BGH,
Urt. v. 17.6.2004 - 3 StR 344/03
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
StGB §§ 52 Abs. 1, 263 Abs. 5
Der Verurteilung eines Bandenmitglieds wegen
gewerbsmäßigen Bandenbetrugs
steht nicht entgegen, daß die Einzeldelikte der Betrugsserie
der Tätergruppierung
in seiner Person aus Rechtsgründen in gleichartiger Tateinheit
zusammentreffen und daher gemäß § 52 Abs. 1
StGB gegen ihn nur auf eine
Strafe zu erkennen ist.
BGH, Urt. vom 17.06.2004 - 3 StR 344/03 - LG Hildesheim
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 344/03
vom
17.06.2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juni
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
von Lienen,
Becker,
Hubert
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Y. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
- 4 -
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Hildesheim vom 25. März 2003 werden verworfen.
Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten - den Angeklagten F. unter
Freispruch im übrigen - des gewerbsmäßigen
Bandenbetruges (§ 263 Abs. 5
StGB) schuldig gesprochen und den Angeklagten H. zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe
von sechs Jahren, den Angeklagten Y. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von drei Jahren sowie einer Gesamtgeldstrafe von 180
Tagessätzen
und den Angeklagten F. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren
und sechs Monaten verurteilt. In diese Gesamtstrafen sind jeweils die
Einzelstrafen
einbezogen, die gegen die Angeklagten im Urteil des Landgerichts
Hamburg vom 26. April 2001 ausgesprochen worden waren.
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung
formellen
und sachlichen Rechts. Der Angeklagte F. macht darüber hinaus
das Verfahrenshindernis
des Strafklageverbrauchs geltend. Die Rechtsmittel bleiben
ohne Erfolg.
Die Verfahrensrüge des Angeklagten H. ist nicht
ausgeführt und daher
unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Soweit er nach
Zustellung der An-
5 -
tragsschrift des Generalbundesanwalts mit Schriftsatz vom 13. Oktober
2003
erstmals eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bis
zur Abfassung
der Anklageschrift geltend macht, ist diese Verfahrensrüge
(vgl. BGHR MRK
Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 7 und 11)
verspätet (§ 345 Abs. 1
Satz 1 StPO); sie entspricht zudem auch nicht den Anforderungen des
§ 344
Abs. 2 Satz 2 StPO.
Im übrigen hat die revisionsrechtliche Prüfung keinen
durchgreifenden
Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Auch das vom
Angeklagten
F. geltend gemachte Verfahrenshindernis besteht nicht. Der Senat
nimmt bezüglich der erhobenen Einzelbeanstandungen Bezug auf
die zutreffenden
Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinen
Antragsschriften
vom 2. Oktober 2003. Weitergehender Erörterung bedarf allein
die Frage, ob
das Landgericht die Angeklagten des gewerbsmäßigen
Bandenbetruges schuldig
sprechen durfte, obwohl es sie jeweils nur wegen einer Tat im
materiellrechtlichen
Sinne verurteilt hat.
I. Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Im Laufe des Jahres 1998 faßten der Angeklagte H. , der
frühere
Mitangeklagte G. sowie der zwischenzeitlich verstorbene W.
den Entschluß, zu betrügerischen Zwecken im
Kapitalanlagenbereich ein
Unternehmen in der englischen Rechtsform der "Limited" zu errichten. Die
Opfer sollten im Telefonhandel dazu verleitet werden, Gelder als
Einlage in
einen - tatsächlich nicht existierenden - "Guaranteed Fund" zu
zahlen. Eine
Kapitalanlage war in Wahrheit nicht vorgesehen. Vielmehr sollten die
eingehenden
Gelder nach Abzug der Kosten unter den Beteiligten verteilt werden.
- 6 -
Der Angeklagte Y. wurde frühzeitig in diese Planungen
eingeweiht.
Um später an den Erlösen teilzuhaben, beteiligte er
sich schon am Aufbau des
Unternehmens, indem er in vielfältiger Weise an der
Gründung der Firma, der
Anwerbung von Personal, der Einrichtung des Scheinfirmensitzes in Han.
sowie der tatsächlichen Betriebsstätte in Ha. und an
der Herstellung von
Werbematerial mitwirkte.
