BGH,
Urt. v. 16.10.2008 - 4 StR 369/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 369/08
vom
16.10.2008
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
16.10.2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Athing,
Dr. Ernemann,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen
vom 30. April 2008 wird verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Mit seiner Revision
rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen
Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
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I.
Am Samstag, dem 3. November 2007 verbrachten der Angeklagte, seine
Ehefrau und Peter F. den Abend und die Nacht trinkend im Wohnzimmer. Am
Sonntag, dem 4. November 2007, erwachte der Angeklagte in den
Vormittagsstunden aus einem mehrstündigen Schlaf und sah, dass
seine Ehefrau, nur mit einem vorne geöffneten Morgenmantel
bekleidet, auf dem Schlafsofa lag. Auf ihr lag Peter F. mit teilweise
heruntergelassener Hose. Der Angeklagte nahm an, dass seine Ehefrau mit
Peter F. den Geschlechtsverkehr ausübte. Obwohl ihm intime
Kontakte seiner Ehefrau mit Peter F. bereits bekannt waren, war er
durch den "unverschämten Vertrauensbruch seines besten
Freundes und seiner Ehefrau gekränkt und aufgebracht" und
beschloss, Peter F. zu bestrafen. Er suchte einen Gegenstand, mit dem
er Peter F.
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schlagen konnte. Aus dem Einbauschrank in der Diele entnahm er ein Beil
mit Holzgriff und einer Metallschneide. Damit ging er ins Wohnzimmer,
und stellte sich neben die Schlafcouch, was seine Ehefrau und Peter F.
, die dort immer noch aufeinander lagen, nicht bemerkten. Der
Angeklagte holte aus, um Peter F. mit voller Wucht mit dem Beil auf den
Kopf zu schlagen. Dabei nahm er "auch zumindest billigend in Kauf",
seine unter Peter F. liegende Ehefrau am Kopf zu treffen. "Er war auch
auf sie wütend, weil sie vor seinen Augen mit seinem besten
Freund Geschlechtsverkehr gehabt hatte. Ihm war bewusst, dass ein
wuchtiger Schlag mit einem Beil gegen den Kopf geführt,
lebensgefährliche Verletzungen verursachen konnte". Der
Angeklagte nahm in Kauf, bei dem Angriff auch seine Ehefrau
tödlich zu verletzen.
Der mit großer Wucht geführte Schlag verfehlte den
Kopf Peter F. s knapp und traf den Kopf der Ehefrau des Angeklagten.
Die Beilschneide zertrümmerte die Schädelkalotte im
Bereich des linken Stirn- und Scheitelbeins und durchtrennte die harte
und die weiche Hirnhaut. Die Schneide des Beils brach dabei ab und flog
in einem hohen Bogen in Richtung des Wohnzimmerschranks. Peter F.
sprang von der Schlafcouch und floh aus der Wohnung. Der Angeklagte,
der glaubte, Peter F. am Hinterkopf getroffen zu haben, nicht aber
seine Ehefrau, schlug in seiner Wut mit dem Beilstiel auf seine Ehefrau
ein. Die Schwere der von dem Beilhieb herrührenden Kopfwunde
wurde sowohl vom Angeklagten als auch von seiner Ehefrau verkannt,
obwohl die Wunde heftig zu bluten begann. Der Angeklagte glaubte, seine
Frau nur leicht mit dem Stiel des Beils verletzt zu haben. Sie erlag
der schweren Kopfverletzung in den frühen Morgenstunden des 5.
November 2007.
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II.
Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht
ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs.
2 Satz 2 StPO).
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III.
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der
Sachrüge hat keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler
ergeben.
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1. Der Schuldspruch ist auch unter Berücksichtigung der von
der Revision und vom Generalbundesanwalt dagegen erhobenen Einwendungen
rechtlich nicht zu beanstanden.
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Der Verurteilung des Angeklagten steht nicht entgegen, dass er mit dem
Beilhieb Peter F. , nicht aber seine Ehefrau töten wollte.
