BGH,
Urt. v. 17.3.2009 - 1 StR 627/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 627/08
vom
17. März 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
______________________
AO § 370 Abs. 1 und 4
UStG § 18
StGB § 46
Bei der Hinterziehung von Umsatzsteuern bemisst sich der Umfang der
verkürzten Steuern oder erlangten Steuervorteile auch dann
nach deren Nominalbetrag, wenn die Tathandlung in der pflichtwidrigen
Nichtabgabe oder der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung
im Sinne von § 18 Abs. 1 UStG liegt. Der Umstand, dass in
solchen Fällen im Hinblick auf die Verpflichtung zur Abgabe
einer Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 18 Abs. 3 UStG)
zunächst nur eine Steuerhinterziehung „auf
Zeit“ gegeben ist, führt nicht dazu, dass der
tatbestandsmäßige Erfolg lediglich in der
Höhe der Hinterziehungszinsen zu erblicken wäre.
Zur Strafzumessung bei Tatserien.
BGH, Urt. vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08 - LG
Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
- 2 -
wegen Steuerhinterziehung
- 3 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
17. März 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 4 -
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. Juli 2008 im
gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den umfassend geständigen Angeklagten
wegen Steuerhinterziehung in 59 Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung es zur
Bewährung ausgesetzt hat, und zu einer Gesamtgeldstrafe von
360 Tagessätzen verurteilt. Die Einzelstrafen hat das
Landgericht im Hinblick auf eine „rezidivierende depressive
Störung“ des Angeklagten jeweils dem nach den
§§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des
§ 370 Abs. 1 AO entnommen; von der Bildung einer einheitlichen
Gesamtfreiheitsstrafe hat es gemäß § 53
Abs. 2 Satz 2 StGB abgesehen. Gegen dieses Urteil wendet sich die
Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklag-
1
- 5 -
ten eingelegten und auf den Strafausspruch beschränkten
Revision. Sie beanstandet im Wesentlichen, dass das Landgericht
hinsichtlich der Taten der Lohnsteuerhinterziehung sowie der
Steuerhinterziehung durch Unterlassen der Abgabe von
Umsatzsteuervoranmeldungen statt kurzer Freiheitsstrafen (§ 47
Abs. 1 StGB) lediglich Geldstrafen verhängt und bei der
Gesamtstrafenbildung keine einheitliche Gesamtfreiheitsstrafe
festgesetzt hat. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
1. Nach den Urteilsfeststellungen betrieb der Angeklagte seit dem Jahr
1999 als Einzelfirma einen Pizzalieferservice mit Filialen in
Nürnberg, Fürth und Erlangen. Im Rahmen der
betrieblichen Tätigkeit entnahm er in den Jahren 2002 bis 2006
einen erheblichen Teil der Betriebseinnahmen, ohne diese als
Umsätze und Einnahmen in der Buchhaltung des Unternehmens zu
erfassen; Lohnzahlungen an Aushilfskräfte erfasste er
ebenfalls nicht. Auch seinen steuerlichen Erklärungspflichten
kam er nicht ordnungsgemäß nach, so dass in zehn
Fällen Umsatzsteuer, in jeweils drei Fällen
Gewerbesteuer und Einkommensteuer und in 43 Fällen Lohnsteuer
verkürzt wurde. Im Einzelnen hat das Landgericht hierzu
festgestellt:
2
a) Für die Jahre 2002 und 2003 gab der Angeklagte
zunächst keine Umsatzsteuerjahreserklärungen ab.
Nachdem das Finanzamt insoweit Schätzungsbescheide erlassen
hatte, reichte er verspätet
Umsatzsteuerjahreserklärungen ein, mit denen er geringere als
die tatsächlich erzielten Umsätze erklärte.
Hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2004 gab er zwar
fristgemäß eine Umsatzsteuerjahreserklärung
ab, nahm aber die in diesem Zeitraum erzielten Umsätze nicht
vollständig auf. Für die Quartale I/2005 bis III/2006
gab der Angeklagte keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Die Gesamtsumme
der hin-
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- 6 -
sichtlich der Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004
verkürzten Umsatzsteuern hat die Strafkammer mit 80.500,--
Euro beziffert. Im Hinblick auf die nicht eingereichten
Umsatzsteuervoranmeldungen für die Jahre 2005 und 2006 hat sie
lediglich den „Zinsverlust als
Hinterziehungsschaden“ angesehen, den sie nach
Maßgabe des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO berechnet hat. b)
Für die Jahre 2002 und 2003 gab der Angeklagte auch keine
Gewerbesteuer- und Einkommensteuererklärungen ab; in die
für das Jahr 2004 eingereichten Gewerbesteuer- und
Einkommensteuererklärungen nahm er nur solche
Einkünfte auf, die in die Buchhaltung der Firma Eingang
gefunden hatten. Die insoweit ergangenen Steuerbescheide - hinsichtlich
der Jahre 2002 und 2003 Schätzungsbescheide - enthielten
deshalb jeweils zu niedrige Steuerfestsetzungen; als
Gesamtverkürzungsumfang einschließlich
Solidaritätszuschlag hat das Landgericht einen Betrag von mehr
als 300.000,-- Euro errechnet.
4
c) Aufgrund von Schwarzlohnzahlungen, die der Angeklagte in seine
Lohnsteueranmeldungen nicht aufnahm, verkürzte er in den
Jahren 2002 bis 2006 in insgesamt 43 Fällen Lohnsteuern und
Solidaritätszuschlag in Höhe von mehr als 200.000,--
Euro.