Anfang Oktober 1998 wurde der Betrieb des Unternehmens in den
Büroräumen
in Ha. aufgenommen. Dem Angeklagten H. fiel die Aufgabe
zu, die - zunächst fünf - Telefonverkäufer
zu leiten und einzuweisen. Daneben
übte er die Funktion eines "Buchhalters" aus, der bei
ständiger Präsenz im
Büro den "Verkauf" kontrollierte, die Zahlungsabwicklung mit
den Kunden absprach
und die diesen gegenüber vorzutäuschende
Kontoführung abwickelte.
Er wurde aber auch selbst als Telefonverkäufer tätig.
Mitte November 1998
stellte er den Angeklagten F. als weiteren Telefonverkäufer
ein.
Die potentiellen Kunden wurden zunächst von - nicht
ermittelten, mit den
Telefonverkäufern nicht identischen - sog.
Broschürenwerbern angerufen und
in groben Zügen über die Geldanlage im "Guaranteed
Fund" informiert. Zeigten
sie Interesse, so wurde ihnen von dem vermeintlichen
Geschäftssitz in Han.
eine Werbebroschüre zugesandt. Sobald mit dem Zugang dieser
Broschüre
gerechnet wurde, rief einer der Telefonverkäufer unter einem
Falschnamen bei
dem Interessenten an, um ihn zu einer Geldanlage zu überreden.
Sagte dieser
zu, oblag es dem Angeklagten H. , den Abschluß buchhalterisch
und praktisch
mit dem Kunden abzuwickeln. Er rief daher unter seinem Decknamen erneut
den Kunden an und vereinbarte mit ihm die Zahlungsabwicklung sowie die
Übersendung von unterzeichnetem "Beteiligungsantrag" und
Zahlungsnachweis
per Fax an den Scheinfirmensitz in Han. . Ging das Fax dort ein, in-
7 -
formierte der dort tätige "director" der Gesellschaft
telefonisch den Angeklagten
H. im Büro in Ha. . Dieser veranlaßte aufgrund
dessen sofort die Herstellung
eines entsprechenden Kontoauszuges in zweifacher Ausfertigung. Ein
Exemplar heftete er in der entsprechenden Kundenakte ab, das andere
leitete
er zusammen mit einem "Versicherungsschein" für die
Kapitalanlage weiter
nach Han. , wo beides vom Scheinsitz der Firma an den jeweiligen Kunden
versandt wurde. Die Transporte nach Han. führte
zunächst G. , ab Dezember
1998 der Angeklagte Y. durch. Der Angeklagte H. erkundigte
sich dann, um das Vertrauen des Kunden zu stärken, telefonisch
bei diesem,
ob er Kontoauszug und "Versicherungsschein" erhalten habe und alles zu
seiner
Zufriedenheit abgewickelt worden sei.
In der Folge wurden den Kunden weitere Kontoauszüge
übersandt, auf
denen die Gutschrift erster Renditen verzeichnet war. Dies diente als
Grundlage
für "Loadinggespräche", durch die die
Telefonverkäufer die Kunden zur Erhöhung
ihrer Kapitalanlage verleiten sollten. Wegen seiner besonderen
Fähigkeiten
bei den "Loadinggesprächen" wurden dem Angeklagten F. ab Anfang
Januar 1999 sämtliche Kundenakten zum Zwecke des Loadings
vorgelegt.
Auch wurden die Telefonate an ihn als vermeintlichen Verkaufsleiter
weitergeleitet,
in denen die anderen Telefonverkäufer bzw. der Angeklagte H.
bei
den Kunden nicht den gewünschten Erfolg erzielen konnten. Im
einzelnen vermochte
das Landgericht nicht zu klären, welche Kunden von welchem
Verkäufer
oder Loader zu den jeweiligen einzelnen Erstanlagen und
späteren Erhöhungen
der Einlagen veranlaßt wurden. Fest steht allein,
daß sämtliche Mitarbeiter
in dem Büro in Ha. bei der Täuschung der Kunden
arbeitsteilig zusammenwirkten.
Der Angeklagte Y. hatte indessen keinen direkten Kontakt
zu den Kunden.
- 8 -
Zwischen dem 20. Oktober 1998 und dem 23. März 1999 wurden auf
diese Weise 23 Anleger zur Zahlung von insgesamt 2.665.297,05 DM und
100.000 ATS verleitet. Die eingehenden Geldbeträge hob der
"director" in Han.
von den dort errichteten Bankkonten in bar ab. Das Geld wurde sodann
nach Ha. verbracht. Auch diese Transporte führte ab November
1998 der
Angeklagte Y. durch.