Wirkt sich die Tat, wie hier, ohne Verwechslung des Angriffsobjekts an
einem anderen Menschen aus (aberratio ictus, Fehlgehen des Angriffs),
kann dem Täter, soweit die Wirkung des Angriffs auf das nicht
in Aussicht genommene Opfer in Frage steht, der Vorwurf der
vorsätzlichen Tatbestandserfüllung allerdings nur
dann gemacht werden, wenn er weiß, dass ein solcher Erfolg
eintreten kann, und er diese Möglichkeit billigend in Kauf
nimmt (h.M.; BGHSt 34, 53, 55 ). Das ist hier nach den Feststellungen
der Fall. Die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung weist,
auch soweit sie die innere Tatseite und die Schuldfähigkeit
des Angeklagten betrifft, keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten auf.
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a) Die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte mit der
Möglichkeit gerechnet hat, mit dem gegen den Kopf Peter F. s
geführten wuchtigen Hieb mit dem Beil auch seine Ehefrau
tödlich zu verletzen, ist durch die festgestellten
Tatumstände hinreichend belegt. Danach war der wuchtige Hieb
mit der Schneide des Beils eine äußerst
gefährliche Gewalthandlung, die zu tödlichen
Verletzungen führen und sich nicht nur, wie vom Angeklagten
gewollt, auf Peter F. , sondern auch auf die unter diesem liegende
Ehefrau des Angeklagten auswirken konnte. Der Angeklagte wusste, dass
der Kopf seiner Ehefrau sich „direkt“ neben dem
Peter F. s bzw. darunter befand, und hatte zudem bemerkt, dass sich
seine Ehefrau und Peter F. bewegten. Dass ein Angriff mit dem Beil
unter diesen Umständen fehlgehen und sich auf die Person
auswirken kann, die nicht (primäres) Ziel des Angriffs ist,
liegt auf der Hand, zumal ein wuchtiger Schlag mit einem schweren
Gegenstand im Einzelnen nicht mehr kontrollierbar ist (vgl. BGHR StGB
§ 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51).
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Zwar kann es je nach den Umständen des Einzelfalles auch bei
äußerst gefährlichen Gewalthandlungen
fraglich sein, ob der Täter das erforderliche Wissen um die
mögliche Todesgefahr hat (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1
Vorsatz, bedingter 26, 37). Das Landgericht hat sich aber mit
nachvollziehbarer Begründung die Überzeugung
verschafft, dass der Angeklagte trotz seines Zustands die
Gefährlichkeit seines Tuns auch in Bezug auf seine Ehefrau
erkannt hat.
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b) Schließlich ist die Annahme des Landgerichts, dass der
Angeklagte die Möglichkeit, seine Ehefrau tödlich zu
verletzen, billigend in Kauf genommen hat, rechtsfehlerfrei belegt.
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Auch für das Willenselement stellt die Lebensbedrohlichkeit
gefährlicher Gewalthandlungen ein gewichtiges Beweisanzeichen
dar, jedoch ist angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber
einer Tötung unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalles sorgfältig zu
prüfen, ob der Täter, der sein gefährliches
Handeln durchführt, obwohl er mit der Möglichkeit
tödlicher Verletzungen rechnet, den Tod des Opfers billigend
in Kauf nimmt (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter
3, 5, 33, 35 und 38 jeweils m.w.N.). In diese Prüfung sind vor
allem die konkrete Angriffsweise, die psychische Verfassung des
Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation mit
einzubeziehen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter
39). Dies hat das Landgericht aber auch bei seinen Erwägungen,
mit denen es das Willenselement des bedingten Vorsatzes bejaht hat,
beachtet. Insbesondere hat es dabei entgegen der Auffassung des
Generalbundesanwalts das Nachtatverhalten des Angeklagten nicht
außer acht gelassen. Daraus, dass der Angeklagte nach dem
Abspringen der Beilklinge sein aggressives Verhalten nunmehr durch
Schläge mit dem Beilstiel gegen seine Ehefrau richtete, durfte
das Landgericht den Schluss ziehen, dass der Angeklagte schon beim
ersten Beilhieb (zumindest) mit bedingtem Tötungsvorsatz auch
in Bezug auf seine Ehefrau handelte.