5
2. Den Ausführungen eines Sachverständigen
für Psychiatrie und Psychologie folgend ist das Landgericht
davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des
Angeklagten aufgrund einer „rezidivierenden depressiven
Störung“ im Sinne des § 21 StGB erheblich
vermindert gewesen ist. Der Sachverständige habe dargelegt, es
handele sich um eine krankhafte seelische Störung, die
„beim Angeklagten so weitgehende Veränderungen in
dessen Denken und insbesondere Aktivitätsniveau
(Antriebsdefizit) bewirkte, dass die Annahme einer erheblich
verminderten Steuerungsfähigkeit gerechtfertigt sei“
(UA S. 21).
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- 7 -
II.
Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist
wirksam.
7
1. Eine isolierte Überprüfung der Strafzumessung ist
möglich, ohne dass der Schuldspruch hiervon berührt
wird (vgl. BGH NJW 1996, 2663, 2664 m.w.N.); denn nach den vom
Landgericht zur „depressiven Störung“ des
Angeklagten getroffenen Feststellungen ist sicher
auszuschließen, dass sich aufgrund einer neuen
Hauptverhandlung ein Ausschluss der Schuldfähigkeit des
Angeklagten (§ 20 StGB) bei Begehung der Taten erweisen
könnte. Die den Schuldspruch tragenden Feststellungen bilden
auch im Übrigen eine ausreichende Grundlage für die
Prüfung des Strafausspruchs (BGHSt 33, 59).
8
2. Eine weitergehende, schlüssige Beschränkung der
Revision auf die Nichtverhängung kurzer Einzelfreiheitsstrafen
gemäß § 47 Abs. 1 StGB sowie auf den
Gesamtstrafausspruch liegt nicht vor. Zwar wendet sich die
Staatsanwaltschaft nicht ausdrücklich gegen die Annahme einer
erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des §
21 StGB; sie beanstandet aber die Zumessung der Einzelstrafen, bei der
die Strafkammer jeweils den typisierten Strafmilderungsgrund der
verminderten Schuldfähigkeit zur Strafrahmenverschiebung
herangezogen hat. Das Revisionsvorbringen ist deshalb mit
Rücksicht auf das erstrebte Anfechtungsziel dahin auszulegen
(vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. April 2000 - 1 StR 55/00 - und
vom 23. Oktober 1997 - 4 StR 226/97; Hanack in Löwe/Rosenberg
StPO 25. Aufl. § 344 Rdn. 10), dass der gesamte Strafausspruch
angegriffen ist.
9
- 8 -
Eine Beschränkung der Revision auf die ausdrücklich
genannten Angriffsziele wäre jedenfalls unwirksam, weil die
Frage, ob der Angeklagte bei der Tatbegehung vermindert
schuldfähig war, bei der Prüfung, ob die
Verhängung kurzer Freiheitsstrafen im Sinne von § 47
Abs. 1 StGB geboten war, nicht außer Betracht bleiben kann.
Beide Fragen stehen in einem untrennbaren Zusammenhang, der ohne die
Gefahr von Widersprüchen eine isolierte Nachprüfung
nicht zulässt.
10
III.
Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der
Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
11
1. Bereits die Erwägungen, aufgrund deren das Landgericht
für den gesamten Tatzeitraum eine erhebliche Verminderung der
Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21
StGB angenommen hat, sind nicht tragfähig.
12
a) Als Begründung für diese Annahme gibt das
Landgericht in den Urteilsgründen allein die
„Feststellungen“ des psychiatrischen
Sachverständigen wieder, nach denen aus den von diesem
vorgenommenen Untersuchungen zu folgern sei,
13
„dass die depressive Problematik des Angeklagten ihren
Ausgangspunkt im Jahre 2002 genommen habe. Bereits beim
durchgeführten ambulanten Untersuchungsgespräch habe
sich der Eindruck einer depressiven Verstimmung beim Angeklagten mit
deutlicher Antriebsbeeinträchtigung ergeben; dieses
Antriebsdefizit sei dauerhaft vorhanden. Insgesamt sei davon
auszugehen, dass beim Angeklagten B. eine rezidivierende depressive
Störung vorliege, die mit unterschiedlich schwer
ausgeprägten depressiven Episoden einhergehe. Während
zum aktuellen Untersuchungszeit-
- 9 -
punkt (Mai 2008) von einer lediglich mittelgradigen Problematik
auszugehen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass zu
früheren Zeitabschnitten schwerwiegendere
Auffälligkeiten zu Tage getreten seien. Die einzelnen
depressiven Episoden seien mit Stimmungsveränderungen, Verlust
von Freude und üblichen Interessen,
Antriebsbeeinträchtigung, vermehrten Befürchtungen
und Ängsten einhergegangen; vor diesem Hintergrund sei auch zu
bewerten, dass der Angeklagte aufgrund wahnhafter
Befürchtungen im Jahr 2002 über längere Zeit
seine gewohnte soziale Umgebung verlassen hatte.“
Insgesamt habe die von dem Sachverständigen
„klassifizierte krankhafte seelische Störung, d.h.
die immer wieder in unterschiedlichem Ausmaß zutage tretende
depressive Problematik, beim Angeklagten so weitgehende
Veränderungen in dessen Denken und insbesondere
Aktivitätsniveau (Antriebsdefizit) bewirkt, dass die Annahme
einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit
gerechtfertigt sei. Anhaltspunkte dafür, dass von einer
aufgehobenen Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden
könne, ließen sich hingegen nicht finden“
(UA S. 21 f.).
b) Dies hält rechtlicher Nachprüfung bereits deshalb
nicht stand, weil die Strafkammer von einem unzutreffenden
Prüfungsansatz ausgegangen ist.
