BGH,
Urt. v. 18.4.2002 - 3 StR 503/01
3 StR 503/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
18. April 2002
in der Strafsache gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 18.
April 2002, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf, Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan, die Richter am Bundesgerichtshof Winkler, von
Lienen, Becker als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim
Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt
als Verteidiger, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Lüneburg vom 30. August 2001 mit den
Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte von dem Vorwurf freigesprochen,
ihren Ehemann am 18. Mai 2000 mit mehreren Messerstichen
vorsätzlich getötet zu haben.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer
Revision. Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel
hat Erfolg.
1. Das Landgericht hat festgestellt:
Die Angeklagte war mit Detlef M. , dem späteren Tatopfer, seit
Februar 1997 in zweiter Ehe verheiratet. Nach der
Eheschließung kam es häufig vor, daß er -
vor allem unter Alkoholeinfluß - die Angeklagte aus nichtigem
Anlaß mit Fäusten am ganzen Körper und im
Gesicht schlug, so daß sie eine Vielzahl von
Blutergüssen davontrug. Die Angeklagte wagte nicht, sich
Detlef M. zu widersetzen, da dieser keinen Widerspruch duldete, sondern
solchen zum Anlaß nahm, die Angeklagte noch heftiger
körperlich zu mißhandeln. Im Februar 1998 unternahm
sie einen ersten Versuch, sich von ihrem Ehemann zu trennen. Sie begab
sich mit ihren Kindern, einschließlich des im März
1997 geborenen gemeinsamen Sohnes Alexander, in ein Frauenhaus. Sie
nahm aber von sich aus zu Detlef M. nach einer Woche wieder telefonisch
Kontakt auf und kehrte zu ihm zurück, nachdem er versprochen
hatte, sein Verhalten zu ändern. Trotz dieses Versprechens
schlug er aber die Angeklagte - vor allem unter
Alkoholeinfluß - wieder und im Sommer 1998 erstmals auch
deren 1984 geborene Tochter Kathrin, als diese ihrer Mutter, die von M.
gewürgt wurde, beistehen wollte.
Im Oktober oder November 1998 bezog die Angeklagte mit den Kindern eine
eigene Wohnung. Nach etwa vier Wochen suchte sie jedoch wieder den
Kontakt zu Detlef M. , dem es in der Folgezeit gelang, ihr Mitleid zu
erregen. Es kam wieder zu häufigeren Begegnungen, bei denen
Detlef M. allerdings zu seinen alten Gewohnheiten
zurückkehrte. Da Detlef M. unter Alkoholeinfluß auch
mit den Nachbarn der Angeklagten in Streit geriet, wurde ihr die
Wohnung gekündigt. Im Spätherbst 1999 fand die
Angeklagte eine neue Wohnung. Dennoch hielt sie sich in der Folgezeit
tagsüber mit den Kindern in der Wohnung M. s auf und kehrte
meist erst spät abends in ihre eigene Wohnung zurück.
Auch in der Wohnung M. s kam es zu Gewalttätigkeiten. Seit
Ende des Jahres 1999 war Detlef M. zudem dazu übergegangen,
seine Stieftochter Kathrin sexuell zu mißbrauchen, indem er
diese mehrfach veranlaßte, mit ihm den Geschlechtsverkehr und
den Oralverkehr durchzuführen. Dies erfuhr die Angeklagte
sowohl von M. als auch von ihrer Tochter Kathrin, die sich auch einer
Lehrerin anvertraute, die ihr die Kontaktaufnahme mit der Polizei und
einem Rechtsanwalt ermöglichte. Am 15. Mai 2000
führten die Angeklagte und Kathrin mit diesem Rechtsanwalt ein
Gespräch, bei dem ihnen mitgeteilt wurde, daß nach
einer Auskunft der Polizei von einer Festnahme M. s nicht mit 100 %iger
Sicherheit ausgegangen werden könnte. Aufgrund dieser
Unsicherheiten waren die Angeklagte und ihre Tochter Kathrin nicht
bereit, Anzeige gegen M. zu erstatten, weil sie befürchteten,
daß dann ihr Leben in Gefahr sei, wenn dieser trotz der
Anzeige nicht in Haft käme.