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Rechtlich tragfähige Anhaltspunkte, dass der Angeklagte trotz
der erkannten Lebensgefährlichkeit des Schlages mit dem Beil
auch für seine Ehefrau ernsthaft und nicht nur vage (vgl. BGHR
StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51) darauf vertraut haben
könne, es würde seine Ehefrau nicht zu Tode kommen,
sind nicht festgestellt und liegen bei dem Tatgeschehen auch fern.
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2. Auch die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des Strafrahmens
und die Bemessung der Strafe halten rechtlicher Prüfung stand.
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Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein
minder schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Sache des
Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden
Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der
Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die
wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände
festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen
Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im
Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; vgl.
BGHSt 3, 179; 24, 268). Das Revisionsgericht darf die
Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur
nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein
Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGH StV 2002,
20; BGH, Urt. vom 20. April 2004 - 5 StR 87/04). Das ist hier nicht der
Fall.
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a) Das Landgericht hat einen minder schweren Fall im Sinne der zweiten
Alternative des § 213 StGB nur unter Heranziehung auch des
vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB bejaht. Es hat
deshalb unter Hinweis auf § 50 StGB von einer Milderung des
Strafrahmens des § 213 StGB gemäß
§§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgesehen (vgl. BGHR StGB
§ 50 Mehrfachmilderung 1; BGH StV 1992, 371).
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Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht ohne
Rechtsfehler die vorliegenden unbenannten
Strafmilderungsgründe für sich genommen als nicht
ausreichend erachtet, einen minder schweren Fall zu bejahen. Eines
Eingehens auf das Verhalten des Tatopfers nach der Tat bedurfte es
dabei nicht. Dass die Ehefrau des Angeklagten keine ärztliche
Hilfe in Anspruch genommen hat, sondern weiter Alkohohl getrunken hat,
vermag die Schuld des Angeklagten nicht zu mindern. Nach den
Feststellungen hat sie, ebenso wie der Angeklagte, die Schwere ihrer
Verletzung verkannt. Die Revision lässt zudem außer
acht, dass die Zeugin S. am Abend des Tattages dem Angeklagten
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anbot, einen Krankenwagen zu rufen, was dieser ablehnte. Die
strafschärfende Erwägung, dass sich die Tatbegehung
„sehr dicht an der Grenze des Mordmerkmals der
Heimtücke“ bewege, begegnet ebenfalls keinen
rechtlichen Bedenken. Zwar hat das Landgericht zugunsten des
Angeklagten die subjektive Tatseite dieses Mordmerkmals verneint. Dies
bedeutet jedoch nicht, dass die Art des Angriffs gänzlich als
Belastungsfaktor ausscheiden muss (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 294). Wie
sich den Urteilsausführungen entnehmen lässt, war
sich die Kammer bewusst, dass dieser Tatumstand dem Angeklagten nur
eingeschränkt anzulasten ist.
b) Die Bemessung der Strafhöhe lässt auch im
Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
erkennen. Insbesondere war es dem Landgericht hier nicht verwehrt, auf
die Umstände, die schon zur Bestimmung des Strafrahmens
gedient haben, Bezug zu nehmen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1
Begründung 21). Die erkannte Strafe löst sich
entgegen der Auffassung der Revision nicht nach oben von ihrer
Bestimmung, gerechter Schuldausgleich
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zu sein. Sie liegt vielmehr innerhalb des dem Tatrichter
eingeräumten Beurteilungsrahmens und ist daher vom
Revisionsgericht hinzunehmen.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer |