BGH,
Urt. v. 18.4.2007 - 5 StR 506/06
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c
Ein Mitarbeiter einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft ist kein
Amtsträger, wenn die Wohnungsbaugesellschaft nur einer von
vielen Anbietern von Wohnraum ist, der mit städti- schen
Belegungsrechten belastet ist (im Anschluss an BGHSt 38, 199).
BGH, Urt. v. 18.4.2007 - 5 StR 506/06
LG Hildesheim -
5 StR 506/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
18.4.2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Steuerhinterziehung u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18.
April 2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Dr. Jäger
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt L.
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt H.
als Verteidiger des Angeklagten D. ,
Rechtsanwalt Ba.
als Verteidiger des Angeklagten W. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 3 -
für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten B. gegen
das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 5. Juli 2006 werden mit der
Maßgabe verworfen, dass die jeweiligen Verurteilungen wegen
tateinheitlicher Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (B.
) bzw. wegen tateinheitlicher Bestechung im geschäftlichen
Verkehr (G. , D. und W. ) entfallen. Die Angeklagten sind damit wie
folgt verurteilt:
a) Der Angeklagte B. ist schuldig des Betrugs in Tateinheit mit Untreue
in 108 Fällen, der Steuerhinterziehung in drei Fällen
und der versuchten Steuerhinterziehung.
b) Der Angeklagte G. ist schuldig des Betrugs in Tateinheit mit
Beihilfe zur Untreue in 89 Fällen.
c) Der Angeklagte D. ist schuldig des Betrugs in Tateinheit mit
Beihilfe zur Untreue in elf Fällen.
d) Der Angeklagte W. ist schuldig des Betrugs in Tateinheit mit
Beihilfe zur Untreue in acht Fällen.
2. Der Angeklagte B. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die
Staatskasse trägt die Kosten der Revisionen der
Staatsanwaltschaft sowie die den Angeklagten
- 4 -
durch diese Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Betrugs in Tateinheit mit
Untreue und mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in
108 Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in drei
Fällen und versuchter Steuerhinterziehung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Gegen den Angeklagten G. hat es wegen Betrugs in Tateinheit mit
Beihilfe zur Untreue und mit Bestechung im geschäftlichen
Verkehr in 89 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus
einer Vorentscheidung eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und
neun Monaten verhängt, gegen den Angeklagten D. wegen Betrugs
in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue und mit Bestechung im
geschäftlichen Verkehr in elf Fällen eine
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten sowie gegen den
Angeklagten W. wegen Betrugs in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue und
mit Bestechung im geschäftlichen Verkehr in acht
Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Die
Vollstreckung der drei zuletzt genannten Gesamtfreiheitsstrafen hat das
Landgericht zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil
richten sich die Revisionen des Angeklagten B. und der
Staatsanwaltschaft, die mit ihren Revisionen, die vom
Generalbundesanwalt vertreten werden, beanstandet, dass die Angeklagten
nicht wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung eines Amtsträgers
(§ 332/§ 334 StGB) verurteilt sind.
Sämtliche Rechtsmittel bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
Lediglich die Schuldsprüche sind, wie aus dem Tenor
ersichtlich, teilweise zu berichtigen und neu zu fassen.
1
- 5 -
I.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
2
Der Angeklagte B. war seit 1996 bei der G. B. H. GmbH (GBH), einem 1927
gegründeten kommunalen Wohnungsunternehmen, als
„technischer Bestandsbetreuer“ für die
Unterhaltung des Wohnungsbestandes verantwortlich und hatte Reparatur-
sowie Renovierungsarbeiten zu vergeben. Die Stadt Hannover hielt fast
90 % der Gesellschaftsanteile an der GBH, im Übrigen war
Anteilseignerin die Stadtsparkasse. Die Landeshauptstadt stellte
gemäß der Satzung zwölf von 15
Aufsichtsratsmitgliedern, deren Amtszeit sich nach der Wahlperiode des
Stadtrats bestimmte. Bei den ihr zugewiesenen Geschäften in
der Wohnungswirtschaft hatte die GBH den „Grundsatz sozialer
Verantwortung für die sozial schwachen Schichten der
Bevölkerung“ zu beachten (§ 2 Nr. 3 Satz 2
der Satzung).
3
4
Um den Satzungszweck des § 2 („sichere und sozial
verantwortbare Wohnungsversorgung der Bevölkerung Hannovers
mit dem Schwerpunkt öffentlich geförderter
Wohnungsbau“) zu erfüllen, besaß die Stadt
Hannover im Tatzeitraum 1999 bis 2002 ein Belegungsrecht an 10.000
Wohnungen von einem von der GBH verwalteten Gesamtbestand von 14.000
Wohnungen, die mit öffentlichen Fördermitteln
errichtet worden waren. Die mit einem Belegungsrecht belasteten
Wohnungen konnten nur mit einem von der Stadtverwaltung vergebenen
Bezugsschein gemietet werden. Daneben hatte die Stadt Hannover
Belegungsrechte bei etwa 100 anderen privaten Vermietern oder
Wohnungsbaugesellschaften. Mieter mit solchen Bezugsscheinen wurden
gleichmäßig auf alle Wohnungsanbieter verteilt. Im
Übrigen verwaltete die GBH den Wohnungsbestand nach
erwerbswirtschaftlichen Gesichtspunkten unter Beachtung des
Mietspiegels, um zur Konsolidierung des Haushalts der Landeshauptstadt
Hannover beizutragen.
- 6 -
Der Angeklagte B. war zunächst städtischer
Angestellter und wurde nach BAT vergütet. „Nach
Umstrukturierung“ der GBH wurde er als
„Bezirksleiter Technik“ und stellvertretender
Geschäftsstellenleiter des Stadtbereichs Stöcken nach
einem Haustarif bezahlt. Aus privaten Geldnöten vereinbarte
der Angeklagte B. ab 1999 mit dem ihm bekannten Angeklagten G. , einem
Malermeister, Rechnungen über tatsächlich nicht
erbrachte Werkleistungen bei der Kasse der GBH einzureichen, um
anschließend den ausgezahlten Werklohn (ohne
Umsatzsteueranteil) unter sich aufzuteilen. Insgesamt 89 von dem
Mitangeklagten G. ausgestellte Scheinrechnungen gab der Angeklagte B.
zur Kasse, nachdem er sie abgezeichnet und die erforderliche
Unterschrift eines weiteren Mitarbeiters eingeholt hatte, von dem er im
Einzelfall wusste, dass dieser als Vertreter des eigentlich
zuständigen, aber verhinderten Kollegen die Rechnung nicht
sachlich prüfen konnte. In gleicher Weise erhielt der
Angeklagte B. von den Mitangeklagten D. und W. elf bzw. acht
Scheinrechnungen, deren Beträge sie sich nach Auszahlung durch
die GBH teilten. Insgesamt verursachte der Angeklagte B. einen Schaden
von rund 440.000 € zu Lasten der GBH.
5
Der Angeklagte B. verschwieg gegenüber dem Finanzamt die ihm
aus den vorgenannten Taten zugeflossenen Erlöse und
verkürzte damit Einkommensteuer für 1999 bis 2001 von
insgesamt fast 90.000 DM. Für das Jahr 2002 wurde die
Einkommensteuer mit Hilfe der Erkenntnisse aus dem eingeleiteten
Ermittlungsverfahren noch vor Abschluss der allgemeinen
Veranlagungsarbeiten im April 2004 zutreffend festgesetzt.
6
2. Das Landgericht hat die Amtsdelikte der §§ 331 ff.
StGB nicht angewendet, da die GBH nicht als „sonstige
Stelle“ im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB
anzusehen sei. Dies hat das Landgericht insbesondere damit
begründet, dass die Stadt Hannover die Wohnungsversorgung
für sozial schwächere Mieter in gleicher Weise
über die anderen Wohnungsanbieter sichergestellt und sich die
GBH folglich nicht mehr von den anderen Anbietern unterschieden habe,
zumal sie Erträge zur Entlastung des Stadthaus-
7
- 7 -
halts erwirtschaften sollte. In der öffentlichen Wahrnehmung
sei der GBH keine öffentliche Aufgabenerfüllung mehr
zugekommen.
II.
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des
Angeklagte B. führt lediglich dazu, dass im Schuldspruch die
Verurteilung wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr
in den Fällen II. 1 bis II. 108 der Urteilsgründe
jeweils entfällt.
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1. Die Verurteilung wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen
Verkehr gemäß § 299 Abs. 1 StGB wird von
den Feststellungen nicht getragen. Gleichwohl lässt dieser
Rechtsfehler die verhängten Einzelstrafen unberührt.
