Körpergröße Attas,
Alshehhis, Jarrahs sowie seiner selbst. Sodann wurde er im allseitigen
Einverständnis vom Vorsitzenden entlassen.
Bei diesem Verfahrensablauf ist es dem Angeklagten versagt, mit der
Revision geltend zu machen, dem Zeugen sei in rechtsfehlerhafter Weise
die Befugnis zugebilligt worden, Fragen zur Sache umfassend
unbeantwortet zu lassen. Seine Rüge ist unzulässig.
21
Die Entscheidung, ob ein Zeuge durch die Beantwortung von Fragen sich
oder einen seiner in § 52 Abs. 1 StPO bezeichneten
Angehörigen einer Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55
Abs. 1 StPO aussetzen würde und in welchem Umfang eine
derartige Verfolgungsgefahr ein Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen
nach dieser Vorschrift begründet, ist durch § 238
Abs. 2 StPO vorrangig dem Vorsitzenden anvertraut (s. a. § 241
Abs. 2 StPO). Er hat daher zunächst im Rahmen der
Verhandlungsleitung darüber zu befinden, ob ein Zeuge die
Beantwortung einiger, vieler oder gar aller sachbezogenen Fragen
verweigern darf. Hält ein Verfahrensbeteiligter die
Entscheidung des Vorsitzenden für rechtsfehlerhaft und damit
für unzulässig, hat er gemäß
§ 238 Abs. 2 StPO die Möglichkeit, hiergegen den
gesamten Spruchkörper anzurufen (BGHSt 10, 104, 105;
Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 55 Rdn. 10; Dahs in
Löwe/Rosenberg, 25. Aufl. § 55 Rdn. 18; Senge in KK
5. Aufl. § 55 Rdn. 13; Neubeck in KMR - Stand Juni 2006 -
§ 55 Rdn. 9). Hierzu ist er grundsätzlich auch
verpflichtet, wenn er die fehlerhafte Anwendung des § 55 Abs.
1 StPO später mit der Revision beanstanden will. Dies ergibt
sich aus Folgendem (zum Streit über das Bestehen und die
Herleitung einer derartigen Beanstandungsobliegenheit vgl. Gollwitzer
in Löwe/Rosenberg, aaO § 238 Rdn. 43 ff. m. zahlr. w.
N.):
22
- 14 -
Zweck des § 238 Abs. 2 StPO ist es, die Gesamtverantwortung
des Spruchkörpers für die Rechtsförmigkeit
der Verhandlung zu aktivieren, hierdurch die Möglichkeit zu
eröffnen, Fehler des Vorsitzenden im Rahmen der Instanz zu
korrigieren und damit Revisionen zu vermeiden, durch die ein Fehler des
Vorsitzenden nur auf Kosten einer mehr oder weniger langen
Verzögerung des Verfahrensabschlusses ausgeräumt
werden könnte (Giesler, Der Ausschluss der Beschwerde gegen
richterliche Entscheidungen im Strafverfahren S. 283 ff.;
Schöch in AK § 238 Rdn. 29; Julius in HK §
238 Rdn. 1; Schlüchter in SK-StPO - Stand Juni 1992 -
§ 238 Rdn. 8; Paulus in KMR - Stand Oktober 1989 - §
238 Rdn. 33). Dieser Zweck würde verfehlt, wenn es im
unbeschränkten Belieben des um die Möglichkeit des
§ 238 Abs. 2 StPO wissenden Verfahrensbeteiligten
stünde, ob er eine für unzulässig erachtete
verhandlungsleitende Maßnahme des Vorsitzenden über
den Rechtsbehelf nach § 238 Abs. 2 StPO zu beseitigen sucht
oder statt dessen hierauf im Falle eines ihm nachteiligen Urteils in
der Revision eine Verfahrensrüge stützen will. Er hat
daher grundsätzlich auf Entscheidung des Gerichts anzutragen;
unterlässt er dies, kann er in der Revisionsinstanz mit einer
entsprechenden Rüge, durch die er sich in Widerspruch zu
seinem früheren Verhalten setzen würde, nicht mehr
gehört werden.
23
Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Anordnung des Vorsitzenden eine
strafprozessuale Regelung zugrunde liegt, die ihm für die
Feststellung ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen einen
Beurteilungsspielraum eröffnet oder ihm auf der
Rechtsfolgenseite Ermessen einräumt, und die
Revisionsrüge auf eine Überschreitung des
Beurteilungsspielraums oder einen Ermessensfehlgebrauch
gestützt werden soll. Zu beidem findet eine ins Einzelne
gehende Richtigkeitsprüfung des Revisionsgerichts nicht statt.
Dieses ist vielmehr auf die rechtliche Kontrolle beschränkt,
ob das Tatgericht die Grenzen des Beurteilungsspielraums oder des
Ermessens in einer Weise überschritten hat, dass sich dessen
Entscheidung als nicht mehr vertretbar und damit als rechtswidrig
erweist. Ein-
24
- 15 -
deutige, die Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls präzise
vorzeichnende Maßstäbe bestehen insoweit nicht.