14
aa) Bei der Frage, ob eine Verminderung der
Steuerungsfähigkeit „erheblich“ im Sinne
des § 21 StGB ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die
das Tatgericht ohne Bindung an Äußerungen von
Sachverständigen zu beantworten hat. Dabei fließen
normative Erwägungen ein. Die rechtliche Erheblichkeit der
Verminderung des Hemmungsvermögens hängt auch von den
Ansprüchen ab, die die Rechtsordnung an das Verhalten des
Einzelnen stellt. Dies zu beurteilen, ist allein Sache des Gerichts.
Lediglich zur Beurteilung der Vorfrage nach den
medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungstatsachen bedarf es
sachverständiger Hilfe, wenn es hierüber nicht
aufgrund eigener Sachkunde befinden kann (BGHSt 43, 66, 77; BGH StV
1999, 309, 310).
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- 10 -
bb) Ob eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit -
und zwar „bei Begehung der Tat“ - vorliegt, hat das
Tatgericht im Wege einer Gesamtwürdigung zu beurteilen (st.
Rspr.; vgl. nur BGHSt 43, 66, 78). Dabei ist zu klären, ob
sich die Fähigkeit des Angeklagten, motivatorischen und
situativen Tatanreizen in der konkreten Tatsituation zu widerstehen und
sich normgemäß zu verhalten, im Vergleich mit dem
„Durchschnittsbürger“ in einem solchen
Maß verringert hat, dass die Rechtsordnung diesen Umstand bei
der Durchsetzung ihrer Verhaltenserwartungen nicht übergehen
darf (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 21 Rdn. 7a).
16
cc) Eine derartige Gesamtwürdigung hat die Strafkammer, die in
den Urteilsgründen allein die
„Feststellungen“ des Sachverständigen
wiedergibt, nicht vorgenommen. Mehrere belangvolle Umstände,
die für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des
Angeklagten bei Begehung der Taten von maßgeblicher Bedeutung
sind, finden in den Urteilsgründen keine Erwähnung.
So setzt sich die Strafkammer nicht mit der bei Annahme einer
„depressiven Störung“ bedeutsamen Tatsache
auseinander, dass der Angeklagte im Hinblick auf seine steuerlichen
Erklärungspflichten nicht etwa gänzlich
untätig geblieben ist, sondern zum Teil
Steuererklärungen mit unrichtigem Inhalt eingereicht hat. Der
Erörterung hätte auch bedurft, dass der Angeklagte in
der Lage war, ein Unternehmen mit drei Filialen zu leiten, das in den
Jahren 2005 und 2006 Bruttoumsätze von mehr als 100.000,--
Euro pro Monat tätigte und bei dem eine Mehrzahl von
Arbeitnehmern mit einer monatlichen Lohnsumme von mehr als 20.000,--
Euro beschäftigt waren. Die Leitung eines Gewerbebetriebs
dieses Umfangs erfordert nicht unerhebliche
Organisationsmaßnahmen im Bereich des Kassenwesens, der
Materialbeschaffung sowie der Auswahl und Überwachung des
Personals. War der Angeklagte aber zur Wahrnehmung dieser Aufgaben in
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der Lage, hätte die Annahme, dass die „depressive
Störung“ des Angeklagten so erheblich war, dass er
seinen steuerrechtlichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte,
besonderer Begründung bedurft.
c) Die Ausführungen des Landgerichts zur
Schuldfähigkeit des Angeklagten halten auch deswegen
rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil sie nicht auf die
jeweiligen Tatzeitpunkte bezogen sind. Eine Verminderung der
Steuerungsfähigkeit gemäß § 21
StGB kommt nur in Betracht, wenn die Schuldfähigkeit
„bei Begehung der Tat erheblich vermindert“ war.
Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei derjenige der Tathandlung im
Sinne von § 8 Satz 1 StGB. Werden - wie hier - innerhalb eines
längeren Zeitraums mehrere Taten begangen, ist deshalb die
Prüfung nicht generell, sondern in Bezug auf jede einzelne Tat
vorzunehmen (vgl. BGH NStZ 2004, 437, 438; NStZ-RR 2007, 105, 106).
Daran fehlt es hier. Insbesondere hat das Landgericht nicht in den
Blick genommen, dass der Angeklagte den Tatbestand der
Steuerhinterziehung zum Teil durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1
Nr. 1 AO), in den übrigen Fällen durch Unterlassen
(§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) verwirklicht hat.
18
d) Die Erwägungen des Landgerichts zur
Schuldfähigkeit sind zudem widersprüchlich; denn die
Strafkammer misst trotz Annahme erheblich verminderter
Steuerungsfähigkeit des Angeklagten dessen
„planmäßiger“
Steuerhinterziehung strafschärfende Bedeutung bei.
19
e) Auf diesen Rechtsfehlern beruht der gesamte Strafausspruch. Der
Senat muss deshalb besorgen, dass das Landgericht eine erhebliche
Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten
für einzelne oder alle Taten verneint hätte, wenn es
die gebotene Gesamtwürdigung der für die
Schuldfä-
20
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higkeit des Angeklagten maßgeblichen Umstände
rechtsfehlerfrei vorgenommen hätte.
2. Soweit der Angeklagte seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist,
fristgemäß Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben
(Fälle 4 bis 10 der Urteilsgründe), hält die
Strafzumessung auch deswegen rechtlicher Nachprüfung nicht
stand, weil das Landgericht als
„Hinterziehungsschaden“ allein den sich aus der
verspäteten Steuerfestsetzung ergebenden
„Zinsverlust“ des Fiskus angesehen hat.
