BGH,
Urt. v. 16.10.2008 - 5 StR 348/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 16. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16.
Oktober 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin B.
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Leipzig vom 11. März 2008 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch dem
Angeklagten D. entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
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Das Landgericht hat die Angeklagten W. und D. des (besonders) schweren
Raubes in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung schuldig gesprochen. Es hat den
Mitangeklagten W. unter Einbeziehung zweier jugendrichterlicher Urteile
zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren und neun Monaten
verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision dieses Angeklagten hat der
Senat mit Beschluss vom heutigen Tage als unbegründet nach
§ 349 Abs. 2 StPO verworfen. Den erwachsenen Angeklagten D.
hat das Landgericht zu der Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs
Monaten verurteilt. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision
erstrebt eine tateinheitliche Verurteilung wegen versuchten Mordes. Das
Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und
Wertungen getroffen:
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a) Am Abend des 24. August 2007 trafen die Angeklagten in Borna auf den
später geschädigten K. und einen Begleiter. D.
beschimpfte die Männer und verlangte etwas später
auch von K. Geld, dessen Herausgabe aber verweigert wurde. Auf
Aufforderung des W. , der sich an K. wegen einer Lappalie
rächen wollte, forderte D. , der ein etwa 2 cm breites, 20 cm
langes Messer mit einer Klingenlänge von 10 cm aus seinem
Rucksack geholt hatte, erneut von K. lautstark Geld. Er brachte K. zu
Fall, setzte sich auf dessen Oberkörper und bedrohte ihn mit
dem Messer. W. half D. , K. s Gegenwehr zu brechen, und hielt diesen
fest, bis D. dem K. mit dem Messer in einem flachen Winkel 3 bis 4 cm
tief in den Bauch in Richtung des Herzens stach. Da das Messer durch
eine Rippe nach oben abgelenkt wurde, durchtrennte die Messerklinge
lediglich das Unterhautfettgewebe des Bauches. Angesichts des jetzt
erlahmenden Widerstandes des K. konnten die Angeklagten diesem nun
dessen Geldbörse mit 850 € Inhalt aus der hinteren
Hosentasche ziehen.
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Aus Bedenken, K. könne womöglich ohne fremde Hilfe
sterben, wählte D. zweimal erfolglos eine Notrufnummer. Bei
Überprüfung des Tatmessers bemerkte D. daran wider
Erwarten kein Blut, sondern eine wässrige Schicht, die er
abwischte. Die Geldbörse des Geschädigten warf er in
ein Gebüsch.
Die Wunde des K. wurde im Krankenhaus versorgt. Die Heilung erfolgte
ohne Komplikationen.
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b) Das Landgericht hat sich von einem Tötungsvorsatz des in
der Hauptverhandlung schweigenden D. nicht zu überzeugen
vermocht. Zwar stelle die äußerst
gefährliche Tathandlung ein gewichtiges Indiz dafür
dar, dass der Angeklagte mit der Möglichkeit eines
tödlichen Ausgangs gerechnet hätte. Indes habe der
„in einem sehr flachen Winkel vertikal gegen den Bauch seines
Opfers“ (UA S. 58) geführte Stich lediglich eine
geringe
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Tiefe erreicht, so dass nicht davon ausgegangen werden könne,
dass der Stich mit besonderer Wucht geführt worden sei. Ein
Rückschluss aus dem Nachtatverhalten auf das Vorliegen eines
Tötungsvorsatzes scheide aus. Die Anrufe beim Rettungsdienst
belegten, dass D. den Tod des Geschädigten zu verhindern
suchte. Anschließend habe er nach Prüfung des
Tatmessers die Vorstellung gehabt, keine gravierende Verletzung
verursacht zu haben.
2. Die Revision deckt bei der Prüfung eines
Tötungsvorsatzes des Angeklagten D. keinen durchgreifenden
sachlichrechtlichen Fehler zu Gunsten des Angeklagten auf.
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a) Missverständliche Wendungen im Urteil des Landgerichts
innerhalb der getroffenen Tatsachenfeststellungen, die für
einen bedingten Tötungsvorsatz sprechen könnten (UA
S. 24), belegen keine entsprechende Subsumtion, die ausweislich der
gesamten Beweiswürdigung nicht tatsachengestützt
wäre (vgl. BGH StV 2002, 235).
b) Zwar hat es das Landgericht unterlassen, das Vorstellungsbild des
Angeklagten D. von einem möglichen tödlichen Erfolg
des Messerstiches zehn Minuten nach der Tat zum Zeitpunkt der Vornahme
der Notrufe in seine beweiswürdigenden Erwägungen zum
Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes während
der Tatausführung einzubeziehen. Dies begründet aber
ebenfalls keine sachlichrechtliche Erörterungslücke
(vgl. BGH NJW 2006, 925, 928); ein solches auf einer Schlussfolgerung
aus der Vornahme der Notrufe gegründetes Vorstellungsbild des
Angeklagten wäre nicht ausreichend tatsachengestützt.
Dies folgt aus der vom Landgericht für glaubhaft gehaltenen
und die Vornahme einer bloßen Körperverletzung
belegenden Äußerung eines Zeugen, D. habe
unmittelbar nach der Tat gesagt, er habe K. (lediglich)
„angestochen“ (UA S. 40), die das Landgericht nicht
ausdrücklich in seine Erwägungen einbezogen hat.
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c) Die auf die Tatausführung gegründete Wertung des
Landgerichts, D. habe nicht mit Tötungsvorsatz zugestochen,
ist das Ergebnis einer noch vertretbaren Gesamtbetrachtung der
tatprägenden Umstände und deshalb
revisionsgerichtlich hinzunehmen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1
Vorsatz, bedingter 5, 8, 24 und 30).
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Der Angeklagte hat in einem sehr spitzen Winkel mit nicht erheblicher
Wucht und in nur geringer Tiefe in den Bauch des K. gestochen. Auch im
Blick auf die freilich nicht eingetretene Eventualität einer
Verletzung der Herzspitze und der Bauchspeicheldrüse bei
anderem Stichverlauf musste der Tatausführung keinesfalls die
erhebliche indizielle Bedeutung eines Stiches in Richtung des Herzens
(vgl. BGHR aaO 35 und 57) für die Erfüllung des
voluntativen Vorsatzelements beigemessen werden. Gleiches gilt
für die Ankündigung des Angeklagten, K. abstechen zu
wollen.
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d) Schließlich hat das Landgericht auch einen Mordversuch
durch Unterlassen (vgl. BGH NJW 2003, 1060) der Sache nach vertretbar
verneint. Nachdem die Jugendkammer aufgrund nicht zu beanstandender
Beweiserwägungen eine Kenntnis des Angeklagten von der
Verursachung einer blutenden Verletzung ausgeschlossen hatte, stellte
dies eine ausreichende Grundlage für die Schlussfolgerung dar,
dass der Angeklagte D. - auch nach Scheitern der telefonischen
Rettungsbemühungen - in dieser Situation ebenfalls keinen
Tötungsvorsatz hatte.
Basdorf Brause Schaal
Schneider Dölp |