Unterlässt der von der Anordnung Betroffene die Anrufung des
Gerichts, so gibt er damit zu erkennen, dass er durch die
Maßnahme - mag sie ihn auch beschweren - jedenfalls die
Grenzen des Beurteilungsspielraums oder des Ermessens des Vorsitzenden
nicht als überschritten ansieht, daher die Anordnung nicht als
rechtswidrig und damit unzulässig im Sinne des § 238
Abs. 2 StPO betrachtet und demgemäß auch keinen
revisiblen Rechtsfehler bejaht. Beurteilt er dies dagegen anders und
führt dennoch keine Entscheidung des gesamten
Spruchkörpers herbei, so muss dieser Verstoß gegen
die zentrale Zwecksetzung des § 238 Abs. 2 StPO zur
Unzulässigkeit einer auf diese Maßnahme
später gestützten Revisionsrüge
führen; diese ist verwirkt.
Ob diese Grundsätze in gleicher Weise heranzuziehen sind, wenn
die sachleitende Anordnung des Vorsitzenden auf der Anwendung
zwingenden Verfahrensrechts beruht, oder ob in diesem Fall zur Wahrung
der unumstößlichen, eindeutigen Grenzen
zulässiger Verfahrensgestaltung die Maßnahme auch
dann zur vollen Überprüfung des Revisionsgerichts
stehen muss, wenn der betroffene Verfahrensbeteiligte sich im konkreten
Fall nicht beschwert fühlt oder seine vermeintliche Beschwer
durch das Unterlassen des Rechtsbehelfs nach § 238 Abs. 2 StPO
jedenfalls nicht zum Ausdruck bringt, bedarf hier keiner
Erörterung; denn es gilt:
25
Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang ein Zeuge durch seine
Aussage eine Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 Abs. 1 StPO
begründen kann und daher die Auskunft verweigern darf,
unterliegt als Maßnahme der Sachleitung weitgehend der
wertenden Beurteilung des Vorsitzenden nach Maßgabe der
Umstände des Einzelfalles. Billigt dieser dem Zeugen ein
Auskunftsverweigerungsrecht in einem Ausmaß zu, durch das ein
Beteiligter die Grenzen rechtlich zulässiger Beurteilung
dieser Umstände überschritten sieht,
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- 16 -
kann er darauf seine Revision nur stützen, wenn er bereits in
der tatrichterlichen Hauptverhandlung durch Anrufung des Gerichts
vergeblich versucht hat, die Aufhebung der Anordnung zu erreichen. Dies
gilt jedenfalls für den verteidigten Angeklagten, da der
Verteidiger um den Rechtsbehelf nach § 238 Abs. 2 StPO
weiß. Eine unzulässige Einschränkung der
Rüge, das Gericht habe durch das teilweise oder
völlige Unterlassen der Sachvernehmung des Zeugen seine
Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO verletzt,
liegt hierin nicht; denn da durch die Anordnung des Vorsitzenden die
Beschränkung der gerichtlichen Sachaufklärung zum
Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wird, kann der
Verstoß gegen die Pflicht zur Erforschung der Wahrheit
über § 238 Abs. 2 StPO bereits dort beanstandet
werden. Wird dies unterlassen, muss daher nicht zusätzlich und
unabhängig davon die Aufklärungsrüge im
Revisionsverfahren eröffnet sein.
Nach alledem kann der Angeklagte den behaupteten Verstoß
gegen § 55 Abs. 1 StPO nicht mehr zulässig
rügen. Weder er noch seine Verteidiger haben auf einer
weiteren Befragung des Zeugen Mzoudi bestanden und das Gericht
angerufen, als der Vorsitzende durch die Beendigung der Vernehmung
dieses Zeugen zu erkennen gab, dass er diesen nicht zur Beantwortung
weiterer Fragen für verpflichtet erachtete. Vielmehr haben sie
einvernehmlich der Entlassung des Zeugen zugestimmt.
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2. Auch die Überprüfung des Urteils aufgrund der
Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben.
28
a) Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts hält
rechtlicher Überprüfung stand.
29
- 17 -
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das
Revisionsgericht prüft dessen Überzeugungsbildung nur
darauf, ob sie auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht. Dies
ist namentlich der Fall, wenn die Würdigung des Tatgerichts
mit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen oder unbezweifelbarem
Erfahrungswissen unvereinbar ist, Widersprüche oder sonstige
Verstöße gegen die Gesetze der Logik
enthält oder Lücken aufweist, sich insbesondere nicht
mit naheliegenden alternativen Geschehensabläufen befasst,
obwohl sich dies nach dem Beweisergebnis aufdrängt. Dagegen
ist es für die revisionsrechtliche Prüfung ohne
Belang, ob die vom Tatrichter gezogenen Schlüsse zwingend oder
auch nur naheliegend sind und eine abweichende Würdigung der
Beweise aus der Sicht des Revisionsgerichts ebenso gut möglich
oder überzeugender gewesen wäre.