Die Angeklagten H. und F. wurden bei der Verteilung der Gelder
nach festen Prozentsätzen bedacht. Der Angeklagte H. erhielt
auf dieser
Grundlage im Tatzeitraum mindestens 112.542,98 DM, der Angeklagte
F. mindestens 100.000 DM. Der Angeklagte Y. wurde für seine
Kurierfahrten
zwischen Ha. und Han. , die er drei- bis viermal wöchentlich
durchführte, mit 2.000 DM pro Fahrt entlohnt. Auch
für seine sonstigen Tätigkeiten
wurden ihm Zahlungen geleistet, deren genaue Höhe jedoch nicht
festgestellt werden konnte.
II. Das Landgericht hat den Angeklagten H. und Y. "sämtliche
Verkäufe und Loadings" zugerechnet. Der Angeklagte H. habe
zwar mit jedem
Kunden selbst Telefonate im Rahmen der Zahlungsabwicklung
geführt,
ohne daß jedoch die konkreten Tatbeiträge im
einzelnen noch hätten festgestellt
werden können. Durch seine geschäftsleitende
Tätigkeit würden die einzelnen
betrügerischen Geschäftsvorfälle in seiner
Person jedoch derart eng
verbunden, daß sie für ihn eine einzige Betrugstat
darstellten. Ebenso seien
sämtliche organisatorischen Maßnahmen und die
Kurierdienste des Angeklagten
Y. rechtlich als eine einheitliche Tat einzuordnen. Eine Aufspaltung
seiner Tatbeiträge liege im Hinblick auf die organisatorische
Verzahnung seiner
Aktivitäten über den gesamten Tatzeitraum fern.
- 9 -
Auch die Tatbeiträge des Angeklagten F. seien als ein
einheitlicher
Betrug zu werten. Zwar habe er ab Anfang Januar 1999 mit zahlreichen
Kunden
Verkaufs- und Loadingtelefonate geführt. Seine konkreten
Tatbeiträge seien
jedoch nicht mehr exakt zurechenbar. Er habe jede Kundenakte zum Zwekke
des Loading auf den Schreibtisch bekommen und sich ständig
bereit gehalten,
um in Problemfällen gegenüber den Kunden mit der
Autorität des Verkaufsleiters
aufzutreten. Diese organisatorische Stellung und seine ständige
Bereitschaft bei Anwesenheit im Büro verbinde seine nicht
exakt feststellbaren
Tatbeiträge zu einer einheitlichen Tat.
III. Auf dieser Grundlage läßt die Verurteilung der
Angeklagten wegen
gewerbsmäßigen Bandenbetruges im Ergebnis keinen sie
beschwerenden
Rechtsfehler erkennen. Insbesondere steht dem Schuldspruch nach
§ 263
Abs. 5 StGB nicht entgegen, daß das Landgericht das
strafrechtlich relevante
Verhalten der Angeklagten als eine materiell-rechtliche Tat im Sinne
des § 52
Abs. 1 StGB bewertet hat.
1. a) Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch
wiederholte Tatbegehung
eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem
Umfang und einiger
Dauer verschaffen will. Liegt diese Absicht vor, ist bereits die erste
Tat als
gewerbsmäßig begangen einzustufen, auch wenn es
entgegen den ursprünglichen
Intentionen des Täters zu weiteren Taten nicht kommt (BGH NJW
1998,
2913, 2914; BGH NStZ 1995, 85; 2004, 265, 266). Eine Verurteilung wegen
gewerbsmäßiger Deliktsbegehung setzt daher schon im
Grundsatz nicht notwendig
voraus, daß der Täter zur Gewinnerzielung mehrere
selbständige Einzeltaten
der jeweils in Rede stehenden Art verwirklicht hat. Ob die Angeklagten
gewerbsmäßig gehandelt haben, beurteilt sich
vielmehr nach ihren ursprünglichen
Planungen (vgl. RGSt 58, 19, 21) sowie ihrem tatsächlichen,
strafrechtlich
- 10 -
relevanten Verhalten über den gesamten ihnen jeweils
anzulastenden Tatzeitraum.
Hinsichtlich der Angeklagten H. und F. kann den Feststellungen
hierzu entnommen werden, daß sie ihre Tätigkeit in
dem Unternehmen jeweils
mit dem Willen aufnahmen, durch persönliche Telefonate mit
potentiellen Kunden
eine Vielzahl möglicher Opfer betrügerisch zu
schädigen, um sich bzw. die
anderen Beteiligten aus den erlangten Geldern rechtswidrig zu
bereichern. Ihre
Planungen waren somit darauf gerichtet, durch für sich
tatsächlich jeweils selbständige
Handlungen eine möglichst große Zahl von
Betrugsdelikten eigenhändig
zu verwirklichen. Diese Planungen haben sie nach Überzeugung
des
Landgerichts auch umgesetzt, indem sie durch eine - wenn auch
zahlenmäßig
nicht exakt feststellbare - Mehrzahl von Erstanwerbungs- und
Loadinggesprächen
verschiedene Opfer zur Überweisung von Geldbeträgen
verleiteten. Hinzu
kommen beim Angeklagten H. seine Anrufe bei den - von anderen
Telefonverkäufern
angeworbenen - Erstkunden zum Zwecke der technischen Abwicklung
der Erstanlage, die sich als jeweils individueller
mittäterschaftlicher
Tatbeitrag zu einem einzelnen selbständigen Betrugsdelikt
darstellen. Damit
sind die Voraussetzungen gewerbsmäßigen
Tätigwerdens für die Angeklagten
H. und F. belegt.
Für den Angeklagten Y. gilt im Ergebnis nichts anderes. Zwar
hat
dieser mangels unmittelbaren Kontakts zu den Kunden in keinem
Einzelfall eine
Betrugstat in allen Tatbestandsmerkmalen eigenhändig
verwirklicht. Auch
ist für ihn kein mittäterschaftlicher Tatbeitrag
festgestellt, durch den er gezielt
ein individuelles Einzeldelikt der Betrugsserie vor dessen Vollendung
gesondert
gefördert hätte. Jedoch hat er nicht nur in der
Gründungsphase des Unternehmens,
sondern auch durch die Aufnahme und regelmäßige
Durchführung
- 11 -
der notwendigen Kurierfahrten zwischen Ha. und Han. durch wiederholte,
für sich rein tatsächlich selbständige
Handlungen mittäterschaftliche
Tatbeiträge erbracht, durch die er die Organisation des
Unternehmens aufrechterhielt
und damit die von seinen Tatgenossen verwirklichten Einzeldelikte
wenn auch nicht individuell, so jedenfalls allgemein förderte,
um sich aus den
Betrugserlösen zu bereichern. Auch er wollte daher in einem
rein tatsächlichen
Sinne wiederholt an der Verwirklichung einer Vielzahl von Betrugstaten
mitwirken
und hat diesen Plan umgesetzt. Dies reicht für die Annahme
gewerbsmäßigen
Handelns ebenfalls aus.
b) Die konkurrenzrechtliche Einordnung der Einzelaktivitäten
der Angeklagten
als eine Betrugstat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB ist hier
für die Annahme
des Qualifikationsmerkmals der Gewerbsmäßigkeit
demgegenüber ohne
Bedeutung. Insoweit gilt:
aa) Zutreffend ist das Landgericht bei der Bewertung des
Konkurrenzverhältnisses
der strafrechtlich relevanten Einzelaktivitäten der Angeklagten
der Sache nach von dem Grundsatz ausgegangen, daß bei der
Beteiligung
mehrerer Mittäter an einer Deliktsserie für jeden von
ihnen gesondert zu prüfen
und zu entscheiden ist, ob die einzelnen Straftaten der Serie in seiner
Person
tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen.
Maßgeblich ist hierbei der
Umfang des Tatbeitrages bzw. der Tatbeiträge jedes
Mittäters. Erfüllt er hinsichtlich
aller oder einzelner Taten der Serie sämtliche
Tatbestandsmerkmale
in eigener Person oder leistet er für alle oder einige
Einzeltaten zumindest einen
individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm
diese Taten -
soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt - als
tatmehrheitlich begangen
zuzurechnen. Allein die organisatorische Einbindung des Täters
in ein betrügerisches
Geschäftsunternehmen ist demgegenüber nicht geeignet,
diese Einzel-
12 -
delikte der Tatserie rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52
Abs. 1 StGB zusammenzufassen
(vgl. BGHSt 26, 284, 285 f.; BGH NStZ 1996, 296, 297 sub 2.
d; 1997, 233; BGH wistra 2003, 342 f.). Erbringt er dagegen im Vorfeld
oder
während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch
die alle oder je mehrere
Einzeldelikte seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert
werden, so sind ihm die
je gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als
tateinheitlich begangen zuzurechnen,
da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer
Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft
werden. Ob die Mittäter die
einzelnen Delikte nach obigen Grundsätzen gegebenenfalls
tatmehrheitlich
begangen haben, ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr.;
vgl. nur BGH
NStZ-RR 2003, 265, 267; BGH wistra 2001, 336, 337 m. w. N.; a.A. Stree
in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 52 Rdn.
21).
Beim Zusammenwirken mehrerer Beteiligter im Rahmen eines Unternehmens,
das - allein oder auch - zum Zwecke der Begehung von Straftaten
über eine längere Zeit betrieben wird, ist nach
diesen Maßstäben eine Vielzahl
von Möglichkeiten denkbar, wie in der Person jedes einzelnen
Beteiligten je
nach seinen Tätigkeitsbereichen bzw. seinen
tatsächlich entfalteten Aktivitäten
die aus dem Unternehmen heraus begangenen Straftaten konkurrenzrechtlich
zusammentreffen können. Die Aufklärung der
firmeninternen Vorgänge, die für
eine in allen Einzelheiten zutreffende konkurrenzrechtliche Bewertung
der dem
jeweiligen Beteiligten zurechenbaren Einzeltaten notwendig
wäre, wird demgegenüber
jedoch vielfach nicht möglich oder nur mit einem
unverhältnismäßigen
Ermittlungs- bzw. Verhandlungsaufwand durchführbar sein.
Dieses Aufklärungsdefizit
war nach früherer Rechtsprechung weitgehend deswegen
unproblematisch,
weil derartige Tatserien meist - ob nach den hierzu aufgestellten
rechtlichen Maßstäben stets zutreffend, sei
dahingestellt - als fortgesetzte
- 13 -
Handlung rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB
verbunden
wurden. Seit diese Rechtsfigur durch den Beschluß des
Großen Senats für
Strafsachen vom 3. Mai 1994 (BGHSt 40, 138) im wesentlichen - so auch
für
den Straftatbestand des Betruges - aufgegeben worden ist, stellt sich
das Problem
der tatsächlichen Aufklärung und zutreffenden
konkurrenzrechtlichen Bewertung
von Tatserien unter Mitwirkung mehrere Beteiligter neu. Zur
Überwindung
der dadurch aufgeworfenen Schwierigkeiten behilft sich die
Rechtsprechung
nunmehr damit, daß sie - abgesehen von durch einen
Tatgenossen eigenhändig
verwirklichten oder durch einen individuellen Tatbeitrag
mitverwirklichten
Einzeldelikten - Tatbeiträge eines Mittäters,
mittelbaren Täters oder
Gehilfen zum Aufbau, zur Aufrechterhaltung und zum Ablauf eines auf
Straftaten
ausgerichteten Geschäftsbetriebes unter Heranziehung des
Zweifelssatzes
(vgl. BGH NStZ 1994, 586; BGH, Beschl. vom 7. September 1995 - 1 StR
319/95; BGH, Urt. vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02, insoweit in wistra
2003, 424
nicht abgedruckt; s. auch BGHSt 40, 218, 238) rechtlich weitgehend zu
einem
- uneigentlichen - Organisationsdelikt zusammenfaßt, durch
welches mehrere
Einzelhandlungen oder mehrere natürliche Handlungseinheiten
rechtlich verbunden
und hiermit die aus der Unternehmensstruktur heraus begangenen
Straftaten in der Person dieser Tatbeteiligten zu einer einheitlichen
Tat oder
gegebenenfalls zu wenigen einheitlichen Taten im Sinne des §
52 Abs. 1 StGB
zusammengeführt werden (s. etwa BGH NStZ 1996, 296 f.; BGHR
StGB § 263
Täterschaft 1; BGH NJW 1998, 767, 769; 2004, 375, 378).
