BGH,
Urt. v. 17.8.2001 - 2 StR 159/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 159/01
vom
17. August 2001
in der Strafsache gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 15. August 2001 in der Sitzung vom 17. August 2001, an denen
teilgenommen haben: Vizepräsident des Bundesgerichtshofes Dr.
Jähnke als Vorsitzender und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter, Dr. Bode, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Otten
und der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer als beisitzende
Richter, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Rechtsanwalt in der
Verhandlung als Vertreter der Nebenkläger K. ,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft, der Nebenkläger
K. und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Fulda vom 20.
September 2000 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Totschlags in Tateinheit mit versuchter
schwerer räuberischer Erpressung mit Todesfolge,
fahrlässiger Körperverletzung und Führen
einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu der Freiheitsstrafe von
zwölf Jahren verurteilt wurde;
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehenden Rechtsmittel des Angeklagten und der
Staatsanwaltschaft werden verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit mit
versuchter schwerer räuberischer Erpressung mit Todesfolge,
fahrlässiger Körperverletzung und einem Vergehen
gegen das Waffengesetz (Führen einer halbautomatischen
Selbstladekurzwaffe) sowie wegen "zwei weiteren, zueinander im
Verhältnis der Tateinheit stehenden Vergehen gegen das
Waffengesetz" (Erwerb zweier Schußwaffen und von Munition) zu
der Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten
verurteilt.
Der Angeklagte hat sein Rechtsmittel gegen dieses Urteil mit der
allgemeinen Sachrüge begründet.
Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer vom Generalbundesanwalt
vertretenen Revision ebenfalls die Verletzung sachlichen Rechts. Sie
erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes und macht
insbesondere geltend, das Landgericht habe die subjektive Seite des
Mordmerkmals der Heimtücke rechtsfehlerhaft verneint.
Die Nebenkläger K. rügen die Verletzung formellen und
sachlichen Rechts und erstreben gleichfalls einen Schuldspruch wegen
Heimtückemordes.
Alle Rechtsmittel sind begründet. Das angefochtene Urteil
weist Rechtsfehler sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten
auf. Lediglich die Verurteilung wegen Erwerbs zweier
Schußwaffen und von Munition zu der Einzelfreiheitsstrafe von
einem Jahr hat Bestand.
I.
Das Landgericht hat im wesentlichen festgestellt:
1. Der Angeklagte fuhr auf der Autobahn A 4 von H. kommend in Richtung
Kir. , als er bei einer Geschwindigkeitskontrolle ein Blitzlicht
auslöste und fotografiert wurde. Dies erregte ihn sehr, weil
er wegen seines hohen Punktestands im Verkehrszentralregister den
Verlust der Fahrerlaubnis befürchtete und damit das Ende
seiner Tätigkeit als Berufskraftfahrer sowie seiner
Pläne, künftig wieder am Familienwohnsitz in H. zu
arbeiten. Er hielt zunächst auf dem Seitenstreifen, bevor er
auf eine Zigarettenpause in die Raststätte R. fuhr. Ohne
konkreten Plan fuhr er dieselbe Strecke zurück. Als er
nochmals an der Kontrollstelle vorbeifuhr, kam ihm die Idee, den Film
aus der Überwachungskamera an sich zu bringen, um so die
Ahndung der Geschwindigkeitsüberschreitung zu verhindern.
Während er erneut zum Rasthof R. fuhr, entschloß er
sich, nochmals zu dem Meßwagen zu fahren und mit seiner -
unerlaubt - mitgeführten Pistole von den Kontrollbeamten die
Herausgabe des Films zu erzwingen. Er fuhr nun zum dritten Mal an der
Kontrollstelle vorbei, parkte seinen Pkw 500 m danach auf dem
Seitenstreifen, nahm seine mit 15 Schuß geladene
halbautomatische Selbstladepistole, die er als Drohmittel verwenden
wollte, und lief zu dem Meßwagen zurück, in dem die
Polizeibeamten K. und S. den Verkehr beobachteten. Es war bereits
dunkel, nur die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Fahrzeuge gaben Licht.
Unbemerkt ging der Angeklagte zunächst zu der hinter dem
Meßwagen aufgestellten Kamera, wußte aber nicht,
wie er an den Film gelangen sollte. Entsprechend seinem
ursprünglichen Plan klopfte er an das Fenster auf der
Fahrerseite. Der dort sitzende Beamte K. ließ die Scheibe ein
wenig herunter. Aufgrund eines spontanen Entschlusses gab der
Angeklagte vor, eine Panne zu haben. K. fragte, ob er den ADAC rufen
solle. Dies bejahte der Angeklagte. K. fragte ihn nach Kennzeichen und
Wagentyp und öffnete die Fahrertür einen Spalt, um
den Angeklagten wegen des Verkehrslärms besser verstehen zu
können.
Mit dem Gedanken, nun endlich etwas tun zu müssen, um an den
Film zu gelangen, drückte der Angeklagte die Tür ganz
auf. Um die Herausgabe des Films durch Drohung mit seiner Waffe zu
erreichen, zog der im Umgang mit Waffen geübte Angeklagte die
ungesicherte Pistole aus seinem Anorak und lud sie durch. K. , der mit
einem Angriff nicht rechnete, griff gerade nach dem Funkhörer,
als er das Geräusch des Durchladens bemerkte. Er drehte sich
seitlich zu dem Angeklagten und rief: "Was macht der denn da?" Zugleich
betätigte S. die Innenbeleuchtung und wollte nach einem
Kugelschreiber greifen. Durch die plötzliche
Seitwärtsbewegung und den lauten Ausruf K. s irritiert wich
der Angeklagte zurück, griff mit der linken Hand nach der
Fahrertür und schoß aus 30-50 cm Abstand auf K. ,
ohne daß er dies zuvor in seinen Plan zur Erlangung des Films
aufgenommen hatte oder sonst eine bestimmte Absicht verfolgte. Den Tod
K. s nahm er dabei billigend in Kauf. Die Kugel durchdrang K. s
Brustkorb und danach S. s rechten Unterarm. K. war sofort tot. S. wurde
verletzt.
Der Angeklagte hatte den Schuß nicht geplant. Auch die
Bedeutung der hilflosen Lage K. s war ihm dabei nicht bewußt.
Er erkannte aber nun die Tragweite seines Handelns. Da er nicht durch
Ausschalten der Polizeibeamten an den Film gelangen wollte,
vergewisserte er sich nicht, ob er K. getroffen hatte, und unternahm
auch sonst nichts, um den Film noch zu erlangen. Obwohl ihm das mit dem
gefüllten Magazin möglich war, gab er keinen weiteren
Schuß ab, sondern verließ fluchtartig den Tatort
und fuhr zum Dienstantritt nach F. .
Das sachverständig beratene Landgericht hat dem Angeklagten
für die Tatzeit zwar eine heftige Gemütsbewegung
zugebilligt, aber eine erhebliche Verminderung der
Steuerungsfähigkeit des Angeklagten durch eine tiefgreifende
Bewußtseinsstörung (Affekt) auch vor dem Hintergrund
seiner ehelichen, gesundheitlichen und beruflichen Probleme verneint.
2. Nach Februar 1998 erwarb der Angeklagte ohne die erforderliche
Erlaubnis zwei Gewehre sowie 476 verschiedene Patronen und verwahrte
sie in seiner Garage.
II.
Der Angeklagte wendet sich ohne Erfolg gegen die Feststellung, er habe
den Polizeibeamten K. mit bedingtem Vorsatz getötet (1.). Die
Begründung, mit der das Landgericht Mordmerkmale nicht
für gegeben erachtet hat, hält aber der rechtlichen
Prüfung nicht stand (2.). Zu Unrecht hat das Landgericht
dagegen den Angeklagten auch wegen schwerer räuberischer
Erpressung verurteilt (3.). Lediglich die Verurteilung wegen des
tatmehrheitlich verwirklichten Waffendelikts läßt
einen Rechtsfehler nicht erkennen (4.).
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts trägt die
Feststellung, der Angeklagte habe den Schuß nicht
versehentlich, sondern willentlich abgegeben und dabei den Tod des
Polizeibeamten billigend in Kauf genommen. Den
äußeren Tathergang hat der Angeklagte im
wesentlichen eingeräumt. Seine Einlassung, der Schuß
habe sich versehentlich gelöst, hat das Landgericht mit
tragfähigen Gründen als widerlegte Schutzbehauptung
gewertet und dabei dem hohen Abzugswiderstand der Tatwaffe von 2,2 kg
sowie dem Umstand besondere Bedeutung beigemessen, daß der
Angeklagte im Umgang mit Schußwaffen erfahren war.
Außerdem hatte der Angeklagte unmittelbar vor dem
Schuß zur Intensivierung seiner Drohung die ungesicherte
Pistole durchgeladen. Die Erregung und Anspannung des Angeklagten vor
dem Schuß war nach den Feststellungen des
sachverständig beratenen Landgerichts nicht so intensiv,
daß er nicht mehr Herr seiner Sinne war und gleichsam kopflos
ohne vorherige Willensbetätigung gehandelt hat.
Dementsprechend hat das Landgericht auch eine erhebliche Verminderung
der Steuerungsfähigkeit ohne Rechtsfehler ausgeschlossen. Dem
steht nicht entgegen, daß das Landgericht feststellt, der
Angeklagte sei nach dem Schuß über die Folgen seines
Tuns erschrocken und zur Vollendung der räuberischen
Erpressung psychisch unfähig geworden (UA S. 49). Der
Angeklagte hat verschiedene Erklärungsversuche für
den Schuß unternommen, aber nie einen Körperkontakt
oder Stoß behauptet, der zu dem Schuß
geführt haben könnte. Zuletzt hielt er als
Erklärung ein Stolpern, Halt verlieren oder Erschrecken
für möglich, ohne aber genau zu wissen, wie es zum
Schuß kam. Unter diesen Umständen ist es aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das
Landgericht den spekulativen Erklärungsversuchen des
Angeklagten nicht gefolgt ist und insbesondere kein Stolpern,
Straucheln oder heftiges Erschrecken festgestellt hat.
Schließlich hat das Landgericht bei seiner
Beweiswürdigung auch deutlich unterschieden zwischen der
Frage, ob der Angeklagte gewollt oder versehentlich geschossen hat und
ob er den Tod billigend in Kauf genommen hat. Dabei schließt
das Landgericht nicht aus der Gefährlichkeit der Tathandlung
darauf, daß der Angeklagte willentlich geschossen hat.
Dem Hilfsbeweisantrag, mit dem die Verteidigung in der
Revisionshauptverhandlung eine Lücke oder einen
Erörterungsmangel in der Beweiswürdigung beweisen
wollte, brauchte der Senat nicht nachzugehen. Die behaupteten
wissenschaftlichen Erfahrungssätze, für die sich die
Verteidigung auf ein Sachverständigengutachten in Verbindung
mit den Ergebnissen einer noch im Prüfungsverfahren
befindlichen Diplomarbeit stützt, waren hier aus
tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Es mag durchaus
sein, daß auch im Umgang mit Waffen erfahrene Probanden in
besonders streßbelasteten Situationen oder bei
Gleichgewichtsverlust auch gegen hohen Abzugswiderstand reflexhaft und
ungesteuert einen Schuß auslösen können.
Dabei kommt es jedoch auf die jeweiligen Umstände des
Einzelfalls an, die sich nachträglich kaum
zuverlässig rekonstruieren lassen. Hier hat das Landgericht
eine "klassische Situation für eine reflexhafte
Schußauslösung" nicht festgestellt. Sofern der
Hilfsantrag dies behauptet, entfernt er sich in unzulässiger
Weise von den verbindlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils,
die von dem behaupteten Beweiswürdigungsmangel nicht tangiert
werden. Das Landgericht hat kein Erschrecken des Angeklagten
festgestellt, als er den Polizeibeamten angriff, sondern lediglich eine
Irritation. Der Angeklagte griff nicht nach der Tür, weil er
infolge des Zurückweichens im Begriff war, das Gleichgewicht
zu verlieren. Auch hielt sich seine psychische Belastung in den bereits
dargelegten Grenzen. Da sich die festgestellte Tatsituation wesentlich
von den Versuchssituationen unterscheidet, die den behaupteten
Erfahrungssätzen zugrundeliegen, brauchte sich das Landgericht
hiermit auch nicht näher auseinanderzusetzen.
2. Die Begründung, mit der das Landgericht Mordmerkmale
für die vorsätzliche Tötung verneint hat,
hält der rechtlichen Prüfung nicht stand, weil das
Landgericht nicht alle Tatumstände, die die Annahme eines
Mordmerkmals begründen können, in seine
Erwägungen einbezogen hat.
a) Heimtücke hat die Schwurgerichtskammer verneint, obwohl sie
zutreffend deren objektive Merkmale für gegeben erachtet, denn
das Tatopfer war bei dem Angriff des Angeklagten arg- und wehrlos.
Ebenso zutreffend erkennt das Landgericht, daß nach dem
äußeren Geschehensablauf auch subjektiv
heimtückisches Handeln naheliegt. Seine Zweifel daran,
daß der Angeklagte die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit
für die Tat erfaßt und diese bewußt
ausgenutzt hat, begründet das Landgericht damit, daß
der Angeklagte sich dem Radarwagen nicht mit vorgefaßtem
Tötungsvorsatz genähert habe, daß er sich
in einer heftigen Gemütsbewegung befunden habe, der
Schuß eine plötzliche Reaktion auf eine
Seitwärtsbewegung des Tatopfers gewesen sei und die sofortige
Flucht des Angeklagten nur den Schluß zulasse, daß
ihm erst jetzt die Tragweite seines Handelns und die Bedeutung der Arg-
und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat bewußt
geworden sei. Wenn aber das Landgericht meint, Zweifel nicht
überwinden zu können, obwohl die subjektiven Merkmale
der Heimtücke aufgrund des äußeren
Tathergangs naheliegen, müssen bei der
Beweiswürdigung alle wesentlichen Tatumstände in die
Betrachtung einbezogen werden, die gegen diese Zweifel sprechen
können. Dies ist hier jedoch nicht geschehen. Rechtsfehlerhaft
außer Betracht gelassen hat das Landgericht in diesem
Zusammenhang, daß der Angeklagte den Polizeibeamten
zunächst unter Verbergen seiner wahren Absicht gezielt in
seiner Arglosigkeit bestärkt hat, indem er vorgab, eine
Autopanne zu haben und der Hilfe zu bedürfen. Geschossen hat
der Angeklagte erst, als sich ergab, daß er für eine
Mitteilung an den ADAC Wagentyp und Kennzeichen des angeblich
liegengebliebenen Fahrzeugs angeben sollte. Dieser Geschehensablauf
legt nahe, daß der Angeklagte in diesem Augenblick zutreffend
erkannte, daß jetzt die akute Gefahr seiner Identifizierung
bestand, wenn er die erfragten Angaben machen würde. Alles
dies deutet auf eine vorhandene Erkenntnis- und
Reaktionsfähigkeit hin, die dafür spricht,
daß der Angeklagte auch die Bedeutung der Arg- und
Wehrlosigkeit für die Tat erkannt und bewußt
ausgenutzt hat. Hierfür genügt es, daß der
Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung
für die hilflose Lage des Angegriffenen und die
Ausführung der Tat in dem Sinn erfaßt, daß
er sich bewußt ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit
gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu
überraschen (BGHR StGB § 211 Abs. 2
Heimtücke 1, 25; BGH NStZ 1984, 506; 1999, 506, 507;
Jähnke in LK 10. Aufl. § 211 Rdn. 47). Das
Landgericht hätte sich daher näher mit diesen
Umständen auseinandersetzen und sie in seine
Beweiswürdigung einbeziehen müssen.
b) Die Beweiswürdigung, mit der das Landgericht zu dem
Ergebnis gelangt, der Angeklagte habe nicht getötet, um eine
andere Straftat zu ermöglichen, ist ebenfalls
lückenhaft. Ziel des gesamten Vorgehens des Angeklagten war
es, mit der geladenen Pistole als Drohmittel die Herausgabe des Films
zu erreichen. Da sich der Angeklagte spontan zum Schießen
entschlossen habe, meint das Landgericht, nicht feststellen zu
können, daß der Angeklagte deshalb geschossen habe,
weil er glaubte, auf diese Weise die andere Straftat (Geiselnahme oder
schwerer Raub; zur schweren räuberischen Erpressung vgl. unten
II, 3) schneller oder leichter begehen zu können. Allein
daraus, daß sich der Angeklagte spontan zum
Schießen entschloß, ergibt sich aber keine
tragfähige Begründung dafür, daß
ihm gerade bei dem Schuß, der geeignet war, ihn seinem
Tatziel entscheidend näher zu bringen, dieses Ziel aus dem
Bewußtsein geraten sein sollte. Dies käme allenfalls
dann in Betracht, wenn der Angeklagte dieses Ziel schon zuvor
aufgegeben hätte. Hierfür fehlt es aber an jedem
Anhaltspunkt; denn dann hätte es nahegelegen, daß
der bis dahin nicht identifizierte Angeklagte sofort die Flucht
ergriffen und nicht erst noch auf den Polizeibeamten geschossen
hätte. Auch dies hätte das Landgericht daher
näher erörtern müssen.
c) Nicht zu beanstanden ist, daß das Landgericht einen
Verdeckungsmord verneint hat, da als zu verdeckende Tat nur eine
Verkehrsordnungswidrigkeit und keine Straftat in Betracht kommt.
d) Das Landgericht hätte aber prüfen müssen,
ob der Angeklagte aus niedrigen Beweggründen getötet
hat. Niedrig ist ein Beweggrund, wenn er als Motiv für eine
Tötung nach allgemeiner sittlicher Anschauung auf tiefster
Stufe steht und deshalb verachtenswert ist. Dies ist aufgrund einer
Gesamtwürdigung aller Tatumstände, der
Lebensverhältnisse des Täters und seiner
Persönlichkeit zu beurteilen (vgl. BGHSt 35, 116, 127; BGHR
StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11, 22 jew.
m.w.N.). Auch wenn das Verhalten des Angeklagten tatbestandlich nicht
als Verdeckungsmord anzusehen ist, kann das Verdeckungsmotiv, bei dem
in aller Regel eine besonders verwerfliche Gesinnung zutage tritt,
für sich als niedriger Beweggrund gewertet werden. Dies gilt
ganz allgemein für die Fälle, in denen das Opfer
für eine Verhaltensweise des Täters getötet
wird, die er zwar nicht für strafbar, jedoch für
verwerflich oder seinem Ansehen abträglich hält. Das
betrifft also Fälle, in denen sich der Täter
eigensüchtig der Verantwortung für vorangegangenes
Tun oder begangenes Unrecht entziehen will und deshalb tötet
(vgl. BGHSt 35, 116, 121 f.; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige
Beweggründe 21 m.w.N.). Auch ein
Mißverhältnis zwischen Tatanlaß und Erfolg
ist von wesentlicher, wenn auch nicht allein entscheidender Bedeutung
für die Annahme eines niedrigen Beweggrunds (vgl.
Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 211 Rdn. 11; Eser
in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 211
Rdn. 18 jew. m.w.N.). Ein solches krasses
Mißverhältnis zwischen der Tat und ihrem
Anlaß ist hier gegeben. Dies gilt auch, wenn man die von dem
Angeklagten erwarteten beruflichen und familiären Folgen eines
Bußgeldverfahrens mitberücksichtigt. Allerdings
bedarf die Annahme niedriger Beweggründe bei einem spontanen
Tatentschluß stets besonders sorgfältiger
Prüfung (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige
Beweggründe 11).
3. Der Schuldspruch wegen versuchter schwerer räuberischer
Erpressung mit Todesfolge kann nicht bestehen bleiben, weil die von dem
Angeklagten erstrebte Verhinderung der Geldbuße keinen
Vermögensvorteil im Sinne der Erpressung darstellt und der
Angeklagte daher auch nicht in der Absicht handelte, sich zu Unrecht zu
bereichern. Daß das Vereiteln einer Geldbuße und
anderer vergleichbarer staatlicher Sanktionen keinen strafrechtlich
relevanten Vermögensvorteil darstellt, ist in Rechtsprechung
und Literatur anerkannt. Grund dafür ist, daß diese
Sanktionen keine für den Wirtschaftsverkehr relevanten
Gegenstände darstellen, da sie dem wirtschaftlichen Verkehr
nicht unterliegen, und daß ihnen daher eine wirtschaftliche
Zweckbestimmung nicht zugrunde liegt (vgl. BGHSt 38, 345, 351 f. = JR
1994, 114; BayObLG wistra 1991, 230 = JR 1991, 433; OLG Schleswig
SchlHA 1978, 59; OLG Stuttgart MDR 1981, 422; OLG Karlsruhe NStZ 1990,
282; RGSt 71, 280, 281; 76, 276, 279 unter Aufgabe abweichender
früherer Rechtsprechung; Schröder JR 1964, 230;
Lackner in LK 10. Aufl. § 263 Rdn. 252; Cramer in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 263 Rdn.
78 a; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 263 Rdn. 42).
Dieser Ansicht schließt sich der Senat an.
Auch der Besitz an dem belichteten Film ist hier kein
tatbestandsmäßiger Vermögensvorteil. Der
bloße Besitz einer Sache wurde in der Rechtsprechung nur in
den Fällen als Vermögensvorteil anerkannt, in denen
er einen eigenständigen wirtschaftlichen Wert darstellt, wie
etwa bei der mit dem Besitz verbundenen Möglichkeit, ein
Kraftfahrzeug zu benutzen (vgl. BGHSt 14, 386, 390; BGHR StGB
§ 253 Abs. 1 Vermögenswerte 1; BGH NStZ-RR 1996, 35;
Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 253 Rdn. 14 a; Eser
in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 253
Rdn. 17). Dies ist bei einem belichteten Film jedoch nicht der Fall.
Zudem fehlt es in Bezug auf den Besitz des Films an der Stoffgleichheit
zwischen dem erstrebten Vermögensvorteil des Täters
und dem drohenden Schaden der Bußgeldbehörde (vgl.
BGHR StGB § 263 Stoffgleichheit 3).
4. Der gesonderte Schuldspruch wegen tateinheitlichen Erwerbs zweier
Schußwaffen und von Munition hat Bestand. Die Annahme von
Tatmehrheit zwischen dem unerlaubten Erwerb der beiden Gewehre und der
Munition einerseits sowie dem Tötungsverbrechen in Tateinheit
mit dem Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe
andererseits ist nicht zu beanstanden. Der Erwerb und gleichzeitige
Besitz mehrerer Schußwaffen, zu denen hier auch die Tatwaffe
gehörte, kann zwar zu einer tateinheitlichen waffenrechtlichen
Dauerstraftat verbunden sein (vgl. BGH NStZ 1997, 446; 1984, 171;
Beschl. v. 16. Dezember 1998 - 2 StR 536/98). Hier beruht das
Führen der Tatwaffe bei dem Angriff auf die Polizeibeamten
aber auf einem neuen Verbrechensentschluß. Dieser neu
gefaßte Tatentschluß bildet eine Zäsur,
die die Verwirklichung der Verbrechenstatbestände
sachlich-rechtlich von der waffenrechtlichen Dauerstraftat
ablöst, so daß insoweit Tatmehrheit anzunehmen ist.
Dies ändert allerdings nichts daran, daß das
Führen der Tatwaffe mit dem Tötungsverbrechen
tateinheitlich verwirklicht wurde (vgl. BGHSt 36, 151, 154).
Die für das Waffendelikt verhängte
Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr läßt keinen
Rechtsfehler erkennen.
III.
Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen des Tötungsverbrechens
hat die Aufhebung der Einzelfreiheitsstrafe von zwölf Jahren
sowie der Gesamtfreiheitsstrafe mit den zugehörigen
Feststellungen zur Folge.
Der neue Tatrichter wird auch über eine Maßregel
nach §§ 69, 69 a StGB zu befinden haben.
Jähnke Detter Bode Fischer Ri´inBGH Dr. Otten ist
wegen Urlaubs verhindert, ihre Unterschrift beizufügen. |