30
Nach diesen Maßstäben ist die
Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts rechtlich nicht zu
beanstanden. Insbesondere lässt sie nicht deswegen eine
Lücke im dargestellten Sinne erkennen, weil das
Oberlandesgericht die Angaben, die Binalshibh und Ould Slahi nach dem
Inhalt der von den USA überlassenen "Zusammenfassungen" ihrer
Aussagen in US-Gewahrsam gemacht haben, je für sich als
unglaubhaft bewertet, sich jedoch nicht näher damit
auseinandergesetzt hat, dass diese Angaben Übereinstimmungen
zu Gesprächen zwischen den beiden Genannten enthalten, die
Ende Oktober/Anfang November 1999 in Deutschland stattgefunden haben
sollen. Zwar könnten diese Angaben für sich genommen
einen Hinweis darauf liefern, dass Mitglieder der Gruppe um Atta noch
zu diesem Zeitpunkt lediglich deswegen nach Afghanistan reisen wollten,
um sich von dort zu einem Kampfeinsatz nach Tschetschenien zu begeben.
Hiermit musste sich das Oberlandesgericht aber im Hinblick auf die
zahlreichen Indiztatsachen, die deutlich auf die Umorientierung der
Gruppe auf Anschläge gegen "Juden und Amerikaner" hinwiesen,
nicht notwendig ausdrücklich befassen. Das gilt um so mehr,
als es den Beweiswert der Angaben Binalshibhs und Ould Slahis -
rechtsfehlerfrei - als zweifelhaft einge-
31
- 18 -
stuft hat. Dem steht nicht entgegen, dass wegen der
Unmöglichkeit, diese beiden Zeugen persönlich zu
vernehmen oder auch nur Verhörspersonen zu befragen oder
zumindest vollständige Vernehmungsprotokolle zu erhalten, die
von den USA überlassenen "Zusammenfassungen" einer besonders
vorsichtigen Würdigung zu unterziehen waren. Den insoweit zu
stellenden Anforderungen (BGHSt 49, 112) ist die
Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts, das sich der
Verkürzung der Beweisgrundlage bewusst war, gerecht geworden.
Im Übrigen wird auf die zutreffenden Darlegungen in der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts verwiesen.
32
b) Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Mitgliedschaft in
einer terroristischen Vereinigung. Das schriftsätzliche
Vorbringen der Revision gibt lediglich zu folgendem Bemerken Anlass:
33
Es kann dahinstehen, ob eine derartige Vereinigung auch dann vorliegt,
wenn eine Gruppierung von vornherein nur auf die Begehung einer
einzigen Terrortat ausgerichtet ist und sich mit deren
Verübung - bei einem Selbstmordanschlag gegebenenfalls auch
durch den Tod der Mitglieder der Gruppierung - auflösen soll
(so Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder,
StGB 27. Aufl. § 129 Rdn. 7 a; Miebach/Schäfer in
MünchKomm StGB § 129 Rdn. 31). Denn ein derartiger
Fall ist hier nicht gegeben. Die Vereinigung um Atta war weder im
Zeitpunkt ihrer Entstehung (spätestens Anfang November 1999)
noch nach der Rekrutierung mehrerer Gruppenmitglieder für die
Flugzeuganschläge allein auf die Begehung eines einzigen -
ggf. in koordinierten Einzelanschlägen zu verwirklichenden -
Terrorakts mit Selbsttötung der wesentlichen
Vereinigungsmitglieder ausgerichtet. Vielmehr wurden auch nach der
Rekrutierung die Vereinigungsstrukturen noch zu dem Zweck aufrecht
erhalten, im Falle eines Scheiterns der Selbstmordanschläge in
den USA den Gruppenmitgliedern eine Rückkehr nach Hamburg zu
ermöglichen, damit von dort aus andere Anschlagspläne
vorbereitet werden könnten.
34
- 19 -
III. Revision des Generalbundesanwalts
35
Die Revision des Generalbundesanwalts hat mit der Sachrüge
überwiegend Erfolg. Zutreffend macht er geltend, dass das
Oberlandesgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen die
Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe zum vielfachen Mord
rechtsfehlerhaft verneint hat. Entgegen der Ansicht des
Oberlandesgerichts belegen die Urteilsgründe, dass der
Angeklagte auch der Beihilfe zum 246-fachen Mord schuldig ist. Dies
führt zu der entsprechenden Abänderung des
Schuldspruchs durch den Senat. Danach bedarf es keines Eingehens auf
die vom Generalbundesanwalt erhobene verfahrensrechtliche Beanstandung,
das Oberlandesgericht habe § 154 a Abs. 3 Satz 1, §
244 Abs. 2, § 264 StPO verletzt, weil es den Tatvorwurf der
Beihilfe zum Angriff auf den Luftverkehr nicht wieder in das Verfahren
einbezogen habe; denn diese Rüge hätte allein dann
Bedeutung, wenn eine Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum
Mord nicht möglich wäre.
36
1. Das Oberlandesgericht geht zwar davon aus, der Angeklagte habe durch
seine "Tatbeiträge" die Taten Attas, Alshehhis und Jarrahs
objektiv gefördert. Jedoch seien seine lange vor dem 11.
September 2001 vorgenommenen Handlungen nicht geeignet gewesen, das
Risiko zu vergrößern, dass die Taten
tatsächlich begangen wurden. Zweifelhaft sei geblieben,
welches Wissen und welche Vorstellungen der Angeklagte von den
geplanten Taten hatte. Ihm sei zwar bewusst gewesen, dass die zu
Piloten ausgebildeten Vereinigungsmitglieder Flugzeuge zum Absturz
bringen und dadurch Menschen töten sollten. Jedoch habe er
weder die genaue Art der Attentate, die Anzahl der
Einzelanschläge, ihren jeweiligen Ort und Zeitpunkt noch die
"enormen Dimensionen, in denen die Anschläge geplant waren und
durchgeführt wurden", insbesondere den Umfang der Vernichtung
von Menschenleben gekannt; all dies habe er auch nicht erkennen
können. Nach seinem festgestellten Wissen seien auch andere
Begehungsarten möglich gewesen; es könne nicht
ausgeschlossen
37
- 20 -
werden, dass der Angeklagte trotz seiner radikal-islamistischen
Einstellung und seines Hasses auf die USA und das Judentum derartige
Anschläge nicht gutgeheißen und nicht
unterstützt hätte. Der notwendige Beihilfevorsatz sei
daher nicht gegeben.
2. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
38
a) Die objektiven Voraussetzungen einer Strafbarkeit des Angeklagten
wegen Beihilfe zu den Taten Attas, Alshehhis, Jarrahs und Hanjours
liegen vor. Insofern hat das Oberlandesgericht eingangs seiner
rechtlichen Würdigung zutreffend ausgeführt, dass die
"Tatbeiträge" des Angeklagten diese Taten objektiv
gefördert haben. Indem es - im Rahmen seiner
Ausführungen zu den subjektiven Voraussetzungen der
Strafbarkeit wegen Beihilfe - die Auffassung vertritt, diese
Beiträge hätten jedoch nicht das Risiko
vergrößert, dass die Anschläge vom 11.
September 2001 tatsächlich begangen wurden, und damit
möglicherweise die Annahme einer
tatbestandsmäßigen objektiven Hilfeleistung in Frage
stellen will, wird seine Bewertung widersprüchlich, da sie
zwei nicht miteinander vereinbare Aussagen enthält. Ihr liegt
ein rechtsfehlerhaftes Verständnis der objektiven
Voraussetzungen einer Beihilfetat zugrunde.
39
Nach § 27 Abs. 1 StGB macht sich als Gehilfe strafbar, wer
(vorsätzlich) einem anderen zu dessen (vorsätzlich
begangener) rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Nach ständiger
Rechtsprechung (etwa BGHSt 46, 107, 109; BGH NJW 2001, 2409, 2410; NStZ
2004, 499, 500; vgl. die weiteren Nachweise bei Cramer/Heine in
Schönke/Schröder, aaO § 27 Rdn. 8; Roxin in
LK 11. Aufl. § 27 Rdn. 1 Fn. 1) ist als Hilfeleistung in
diesem Sinne grundsätzlich jede Handlung anzusehen, die die
Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter
objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den
Eintritt dieses Erfolges in seinem konkreten Gepräge in
irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich. Diese
Voraussetzungen treffen auf die Tatbeiträge des Angeklagten zu:
40
- 21 -
Der Angeklagte hat die Durchführung der Anschläge des
11. September 2001 objektiv erleichtert und gefördert, indem
er nach der Rückkehr Alshehhis aus Afghanistan dessen Kontakte
zu außenstehenden Dritten zu begrenzen half, indem er
während des Aufenthalts Attas, Alshehhis und Jarrahs in den
USA den Anschein wahrte, diese befänden sich weiterhin als
Studenten in Hamburg, indem er den wahren Aufenthalt Alshehhis
verschleierte und diesen warnen ließ, als dessen Bruder
gemeinsam mit Vertretern der Vereinigten Arabischen Emirate
Nachforschungen nach dessen Verbleib anstellte, und indem er Binalshibh
vom Konto Alshehhis 5.000 DM überwies, damit dieser das Geld
an Atta und Alshehhi in die USA weitertransferiere. Die Verschleierung
der Tatvorbereitungen und das Mitwirken am Bereitstellen von
finanziellen Mitteln für die Durchführung dieser
Vorbereitungen haben den zur Tatvollendung führenden konkreten
Geschehensablauf bis in die Ausführungsphase
mitgeprägt. Dass die Anschläge
möglicherweise ohne die Mitwirkung des Angeklagten ebenfalls
durchgeführt worden wären, weil die Tatvorbereitungen
eventuell auch ohne dessen Verdeckungsbemühungen nicht
aufgefallen wären, ändert hieran nichts. Gleiches
gilt für den Umstand, dass sich die Bereitstellung der 5.000
DM letztlich als überflüssig erwies, weil noch vor
Eintreffen dieses Betrages in den USA das dortige Konto Attas und
Alshehhis bereits aus anderen Quellen wiederaufgefüllt worden
war; denn die 5.000 DM standen trotzdem zur Finanzierung der
Tatvorbereitung zur Verfügung und behielten damit ihre
Bedeutung als Einzelelement des zur Tatvollendung hinführenden
Gesamtgeschehens mit tatfördernder und -erleichternder Wirkung
bis in die Ausführungsphase hinein. Durch seine Verschleierung
des wahren Aufenthalts Attas, Alshehhis und Jarrahs
unterstützte der Angeklagte objektiv auch die Haupttat
Hanjours, da auch deren Durchführung durch die Entdeckung der
Tatvorbereitung der drei anderen "Piloten" gefährdet worden
wäre.