Den Abend des 17. Mai 2000 verbrachte die Angeklagte mit den Kindern
wie üblich in der Wohnung M. s. Bereits während des
Abendessens hatte es erste verbale Streitigkeiten gegeben, die danach
von M. , der den Tag über Alkohol getrunken hatte,
überwiegend mit der Stieftochter Kathrin im Wohnzimmer
fortgesetzt wurden. Dabei saß M. auf einem Sofa,
über Eck zu ihm auf einem weiteren Sofa saß Kathrin,
zwischen ihnen stand ein Couchtisch. Der Angeklagten wurde, je
länger sich der Streit hinzog, "immer klarer, daß es
an diesem Abend wieder zu Schlägen kommen würde. Sie
befürchtete, daß sie und möglicherweise
auch Kathrin wieder von M. zusammengeschlagen würden". Eine
Möglichkeit, die Wohnung M. s unbehelligt mit den Kindern
verlassen zu können, sah die Angeklagte nach den
Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht, ebensowenig die
Möglichkeit, andere zu Hilfe zu rufen. Andererseits war sie
aber nicht mehr bereit, sich alles von M. gefallen zu lassen. Die
Angeklagte ging daher in die Küche, nahm ein 25 cm langes,
spitz zulaufendes Küchenmesser an sich und kehrte ins
Wohnzimmer zurück. Sie blieb zunächst im
Türrahmen stehen. Sie hoffte zwar, M. würde beim
Anblick des Messers zur Vernunft kommen, sie war aber bereit, das
Messer gegen M. einzusetzen, falls er Kathrin angreifen würde,
auch nahm sie in Kauf, daß sie ihm möglicherweise
tödliche Verletzungen zufügen könnte.
Als M. die mit einem Messer bewaffnete Angeklagte sah, erhob er sich,
wandte sich "brüllend" in Richtung Kathrins und ging auf diese
zu. Die Angeklagte, die aus Erfahrung wußte, daß M.
nun auf Kathrin einschlagen würde, ging ihrerseits auf M. zu,
der stockte, als er die Angeklagte bemerkte, einen Schritt
zurückwich, strauchelte und auf das Sofa zurückfiel.
Die Angeklagte befürchtete, M. würde, wenn er wieder
hochkäme, auf sie losgehen und stach dreimal in unmittelbarer
Abfolge mit dem Messer in M. s linke Brustseite, wobei einer der Stiche
das Herz durchstieß. Dieser Stich war tödlich,
führte aber nicht zur sofortigen Bewegungsunfähigkeit
M. s, der vielmehr vor Schmerz laut aufschrie, sich vom Sofa erhob und
in Richtung Kathrin ging. Die Angeklagte, die kurz von M. abgelassen
hatte, erkannte nicht, daß er bereits tödlich
verletzt war und versetzte dem sich von ihr weg bewegenden M. vier
Stiche in den Rücken. Dieser ging noch einige Schritte in den
Flur, wo er tot zusammenbrach. Dort stach die Angeklagte noch 44 Mal
auf den am Boden Liegenden ein, bis dieser sich nicht mehr bewegte. Die
Angeklagte und Kathrin schafften die Leiche M. s zunächst in
das Bad und beseitigten anschließend die gröbsten
Tatspuren. Beide besprachen sich und beschlossen, das Geschehen nicht
anzuzeigen. In den folgenden Tagen verpackten sie die Leiche M. s und
schafften sie mit dem Pkw der Angeklagten in einen Wald, wo sie sie
vergruben. Die Tat und die Leiche blieben bis Anfang Januar 2001
unentdeckt.