Hiergegen ist, insbesondere unter dem Aspekt der
Verfahrensvereinfachung,
grundsätzlich nichts einzuwenden; denn da die
konkurrenzrechtliche
Einordnung der Einzeltaten deren Gesamtunrechts- und Schuldgehalt im
allgemeinen
nicht berührt (vgl. BGHSt 40, 218, 239; 41, 368, 373; BGH NStZ
- 14 -
1997, 233; BGH, Beschl. vom 30. März 2004 - 4 StR 529/03),
führt die Verurteilung
wegen nur einer Tat oder nur weniger tatmehrheitlicher Taten in aller
Regel
im Ergebnis zu einer den Angeklagten weder ungerechtfertigt belastenden
noch unberechtigt begünstigenden Straffolge. Jedoch darf
hierüber nicht aus
dem Blick verloren werden, daß dem Angeklagten jedes durch
einen Mittäter,
Tatmittler oder Haupttäter vollendetes selbständiges
Einzeldelikt zuzurechnen
ist. Dies ist zur Kennzeichnung des Schuldumfangs im Schuldspruch
grundsätzlich
dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß das Vorliegen
gleichartiger
Tateinheit kenntlich gemacht wird (vgl. etwa BGH NStZ 1994, 35; BGHR
StGB
§ 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 30 und § 263
Täterschaft 1; BGH wistra 2001,
144; mißverständlich demgegenüber z. B.
BGHR StGB § 263 Abs. 1 Konkurrenzen
10 und § 266 Abs. 1 Konkurrenzen 2). Hiervon kann nur dann
ausnahmsweise
abgesehen werden, wenn durch die genaue Bezeichnung des
Konkurrenzverhältnisses der Schuldspruch
unübersichtlich und schwer verständlich
würde (BGH NStZ 1996, 610, 611).
bb) Ob das Landgericht diese Grundsätze bei allen Angeklagten
zutreffend
angewendet hat, insbesondere ob nicht jedenfalls bei dem Angeklagten
H. aufgrund der festgestellten Telefonate mit jedem einzelnen Kunden zur
technischen Abwicklung der Erstanlage zumindest 23 Betrugstaten
tatmehrheitlich
hätten ausgeurteilt werden müssen, kann dahinstehen.
Ebenso bedürfen
die Schuldsprüche insofern keiner Korrektur, als das
Landgericht das Vorliegen
gleichartiger Tateinheit nicht zum Ausdruck gebracht hat. Denn durch
die Ausurteilung
nur einer einheitlichen Betrugstat werden die Angeklagten hier nicht
beschwert, insbesondere wird die Annahme
gewerbsmäßiger Tatbegehung
hierdurch nicht ausgeschlossen.
- 15 -
Die Betrachtung der rechtlichen und tatsächlichen
Gründe, die dazu
führten, daß das Landgericht die verschiedenen
Einzelaktivitäten der Angeklagten,
durch die diese zur Verwirklichung der ihnen zurechenbaren
Betrugsfälle
beigetragen haben, als "dieselbe Handlung" im Sinne des § 52
Abs. 1
StGB gewertet hat, zeigt, daß die konkurrenzrechtliche
Einordnung keine geeignete
Rechtfertigung dafür darstellen kann,
gewerbsmäßige Tatbegehung zu
verneinen. Sie hängt weitgehend von Zufälligkeiten
ab, verschleiert eher den
Umfang der tatsächlichen strafrechtlichen Aktivitäten
der Angeklagten sowie
die Bedeutung, die diesen für die Verwirklichung der
Deliktsserie zukam, und
verdeckt - bei Ausurteilung nur einer einheitlichen Betrugstat -
insbesondere
den wesentlichen Umstand, daß den Angeklagten alle
während des ihnen anlastbaren
Tatzeitraums aus dem Unternehmen heraus begangenen Betrugsdelikte
zuzurechnen sind. Sie beruht bei den Angeklagten H. und Y. allein
auf der Anwendung des Zweifelssatzes, weil das Landgericht die genaue
Zahl
der von diesen eigenhändig in allen Tatbestandsmerkmalen und
damit tatmehrheitlich
verwirklichten Betrugstaten nicht festzustellen vermochte, obwohl
es andererseits davon überzeugt war, daß diese
Angeklagten eine Mehrzahl
von Betrugsdelikten tatmehrheitlich begangen haben. Beim Angeklagten
Y. ist lediglich deshalb von nur einer Tat nach § 52 Abs. 1
StGB auszugehen,
weil zum einen keine isolierten Kausalverknüpfungen zwischen
seinen
verschiedenen Tätigkeiten und bestimmten einzelnen
betrügerischen Schädigungen
bestehen und zum anderen bereits seine Mitwirkung bei der Errichtung
des Unternehmens sich auf alle späteren Betrugsdelikte
fördernd ausgewirkt
hat. Die inhaltlichen Voraussetzungen der
Gewerbsmäßigkeit werden hierdurch
nicht berührt.
