BGH,
Urt. v. 17.3.2004 - 2 StR 474/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 474/03
vom
17.03.2004
in der Strafsache
gegen
wegen Zuhälterei u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17.
März
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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I. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der
Nebenklägerin
wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 24. September
2002, soweit es den Angeklagten K. betrifft,
1. im Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte schuldig
ist
- des tateinheitlichen Ausübens der tatsächlichen
Gewalt
über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe und eine
Schußwaffe (Fall A 2)
- des schweren Menschenhandels in zwei tateinheitlichen
Fällen in Tateinheit mit Menschenhandel, Zuhälterei
und
Einschleusen von Ausländern in jeweils drei tateinheitlichen
Fällen (Fälle B 1 - 3)
- des Menschenhandels (Fall B 4)
- des Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei und
Einschleusen
von Ausländern jeweils in drei tateinheitlichen
Fällen (Fälle B 5 und 6);
2. im gesamten Strafausspruch - mit Ausnahme der Einzelfreiheitsstrafe
im Fall A 2 - mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel,
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an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das genannte
Urteil in
seinem Tenor dahin ergänzt, daß im
Adhäsionsverfahren von
einer Entscheidung über die Höhe des
Schmerzensgeldanspruchs
abgesehen wird.
IV. Die weitergehenden Rechtsmittel werden verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im
übrigen -
wegen tateinheitlichen Ausübens der tatsächlichen
Gewalt über eine halbautomatische
Selbstladekurzwaffe und eine Schußwaffe, wegen Einschleusens
von Ausländern in Tateinheit mit Zuhälterei in zwei
Fällen, wegen Einschleusens
von Ausländern in Tateinheit mit Zuhälterei und
Menschenhandel in drei
Fällen sowie wegen versuchten Menschenhandels zu der
Gesamtfreiheitsstrafe
von vier Jahren verurteilt und festgestellt, daß der
Nebenklägerin Kr. dem
Grunde nach ein Schmerzensgeldanspruch wegen der von dem Angeklagten
zu ihrem Nachteil begangenen Taten zusteht.
Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer auf die Sachrüge
gestützten
Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, eine Verurteilung
des
Angeklagten im Fall B 1 auch wegen Menschenhandels (§ 180 b
Abs. 2 Nr. 1
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und 2 StGB), in den Fällen B 1, 2, 3, 5 und 6 auch wegen
schweren Menschenhandels
(§ 181 Abs. 1 StGB), sowie die Verhängung eines
Berufsverbots
und die Anordnung des Verfalls von Wertersatz.
Die Nebenklägerin wendet sich mit ihrem ebenfalls auf die
Sachrüge gestützten
Rechtsmittel gegen den Freispruch vom Vorwurf der
Körperverletzung
und erstrebt ebenfalls eine Verurteilung des Angeklagten in den
Fällen B 4
und 5 nicht nur wegen Menschenhandels, sondern auch wegen schweren
Menschenhandels (§ 181 Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB).
Die Rechtsmittel haben teilweise Erfolg, zum Teil auch zugunsten des
Angeklagten.
A. Revision der Staatsanwaltschaft:
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt zu einer
Verschärfung des
Schuldspruchs in den Fällen B 1 - 4 und 6 und zu einer
für den Angeklagten
günstigen Änderung in bezug auf die
Konkurrenzverhältnisse. Das hat die Aufhebung
des gesamten Strafausspruchs mit Ausnahme der Einzelstrafe für
das
Waffendelikt (Fall A 2), zur Folge. Im übrigen ist das
Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft
unbegründet.
I. Das Landgericht hat zu dem Bordellbetrieb des Angeklagten im
wesentlichen
festgestellt:
Der Angeklagte unterhielt ab Anfang 2000 einen Bar- und Bordellbetrieb,
in dem er überwiegend Frauen aus Osteuropa
beschäftigte, die sich in
sehr bedrängter wirtschaftlicher Lage befanden, sich illegal
oder mit Touristenvisum
in Deutschland aufhielten und häufig unter zwanzig Jahre alt
waren. Sie
hatten Interesse an einer Tätigkeit als Prostituierte in
Deutschland und hofften,
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durch die Prostitution genügend Geld zu verdienen, um sich
eine gesicherte
Existenz aufbauen zu können. Der Angeklagte reiste
regelmäßig nach Litauen
und in andere Länder, um neue Frauen anzuwerben, die sich als
Touristinnen
drei Monate legal in Deutschland aufhalten konnten. Dem Angeklagten war
bewußt, daß es unzulässig war, diese
Frauen in seinem Barbetrieb der Prostitution
nachgehen zu lassen. Nicht ausreichend informiert und daher
zunächst
schockiert waren die Frauen in der Regel über die Arbeits- und
Lebensbedingungen
in dem Bordellbetrieb des Angeklagten.
Um die Frauen zu Beginn gefügig zu machen und sie an den
Angeklagten
zu binden, wurde ihnen in den ersten Wochen kein Lohn als Bargeld
ausgezahlt.