2. Das Landgericht hat die Angeklagte freigesprochen, weil es der
Auffassung war, zum Zeitpunkt des Einstechens habe ein Angriff M. s auf
die Angeklagte bzw. ihre Tochter unmittelbar bevorgestanden und die von
der Angeklagten angewandte Verteidigung sei geeignet, geboten und
erforderlich gewesen, um den Angriff M. s auf ihre oder Kathrins
Gesundheit oder das Leben abzuwehren. Diese Würdigung
hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht hat seiner rechtlichen Bewertung der ersten drei
Stiche in die Brust M. s, die zu dessen Tod führten, eine
objektive Notwehrlage zugrunde gelegt. Für diesen Zeitpunkt
hat es jedoch keine Feststellungen getroffen, daß von seiten
des Tatopfers objektiv ein Angriff ausging. Die Tatumstände
legen einen solchen tatsächlich (noch) bestehenden oder
unmittelbar bevorstehenden neuen Angriff auch nicht ohne weiteres nahe,
da M. beim Anblick der mit einem Messer bewaffnet auf ihn zukommenden
Angeklagten in der Bewegung innegehalten hatte, einen Schritt
zurückgewichen war und infolge seines Strauchelns nunmehr mehr
oder weniger hilflos auf dem Sofa lag. Das Landgericht hat in diesem
Zusammenhang nur festgestellt, daß die Angeklagte einen
Angriff M. s befürchtete. Allein eine solche subjektive
Befürchtung, ein Angriff stehe unmittelbar bevor,
begründet für sich genommen noch keine Notwehrlage
(vgl. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 25.
Aufl. § 32 Rdn. 27). Sollte die Angeklagte aus dem Verhalten
M. s den irrigen Schluß gezogen haben, ein neuer Angriff
stehe unmittelbar bevor, so kämen allenfalls die rechtlichen
Grundsätze der Putativnotwehr in Betracht (Lenckner/Perron aaO
Rdn. 28, 65), auf die aber vor allem § 33 StGB keine Anwendung
findet (BGH NStZ 1987, 20; 2002, 141). Die Annahme des Landgerichts,
die von der Angeklagten geführten tödlichen ersten
drei Stiche gegen M. seien durch eine objektive Notwehrlage
gerechtfertigt, entbehrt deshalb der tatsächlichen Grundlage.
b) Zudem enthält das Urteil widersprüchliche
Feststellungen zum Vorstellungsbild der Angeklagten über den
weiteren Geschehensablauf in dem Zeitpunkt, als sie das Messer aus der
Küche holte. In den Feststellungen legt das Landgericht dazu
dar, daß die Angeklagte hoffte, M. werde beim Anblick des
Messers zur Vernunft kommen und sie in Ruhe lassen. Im Rahmen der
Beweiswürdigung führt es zur Begründung
seiner Überzeugung, die Angeklagte habe schon mit
Tötungsvorsatz das Messer geholt, aus, sie habe aus Erfahrung
gewußt, daß M. bislang nie klein beigegeben hatte,
so daß eine einschüchternde Wirkung der Drohung mit
einem Messer zwar im Bereich des Möglichen lag, daß
aber vor allem zu erwarten war, "daß das Messer erst recht
seine Wut steigern könnte und die Angeklagte dann, um Weiteres
zu verhüten, es einsetzen müßte" (UA S.
23/24). Sollten diese Ausführungen dahin zu verstehen sein,
die Angeklagte habe gewußt, der Anblick des Messers werde
gleichsam im Sinne eines Automatismus die Wut M. s steigern, so
daß sie zum Einsatz des Messers gezwungen sein
würde, so hätte das Landgericht erörtern
müssen, ob die Angeklagte nicht verpflichtet war, der zu
erwartenden Notwehrsituation auszuweichen und mit den Kindern die
Wohnung M. s zu verlassen.