41
Soweit die Verteidigung in der Hauptverhandlung vor dem Senat die
Ansicht vertreten hat, die vom Angeklagten geleisteten
Tatbeiträge könnten des-
42
- 22 -
halb nicht als Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB
bewertet werden, weil sie isoliert betrachtet und gemessen an dem durch
die Anschläge verwirklichten Unrecht von völlig
untergeordnetem Gewicht gewesen seien, verkennt sie die Voraussetzungen
der Beihilfestrafbarkeit. Zum einen kommt es auf das Gewicht des
tatfördernden Beitrags für dessen Einstufung als
Hilfeleistung grundsätzlich nicht an; dieses ist allein
für die Strafzumessung relevant. Zum anderen erscheint die
Bewertung der Tatbeiträge des Angeklagten durch die
Verteidigung verfehlt. Sie stellt im Übrigen nicht in
Rechnung, dass sich der Angeklagte aufgrund der getroffenen Abreden
innerhalb der Gruppierung die Hilfeleistungen der anderen
Gruppenmitglieder für die Attentäter im Rahmen der
gleichsam mittäterschaftlich geleisteten Beihilfe zurechnen
lassen muss.
Falls das Oberlandesgericht dennoch die objektiven Voraussetzungen der
Beihilfe mit der Erwägung in Zweifel ziehen wollte, die
Tatbeiträge des Angeklagten hätten das Risiko der
Durchführung der Anschläge nicht erhöht,
hätte es übersehen, dass mit dem Begriff der
Risikoerhöhung keine inhaltlichen Kriterien verbunden sind,
die hier zu einer abweichenden Beurteilung des Sachverhalts
führen:
43
Zwar trifft es zu, dass das überwiegende Schrifttum das
Verständnis der Rechtsprechung kritisiert, wonach für
ein Hilfeleisten nach § 27 Abs. 1 StGB jede
Tatförderung oder -erleichterung selbst bei fehlender
Kausalität für den Taterfolg genüge, und dem
andere Rechtsmodelle für die Bestimmung der Voraussetzungen
der objektiven Beihilfeleistung entgegenstellen will. So wird teilweise
gefordert, der Tatbeitrag des Gehilfen müsse für die
Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter "kausal"
geworden sein; andere setzen voraus, dass durch den Tatbeitrag das
Risiko für den Erfolg der Haupttat gesteigert wird (s. die
Übersicht bei Cramer/Heine, aaO Rdn. 7, 9 f.).
44
Eine nähere Betrachtung dieser auf den ersten Blick
divergierenden Ansichten zeigt indessen, dass es sich hier weitgehend
um einen Streit über dog-
45
- 23 -
matische Begrifflichkeiten handelt, der allenfalls bei
außergewöhnlichen - hier nicht gegebenen -
Sachverhaltsgestaltungen zu abweichenden Ergebnissen führt.
Soweit im Schrifttum etwa eine Kausalbeziehung zwischen dem Tatbeitrag
des Gehilfen und der Tatbestandsverwirklichung durch den
Haupttäter gefordert wird, wird dies nahezu einhellig nicht
dahin verstanden, dass das Tun des Teilnehmers adäquat oder
äquivalent kausal für den isolierten konkreten
Taterfolg als solchen geworden sein muss. Vielmehr soll es
genügen, wenn der Beitrag des Gehilfen das konkrete Tatbild,
also das zum Taterfolg hinführende Geschehen, zumindest bis in
das Versuchsstadium hinein mitprägt; danach scheidet die
notwendige "Kausalität" weder deswegen aus, weil das vom
Gehilfen zur Tatverwirklichung beigetragene Handlungselement
hypothetisch auch anderweitig hätte erbracht werden
können, noch weil es sich nachträglich als
überflüssig herausstellt (vgl. Cramer/Heine, aaO Rdn.