21
a) Tatbestandlicher Erfolg einer Steuerhinterziehung ist
gemäß § 370 Abs. 1 AO die
Steuerverkürzung bzw. die Erlangung nicht gerechtfertigter
Steuervorteile. Der Umfang der verkürzten Steuern oder
erlangten Steuervorteile bemisst sich dabei nach deren Nominalbetrag;
denn die Steuerhinterziehung bezieht sich auf die Steuern und
Steuervorteile, nicht auf die Hinterziehungszinsen. Dies gilt bei der
Hinterziehung von Umsatzsteuern auch dann, wenn die Tathandlung in der
pflichtwidrigen Nichtabgabe oder der Abgabe einer unrichtigen
Umsatzsteuervoranmeldung besteht. Der Umstand, dass der Unternehmer
nicht nur Umsatzsteuervoranmeldungen, sondern für jedes
Kalenderjahr auch eine Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben
hat, führt zu keinem anderen Ergebnis.
22
aa) Nach § 18 Abs. 1 UStG ist der Unternehmer verpflichtet,
bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraumes eine
Umsatzsteuervoranmeldung abzugeben. Voranmeldungszeitraum ist dabei das
Kalendervierteljahr (§ 18 Abs. 2 Satz 1 UStG), unter den
Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Satz 2 UStG der Kalendermonat.
In der Umsatzsteuervoranmeldung hat der Unternehmer die geschuldete
Steuer selbst zu berechnen (§ 18 Abs. 1 Satz 1
23
- 13 -
UStG), eine sich daraus ergebende Vorauszahlung ist nach § 18
Abs. 1 Satz 3 UStG am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums
fällig.
Nach Ablauf des Kalenderjahres hat der Unternehmer
gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG eine
Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben, in der er die zu
entrichtende Steuer oder einen sich zu seinen Gunsten ergebenden
Überschuss selbst zu berechnen hat. Aufgrund der
Jahreserklärung wird die Steuer für das Kalenderjahr
als Besteuerungszeitraum (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG) erstmals
festgesetzt (vgl. Bülow in Vogel/Schwarz UStG Stand 144. Lfg.
2/2009 § 18 UStG Rdn. 132). Die
Umsatzsteuerjahreserklärung ist grundsätzlich bis zum
31. Mai des auf das jeweilige Veranlagungsjahr folgenden Jahres
abzugeben (§ 149 Abs. 2 Satz 1 AO). Soweit sich auf der
Grundlage der Jahreserklärung abweichend zu den Voranmeldungen
ein Unterschiedsbetrag zu Gunsten des Finanzamts ergibt, ist dieser
nach § 18 Abs. 4 Satz 1 UStG einen Monat nach Eingang der
Steueranmeldung fällig. Die Fälligkeit
rückständiger Umsatzsteuervorauszahlungen nach
§ 18 Abs. 1 Satz 3 UStG wird dadurch nicht berührt
(§ 18 Abs. 4 Satz 3 UStG).
24
Die Umsatzsteuervoranmeldung und die
Umsatzsteuerjahreserklärung sind Steueranmeldungen im Sinne
von § 150 Abs. 1 Satz 3 AO. Sie stehen einer Steuerfestsetzung
unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1
AO). Lediglich dann, wenn sich aus der Voranmeldung oder der
Jahreserklärung eine Steuervergütung ergibt, tritt
die Wirkung einer Steuerfestsetzung nach § 168 Satz 2 AO erst
ein, wenn die Finanzbehörde zustimmt, was nach § 168
Satz 3 AO formlos möglich ist.
25
Die steuerlichen Verfahren betreffend die Umsatzsteuervoranmeldungen
einerseits und die Umsatzsteuerjahreserklärung andererseits
sind steuerrecht-
26
- 14 -
lich selbstständig und können sich zeitlich
überschneiden (vgl. Zeuner in Bunjes/Geist UStG 8. Aufl.
§ 18 Rdn. 23; Kohlmann, Steuerstrafrecht Stand 39. Lfg.
Oktober 2008 § 370 AO Rdn. 1364). Dabei löst die
Festsetzung der Jahresumsatzsteuer die Vorauszahlungsfestsetzungen
für die zukünftige sachlichrechtliche Beurteilung des
Steueranspruchs ab, ohne aber die Steuerfestsetzung für die
Voranmeldungszeiträume aufzuheben oder zu ändern und
ohne Aussagen über ihre materielle Richtigkeit zu treffen
(vgl. Bülow in Vogel/Schwarz UStG Stand 144. Lfg. 2/2009
§ 18 UStG Rdn. 131). Auch wird die Fälligkeit
rückständiger Umsatzsteuervorauszahlungen durch die
Fälligkeit eines sich eventuell aus der
Jahreserklärung ergebenden Unterschiedsbetrags zu Gunsten des
Finanzamts nicht berührt (§ 18 Abs. 4 Satz 3 UStG).
Auf der anderen Seite ist ein sich gegebenenfalls aus einer
Umsatzsteuervoranmeldung ergebender Überschuss nach Zustimmung
des Finanzamtes (§ 168 Satz 2 AO) als Erstattungsbetrag ohne
besonderen Antrag auszuzahlen; er ist nicht auf die
Jahreserklärung vorzutragen (vgl. Zeuner in Bunjes/Geist UStG
8. Aufl. § 18 Rdn. 24).
Aufgrund der verfahrensrechtlichen Selbstständigkeit beider
Arten von Steueranmeldungen entbindet die Abgabe
wahrheitsgemäßer Umsatzsteuervoranmeldungen den
Unternehmer nicht von der Pflicht zur Abgabe einer
Umsatzsteuerjahreserklärung. Umgekehrt lässt eine
zutreffende Umsatzsteuerjahreserklärung die steuerrechtliche
Pflicht zur Einreichung noch ausstehender Umsatzsteuervoranmeldungen
nicht entfallen (vgl. Zeuner in Bunjes/Geist UStG 8. Aufl. §
18 Rdn. 23). Dies gilt selbst dann, wenn sich die Summe der
Vorauszahlungen mit der Steuer für den Besteuerungszeitraum
deckt (vgl. Mößlang in Sölch/Ringleb UStG
Stand 60. Lfg. September 2008 § 18 UStG Rdn. 60).
27
- 15 -
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an der der Senat
festhält, stehen Steuerhinterziehungen wegen der Verletzung
der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe
wahrheitsgemäßer Umsatzsteuervoranmeldungen und
solche, bezogen auf die Pflicht zur rechtzeitigen Einreichung einer
zutreffenden Umsatzsteuerjahreserklärung, auch dann im
Verhältnis der Tatmehrheit zueinander, wenn sie dasselbe
Kalenderjahr betreffen (vgl. BGHSt 38, 165, 171; BGH wistra 2005, 66;
2005, 145, 146; 2005, 228, 229). Aufgrund der steuerrechtlichen
Selbstständigkeit beider Besteuerungsverfahren (vgl. oben
Abschnitt aa) kommt einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung
(§ 18 Abs. 3 UStG) im Verhältnis zu vorangegangenen
unzutreffenden monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen in demselben
Kalenderjahr (§ 18 Abs. 1 UStG) in steuerstrafrechtlicher
Hinsicht ein selbständiger Unrechtsgehalt zu. Jede
Steueranmeldung hat einen eigenständigen
Erklärungswert, der auch durch die Zusammenfassung in der
Jahreserklärung nicht deckungsgleich wird (BGH NStZ 1996, 136,
137).
28
Somit verwirklicht der Täter mit der Abgabe einer unrichtigen
Umsatzsteuerjahreserklärung weiteres Handlungsunrecht und
schafft zudem neues Erfolgsunrecht, indem er eine
eigenständige Gefährdung für das
Umsatzsteueraufkommen herbeiführt. Deshalb ist die
Steuerhinterziehung aufgrund der Verletzung der Pflicht zur
(rechtzeitigen) Abgabe einer wahrheitsgemäßen
Umsatzsteuerjahreserklärung auch nicht mitbestrafte Nachtat,
wenn der Täter bereits wegen Verletzung seiner Pflicht zur
(rechtzeitigen) Abgabe zutreffender Umsatzsteuervoranmeldungen strafbar
ist (vgl. BGHSt 38, 165, 171; BGH NStZ 1996, 136, 137). Dies gilt
selbst dann, wenn die unrichtigen Angaben in der
Umsatzsteuerjahresanmeldung und vorangegangenen
Umsatzsteuervoranmeldungen inhaltlich übereinstimmen (a.A.
offenbar OLG Frankfurt wistra 2006, 198).
29
- 16 -
Ausgehend von den Besonderheiten des umsatzsteuerlichen
Besteuerungsverfahrens sind für jedes Kalenderjahr (§
16 Abs. 1 Satz 2 UStG) bei vierteljährlichem
Voranmeldungszeitraum (§ 18 Abs. 2 Satz 1 UStG) bis zu
fünf und bei monatlich abzugebenden Voranmeldungen (§
18 Abs. 2 Satz 2 UStG) bis zu dreizehn materiell voneinander
unabhängige Taten der Steuerhinterziehung möglich.
Sie sind bei unrichtigen Angaben vollendet, sobald die jeweilige
Anmeldung die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung hat (BGHR AO § 370 Abs. 1 Vollendung 2),
in den Fällen des § 168 Satz 1 AO also bereits mit
Einreichung der Steueranmeldung, sonst mit Zustimmung der
Finanzbehörde (§ 168 Satz 2 AO).
30
Von der Tatvollendung zu unterscheiden ist der - insbesondere
für den Beginn der Strafverfolgungsverjährung
maßgebliche - Zeitpunkt der Tatbeendigung als
endgültigem Abschluss des Tatgeschehens. Wegen der engen
Verzahnung der umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten, die
sich jeweils auf dasselbe Kalenderjahr beziehen, ist das Tatgeschehen
bei der Umsatzsteuerhinterziehung auch im Hinblick auf die unrichtigen
oder pflichtwidrig nicht abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen
regelmäßig erst dann endgültig
abgeschlossen, wenn diejenige Steuerhinterziehung beendet ist, die
durch Nichteinreichung einer Umsatzsteuerjahreserklärung oder
durch Abgabe einer unrichtigen Jahreserklärung begangen worden
ist; lediglich diese Steuerhinterziehung ist im Zeitpunkt ihrer
Vollendung zugleich beendet (vgl. BGHSt 38, 165, 171; BGH NJW 1989,
2140, 2141; BGH wistra 1991, 215, 216). Die vorsätzliche
Verletzung mehrerer umsatzsteuerlicher Erklärungspflichten
für ein und dasselbe Kalenderjahr gehört nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum selben geschichtlichen
Ereignis und ist damit Teil derselben Tat im prozessualen Sinn im Sinne
des § 264 StPO (BGHSt 49, 359).
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- 17 -
Dem Umstand, dass die umsatzsteuerlichen Pflichten zur Abgabe
für das jeweilige Kalenderjahr eng verzahnt sind und im
Ergebnis der Durchsetzung desselben Steueranspruchs dienen, ist bei
gleichzeitiger Aburteilung bei der Gesamtstrafbildung Rechnung zu
tragen (BGH wistra 2005, 145, 147). Im Hinblick auf die
Teilidentität im Unrechtsgehalt zwischen unrichtigen
Umsatzsteuervoranmeldungen und der dasselbe Jahr betreffenden
Jahreserklärung wird aber das Tatgericht im Regelfall - schon
aus Gründen der Vereinfachung - in Verfahren dieser Art
gemäß § 154a Abs. 2 StPO die Verfolgung
entweder auf die falsche Umsatzsteuerjahreserklärung oder die
unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen beschränken
können (vgl. BGHSt 49, 359, 365).
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cc) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt die
Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung ebenso wie das
pflichtwidrige Unterlassen der Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung
zunächst lediglich zu einer Steuerhinterziehung „auf
Zeit“; erst die Abgabe einer unrichtigen
Umsatzsteuerjahreserklärung oder die pflichtwidrige
Nichtabgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung bewirkt die
endgültige Steuerverkürzung, d.h. die
Verkürzung „auf Dauer“ (vgl. BGHSt 43,
270, 276; BGH wistra 2002, 185).
33
Diese aus dem System der Umsatzbesteuerung folgende Unterscheidung
beschreibt nur die Art der Rechtsgutsverletzung; sie trägt dem
Umstand Rechnung, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen auf die
Bestimmung von Umsatzsteuervorauszahlungen gerichtet sind
während die Jahresumsatzsteuer in einem
eigenständigen Verfahren (§ 18 Abs. 3 UStG)
festgesetzt wird. Eine Aussage über den tatbestandlichen
Verkürzungsumfang ist damit aber nicht getroffen.
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- 18 -
Aus der Differenzierung in eine Steuerhinterziehung „auf
Zeit“ und eine solche „auf Dauer“ folgt
insbesondere nicht, dass bei einer nicht rechtzeitigen
Steuerfestsetzung die tatbestandliche Steuerverkürzung allein
im Zinsverlust des Fiskus bestehen würde. Zwar entspricht der
durch eine Steuerverkürzung „auf Zeit“
verursachte Verspätungsschaden der Höhe nach dem
Zinsverlust, der sich nach der Rechtsprechung nach Maßgabe
der Vorschriften über die Hinterziehungszinsen
(§§ 235, 238 AO) mit 0,5 Prozent des nicht
rechtzeitig festgesetzten Steuerbetrages pro Monat errechnet (BGHSt 43,
270, 276; BGH wistra 1998, 225, 226; wistra 1998, 146; ebenso BayObLG
wistra 1991, 313; 318; Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl.
§ 370 AO Rdn. 78; a.A. Rolletschke in Rolletschke/Kemper,
Steuerverfehlungen, Stand 88. Ergänzungslieferung Dezember
2008 § 370 AO Rdn. 99, der den jeweils geltenden
Kapitalmarktzins zu Grunde legen will).
35
Die auf die Art der Rechtsgutsverletzung abstellende Differenzierung
determiniert jedoch nicht die Höhe der tatbestandlichen
Steuerverkürzung und beschränkt diese bei
Umsatzsteuervorauszahlungen auch nicht auf den Zinsschaden. Soweit der
Bundesgerichtshof in früheren Entscheidungen
möglicherweise abweichende Aussagen getroffen hat (vgl. BGHSt
43, 270, 276; BGH wistra 1997, 262, 263; wistra 1998, 225, 226; wistra
1998, 146; freilich jeweils unter Bezugnahme auf BGHSt 38, 165 und BGH
wistra 1996, 105, aus denen sich lediglich eine Differenzierung in eine
Steuerverkürzung auf Zeit und eine solche auf Dauer ergeben
könnte), hält der Senat an dieser Rechtsprechung
nicht fest. Der tatbestandsmäßige Erfolg der
Steuerhinterziehung ist vielmehr ausgehend vom Schutzzweck des
verwirklichten Straftatbestandes zu bestimmen, wobei die
gesetzgeberischen Wertungen des materiellen Steuerrechts, das die
Blankettnorm des § 370 AO ausfüllt, zu
berücksichtigen sind. Danach gilt Folgendes:
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- 19 -
(1) Die Steuerhinterziehung ist zwar Erfolgsdelikt, jedoch - wie die
Vorschrift des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO zeigt - nicht notwendig
Verletzungsdelikt (vgl. Senat wistra 2009, 114, 117). Die im
Festsetzungsverfahren begangene Steuerhinterziehung ist vielmehr
konkretes Gefährdungsdelikt (vgl. Joecks in
Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn.
15), wobei die geschuldete Steuer bereits dann verkürzt ist,
wenn die Steuer nicht rechtzeitig festgesetzt wird.
37
(2) Voranmeldungen nach § 18 Abs. 1 UStG dienen der zeitnahen
Erfassung und Erhebung der Umsatzsteuer (vgl. Bülow in
Vogel/Schwarz UStG 144. Lfg. 2/2009 § 18 UStG Rdn. 63;
Peter/Burhoff/Stöcker Umsatzsteuer Stand 80. Lfg. 11/2008
§ 18 UStG Rdn. 22). Bereits auf deren Grundlage und nicht erst
nach Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung soll dem
Staat der wesentliche Teil des Umsatzsteueraufkommens
zufließen. Deshalb hat der Unternehmer schon für die
Voranmeldungszeiträume die geschuldeten Steuern binnen zehn
Tagen nach Ablauf des jeweiligen Voranmeldungszeitraums nicht nur
selbst zu berechnen, sondern auch an das Finanzamt abzuführen
(§ 18 Abs. 1 Satz 1 und 3 UStG).