Vielmehr wurde ihnen eine Rechnung für Aufwendungen des
Angeklagten
aufgemacht (Fahrt nach Deutschland, Einkleidung usw.), deren Summe
zunächst abgearbeitet werden mußte. Eine eigene
Buchführung war den Frauen
untersagt. Erst nach einigen Wochen erfolgten Barzahlungen. Bis dahin
waren die Frauen mittellos. Danach konnten sie eigenständig
einkaufen. Zeitweise
nahm der Angeklagte die Pässe der Frauen in seinen Besitz,
teilweise
standen sie den Frauen zur Verfügung. Das Landgericht konnte
nicht feststellen,
daß die Abnahme des Passes die Frauen an der Flucht hindern
sollte. Sie
sollten das Haus jedoch möglichst selten und nicht in
größeren Gruppen verlassen,
um nicht aufzufallen. Die Etagentür des Obergeschosses sollte
auf Anweisung
des Angeklagten tagsüber verschlossen bleiben, so
daß die Mitangeklagte
H.
den übrigen Frauen jeweils aufschließen
mußte. Über die Anweisung, den
anderen Frauen nicht zu häufig Ausgang zu gewähren,
setzte sie sich aber
regelmäßig hinweg und ging teilweise gemeinsam mit
ihnen zum Einkaufen.
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Die diesen Feststellungen zu den allgemeinen Arbeits- und
Lebensbedingungen
im Betrieb des Angeklagten zugrundeliegende Beweiswürdigung
des Landgerichts läßt - anders als die rechtliche
Bewertung dieser Feststellungen
- Rechtsfehler nicht erkennen. Sie ist insbesondere nicht
lückenhaft oder
widersprüchlich und stellt keine überspannten
Anforderungen an die tatrichterliche
Überzeugungsbildung. Das gilt auch für die
später zu erörternde Beweiswürdigung
zu den Einzelfällen. Die Beweiswürdigung
trägt den von der Rechtsprechung
gestellten Anforderungen an eine Beweislage hinreichend Rechnung,
bei der sich Aussage gegen Aussage gegenüberstehen (vgl. hierzu
BGHSt 44, 153, 159; 44, 256, 257; BGH NStZ-RR 2002, 174; BGHR StPO
§ 261 - Beweiswürdigung 1, 14, 17 und 23, jeweils
m.w.N.). In diesen Fällen ist
nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in
aller Regel
auch eine umfassende Darstellung der relevanten Aussagen geboten. Der
Tatrichter
muß erkennen lassen, daß er alle Umstände,
die die Entscheidung beeinflussen
können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen
hat (vgl.
BGH NStZ-RR 2002, 174). Diesen Anforderungen wird die
Beweiswürdigung
des Landgerichts aber gerecht. Dem steht hier nicht entgegen,
daß das Landgericht
die unterschiedlichen Aussagen der Nebenklägerin im
Ermittlungsverfahren
und die Aussagen der Zeuginnen S. und Z. nicht
näher mitteilt. Denn auf den Inhalt dieser Aussagen kam es im
Ergebnis nicht
an, weil sie das Landgericht aus rechtlich nicht zu beanstandenden
grundsätzlichen
Erwägungen nicht für beweiskräftig erachtet.
Das Landgericht stützt seine
Feststellungen im wesentlichen auf die Einlassungen des
geständigen Angeklagten
und der Mitangeklagten H. , die durch die übrige Beweisaufnahme
in einigen Punkten objektiviert und verifiziert werden konnten. Soweit
die Feststellungen hiervon abweichen, stützt sich das
Landgericht auf die Auswertung
von Telefonüberwachungen sowie die glaubhaften Bekundungen der
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Zeugin B. (Fall B 6). Demgegenüber hat die Jugendkammer mit
sehr
ausführlicher, aber nicht den Aussageinhalt betreffender
Begründung dargelegt,
sie habe so erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der
Nebenklägerin,
daß sie sich außer Stande gesehen habe,
Feststellungen allein auf
deren Angaben zu stützten. Die Jugendkammer hat deren
Bekundungen daher
nur insoweit berücksichtigt, als sie durch andere Beweismittel
bestätigt wurden.
Bei den während der Hauptverhandlung unerreichbaren Zeuginnen
S.
und Z. (Fälle B 2/3) hielt die Jugendkammer für die
Beurteilung der
Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen eine persönliche Vernehmung in
der Hauptverhandlung
für unerläßlich. Diese tatrichterliche
Beurteilung des Beweiswerts der
genannten Zeugenaussagen ist aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden. In
allen Fällen bedurfte es einer näheren Darstellung
der Aussageinhalte hier
nicht.
Die Beweiswürdigung ist auch im übrigen nicht
lückenhaft. Die Jugendkammer
hat entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin keine
naheliegenden
Möglichkeiten des Tathergangs unerörtert gelassen.
Die aus den Beweisumständen
gezogenen Schlüsse sind möglich, zwingend brauchen sie
nicht zu sein. Bei ihrem Vorbringen stützt sich die
Beschwerdeführerin weitgehend
auf Tatsachen, die so nicht festgestellt sind und mit den
verfügbaren Beweismitteln
auch nicht festgestellt werden konnten. Teilweise ersetzt die
Beschwerdeführerin
die Bewertung des Beweisergebnisses unzulässigerweise
durch ihre eigene.
II. Vor diesem allgemeinen Hintergrund ergibt die sachlich-rechtliche
Prüfung der vom Landgericht abgeurteilten Einzelfälle
folgendes:
1. Fall B 1
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einschleusens von
Ausländern
in Tateinheit mit Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2
StGB) verurteilt. Der
Schuldspruch wegen Zuhälterei hat auch bei der
einschränkenden Auslegung
dieser Strafvorschrift im Lichte des seit dem 1. Januar 2002 geltenden
Prostitutionsgesetzes
(vgl. hierzu BGH, Beschl. vom 1. August 2003 - 2 StR 186/03 -,
zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) Bestand, weil der
Angeklagte die Nebenklägerin
durch die beschränkenden Maßnahmen über das
"betrieblich"
Notwendige hinaus erheblich in ihrer Entscheidungsfreiheit
beschränkt hat (vgl.