- 16 -
Eine andere Betrachtung würde dem Regelungsgehalt der
§§ 52, 53
StGB nicht gerecht. Dieser erschöpft sich in Fragen der
Strafenbildung (vgl.
BVerfGE 56, 22, 30 f.; BGHSt 43, 252, 256) und ist daher nur
für die Rechtsfolgenseite
relevant. Zur Auslegung von Tatbestands- bzw. Qualifikationsmerkmalen
des Besonderen Teils des StGB vermag er dagegen nichts beizutragen
(vgl. Schmitz in MünchKomm-StGB § 244 Rdn. 41).
Entsprechend war bereits in der früheren Rechtsprechung zu der
rechtlichen
Handlungseinheit der Fortsetzungstat anerkannt, daß
Gewerbsmäßigkeit
auch dann vorliegen kann, wenn dem Täter "nur“ eine
fortgesetzte Handlung
zur Last liegt und sein Wille auch nicht auf die Begehung weiterer im
Verhältnis
zur Fortsetzungstat selbständige Handlungen gerichtet war. Dem
lag der Gedanke
zugrunde, daß es keinen rechtfertigenden Grund dafür
gebe, einen von
vornherein zu wiederholtem Handeln entschlossenen, also besonders
bedenkenlosen
Täter nur deshalb nicht wegen
gewerbsmäßigen Handelns zu verurteilen,
weil dieser - auch - den Gesamtvorsatz hatte, sich die fortlaufende
Einnahmequelle
von einiger Dauer in mehreren Einzelakten einer (von ihm selbst
selten zutreffend als solche beurteilten) fortgesetzten Handlung zu
verschaffen.
Dabei dürfe nicht übersehen werden, daß die
fortgesetzte Tat nur im rechtlichen,
nicht aber im natürlichen Sinne "eine" Tat ist, die sich aus
mehreren stets
vom Vorsatz des Täters getragenen Verletzungen desselben
Rechtsguts zusammensetzt,
aus denen der Täter immer wieder neue materielle Vorteile
ziehen
kann (BGHSt 26, 4, 8; zu ähnlichen Überlegungen
für die tatbestandliche
Handlungseinheit der Bewertungseinheit vgl. BGH NJW 1992, 381, 382).
Diese normative Bewertung trifft auch auf vorliegende Fallgestaltung zu,
in der - wenn auch unter anderem dogmatischen Ansatz - ebenfalls alle
aus
dem Unternehmen heraus begangenen Betrugsdelikte den Angeklagten recht-
17 -
lich als eine Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zugerechnet
werden. Die Zusammenfassung
mehrere Betrugsdelikte zu einer rechtlichen Handlungseinheit
vermag danach generell die Annahme von
gewerbsmäßiger Tatbegehung nicht
auszuschließen. Ob gleiches auch dann zu gelten hat, wenn ein
Tatbeteiligter
an einer Deliktsserie nur durch eine Handlung bzw. in
natürlicher Handlungseinheit
stehende Betätigungen mitgewirkt hat, bedarf hier keiner
Entscheidung.
2. Bandenmäßig im Sinne des § 263 Abs. 5
StGB handelt, wer den Betrug
als Mitglied einer Bande begeht, die sich zur fortgesetzten Begehung von
Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269
StGB verbunden hat. Eine
derartige Bande ist gegeben, wenn sich mindestens drei Personen mit dem
Willen zusammengeschlossen haben, im einzelnen noch ungewisse Straftaten
der genannten Art zu begehen (vgl. BGHSt 46, 321). Danach ist auch hier
- wie
bei der Gewerbsmäßigkeit - nicht vorausgesetzt,
daß die Bandenmitglieder tatsächlich
mehrere Betrugstaten bzw. andere der in § 263 Abs. 5 StGB
genannten
Delikte begangen haben. Vielmehr ist es ausreichend, wenn es im
Zeitpunkt
ihres Zusammenschlusses ihre gemeinsame Absicht war, mehrere noch
nicht im einzelnen konkretisierte derartige Taten zu verwirklichen.
Scheidet in
einem derartigen Fall ein Tatgenosse schon nach der ersten unter seiner
Beteiligung
begangenen Straftat aus oder fliegt die Gruppierung insgesamt zu
diesem Zeitpunkt bereits auf, so ist er wegen eines einzigen
Bandenbetruges
zu verurteilen (BGH bei Dallinger MDR 1967, 269; Schmitz aaO Rdn. 44).