38
(3) Bei einer Verletzung der Pflichten zur Einreichung von
Umsatzsteuervoranmeldungen besteht die gemäß
§ 370 AO strafbewehrte Gefährdung des sich aus
§ 18 Abs. 1 und 2 UStG ergebenden Steueranspruchs
unabhängig davon, ob der Steuerschuldner beabsichtigt, zu
einem späteren Zeitpunkt namentlich in der
Umsatzsteuerjahreserklärung - falsche Angaben zu berichtigen
bzw. fehlende Angaben nachzuholen, oder ob er eine
Steuerverkürzung auf Dauer anstrebt. In jedem Fall bezweckt er
zunächst eine unrichtige Festsetzung. Deren spätere
Korrektur ist zwar möglich; diese ist aber von weiteren in
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- 20 -
der Zukunft liegenden und noch ungewissen Ereignissen
abhängig. Unterschiedlich ist insoweit lediglich - in
Abhängigkeit von den Planungen des Täters - die
Intensität der Gefährdung. Dieser Umstand ist zwar
für die Strafzumessung von Bedeutung, lässt aber den
Umfang des tatbestandsmäßigen Erfolgs
unberührt. In beiden Fällen ist das Erfolgsunrecht
identisch (vgl. Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl.
§ 370 AO Rdn. 77).
(4) Im Hinblick auf den Charakter der Steuerhinterziehung als
Gefährdungsdelikt unterscheiden sich daher bei der
Umsatzsteuerhinterziehung die Verkürzung „auf
Dauer“ und diejenige „auf Zeit“ nicht im
Erfolgs-, sondern - im Hinblick auf das Vorstellungsbild des
Täters - nur im Handlungsunrecht (vgl. Franzen/Gast/Joecks
aaO). Will der Täter sich - was freilich nur in seltenen
Fällen gegeben sein wird und deshalb sorgfältig zu
prüfen ist - durch unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen
lediglich auf Zeit Liquidität verschaffen und hat er vor, im
Rahmen der Jahreserklärung zutreffende Angaben zu machen und
den sich ergebenden Unterschiedsbetrag im Sinne von § 18 Abs.
4 Satz 1 UStG zu entrichten, ist sein Ziel nur eine
Schadenswiedergutmachung. Es gilt dann Folgendes:
40
(a) Berichtigt der Täter - seinem Tatplan entsprechend - in
der Umsatzsteuerjahreserklärung seine unrichtigen Angaben und
zahlt er die zunächst hinterzogenen Steuern nach, stellt sich
die Frage, wie die Steuerhinterziehung „auf Zeit“
zu ahnden ist, regelmäßig nicht, da in solchen
Fällen zumeist die Voraussetzungen einer strafbefreienden
Selbstanzeige gemäß § 371 AO vorliegen
(vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht Stand 39. Lfg. Oktober 2008 §
371 AO Rdn. 64.2). Tritt ausnahmsweise keine Straffreiheit ein, ist -
freilich erst - im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des
Täters zu berücksichtigen, dass
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- 21 -
sein Vorsatz nur auf eine Verkürzung „auf
Zeit“ gerichtet war und er den Steuerschaden wiedergutgemacht
hat.
(b) Berichtigt der Täter seine in den Voranmeldungen gemachten
unrichtigen Angaben entgegen seinem ursprünglichen Vorhaben in
der Umsatzsteuerjahreserklärung nicht, geht die als
Verkürzung „auf Zeit“ geplante
Hinterziehung in eine solche „auf Dauer“
über. Das bereits in den unrichtigen Voranmeldungen liegende
Erfolgsunrecht der Gefährdung des Steueranspruchs wird dadurch
nicht berührt. Es findet lediglich keine
Schadenswiedergutmachung statt. Mit der Abgabe einer unrichtigen
Umsatzsteuerjahreserklärung begeht der Täter dann
eine weitere Tat mit neuem Handlungsunrecht und weiterem
Erfolgsunrecht, das in einer neuen und eigenständigen
Gefährdung des Steueraufkommens besteht.
42
(c) Scheitert die vom Täter zunächst beabsichtigte
Schadenswiedergutmachung daran, dass es ihm nach einer
wahrheitsgemäßen
Umsatzsteuerjahreserklärung aus finanziellen Gründen
nicht mehr möglich ist, den Unterschiedsbetrag im Sinne von
§ 18 Abs. 4 Satz 1 UStG nachzuentrichten, kommt es ebenfalls
zu einer dauerhaften Verkürzung der Steuer. Im Rahmen der
Strafzumessung kann dem Täter dann zwar zugute gehalten
werden, dass er bei der Tatbegehung eine spätere
Schadenswiedergutmachung vorhatte. Waren allerdings bereits bestehende
finanzielle Schwierigkeiten Motiv für die Abgabe falscher
Umsatzsteuervoranmeldungen, relativiert dies die strafmildernde
Bedeutung der Wiedergutmachungsabsicht. Denn in solchen Fällen
ist die spätere Unmöglichkeit der Entrichtung der vom
Unternehmer wie von einem Treuhänder für den Staat
verwalteten Umsatzsteuerbeträge regelmäßig
vorhersehbar. Die „Absicht“ der Wiedergutmachung
erweist sich dann als bloße - oft sogar unrealistische -
„Hoffnung“. Eine andere Situation besteht, wenn -
was eher
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- 22 -
selten vorkommen dürfte - die Unmöglichkeit der
Schadenswiedergutmachung für den Unternehmer aus einem
plötzlichen und unvorhersehbaren Ereignis resultiert. Waren
aber von Anfang an ausreichend Zahlungsmittel für die
Entrichtung der Steuern vorhanden, ist sorgfältig zu
prüfen, ob der Steuerpflichtige bei Abgabe unrichtiger
Steuervoranmeldungen tatsächlich nur eine
Steuerverkürzung auf Zeit geplant hatte, da in einem solchen
Fall die Schaffung von Liquidität als Tatmotiv
regelmäßig ausscheidet.
b) Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die
Strafzumessung in den Fällen 4 bis 10 der
Urteilsgründe auch deswegen einen Rechtsfehler zum Vorteil des
Angeklagten enthält, weil das Landgericht zu Unrecht lediglich
die Hinterziehungszinsen als verkürzt angesehen und damit
einen zu niedrigen Verkürzungsumfang angenommen hat. Hierauf
beruht das Urteil. Denn das Landgericht hat bei der Strafzumessung auch
nicht in den Blick genommen, ob es das Handlungsziel des Angeklagten
war, die zunächst bewirkte Hinterziehung „auf
Zeit“ später in eine solche „auf
Dauer“ übergehen zu lassen (vgl. BGHSt 43, 270,
276). Dies liegt nach dem Tatbild aber nahe; für die Annahme,
der Angeklagte könnte lediglich beabsichtigt haben, sich durch
die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen „auf
Zeit“ einen Liquiditätsvorteil zu verschaffen,
bestehen aufgrund der bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte.