UA S. 19 f.). Vor allem konnte sie ersichtlich nicht frei entscheiden,
einzelne
Freier abzulehnen.
Die Beschwerdeführerin beanstandet aber zu Recht,
daß der Angeklagte
nicht auch wegen Menschenhandels (§ 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB)
verurteilt wurde.
Die Tatbestandsmerkmale des § 180 b Abs. 1 und des Abs. 2 Nr.
1 StGB
sowie des schweren Menschenhandels (§ 181 StGB) sind dagegen
nicht erfüllt.
a) Das Landgericht hat zu diesem Einzelfall festgestellt:
Anfang April 2000 brachte der Angeklagte die damals 18jährige
Nebenklägerin
Kr. in seine Bar, weil sie dort als Prostituierte arbeiten sollte. Die
Nebenklägerin
war Ende Januar 2000 ohne Mitwirkung des Angeklagten zur
Ausübung
der Prostitution von Litauen nach Deutschland gebracht worden und
hatte in den folgenden Monaten in Deutschland und den Niederlanden als
Prostituierte gearbeitet. Anfang April hatte der Angeklagte erfahren,
er könne
die Nebenklägerin in seinem Bordell arbeiten lassen. Die
Nebenklägerin hielt
sich damals in den Niederlanden auf und hatte dort wegen einer
Erkrankung
zuletzt in einer Autowerkstatt gearbeitet. Der Angeklagte holte die
Nebenklägerin
in den Niederlanden ab und brachte sie in seinen Betrieb. Dort war sie
unter
den oben beschriebenen Bedingungen als Prostituierte tätig. Da
der Angeklag-
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te den Anschein eines legalen Aufenthalts wahren wollte, achtete er
darauf,
daß die Nebenklägerin - wie auch die
übrigen Frauen - bei Ablauf ihres Visums
in ihre Heimat zurückkehrten und danach erneut einreisten. Am
5. Mai
2000 fuhr die Nebenklägerin daher mit dem Bus nach Litauen
zurück. Dem
Angeklagten hatte sie versichert, so schnell wie möglich
zurückzukehren.
b) Der Angeklagte hat sich durch diese Tat auch wegen Menschenhandels
(§ 180 b Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB) strafbar gemacht. Die
Nebenklägerin
war unter 21 Jahre alt. Der Angeklagte hatte auf die
Nebenklägerin eingewirkt,
um sie zur Fortsetzung der Prostitution zu bestimmen. Die Einwirkung im
Sinne
dieser Tatbestandsalternative setzt nicht voraus, daß die
Person, auf die eingewirkt
wird, den aktuellen Willen hat, die Prostitutionsausübung zu
beenden.
Es reicht vielmehr, daß der Täter auf die Person
einwirkt, weil er davon ausgeht,
daß sie möglicherweise die Prostitution beenden will
(vgl. BGHSt 45, 158,
161 ff. m.w.N.). Ein derartiges Einwirken ist hier aufgrund der
allgemeinen Arbeits-
und Lebensbedingungen der im Betrieb des Angeklagten tätigen
Prostituierten
jedenfalls in der Anfangszeit ihrer Tätigkeit deshalb gegeben,
weil der
Angeklagte den Frauen in den ersten Wochen als Lohn kein Bargeld
ausgezahlt
hat, um sie zu Beginn gefügig zu machen und sie an sich zu
binden (UA
S. 19). Die Feststellungen belegen dagegen nicht, daß der
Angeklagte die Nebenklägerin
durch diese und andere Maßnahmen dazu gebracht hat, die
Prostitution
fortzusetzen (§ 180 b Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 StGB), weil nicht
festgestellt ist,
daß die Nebenklägerin in dieser Zeit die
Prostitution tatsächlich aufgeben oder
einschränken wollte. Ein "Bringen" zur Fortsetzung der
Prostitution liegt bei
einer Person, die bereits der Prostitution nachgeht, nur dann vor, wenn
sie die
Prostitution aufgeben oder einschränken will und vom
Täter dazu gebracht
wird, den bisherigen Umfang aufrechtzuerhalten oder bei Veranlassen
einer
umfangreicheren Tätigkeit (vgl. Tröndle/Fischer, StGB
51. Aufl. § 180 b
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Rdn. 18). Bei der Nebenklägerin ist jedoch für diesen
Tatabschnitt nicht festgestellt
oder sonst erkennbar, daß sie die Prostitution aufgeben oder
einschränken
wollte.
Eine "auslandsspezifisch" hilflose Lage der Nebenklägerin ist
nach den
Feststellungen des Landgerichts nicht gegeben. Sie war nicht nur
bereits in
anderen Bordellen in Deutschland und den Niederlanden tätig,
sondern hatte
auch in der Zeit, als sie nicht als Prostituierte gearbeitet hat, eine
Arbeit in einer
Autowerkstatt gefunden. Unter diesen Umständen ist nicht
festgestellt, daß
sie sich trotz der einschränkenden Lebens- und
Arbeitsbedingungen im Betrieb
des Angeklagten in einer hilflosen Lage befand. Ebensowenig sind danach
die
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 180 b Abs. 1 StGB
erfüllt (zur
Zwangslage im Sinne von § 180 b Abs. 1 Satz 1 vgl.