Die
(beabsichtigte) wiederholte Tatbegehung als Voraussetzung der
Gewerbsmäßigkeit
und die (beabsichtigte) fortgesetzte Tatbegehung als Voraussetzung
von Bandenmäßigkeit sind daher strukturell
identisch. Für den Bandenbetrug
kann daher im Grundsatz nichts anderes gelten, als oben für
den gewerbsmäßigen
Betrug ausgeführt: Maßgebend dafür, ob
fortgesetzt eine Mehrzahl im
- 18 -
einzelnen noch ungewisser Straftaten der in § 263 Abs. 5 StGB
benannten Art
begangen werden sollten oder begangen wurden, sind die - geplanten -
tatsächlichen
Abläufe sowie deren Umsetzung; unerheblich ist
demgegenüber, ob
diese in der Person eines Bandenmitgliedes aufgrund der besonderen Art
seiner
Tatbeiträge und gegebenenfalls unter Heranziehung des
Zweifelssatzes
rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB
zusammengefaßt werden
oder würden.
Allerdings besteht beim Bandenbetrug im Vergleich zum
gewerbsmäßigen
Betrug eine Besonderheit, die dieses Ergebnis indessen noch
erhärtet:
Während das nach der Gesetzesauslegung für
gewerbsmäßiges Handeln erforderliche
Merkmal der (beabsichtigten) wiederholten Tatbegehung auf den
Willen des einzelnen Täters abstellt, hat das
Tatbestandsmerkmal der (beabsichtigten)
fortgesetzten Tatbegehung nach dem Gesetzeswortlaut die Vorstellungen
der Bande in ihrer Gesamtheit im Blick. Geht diese - wie angesichts der
nicht näheren Konkretisierung der Einzeltaten nahezu notwendig
- dahin, daß
die Deliktsserie durch Aktivitäten verwirklicht wird, die
jedenfalls in der Person
einzelner Mitglieder der Tätergruppierung tatsächlich
selbständige Straftaten
darstellen, ist daher bereits mit der ersten Tatbegehung für
die daran Mitwirkenden
das Merkmal der Bandenmäßigkeit erfüllt. Ob
die Tatbeiträge eines
Beteiligten zu diesem und den (geplanten) nachfolgenden Delikten
rechtlich zu
einer Tat im Sinne gleichartiger Tateinheit verknüpft
würden, ist daher noch
weniger von Belang als bei der Frage der
Gewerbsmäßigkeit. Eine abweichende
Betrachtung bliebe auch hier den Begrifflichkeiten der Konkurrenzlehre
verhaftet,
obwohl diese lediglich Fragen der Strafenbildung betrifft. Sie
würde darüber
hinaus dem Schutzziel des Qualifikationsmerkmals der
Bandenmäßigkeit
geradezu entgegenwirken, das durch die erhöhte Strafandrohung
auch der Ge-
19 -
fahr begegnen will, daß durch die gruppendynamischen Prozesse
innerhalb
des Zusammenschlusses mehrerer tatgeneigter Personen ein
ständiger Anreiz
zur Begehung weiterer einschlägiger Straftaten geschaffen wird
(vgl. BGHSt
23, 239, 240).
Zwar hat die frühere Rechtsprechung demgegenüber
stets betont, daß
die beabsichtigte Verwirklichung nur einer Fortsetzungstat, also
ebenfalls einer
rechtlichen Handlungseinheit, eine bandenmäßige
Tatbegehung nicht zu begründen
vermöge (s. etwa BGH NStZ 1986, 409; 1993, 294; BGHR BtMG
§ 30
Abs. 1 Nr. 1 Bande 3, wo allerdings bereits Bedenken gegen diese
Rechtsprechung
angedeutet werden; s. andererseits BGHSt 35, 374 zu § 370 Abs.
3
Nr. 4 AO). Abgesehen davon, daß diese Ansicht in einem kaum
erklärbaren
Widerspruch zu der gleichzeitig bejahten Möglichkeit einer
gewerbsmäßig begangenen
Fortsetzungstat stand, kann aus ihr nunmehr schon deshalb nichts
mehr abgeleitet werden, weil die Rechtsfigur der Fortsetzungstat
für Betrugsserien
nicht mehr anzuerkennen ist (BGHSt 40, 138).
IV. Nach alledem wurden die Angeklagten zu Recht wegen
gewerbsmäßigen
Bandenbetrugs verurteilt, so daß ihre Revisionen zu verwerfen
sind.
Tolksdorf Miebach von Lienen
Becker Hubert
|