Ob sie zu einem Verlassen der Wohnung schon aufgrund der bestehenden
Ehe mit M. verpflichtet gewesen wäre, kann dahinstehen. Zwar
haben frühere Entscheidungen des Bundesgerichtshofes Ehegatten
unter bestimmten Umständen abverlangt, auf ein sicher
wirkendes, aber tödliches Verteidigungsmittel zu verzichten,
auch wenn die Anwendung eines milderen Mittels die Beseitigung der
Gefahr nicht mit Sicherheit erwarten ließ (BGH GA 1969, 117;
NJW 1969, 802 und 1975, 62; BGHR StGB § 33 Furcht 3). Ob an
dieser Rechtsprechung festgehalten werden kann (einschränkend
schon BGH NJW 1984, 986 m. Bespr. Spendel, JZ 1984, 507; kritisch auch
Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 32 Rdn. 19),
braucht der Senat nicht zu entscheiden. Unter den hier gegebenen
Umständen war der Angeklagten schon deshalb
Zurückhaltung auferlegt, weil sie in der Vergangenheit, auch
als die Trennungen von M. bereits erfolgreich vollzogen waren, immer
wieder von sich aus ohne Zwang oder Notwendigkeiten trotz ihrer
negativen Erfahrungen zu diesem zurückkehrte und dadurch
selbst dazu beigetragen hat, daß M. sie und die Tochter
Kathrin körperlich mißhandeln konnte. Auch am Tattag
hatte sie sich trotz der zuvor immer wieder erlebten
Mißhandlungen sehenden Auges in eine Situation begeben,
welche die Gefahr einer Eskalation in sich barg. Es war ihr zumindest
zuzumuten, bei den ersten Anzeichen eines möglicherweise
eskalierenden Streites die Wohnung M. s mit den Kindern zu verlassen.
Daß ihr dies zu einem frühen Zeitpunkt, etwa
während des Abendessens, nicht möglich gewesen
wäre, ist nicht festgestellt. Soweit das Landgericht
ausgeführt hat, die Angeklagte habe - später - keine
Möglichkeit gesehen, unbehelligt von M. gehen zu
können, ist diese Feststellung nicht mit Tatsachen belegt.
c) Auch die Beweiswürdigung ist nicht rechtsfehlerfrei. Das
Landgericht hat seine Feststellungen zum objektiven und subjektiven
Tatgeschehen allein auf die, wie es meint, nicht zu widerlegenden
Angaben der Angeklagten gestützt. Bei der Prüfung der
Glaubhaftigkeit und Schlüssigkeit der Einlassung der
Angeklagten zum Tatgeschehen, ihren Vorstellungen und zu ihrer
Motivation hat es zwar die Vielzahl der Stiche und den Umstand der
umsichtigen und nachhaltigen Spuren- und Leichenbeseitigung als
mögliche Indizien für ein von der Angeklagten mit
Bedacht und kaltblütig durchgeführtes
Tötungsgeschehen gesehen und erörtert. Diese
Umstände hat es aber als nicht ausreichend erachtet, um die
Angaben der Angeklagten zu widerlegen, sie habe in Notwehr gehandelt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Sorge der
Angeklagten, ohne Spurenbeseitigung ins Gefängnis zu
müssen, könne auf einer von dieser empfundenen
"moralischen Mitschuld am Tod M. s" (UA S. 22) beruhen,
während die Vielzahl der Stiche Ausfluß des bei der
Tat vorliegenden psychischen Ausnahmezustands der Angeklagten sein
könnten.
Zu beanstanden ist diese Würdigung zum einen deshalb, weil das
sachverständig beratene Landgericht nicht näher
dargelegt hat, worauf sich - über die Anzahl der Stiche hinaus
- die Annahme eines derartigen "Ausnahmezustandes" gründet,
der zudem, wie das Landgericht an anderer Stelle ausgeführt
hat, schon vor der Tat bestanden haben soll. Angesichts des im
übrigen umsichtigen Verhaltens der Angeklagten im
Anschluß an die Tat versteht sich ein solcher
"Ausnahmezustand" auch nicht von selbst. Zum anderen bleibt ein
bedeutsames Indiz völlig unerörtert. Das Urteil setzt
sich nicht mit dem Umstand auseinander, daß die Angeklagte
erst zwei Tage vor der Tat erfahren hatte, daß auch eine
Anzeige bei der Polizei wegen sexuellen Mißbrauchs der
Stieftochter Kathrin kein absolut sicherer Weg war, M. in Haft zu
bringen und so wenigstens für eine gewisse Dauer vor ihm
sicher zu sein. Dieser Umstand legt aber die Erwägung nahe,
die Angeklagte könnte einen möglichen Streit mit M. ,
wenn nicht provoziert, so doch als willkommene Gelegenheit genutzt
haben, diesen gegebenenfalls im Zusammenwirken mit ihrer Tochter
endgültig zu beseitigen. Diese Erwägungen liegen um
so näher, als die Angeklagte eingestandenermaßen in
der Vergangenheit M. schon mehrfach, wenn auch im Ergebnis erfolglos,
wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis anonym angezeigt hatte, in der
Hoffnung, er werde deshalb inhaftiert. Im Zusammenhang mit dieser
Vorgeschichte erscheinen Art und Weise der Spurenbeseitigung durch die
Angeklagte mit Hilfe ihrer Tochter und die über Monate
erfolgreich von ihnen verbreitete Geschichte, die das Verschwinden M. s
auf harmlose Weise erklären sollte, in einem anderen Licht als
vom Landgericht bisher geprüft.
Im übrigen sind die Feststellungen des Urteils auch insoweit
lückenhaft, als sie keinerlei Angaben oder Anhaltspunkte zum
Inhalt des Streits enthalten, der sich am Abend des 17. Mai 2000
zwischen M. und Kathrin entwickelt haben soll. Ebenso fehlt es an
jeglichen Feststellungen dazu, wie sich die Tochter Kathrin als
potentielles Opfer M. s während des Tatgeschehens verhalten
hat, ob und wie sie reagiert hat, als die Angeklagte mit dem Messer
erschien, und ob sie möglicherweise auf ihrem Sofa sitzen
geblieben ist oder versucht hat, zu fliehen, als M. sich auf sie
zubewegte. Daß dem Landgericht solche Feststellungen nicht
möglich gewesen wären, ist dem bisherigen Urteil
jedenfalls nicht zu entnehmen. Solche näheren Darlegungen
wären jedoch notwendig, um die Angaben der Angeklagten zur
Tatentwicklung und zum Verhalten der Beteiligten während des
Tatgeschehens auf ihre Schlüssigkeit zu
überprüfen.
Es ist deshalb zu besorgen, daß das Landgericht den
Beweiswert der Einlassung der Angeklagten überbewertet hat,
ohne zu bedenken, daß der Tatrichter, auch bei Fehlen
unmittelbarer Beweise für das Gegenteil, seine
Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der
Einlassung aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der
Beweisaufnahme zu bilden hat (vgl. BGHR StPO § 261 Einlassung
6).
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin,
daß der Tatrichter, sollte er wiederum zu dem Ergebnis
kommen, die Angeklagte habe bei den ersten tödlichen drei
Messerstichen in rechtfertigender Notwehr gehandelt,
sorgfältiger als bisher das anschließende Geschehen
zu prüfen haben wird. Warum der Angeklagten bei den mit
Tötungsabsicht geführten Stichen in den
Rücken M. s und den weiteren Stichen auf den bereits am Boden
Liegenden Putativnotwehr zugute kommen soll, so daß eine
Bestrafung zumindest wegen versuchten Totschlags ausscheidet, versteht
sich nicht von selbst. Das Landgericht hat für seine
diesbezügliche Auffassung auch keine objektiven
Umstände benannt, auf die es diese Annahme stützt.
Der Tatablauf spricht vielmehr eher gegen eine solche durchgehende und
gleichbleibende subjektive Einschätzung des Geschehens durch
die Angeklagte. Das festgestellte Geschehen weist objektiv wenigstens
zwei markante Zäsuren auf, nämlich eine als M. sich
von der Angeklagten abwendet und in den Flur geht, die andere als er
dort schließlich zusammenbricht.
Tolksdorf Rissing-van Saan Winkler von Lienen Becker |