BGH,
Urt. v. 17.4.2000 - 5 StR 665/99
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 665/99
URTEIL
vom 17. April 2000
in der Strafsache gegen
wegen versuchten Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17.
April 2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger, Richter Basdorf, Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum als beisitzende Richter, Staatsanwalt als Vertreter
der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Görlitz vom 25. März 1999 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen falscher Versicherung an Eides Statt
verurteilt worden ist; insoweit wird der Angeklagte - auf Kosten der
Staatskasse, die auch seine notwendigen Auslagen zu tragen hat -
freigesprochen;
b) im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen
Feststellungen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten und die Revision der
Staatsanwaltschaft gegen das vorgenannte Urteil werden verworfen.
3. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft sowie die dem
Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der
Staatskasse zur Last.
4. Zu neuer Verhandlung und Entscheidung zum Strafausspruch wegen
versuchten Betruges, auch über die verbleibenden Kosten des
Rechtsmittels des Angeklagten, wird die Sache an das Amtsgericht
Bautzen - Strafrichter - zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen falscher Versicherung an
Eides Statt und wegen versuchten Betruges zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und
die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Vom
Vorwurf der Untreue hat es den Angeklagten aus tatsächlichen
Gründen freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit
der Sachrüge gegen den Freispruch des Angeklagten. Das vom
Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge
zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen falscher Versicherung an Eides
Statt und insoweit zum Freispruch sowie zur Aufhebung des verbleibenden
Strafausspruchs wegen versuchten Betrugs; im übrigen ist das
Rechtsmittel unbegründet.
I.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. Der
Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Untreue hält
rechtlicher Nachprüfung stand.
Das Landgericht, das den objektiven Tatbestand der Untreue durch die
Verwendung von Mandantengeldern für private Zwecke als
erfüllt angesehen hat, hat sich nicht davon
überzeugen können, daß der Angeklagte
hinsichtlich einer von ihm verursachten
Vermögensgefährdung auch nur bedingt
vorsätzlich handelte. Angesichts positiver Bestände
auf mehreren Konten des Angeklagten hat der Tatrichter die Einlassung
des Angeklagten, er habe über genügend finanzielle
Mittel verfügt, um die verwendeten Mandantengelder jederzeit
auszuzahlen (UA S. 28), für nicht widerlegbar erachtet. Die in
diesem Zusammenhang vorgenommene Beweiswürdigung ist rechtlich
nicht zu beanstanden. Die aufgrund der Beweisaufnahme gezogenen
Schlußfolgerungen des Landgerichts sind möglich,
zwingend brauchen sie nicht zu sein (vgl. BGHR StPO § 261 -
Beweiswürdigung 2). Das Landgericht mußte seine
Würdigung auch nicht deshalb weiter hinterfragen, weil sich
der Angeklagte zum Beleg der geltend gemachten von ihm angenommenen
jederzeitigen Zahlungsfähigkeit nach dem Urteil nicht speziell
(vgl. aber UA S. 29) auf die Kontostände berufen hatte, welche
ihm das Landgericht zugute gehalten hat (UA S. 31 f.), sondern
vorrangig auf andere Zugriffsmöglichkeiten. Diese hat das
Landgericht zwar letztlich als widerlegt angesehen, sie waren indes
nicht etwa derart haltlos (vgl. UA S. 29 f.), daß allein aus
der Berufung hierauf ein naheliegendes, unbedingt
erörterungsbedürftiges Belastungsindiz herzuleiten
war. Die Entscheidung des Tatrichters ist deshalb vom Revisionsgericht
hinzunehmen.
II.
Soweit sich die Revision des Angeklagten gegen die Verurteilung nach
§ 156 StGB und den Strafausspruch wegen versuchten Betrugs
richtet, hat sie Erfolg; im übrigen ist sie
unbegründet.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen falscher Versicherung an
Eides Statt hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Hierzu hat das Landgericht folgendes festgestellt:
Der Angeklagte schloß mit der Firma S&B einen
Generalunternehmervertrag zur Sanierung seines Wohnhauses. Unter
anderem war darin vorgesehen, daß "der Auftraggeber eine
Bankbürgschaft in Höhe des Pauschalbetrages stellt".
Tatsächlich kam es jedoch nicht zur Stellung der
Bürgschaft. Als zwischen dem Angeklagten und der Baufirma
Unstimmigkeiten hinsichtlich der Zahlungen entstanden, reichte der
Angeklagte beim Landgericht eine Schutzschrift ein, um zu verhindern,
daß einem - von ihm erwarteten - Antrag der Baufirma auf
Erlaß einer einstweiligen Verfügung ohne
mündliche Verhandlung stattgegeben werde. Im Rahmen der
Schutzschrift gab der Angeklagte eine eidesstattliche Versicherung ab,
in der er behauptete, bei Unterzeichnung des Vertrages sei vereinbart
worden, die Bürgschaft nicht anzufordern.
Das Landgericht hat es als erwiesen angesehen, daß die
eidesstattliche Versicherung des Angeklagten falsch war, da die vom
Angeklagten behauptete Vereinbarung nicht getroffen worden sei und die
Baufirma nicht auf die Stellung der Bürgschaft verzichtet
habe. Gestützt hat sich das Landgericht hierbei im
wesentlichen auf die Angaben der in der Hauptverhandlung
gehörten Gesellschafter der Baufirma, die Zeugen Scholz und
Bartel, sowie den Vertragstext.
b) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Abgabe einer
eidesstattlichen Versicherung im Rahmen einer Schutzschrift,
insbesondere ohne spätere Durchführung des Verfahrens
zur Erwirkung einer einstweiligen Verfügung,
überhaupt den objektiven Vergehenstatbestand des §
156 StGB, dessen Versuch nicht strafbar ist (§ 23 Abs. 1
StGB), erfüllt. Nicht entschieden werden muß ferner,
ob dies etwa auch daran scheitern müßte,
daß sich der als falsch erachtete Inhalt der eidesstattlichen
Versicherung auf ein gar nicht abdingbares (§ 648a Abs. 7 BGB)
Recht des Unternehmers auf Bestellung einer Sicherheit bezieht (vgl.
BGHR StGB § 156 - Versicherung 1, Wahrheitspflicht 1). Es
kommt auch nicht darauf an, daß es schon an einer
näheren Feststellung des Inhalts der Schutzschrift und der
eidesstattlichen Versicherung fehlt, deren Schwerpunkt naheliegend
nicht in der Bürgschaftsanforderung lag, sondern in
Zahlungsverzögerungen und deren Ursachen.
Jedenfalls hält die tatrichterliche Beweiswürdigung
zur bewußten Abgabe einer falschen Versicherung rechtlicher
Nachprüfung nicht stand. Das Urteil läßt
jede Auseinandersetzung mit der - auch dem Angeklagten und seinen als
Zeugen vernommenen Vertragspartnern, wie aus der Wiedergabe ihrer
Aussagen im Urteil folgt, offenbar nicht geläufigen -
Vorschrift des § 648a BGB vermissen, wonach der Unternehmer -
unabdingbar - die Stellung einer Sicherheit verlangen kann, deren
Kosten - begrenzt durch einen Höchstsatz - er indes zu tragen
hat. Insbesondere hat der Tatrichter aber die wirtschaftlichen
Interessen der Beteiligten nicht vollständig
berücksichtigt. Danach lag die Möglichkeit,
daß der Angeklagte bei den Vertragsverhandlungen im Rahmen
einer Erörterung der Finanzierung einen - wenngleich objektiv
gar nicht zulässigen - Verzicht auf die ersichtlich
formularmäßig in den Vertrag aufgenommene
Bürgschaft angesprochen haben könnte, nicht fern.
Dies gilt zumal vor dem Hintergrund eines vom Angeklagten erkannten -
möglicherweise auch in ihrem eigenen Kosteninteresse
begründeten - Desinteresses seiner Vertragspartner an der
Bürgschaft, das dadurch deutlich wird, daß sie diese
Sicherheit erst Monate später nach Eintritt eines
Zerwürfnisses angefordert haben. Daß der Angeklagte
bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hieraus gerade auch
rückschauend ihr Einverständnis hergeleitet und dies
subjektiv wie einen Verzicht bewertet haben könnte, liegt
nicht fern. Diese Möglichkeit mußte das Landgericht
hier in Betracht ziehen und erörtern, zumal angesichts dessen,
daß die als Zeugen vernommenen Vertragspartner keine konkrete
Erinnerung an eine Erörterung der Bürgschaft bei
Vertragsabschluß hatten (UA S. 15 f.), sich teilweise auch
auf die formale Position vereinbarter Schriftform für
Veränderungen zurückzogen.
Der Senat schließt - gerade angesichts der wenig konkreten
Angaben der Zeugen - aus, daß in einer neuen Hauptverhandlung
Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung
wegen falscher Versicherung an Eides Statt tragen könnten; er
spricht den Angeklagten daher insoweit frei.
2. Die sachlichrechtlichen Einwände der Revision gegen den
verbleibenden Schuldspruch wegen versuchten (Prozeß-)Betrugs
greifen nicht durch. Dem Gesamtzusammenhang der Begründung des
Landgerichts ist zu entnehmen, daß der Angeklagte in einem
Zivilrechtsstreit vor dem Oberlandesgericht - neben einer
postulationsfähigen Rechtsanwältin - als
rechtskundiger, mit der Sache bereits vorbefaßter Vertreter
seiner Mandantin aufgetreten ist (vgl. § 52 Abs. 2 BRAO) und
dabei die Frage nach einer Teilerfüllung der eingeklagten
Forderung bewußt wahrheitswidrig verneint hat.
Der wegen dieser Tat verhängte, allein verbleibende
Strafausspruch kann jedoch schon deshalb nicht bestehen bleiben, weil
nicht auszuschließen ist, daß seine Bemessung durch
den weiteren rechtsfehlerhaften Schuldspruch mitbestimmt worden ist.
Abgesehen davon hat der Tatrichter bei der Strafzumessung nicht
erkennbar bedacht, daß die Verurteilung wegen versuchten
Prozeßbetrugs naheliegend nicht unbedeutende
standesrechtliche Sanktionen gegen den Angeklagten als Rechtsanwalt
nach sich ziehen wird. Schließlich läßt
die beträchtliche Höhe der Freiheitsstrafe von einem
Jahr besorgen, daß das Landgericht auch dem Umstand nicht
hinreichend Rechnung getragen hat, wie weit entfernt - angesichts der
im Anschluß an die wahrheitswidrige Erklärung
erfolgten Vertagung der Zivilrechtssache und der
anschließenden Unterbrechung des Rechtsstreits infolge der
Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das
Vermögen der beklagten Firma - der Versuch hier von einer
Vollendung gewesen ist.
3. Der Senat weist die Sache für die verbleibende
Strafzumessung an den Strafrichter beim Amtsgericht Bautzen
zurück, dessen Strafgewalt ausreicht (§ 354 Abs. 3
i.V.m. Abs. 2 Satz 1, § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Raum |