Tröndle/Fischer aaO
Rdn. 7). Entgegen dem Vorbringen der Revision sind auch die
erschwerenden
Merkmale des schweren Menschenhandels (§ 181 Abs. 1 Nr. 1 bis
3 StGB)
nicht festgestellt. Die Nebenklägerin ist nicht mit Gewalt,
durch Drohung mit
einem empfindlichen Übel oder durch List zur Aufnahme bzw.
Fortsetzung der
Prostitution bestimmt oder mit List angeworben worden (vgl. UA S. 18).
Diese
Wertung des Landgerichts steht nicht in Widerspruch zu den
festgestellten Lebens-
und Arbeitsbedingungen der Prostituierten im Betrieb des Angeklagten.
Die Frauen waren zwar über diese Umstände
zunächst schockiert, es ist aber
nicht erkennbar und wird auch von der Nebenklägerin nicht
geltend gemacht,
daß sie bei voller Kenntnis dieser Umstände mit
einer Tätigkeit bei dem Angeklagten
nicht einverstanden gewesen wären. Dagegen spricht nicht
zuletzt, daß
die Nebenklägerin später wiederholt zur
Prostitutionsausübung dorthin zurückkehrte.
2. Fälle B 2 und 3
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einschleusens von
Ausländern
in Tateinheit mit Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2
StGB) und Menschenhandel
(§ 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB) jeweils in zwei Fällen
verurteilt. Insoweit
ist der Schuldspruch zwar - abgesehen von den
Konkurrenzverhältnissen
(vgl. hierzu unten III) - nicht zu beanstanden.
Die Beschwerdeführerin beanstandet aber zu Recht,
daß der Angeklagte
nicht auch wegen schweren Menschenhandels nach § 181 Abs. 1
Nr. 3 StGB
verurteilt wurde. Insoweit unterscheidet sich die Situation dieser
beiden Zeuginnen
von den eine größere Selbständigkeit
belegenden Verhaltensweisen
der Nebenklägerin im Fall B 1.
a) Das Landgericht hat hierzu festgestellt:
In der Zeit, als die Nebenklägerin im Bordell des Angeklagten
arbeitete,
fuhr dieser nach Litauen und warb dort im April 2000 die beiden damals
18jährigen Zeuginnen S. und Z. für eine
Tätigkeit als Prostituierte
in Deutschland an. Er verdeutlichte ihnen durch Gesten, daß
er Betreiber
eines Sexclubs sei, in dem sie als Prostituierte arbeiten sollten.
Durch seine
bestimmende Art gelang es dem Angeklagten, die beiden jungen Frauen
zum Mitfahren nach Deutschland zu veranlassen, damit sie dort als
Prostituierte
für ihn arbeiteten. Da er sich vor der Anwerbung die
Pässe hatte zeigen lassen,
kannte er Namen und Alter der Frauen. Da beide kein Deutsch sprachen,
wurden sie in Deutschland von der Nebenklägerin in ihre
Tätigkeit und die Arbeits-
und Lebensbedingungen im Bordell des Angeklagten eingewiesen. Nach
dreimonatiger Tätigkeit fuhren die beiden Frauen mit dem
Angeklagten nach
Litauen zurück. Nach der üblichen Wartefrist reisten
sie wieder ein, und gingen
im Betrieb des Angeklagten erneut der Prostitution nach. Anfang August
2000
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verließen sie den Betrieb des Angeklagten, um in anderen
Bordellen der Prostitution
nachzugehen.
Die Beweiswürdigung zu diesen Feststellungen ist rechtlich
nicht zu beanstanden.
Insbesondere ist es nicht rechtsfehlerhaft, daß das
Landgericht die
Einlassung des Angeklagten für unwiderlegt erachtet hat; denn
tragfähige Beweismittel
zu weitergehenden Feststellungen standen nicht zur Verfügung.
Eine
Verfahrensrüge hat die Beschwerdeführerin hierzu auch
nicht erhoben. Die
Tatopfer selbst waren als Zeugen unerreichbar. Es lag im Rahmen des
rechtsfehlerfrei
ausgeübten tatrichterlichen Ermessens, daß das
Landgericht für die
Prüfung der Glaubhaftigkeit der früher im
Ermittlungsverfahren protokollierten
Angaben dieser Zeuginnen deren persönliche Vernehmung
für geboten erachtete.
Die nähere Darstellung dieser Aussagen in den
Urteilsgründen war unter
diesen Umständen entbehrlich.
b) Der Angeklagte hat sich in diesen Fällen auch wegen
schweren Menschenhandels
(§ 181 Abs. 1 Nr. 3 StGB) strafbar gemacht.
Der Angeklagte hat die beiden Frauen in Litauen
gewerbsmäßig angeworben,
um sie zur Aufnahme der Prostitution in Deutschland zu bestimmen.
Dabei kannte er die Hilflosigkeit, in der sich die beiden Tatopfer nach
der Aufnahme
ihrer Tätigkeit in dem für sie fremden Deutschland
befinden würden.
Hilflosigkeit im Sinne des Menschenhandels liegt vor, wenn das Opfer in
der
konkreten Lage und nach seinen persönlichen
Fähigkeiten nicht in der Lage
ist, sich dem Ansinnen der Prostitutionsausübung aus eigener
Kraft zu entziehen.
Von einer "auslandsspezifischen Hilflosigkeit" ist auszugehen, wenn das
Opfer der deutschen Sprache nicht mächtig ist, über
keine Barmittel verfügt
und bezüglich Unterkunft und Verpflegung auf den
Täter angewiesen ist, wobei
die Hilflosigkeit durch die Wegnahme des Passes noch verstärkt
wird (vgl.
- 14 -
BGH NStZ 1999, 349 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier bei beiden
Tatopfern jedenfalls für die erste Phase ihres Aufenthalts in
Deutschland aufgrund
ihrer persönlichen Situation in Verbindung mit den allgemeinen
Lebensund
Arbeitsbedingungen im Bordell des Angeklagten in vollem Umfang gegeben,
so daß der Angeklagte tateinheitlich zu den übrigen
Taten auch den Tatbestand
des schweren Menschenhandels erfüllt hat. Alle
Tatbestände wurden
tateinheitlich verwirklicht (vgl. BGHSt 42, 179, 181, 183).
3. Fall B 4
Der Angeklagte hat sich nach den rechtsfehlerfrei getroffenen
Feststellungen
nicht nur wegen versuchten, sondern wegen vollendeten Menschenhandels
(§ 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB) strafbar gemacht.
a) Entgegen ihrer Zusicherung gegenüber dem Angeklagten hatte
die
18jährige Nebenklägerin nach der Rückkehr
nach Litauen am 6. Mai 2000 nicht
die Absicht, weiterhin im Betrieb des Angeklagten als Prostituierte zu
arbeiten.
Als der vereinbarte Rückreisetermin verstrichen war, war dem
Angeklagten
klar, daß die Nebenklägerin nicht
zurückkommen wollte. Daraufhin sprach er in
einem Telefonat eindringlich auf sie ein und forderte sie auf, zu ihm
zurückzukehren
und ihre Tätigkeit als Prostituierte fortzusetzen. Daraufhin
änderte die
Nebenklägerin ihre Meinung. Sie wollte nun doch mit Hilfe
eines Bekannten in
den Betrieb des Angeklagten zurückkehren. Statt zum
Angeklagten brachte sie
dieser Bekannte aber gegen ihren Willen in ein Bordell in M. .
b) Die Staatsanwaltschaft macht zu Recht geltend, daß der
Angeklagte
damit einen vollendeten Menschenhandel begangen hat. Die erste
Alternative
des § 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB ist ein Unternehmensdelikt. Die
Tat ist damit
bereits vollendet, wenn der Täter auf das Tatopfer eingewirkt
hat, um es zur
- 15 -
Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution zu bestimmen (vgl. BGHSt 45,
158, 163; BGH NStZ 2000, 86). Das hat der Angeklagte hier getan, indem
er
die nicht mehr zur Prostitution bereite Nebenklägerin durch
das nachdrückliche
telefonische Zureden zur Fortsetzung der Prostitution veranlassen
wollte. Darüber
hinaus hat der Angeklagte die Nebenklägern aber auch im Sinne
der
zweiten Alternative des § 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB dazu
gebracht, die Prostitution
fortzusetzen, weil sie wegen des nachdrücklichen Telefonats
mit dem Angeklagten
tatsächlich ihre Entscheidung änderte und nach
Deutschland zurückkehrte,
um hier die Prostitution fortzusetzen. Daß dies - gegen den
Willen
der Nebenklägerin - nicht im Betrieb des Angeklagten, sondern
- zunächst - in
einem anderen Bordell geschah, ist eine für die rechtliche
Beurteilung unter
dem Gesichtspunkt des Menschenhandels unwesentliche Abweichung vom
Tatplan.
Soweit die Staatsanwaltschaft darüber hinaus eine Verurteilung
wegen
schweren Menschenhandels erstrebt, hat ihr Rechtsmittel keinen Erfolg.
Der für
die sachlich-rechtliche Prüfung allein maßgebende
Inhalt des angefochtenen
Urteils enthält keine Anhaltspunkte dafür,
daß der Angeklagte einen der erschwerenden
Umstände des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB
verwirklicht hat.
Insbesondere sind keine Anzeichen dafür erkennbar,
daß der Angeklagte die
Nebenklägerin bei dem mit ihr geführten Telefonat
bedroht hat. Der Inhalt des
Telefonats ist dahin festgestellt, daß er eindringlich auf
die Nebenklägerin eingeredet
hat. Das ist noch keine Drohung. Da das Landgericht die Angaben der
Nebenklägerin grundsätzlich nicht für
zuverlässig hielt, war eine nähere Darstellung
ihrer Schilderung des Telefonats entbehrlich. Eine
Aufklärungsrüge
hierzu hat die Staatsanwaltschaft nicht erhoben.
4. Fall B 5
- 16 -
Der Schuldspruch wegen Einschleusens von Ausländern in
Tateinheit
mit Zuhälterei und Menschenhandel hält der
sachlich-rechtlichen Prüfung
stand. Die hierzu getroffenen Feststellungen beruhen auf einer
rechtsfehlerfreien
Beweiswürdigung und rechtfertigen keine Verurteilung auch wegen
schweren Menschenhandels.
a) Das Landgericht hat insoweit festgestellt:
Die Nebenklägerin floh aus dem Bordell in M. und kehrte Ende
Mai
2000 nach Litauen zurück. Mitte Juli 2000 traf sie dort
zufällig mit dem Angeklagten
zusammen, der sich mit den beiden Frauen S. und Z. -
(Fälle 2 und 3) in Litauen aufhielt. Der Angeklagte forderte
sie eindringlich
auf, mit ihm und den anderen beiden Frauen nach Deutschland zu fahren
und
dort weiter für ihn zu arbeiten, zumal sie noch Schulden bei
ihm habe. Ohne
eine direkte Drohung entschloß sich die
Nebenklägerin, der Aufforderung des
Angeklagten zu folgen. Nach der Ankunft im Betrieb des Angeklagten am
18. Juli 2000 ging die Nebenklägerin bis zur
Schließung der Bar am 19. März
2001 dort der Prostitution nach. In dieser Zeit reiste sie mindestens
viermal
nach Litauen, unter anderem, um dort am 20. Januar 2001 durch
Vermittlung
des Angeklagten eine Scheinehe mit einem deutschen
Staatsangehörigen namens
Kr. einzugehen. Durch diese Scheinehe wollte sie eine
Aufenthaltserlaubnis
für Deutschland erlangen. Nach der "Hochzeit" blieb die
Nebenklägerin
etwa einen Monat in Litauen. Der Angeklagte drängte sie in
dieser Zeit mehrfach
telefonisch zur Rückkehr. Dabei machte er ihr
gegenüber Forderungen in
Höhe von 5.300 DM geltend, die sich aus den Kosten
für das Arrangieren der
Scheinehe und Vorauszahlungen zusammensetzten.
b) Die von der Revision geltend gemachte Lücke in der
Beweiswürdigung
zu diesen Feststellungen liegt nicht vor. Das Landgericht
schließt eine
- 17 -
ausdrückliche Bedrohung der Nebenklägerin bei dem
Gespräch in Litauen aus.
Eine konkludente Bedrohung erörtert das Landgericht zwar
nicht. Aufgrund der
Beweislage gab es hierfür aber keine tragfähige
Beweismöglichkeit. Das Landgericht
stützt seine Feststellungen in erster Linie auf die Einlassung
des geständigen
Angeklagten. Die zum Gegenbeweis allein verfügbaren Angaben der
Nebenklägerin hält das Landgericht nur insoweit
für tragfähig, als sie durch
weitere Beweismittel bestätigt wurden. In Betracht
kämen hierfür allenfalls die
beiden Zeuginnen S. und Z. , die aber unerreichbar waren
und deren früher protokollierte Aussagen das Landgericht ohne
persönliche
Vernehmung nicht auf ihre Glaubhaftigkeit prüfen konnte.
Weitergehende Erwägungen
zum möglichen Inhalt des Gesprächs des Angeklagten
mit der
Nebenklägerin in Litauen mußten daher
notwendigerweise rein spekulativ
bleiben. Daß sich das Landgericht hierauf nicht eingelassen
hat, ist sachlich-rechtlich
nicht zu beanstanden. Entsprechendes gilt für nähere
Feststellungen
zum Inhalt der späteren Telefonate nach dem Eingehen der
Scheinehe, in
denen der Angeklagte eine Forderung von 5.300 DM geltend machte. Auch
die
mögliche Anwendung einer List durch Vortäuschen einer
in Wirklichkeit nicht
bestehenden Forderung muß daher im Bereich einer Vermutung
bleiben. Somit
ist nicht zu beanstanden, daß das Landgericht den Angeklagten
nicht auch
wegen schweren Menschenhandels nach § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB
verurteilt
hat.
5. Fall B 6
In diesem Fall hat das Landgericht den Angeklagten wegen Einschleusens
von Ausländern in Tateinheit mit Zuhälterei
(§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB)
verurteilt. Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht,
daß der Angeklagte
nicht auch wegen Menschenhandels (§ 180 b Abs. 2 Nr. 1 StGB)
verurteilt wurde.
- 18 -
a) Im Oktober 2000 traf die damals 23jährige Zeugin B. , die
arbeitslos
war und keine Perspektive für sich sah, auf der Suche nach
Arbeit bei
einer Bekannten mit der Nebenklägerin Kr. zusammen. Die Zeugin
war bereit,
jede Art von Arbeit zu übernehmen. Als die Bekannte eine
Arbeit in Deutschland
vorschlug, war die Zeugin auch hierzu bereit, schloß aber
eine Tätigkeit
als Prostituierte aus. Die Nebenklägerin versprach der Zeugin,
mit ihrem Chef,
dem Angeklagten, zu sprechen. Die Nebenklägerin
klärte die Zeugin bei keinem
der Zusammentreffen über die tatsächlichen Arbeits-
und Lebensbedingungen
in der Bar des Angeklagten auf und versuchte auch nicht, ihr von einer
Tätigkeit als Prostituierte in diesem Betrieb abzuraten.
Vielmehr stellte sie einen
Kontakt zum Angeklagten her, der ohne weiteres Anwerben des Angeklagten
dazu führte, daß die Zeugin sich mangels einer
Alternative entschied, in
der Bar des Angeklagten der Prostitution nachzugehen. Dort wurde die
Zeugin
in die Arbeit eingewiesen und mußte noch am selben Abend
trotz Periode ihren
ersten Kunden bedienen. Heimlich notierte sie bis Ende 2000 die Zahl
ihrer
Kunden. Da sie zunächst die Fahrtkosten und alle weiteren vom
Angeklagten
geltend gemachten Aufwendungen abarbeiten mußte, erhielt sie
erstmals am
Silvestertag 2000 eine Bargeldzahlung. Am 24. Februar 2001 kam die
Zeugin
wie geplant nach Deutschland zurück und ging bis zur
Schließung des Betriebs
am 19. März 2001 dort der Prostitution nach.
Die Beweiswürdigung zu diesen Feststellungen ist nicht
lückenhaft. Die
Annahme, der Angeklagte habe gegenüber der Zeugin eine List
angewendet
und sie nur dadurch zur Aufnahme der Prostitution in seinem Betrieb
bestimmt,
indem er sie über die dort herrschenden Arbeitsbedingungen
täuschte, liegt
fern, weil die Zeugin auch nach Kenntnis dieser Umstände aus
Litauen in den
Betrieb des Angeklagten zurückkehrte und dort weiterhin der
Prostitution nachging.
- 19 -
b) Bei diesem Tathergang hat der Angeklagte den Tatbestand des
Menschenhandels
(§ 180 b Abs. 2 Nr. 1 StGB) erfüllt. Die Zeugin B.
befand
sich im Betrieb des Angeklagten ebenso wie die Zeuginnen S. und
Z. (Fälle B 2/3) zumindest bis zur ersten Barzahlung an
Silvester 2000
in einer auslandsspezifisch hilflosen Lage. Insoweit kann zur
näheren Begründung
auf den Abschnitt II, 2 b verwiesen werden. Der Angeklagte hat auch auf
die Zeugin eingewirkt, um sie zur Fortsetzung der Prostitution zu
bestimmen.
Insoweit kann zur näheren Begründung auf den die
Nebenklägerin betreffenden
Abschnitt II, 1 b verwiesen werden. Dem Angeklagten waren alle
maßgebenden
Tatumstände bekannt, so daß er vorsätzlich
gehandelt hat.
Nicht erfüllt hat der Angeklagte dagegen in diesem Fall einen
erschwerenden
Tatumstand des schweren Menschenhandels (§ 181 Abs. 1 Nr. 3
StGB), weil der Angeklagte die Zeugin nicht im Sinne dieses Tatbestands
angeworben
hat. Anwerben ist das Aktivwerden des Werbenden im Sinne eines
nachdrücklichen Einwirkens auf die
Willensentschließung des Opfers (vgl.
Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 181 Rdn. 9). Das
ist hier für das maßgebende
Telefongespräch des Angeklagten mit der Zeugin B. nicht
festgestellt.
Damit entfällt auch ein Anwerben mit List, zumal da die Zeugin
auch in Kenntnis
aller Umstände nach einer Unterbrechung ihrer
Tätigkeit in den Betrieb des
Angeklagten zurückkehrte und dort bis zu dessen
Schließung tätig war.
III. Konkurrenzen
Die tatrichterliche Beurteilung der Konkurrenzen bei den Taten B 1-6,
die auch zugunsten des Angeklagten zu prüfen ist (§
301 StPO), führt zu einer
Änderung des Konkurrenzverhältnisses dahin,
daß die Taten 1-3 sowie die Taten
5 und 6 jeweils tateinheitlich verwirklicht wurden.
- 20 -
1. Der Angeklagte hat sich in den Fällen B 1-3 wegen schweren
Menschenhandels
in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit
Menschenhandel,
Zuhälterei sowie Einschleusen von Ausländern in
jeweils drei tateinheitlichen
Fällen strafbar gemacht. Die von dem Angeklagten in seinem
Betrieb praktizierten
Maßnahmen der dirigierenden Zuhälterei und des
Menschenhandels im
Sinne von § 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB richteten sich zumindest
zeitweise gleichzeitig
gegen die Nebenklägerin und die Zeuginnen S. und Z. -
(vgl. BGH, Beschl. vom 1. August 2003 - 2 StR 186/03 zum Abdruck in
BGHSt bestimmt; Beschl. vom 15. Juli 2003 - 4 StR 29/03; vom 9. Oktober
2001 - 4 StR 395/01). Ebenso erfolgte hierdurch die
Unterstützung beim illegalen
Aufenthalt für alle drei Frauen gleichzeitig. Mit diesen
Maßnahmen überschneidet
sich der schwere Menschenhandel in den Fällen B 2 und 3, so
daß
diese beiden Verbrechen tateinheitlich verwirklicht wurden.
2. In den Fällen B 5 und 6 hat sich der Angeklagte
tateinheitlich wegen
Menschenhandels, Zuhälterei und Einschleusens von
Ausländern in zwei tateinheitlichen
Fällen strafbar gemacht, weil sich die von dem Angeklagten
getroffenen
Maßnahmen bis zur Schließung des Betriebs am 19.
März 2001
gleichzeitig gegen die Nebenklägerin sowie gegen die Zeugin B.
richteten.
3. Als selbständige Tat bleibt daneben der Fall B 4 bestehen.
IV. Verfall von Wertersatz
Soweit die Revision die Anordnung des Verfalls von Wertersatz erstrebt,
hat sie keinen Erfolg. Einer solchen Anordnung steht schon §
73 Abs. 1 Satz 2
StGB entgegen. Bei den betroffenen Frauen handelt es sich um Verletzte
im
Sinne dieser Vorschrift (vgl. BGH, Beschl. vom 18.02.2004 - 5 StR 21/04
- 21 -
- und vom 18. Dezember 2003 - 5 StR 275/03; NStZ 2003, 533 = StV 2003,
616
jeweils m.w.N.), weil ihnen zumindest aus den Taten der dirigierenden
Zuhälterei
ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs.
2 BGB i.V.m. § 181 a Abs.
1 Satz 2 StGB sowie ein Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs.
2 BGB
gegen den Angeklagten zusteht. Die Nebenklägerin hat im
Adhäsionsverfahren
dem Grunde nach bereits einen Schmerzensgeldanspruch zuerkannt bekommen.
Jedenfalls nach der durch § 1 Prostitutionsgesetz getroffenen
Wertentscheidung
sind weder die Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit der
Prostitutionsausübung
gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und
nichtig, noch sind
rechtliche Hinderungsgründe ersichtlich, wonach Prostituierte
rechtswidrige
Einbußen ihres jedenfalls auch aus den
Prostitutionserlösen bestehenden
Vermögens nicht im Wege eines Schadensersatzanspruches geltend
machen
können (vgl. BGH NStZ 2003, 533 = StV 2003, 616 f.). Da die
Strafvorschrift
des § 181 a StGB das Selbstbestimmungsrecht der Prostituierten
schützt (vgl.
Tröndle/Fischer aaO § 181 a Rdn. 2) und diese vor
finanzieller Abhängigkeit
und Ausbeutung durch den Zuhälter bewahren will (vgl. BGHSt
42, 179, 180 f.),
handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2
BGB (vgl. BGH
StV 2003, 616). Eine Verfallsanordnung nach § 181 c i.V.m.
§ 73 d StGB
kommt wegen des Vorrangs der §§ 73, 73 a StGB nicht
in Betracht (vgl. BGH
NStZ-RR 2003, 75 f.).
V. Berufsverbot
Die Erwägungen der Jugendkammer zum Absehen von einem
Berufsverbot
nach § 70 StGB lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen. Der
Senat
schließt aus, daß sich im Hinblick auf die
Änderungen des Schuldspruchs, die
sich sowohl zu Lasten als auch zu Gunsten des Angeklagten auswirken, die
- 22 -
Gefahrenprognose des Landgerichts dahin ändert, daß
nunmehr ein Berufsverbot
verhängt werden müßte.
VI. Der Senat konnte den Schuldspruch aufgrund der bisher getroffenen
Feststellungen selbst ändern. Weitergehende
zusätzliche Feststellungen sind
aufgrund der gegebenen Beweislage und der verfügbaren
Beweismittel auch in
einer erneuten Hauptverhandlung nicht zu erwarten. § 265 StPO
steht der
Schuldspruchänderung nicht entgegen. Die in dem
geänderten Schuldspruch
enthaltenen Tatvorwürfe waren bereits in der Anklageschrift
vom 8. September
2001 enthalten.
Die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen B 1-6
hat die Aufhebung
der zugehörigen Einzelstrafen zur Folge. Dies entzieht auch
der Gesamtfreiheitsstrafe
die Grundlage. Bestehen bleibt somit nur die Einzelfreiheitsstrafe im
Fall A 2.
B. Revision der Nebenklägerin:
1. Soweit sich die Nebenklägerin gegen den Freispruch des
Angeklagten
vom Vorwurf der Körperverletzung wendet, ist ihr Rechtsmittel
offensichtlich
unbegründet. Die Beweiswürdigung des Landgerichts
läßt keinen Rechtsfehler
erkennen. Die Einlassung des Angeklagten zu diesem Tatvorwurf und die
Aussage
des Zeugen E. hat das Landgericht hinreichend mitgeteilt und
gewürdigt.
2. Soweit die Nebenklägerin im Fall B 1 eine Verurteilung des
Angeklagten
auch wegen Menschenhandels und in den sie betreffenden Fällen
B 1, 4
und 5 auch wegen schweren Menschenhandels erstrebt, hat ihr
Rechtsmittel im
selben Umfang und aus den selben Gründen teilweise Erfolg, wie
das Rechtsmittel
der Staatsanwaltschaft. Auf die obigen Gründe wird insoweit
verwiesen.
- 23 -
3. Die Revision der Nebenklägerin ist unzulässig,
soweit die Nebenklägerin
beanstandet, daß das Landgericht davon abgesehen hat
(§ 405 StPO),
auch über die Höhe des der Nebenklägerin
zustehenden Schmerzensgeldes zu
entscheiden, sondern lediglich festgestellt hat, daß der
Schmerzensgeldanspruch
dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Die Unzulässigkeit des
Rechtsmittels
ergibt sich aus § 406 a Abs. 1 StPO. Danach steht der
Antragstellerin im
Adhäsionsverfahren ein Rechtsmittel auch insoweit nicht zu,
als das Gericht
von einer Entscheidung gemäß § 405 StPO
absieht (noch offengelassen in
BGHSt 47, 378, 381). Soweit das Landgericht über den Grund des
Anspruchs
rechtskräftig entschieden, von einer Entscheidung
über die Höhe des Schmerzensgeldes
abgesehen hat, findet die Verhandlung über den Betrag vor dem
zuständigen Zivilgericht statt (vgl. § 406 Abs. 3
Satz 2 und 3 StPO).
- 24 -
Allerdings ist die Urteilsformel dahin zu ergänzen,
daß im Adhäsionsverfahren
von einer Entscheidung zur Höhe des Anspruchs abgesehen wird
(vgl.
BGH, Beschl. vom 22. Juni 2003 - 2 StR 188/03; Urt. vom 13. Mai 2003
- 1 StR 529/02).
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RiBGH Fischer ist urlaubsbedingt
ortsabwesend und deshalb an der
Unterschrift gehindert.
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