10 m. w. N.). Dies stimmt der Sache nach aber mit dem in der
Rechtsprechung aufgestellten Erfordernis überein, dass der
Beitrag des Gehilfen das Herbeiführen des Taterfolges durch
den Haupttäter (die Tathandlung, Tatbestandsverwirklichung)
objektiv gefördert oder erleichtert haben muss (s. Roxin in FS
Miyazawa S. 501, 502 f.; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl.
§ 27 Rdn. 2: Förderung der Haupttat ohne
"Ursächlichkeit" kaum denkbar). Nichts anderes gilt
für die Rechtsfigur der (kausalen) Risikoerhöhung.
Dass derjenige, der das auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete
Tun des Haupttäters objektiv fördert oder
erleichtert, in aller Regel das Risiko der Tatvollendung
erhöht, liegt auf der Hand (vgl. BGHSt 42, 135, 138:
Fördern des strafbaren Verhaltens des Haupttäters und
dadurch Vergrößerung des Risikos, dass die Haupttat
begangen wird).
Nach alledem ist es entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts auch
nicht erheblich, dass der Angeklagte seine
Unterstützungshandlungen schon längere Zeit vor der
Begehung der Haupttaten in deren Vorbereitungsphase vorgenommen hatte
(vgl. BGHSt 2, 344, 345 f.; 42, 332, 335; 46, 107, 115; BGH NJW 1985,
1035, 1036).
46
- 24 -
b) Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte auch den erforderlichen
Gehilfenvorsatz. Das Oberlandesgericht ist allerdings der Ansicht, der
Gehilfe müsse zwar keine bestimmten Vorstellungen von den
Einzelheiten der Haupttat haben, jedoch deren wesentliche Merkmale,
ihre Unrechts- und Angriffsrichtung, den zu verwirklichenden Tatbestand
sowie die wesentlichen Dimensionen des Unrechts kennen. Hieran fehle
es, weil der Angeklagte das bis dahin unvorstellbare Ausmaß
der Anschläge und der Vernichtung von Menschenleben nicht
erkannt habe und auch nicht habe erkennen können. Diese
Würdigung ist rechtsfehlerhaft.
47
Wie das Oberlandesgericht festgestellt hat, wusste der Angeklagte, dass
die vier zu Piloten ausgebildeten Mitglieder der Vereinigung aus - von
ihm geteilten - Hass gegen "die Amerikaner und Juden" in den USA
Flugzeuge unbekannter Art und Größe in ihre Gewalt
und zum Absturz bringen würden. Ihm war auch bekannt, dass
gegebenenfalls ein Ersatzmann für ein Gruppenmitglied
einspringen sollte. Sein Gehilfenvorsatz richtete sich damit direkt auf
die Tötung von Menschen, wobei er die Anzahl von Opfern
zumindest billigend in Kauf nahm, die nach den ihm bekannten
Umständen der geplanten Anschläge in Betracht kam; im
Hinblick auf die vier zu Piloten ausgebildeten Attentäter
waren dies die möglichen Insassen von vier Verkehrsflugzeugen
jeder denkbaren Größe. Damit ist der erforderliche
Vorsatz des Angeklagten gegeben, zu der Tötung der
später den Abstürzen tatsächlich zum Opfer
gefallenen Passagiere und Besatzungsmitglieder Hilfe zu leisten.
48
Mehr setzt das Gesetz für die subjektive Tatseite der Beihilfe
entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts nicht voraus. Insbesondere
bedarf es keiner Kenntnis der "Unrechtsdimension" der
tatsächlich ausgeführten Anschläge. Denn das
Maß des tatsächlich verwirklichten Unrechts im Sinne
der Intensität der Rechtsgutsbeeinträchtigung oder
der Zahl der durch den Tatbeitrag über die Vorstellung des
Gehilfen hinaus geförderten weiteren Rechtsgutsverletzun-
49
- 25 -
gen ist kein Umstand der Tat, der zum gesetzlichen Tatbestand
gehört und daher (s. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB) - zur
Begründung des Schuldspruchs wegen Beihilfe - vom
Gehilfenvorsatz umfasst sein muss. Wer weiß oder zumindest
für möglich hält und billigt, durch sein Tun
ein Verhalten des Haupttäters zu fördern, das den
Tatbestand einer Strafnorm erfüllt, ist somit auch dann der
Beihilfe zu dieser Straftat schuldig, wenn der Haupttäter -
durch den Gehilfenbeitrag gefördert - eine
größere Zahl von rechtswidrigen Taten begeht oder
den tatbestandsmäßigen Erfolg in
schuldspruchrelevanter Weise in zahlreicheren Fällen
verwirklicht, als es sich der Gehilfe vorgestellt hatte. Eine solche
Divergenz führt lediglich dazu, dass der Schuldspruch auf die
vom Vorsatz des Gehilfen erfassten Taten oder schuldspruchrelevanten
Tatfolgen zu beschränken ist. Die darüber hinaus
gehenden Taten oder Tatfolgen können jedoch bei der
Strafzumessung Relevanz gewinnen. Denn hier stellt sich die Frage, ob
über die vom Gehilfen vorgestellten und gewollten Folgen
seines Tatbeitrags hinaus auch diejenigen zu berücksichtigen
sind, die er nicht bedacht hat; waren sie für ihn zumindest
vorhersehbar, können sie ihm als verschuldete Tatauswirkungen
gemäß § 46 Abs. 2 StGB
strafschärfend angelastet werden.
Soweit der Bundesgerichtshof - auch der Senat - in mehreren
Entscheidungen beiläufig und für das jeweilige
Ergebnis nicht tragend die "Unrechtsdimension" der Tat angesprochen hat
(BGHSt 42, 135, 139; BGH NStZ 1990, 501; NJW 1997, 265, 266; BGHR StGB
§ 27 Abs. 1 Vorsatz 9), lässt sich hieraus
Abweichendes nicht herleiten. Im Übrigen waren dort
Sachverhalte betroffen, die mit der hier zu beurteilenden
Fallgestaltung nicht vergleichbar sind. Diese erhält ihr
Gepräge dadurch, dass die "Dimension des Unrechts" durch die
Zahl getöteter Menschen gekennzeichnet wird. Ist jedoch das
höchstpersönliche Rechtsgut des menschlichen Lebens
betroffen, so verbietet sich jede Betrachtung, die geeignet
wäre, dessen Schutz dadurch zu relativieren, dass das einzelne
Menschenleben als unbedeutender Einzelposten gegenüber einem
allein maßgeblichen "Gesamtunrechtsgehalt", einer
"Gesamtunrechtsdimensi-
50
- 26 -
on" nicht mehr ins Gewicht fiele. Dies wäre aber der Fall,
wenn ein Gehilfe, der durch seine Tatbeiträge bewusst die
Tötung einer Vielzahl von Menschen (die Passagiere sowie die
Besatzung zum Absturz gebrachter Flugzeuge) gefördert hat und
fördern wollte, nur deshalb nicht wegen Beihilfe zum
vielfachen Totschlag oder Mord bestraft werden könnte, weil
die von ihm unterstützten Haupttäter ihre Taten in
eine Dimension getrieben haben, die von den Vorstellungen des Gehilfen
nicht mehr erfasst war. Selbst wenn der Gehilfe seine
Tatbeiträge etwa nicht erbracht hätte, wenn er sich
des gesamten Umfangs der geplanten Haupttaten bewusst gewesen
wäre, ihm dieser also letztlich unerwünscht war,
stünde das seiner Verurteilung nicht entgegen (vgl. BGH NStZ
1990, 501; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 8).
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zu der aus der
Urteilsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs (vgl.
dazu Meyer-Goßner, aaO § 354 Rdn. 12 ff. m. w. N.).
Die Feststellungen des Oberlandesgerichts belegen, dass sich der
Angeklagte neben der Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung der Beihilfe zum 246-fachen Mord schuldig gemacht hat.
Insbesondere lassen sie nicht die Möglichkeit offen, der
Angeklagte könne lediglich mit solchen Haupttaten der vier
"Piloten" gerechnet und diese bewusst gefördert haben, bei
denen es nicht zur Tötung von Menschen gekommen wäre.
Das Oberlandesgericht hat an mehreren Stellen des Urteils
ausdrücklich festgestellt, dass der Angeklagte Kenntnis von
der Planung von Anschlägen mittels Flugzeugen in der Form von
Selbstmordattentaten hatte und dass, unabhängig davon, auf
welche Art und Weise Flugzeuge eingesetzt werden sollten, mit der
Tötung von Menschen zu rechnen war; denn es sollten Flugzeuge
unbekannter Art und Größe zum Absturz gebracht
werden mit den entsprechenden Opfern an Menschenleben (UA S. 95, 103,
293, 337). Soweit das Oberlandesgericht an einer Stelle von
Flugzeugentführungen spricht (UA S. 293), will es damit
erkennbar nicht zum Ausdruck bringen, der Angeklagte habe nur die
Gefährdung von Menschenleben vorausgesehen und gebilligt. Dies
folgt eindeutig aus dem
51
- 27 -
unmittelbar vorausgehenden Satz, an den die entsprechenden
Ausführungen anknüpfen. Dort wird
ausdrücklich dargelegt, dass und warum der Angeklagte mit der
Tötung von Menschen rechnete und diese billigte. Dies wird
durch die übrigen zitierten Urteilsstellen bestätigt,
die - einzeln und in der Gesamtschau - keinen Zweifel daran lassen,
dass der Angeklagte nach Überzeugung des Oberlandesgerichts
wusste, dass die zu entführenden Flugzeuge zum Absturz
gebracht werden sollten.
Nach den Feststellungen hat der Angeklagte nicht nur Beihilfe zum
vielfachen Totschlag, sondern zum vielfachen Mord geleistet. Die
Beweggründe, die die Haupttäter zur
Durchführung der Anschläge und den Angeklagten zu
seinen Unterstützungsleistungen motivierten, sind als niedrig
im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB einzustufen. Darüber
hinaus handelten die Haupttäter heimtückisch, denn in
dem Zeitpunkt, als sie die Flugzeuge in ihre Gewalt brachten und damit
die ersten gegen das Leben der Passagiere und Besatzungsmitglieder
gerichteten Angriffshandlungen vornahmen, waren diese arg- und wehrlos;
sie hatten auch danach keine realistische Möglichkeit mehr,
sich gegen die Attentäter erfolgreich zu verteidigen und ihr
Leben zu retten. All diese Umstände waren dem Angeklagten
bewusst.
52
4. Die Revision des Generalbundesanwalts bleibt allerdings ohne Erfolg,
soweit sie die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Mord,
zum versuchten Mord und zur gefährlichen
Körperverletzung auch an den Personen erstrebt, die sich zum
Zeitpunkt der Anschläge im World Trade Center und im Pentagon
aufhielten. Das Oberlandesgericht hat sich nicht davon zu
überzeugen vermocht, dass der Angeklagte Kenntnis davon hatte
oder auch nur für möglich hielt, dass sich die
Anschläge auch gegen diese Opfer richten sollten. Der Senat
schließt nach dem bisherigen Verfahrensgang und dem
Beweisergebnis aus, dass in einer nochmaligen Hauptverhandlung ein
weitergehender Vorsatz des Angeklagten nachgewiesen werden
könnte.
53
- 28 -
Demgemäß muss die Strafe auf der Grundlage des
geänderten Schuldspruchs und der insgesamt aufrechterhaltenen
Feststellungen neu festgesetzt werden. Hierfür darf der zu
dieser Entscheidung nunmehr berufene Strafsenat des Oberlandesgerichts
ergänzende neue Feststellungen nur treffen, soweit sie zu
denjenigen des angefochtenen Urteils nicht in Widerspruch stehen. Ob
dessen Bewertung zutrifft, der Angeklagte habe nicht einmal erkennen
können, dass durch die Anschläge auch die weiteren
Opfer im World Trade Center und im Pentagon zu Tode kommen
würden, wird es dagegen in eigener Beurteilung zu entscheiden
haben.
54
IV. Revisionen der Nebenkläger D. , C. , P. , L. , H. und Pu.
55
1. Die Revisionen der Nebenkläger D. , C. , L. und H. sind
unzulässig. Diese Nebenkläger sind bei den
Anschlägen vom 11. September 2001 verletzt worden. Ihre
Berechtigung, sich dem Verfahren als Nebenkläger
anzuschließen, ergibt sich somit daraus, dass dem Angeklagten
angelastet wurde, Beihilfe zum versuchten Mord und zur
gefährlichen Körperverletzung zu ihrem Nachteil
begangen zu haben (§ 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 StPO).
Dennoch rügen sie mit ihren Revisionen - gestützt auf
die nicht weiter ausgeführte allgemeine Sachrüge -
ausschließlich, dass der Angeklagte nicht wegen "Beihilfe zum
Mord in 3066 Fällen" verurteilt worden ist. Insoweit fehlt
ihnen jedoch die Anschlussbefugnis als Nebenkläger (vgl.
§ 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO), so dass sie gemäß
§ 400 Abs. 1 StPO nicht befugt sind, ihre Revisionen mit dem
Ziel einer derartigen Verurteilung zu führen. Dass es sich bei
der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat um eine einheitliche Beihilfe zum
vielfachen Mord und zum mehrfachen versuchten Mord nebst
gefährlicher Körperverletzung handelt,
ändert hieran nichts.
56
2. Die Revisionen der Nebenkläger P. und Pu. (Witwer bzw. Sohn
einer bei den Anschlägen getöteten Flugzeuginsassin)
sind dagegen zu-
57
- 29 -
lässig. Sie haben aus den Gründen, die zur Revision
des Generalbundesanwalts näher dargelegt worden sind, auch in
der Sache Erfolg.
V. Zur Kostenentscheidung
58
Eine Erstattung der notwendigen Auslagen, die dem Angeklagten sowie den
Nebenklägern D. , C. , L. und H. durch die gegenseitigen
Revisionen entstanden sind, findet nicht statt, da die Rechtsmittel
beider Seiten ohne Erfolg geblieben sind (Meyer-Goßner, aaO
§ 473 Rdn. 10 m. w. N.).
59
Tolksdorf Miebach Pfister
Becker Hubert |