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3. Soweit das Landgericht in sieben Fällen der
Umsatzsteuerhinterziehung (Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen
2005 und 2006, Fälle 4 bis 10 der Urteilsgründe)
sowie in den 43 Fällen der Lohnsteuerhinterziehung als
Einzelstrafen jeweils lediglich Geldstrafen verhängt hat,
weist das Urteil in der Strafzumessung ebenfalls einen durchgreifenden
Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf.
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- 23 -
a) Zwar unterliegt die Strafzumessung nur in eingeschränktem
Umfang der Überprüfung durch das Revisionsgericht.
Denn es ist Sache des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden
Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Person
des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und
belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und
gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in
die Strafzumessung des Tatgerichts ist aber dann zulässig und
geboten, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft
sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen oder gegen rechtlich
anerkannte Strafzwecke verstoßen oder wenn sich die
verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung
löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGHSt 29, 319, 320;
34, 345, 349; st. Rspr.).
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b) Ein derartiger Rechtsfehler liegt hier vor; denn das Tatgericht hat
bei der Verhängung von Einzelgeldstrafen das Vorliegen einer
Tatserie nicht erkennbar berücksichtigt.
47
In Fällen sachlich und zeitlich ineinander
verschränkter Vermögensdelikte, von denen die
gewichtigeren die Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen von
sechs Monaten und mehr gebieten, liegt die Verhängung
kurzfristiger Freiheitsstrafen nach § 47 StGB in den
Einzelfällen mit geringeren Schäden nahe. Denn in
solchen Fällen ist nicht allein der jeweils durch die
Einzeltat verursachte Schaden maßgeblich für die
Bemessung der Einzelstrafe; vielmehr muss auch bei der Zumessung der
Einzelstrafen die Gesamtserie und der dadurch verursachte Gesamtschaden
in den Blick genommen werden (BGH NStZ 2001, 311; NStZ 2004, 554). Dies
gilt auch bei Steuerstraftaten (vgl. BGH HFR 1995, 227).
48
- 24 -
Danach ist es zwar auch bei einer Tatserie nicht ausgeschlossen, neben
Freiheitsstrafen auch Einzelgeldstrafen zu verhängen.
Allerdings müssen dann die Urteilsgründe für
das Revisionsgericht nachprüfbar erkennen lassen (vgl.
Engelhardt in KK 6. Aufl. § 267 Rdn. 32; Theune in LK 12.
Aufl. § 47 Rdn. 33), dass das Tatgericht bei der Zumessung der
Einzelstrafen die Tatserie als solche und den durch sie verursachten
Schaden gesehen und gewertet hat und aus welchen Gründen es
gleichwohl in einem Teil der Fälle Freiheitsstrafen
für geboten, im übrigen aber Geldstrafen für
ausreichend erachtet hat. Der Umstand, dass nach § 47 Abs. 1
StGB die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen die Ausnahme ist,
rechtfertigt für sich allein bei einer Tatserie nicht, von
einer näheren Begründung des Nebeneinanders von Geld-
und Freiheitsstrafen abzusehen.
49
Diesen Maßstäben genügt das Urteil nicht.
Ob im Hinblick auf die Tatserie gemäß § 47
Abs. 1 StGB die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen anstelle
der festgesetzten Geldstrafen geboten war, wird im Urteil nicht
erörtert. Die pauschale Wendung, dass die Verhängung
von Freiheitsstrafen unter sechs Monaten in den Fällen, in
denen solche Strafen verhängt wurden, erforderlich gewesen
sei, kann die gebotene Würdigung der Tatserie bei der
Zumessung der Einzelstrafen nicht ersetzen. Das Urteil beruht auch auf
dem Darlegungsmangel.
50
4. Die gebotene Aufhebung der Einzelstrafen entzieht dem Ausspruch
über die Gesamtstrafen die Grundlage. Dieser könnte
auch deshalb keinen Bestand haben, weil die Erwägungen, mit
denen das Landgericht gemäß § 53 Abs. 2
Satz 2 StGB von der Verhängung einer einheitlichen
Gesamtfreiheitsstrafe abgesehen hat, rechtlicher Nachprüfung
nicht standhält. Angesichts der im wesentlichen gleich
gelagerten Fälle, bei der die Bildung einer gesonderten
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Gesamtgeldstrafe fern liegt (vgl. BGH NStZ 2001, 311), erwecken sie den
Eindruck, dass das Tatgericht nur deshalb von einer an sich
schuldangemessenen Gesamtfreiheitsstrafe von über zwei Jahren
abgesehen hat, damit die Vollstreckung nach § 56 Abs. 2 StGB
zur Bewährung ausgesetzt werden konnte; das aber wäre
rechtlich zu beanstanden (vgl. BGHSt 29, 319, 321).
5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin,
dass bei der Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuern
Vorsteuern, die der Täter zur Verheimlichung seiner Taten
nicht geltend gemacht hat, im Rahmen der Strafzumessung zu
berücksichtigen sind (BGH wistra 2005, 144, 145).
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Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander |