BGH,
Urt. v. 17.1.2001 - 2 StR 438/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 438/00
vom
17. Januar 2001
in der Strafsache gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17.
Januar 2001, an der teilgenommen haben: Vizepräsident des
Bundesgerichtshofes Dr. Jähnke als Vorsitzender, die Richter
am Bundesgerichtshof Detter, Dr. Bode, Rothfuß, Prof. Dr.
Fischer als beisitzende Richter, Oberstaatsanwältin beim
Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger, Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger
wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 20. Dezember 1999 mit den
Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere
Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit mit
bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Gegen
diese Entscheidung wenden sich die Staatsanwaltschaft und die
Nebenkläger mit ihren zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten
Revisionen, die sie auf die Verletzung förmlichen und
sachlichen Rechts stützen.
Beide Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg.
1. Nach den Feststellungen waren der Angeklagte, der frühere
Mitangeklagte R. und das spätere Tatopfer M. in
Rauschgiftgeschäfte verstrickt. Am 29. Juni 1998 trafen sich
die Beteiligten, wobei der Angeklagte eine geladene Selbstladepistole
Kaliber 7,65 mm nebst einem bestückten Ersatzmagazin mit sich
führte, in der Nähe von Re. (Luxemburg) zur
Übergabe und Einfuhr von Kokain nach Deutschland.
Später hielten die Beteiligten in einer Parkbucht an und im
PKW des M. redeten dieser und R. miteinander. Anschließend
stieg der Angeklagte dann statt R. in den PKW des M. , setzte sich auf
den Fahrersitz und sprach diesen auf weitere gemeinsame
Betäubungsmittelgeschäfte an. Dieser
erklärte ihm, er werde für seine heutigen hilfreichen
Bemühungen mit einem Geschenk entlohnt, an künftigen
Geschäften werde er aber ihn nicht mehr teilhaben lassen.
Durch diese Äußerung geriet der Angeklagte in Wut.
Er fühlte sich, da er nach Meinung M. s der Teilnahme an
künftigen Geschäften nicht würdig sei,
ausgenutzt und lediglich mit einem Handgeld abgespeist. In seiner Wut
zog er die Pistole und feuerte zunächst vom Fahrersitz aus und
dann, während er aus dem Auto stieg, gezielt auf den Kopf und
Halsbereich des neben ihm sitzenden M. . Nachdem er das Magazin der
Waffe leer geschossen hatte, lud er diese sofort mit dem weiteren
mitgeführten Magazin neu auf und schoß neben der
geöffneten Fahrertür stehend von außen
weiter in Richtung M. s, der an den Folgen der Schüsse
verstarb.
Das Landgericht wertet das Verhalten des Angeklagten als Totschlag
(§ 212 StGB) in Tateinheit mit Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter
Mitführen einer Waffe (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG).
Die Beschwerdeführer erstreben die Verurteilung des
Angeklagten wegen Mordes.
2. Das Urteil kann keinen Bestand haben, weil die Schwurgerichtskammer
den Sachverhalt rechtlich nicht vollständig gewürdigt
hat.
Nach den Feststellungen drängte sich nämlich die
Erörterung auf, ob das Vorgehen des Angeklagten die
Voraussetzungen heimtückischen Verhaltens im Sinne von
§ 211 Abs. 2 StGB erfüllte. Denn dieser hat auf den
ahnungslosen und wehrlosen M. ohne jegliche Vorwarnung und ohne ein -
vorangegangenes - Zeichen feindlicher Gesinnung auf Grund einer
plötzlich aufsteigenden Wut geschossen. Heimtückisch
handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit
des Tatopfers bewußt zur Tötung ausnutzt. Arglos
ist, wer sich keines Angriffs seitens des Täters auf seine
körperliche Integrität versieht. Wesentlich ist,
daß der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff
erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht
und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder
ihn wenigstens zu erschweren (BGHSt 32, 382, 384; 39, 353, 368;
Senatsurteil NStZ-RR 1997, 168). Heimtückisches Handeln
erfordert kein "heimliches" Vorgehen. Auch ein offener Angriff kann die
Voraussetzungen erfüllen, wenn er so überraschend
erfolgt, daß eine Gegenwehr unmöglich gemacht wird
(BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3 und 16). Eine nur
feindselige Atmosphäre schließt Heimtücke
nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer
Tätlichkeit entnommen hat (BGHR StGB § 211 Abs. 2
Heimtücke 3, 15, 16; Senatsurteil NStZ-RR 1997, 168; BGH NStZ
1999, 506, 507).
Nach den Feststellungen war sich das Tatopfer, als es dem Angeklagten
mitteilte, es werde ihn in Zukunft nicht mehr an
Betäubungsmittelgeschäften beteiligen, keiner Gefahr
für Leib oder Leben bewußt.
Daß dem Angeklagten die Tatsachen bekannt waren, die es
rechtfertigen könnten, sein Tun als heimtückisches
Vorgehen einzuordnen, und daß er diese Situation für
sein Vorgehen ausnutzen wollte (vgl. BGHSt 6, 120 f; 11, 139, 144; BGH
NStZ 1985, 216; 1987, 173; 554, 555; BGHR § 211 Abs. 2
Heimtücke 1, 2, 9 und 11), erscheint angesichts der
Feststellungen der Strafkammer zum Tatgeschehen naheliegend.
Da der Tatrichter das Mordmerkmal der Heimtücke nicht
erörtert hat, muß die Sache nochmals verhandelt
werden.
3. Im Hinblick auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts
weist der Senat auf folgendes hin:
Zwischen dem Tötungsdelikt und dem Verbrechen nach §
30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG liegt Tateinheit vor, da sich in der
Tötungshandlung die Gefährlichkeit des
Mitführens von Waffen bei
Betäubungsmittelgeschäften, die der Grund der
verschärften Strafdrohung des § 30 a Abs. 2 BtMG ist
(vgl. Urteil des Senats vom heutigen Tage - 2 StR 437/00), realisiert
hat.
Jähnke Detter Bode
Rothfuß Fischer |