9
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a) Nach § 299 Abs. 1 StGB ist unter anderem
Tatbestandsvoraussetzung, dass der Bestochene den Vorteil als
Gegenleistung für eine Bevorzugung bei dem Bezug von Waren
oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb fordert, sich versprechen
lässt oder annimmt. Die Tatbestandsmerkmale
„Bevorzugung“ und „Wettbewerb“
setzen also mindestens zwei Konkurrenten voraus, von denen einer,
nämlich der Vorteilsgeber oder ein von diesem bestimmter
Dritter, nach der mit dem Bestochenen getroffenen Unrechtsvereinbarung
gegenüber dem Mitbewerber besser gestellt werden soll. Dabei
muss der benachteiligte Mitbewerber in der Unrechtsvereinbarung nicht
der Person nach bestimmt sein, solange feststeht, dass es
überhaupt wenigstens einen anderen Konkurrenten gibt (BGHR
StGB § 299 Abs. 2 Geschäftlicher Verkehr 1 m.w.N.;
BGH wistra 2003, 385, 386).
b) Die Urteilsfeststellungen belegen auch nicht in ihrer Gesamtheit
unter Berücksichtigung der Strafzumessungserwägungen,
dass der Angeklagte B. bei der „Vergabe“ der
Scheinaufträge an die Mitangeklagten andere Unternehmer
übergangen hat. Dies erscheint auch von vornherein insofern
ausgeschlossen, als tatsächlich keine Werkleistungen erbracht
werden soll-
11
- 8 -
ten und es insoweit keine (lautere) Wettbewerbssituation gab, in der
der Angeklagte B. die Mitangeklagten gegenüber den
„Angeboten“ anderer Handwerker oder Maler
„bevorzugen“ konnte. Schließlich geben
die Feststellungen insgesamt nichts dafür her, dass der
Angeklagte B. gegenüber den Mitangeklagten G. und D. die
Vergabe von tatsächlich zu erbringenden Werkarbeiten von deren
Beteiligung an den fingierten Rechnungen abhängig machte.
c) Die vorstehenden Erwägungen gelten auch für die
Fälle II. 101 bis II. 108 der Urteilsgründe, in denen
der Angeklagte W. davon ausging, weitere tatsächlich zu
erfüllende Werkaufträge nur dann zu erhalten, wenn er
dem Angeklagten B. das Ausstellen der Scheinrechnungen zusagte. Dies
reicht nicht aus, um die Strafbarkeit des Angeklagten B. nach
§ 299 Abs. 1 StGB bei den insoweit allein
maßgeblichen Tathandlungen des „Forderns“
der fingierten Rechnungen, des
„Sichversprechenlassens“ mit der Entgegennahme der
Zusage und des „Annehmens“ bei Aufteilung der
Taterlöse zu bejahen. Denn insoweit belegen die Feststellungen
nicht mehr, als dass der Angeklagte B. die Gelegenheit nutzen wollte,
den Angeklagten W. zum Beteiligten und Mitnutznießer von
Untreue- und Betrugstaten zu machen, nicht indes eine (zustande
gekommene oder zumindest erstrebte) Unrechtsvereinbarung.
12
d) Der Senat schließt angesichts des Zeitablaufs und der
konkreten Umstände des Einzelfalls aus, dass in einer neuen
Verhandlung weitergehende Feststellungen möglich
wären, die eine Verurteilung wegen Bestechlichkeit im
geschäftlichen Verkehr rechtfertigen könnten.
13
2. Die Überprüfung des Urteils zeigt keinen
Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten B. auf, soweit er sich gegen die
Verurteilung wegen Betrugs in Tateinheit mit Untreue in 108
Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen
und wegen versuchter Steuerhinterziehung wendet. Anzumerken ist
insoweit nur Folgendes:
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- 9 -
a) Die Feststellungen in den Fällen II. 1 bis II. 108 der
Urteilsgründe belegen ausreichend, dass sich sowohl der
Kollege des Angeklagten im Rahmen der Gegenzeichnung der
Scheinrechnungen als auch die Kassenmitarbeiter der GBH bei Auszahlung
der „Werklöhne“ in einem Irrtum befanden.
Zwar beschränkte sich der Prüfungsumfang der
Kassenmitarbeiter auf die erforderlichen Abzeichnungen der Angestellten
der GBH, die die Werklohnrechnungen in sachlicher Hinsicht zu
prüfen hatten. Beide gingen jedoch - zumindest in der Form des
sachgedanklichen Mitbewusstseins (vgl. dazu BGH wistra 2007, 102, 105,
zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt;
Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 263 Rdn. 35) -
davon aus, dass es sich um Rechnungen mit einem realen Hintergrund,
mithin also nicht um bloße Scheinrechungen handelte.
15
16
b) Das Landgericht hat zwischen Betrug und Untreue zutreffend
Tateinheit angenommen, weil der Angeklagte B. schon bei Vornahme der
Täuschungshandlungen in einem Treueverhältnis zu der
GBH stand und der Tat deshalb ein zusätzlicher Unrechtsgehalt
zukam (BGH wistra 1991, 218, 219 m.w.N. aus der Rechtsprechung).
c) Die Annahme von Tatmehrheit wird durch die Feststellungen getragen.
Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe reichte der
Angeklagte B. die 108 Scheinrechnungen einzeln bei der Kasse der GBH
ein.
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3. Trotz des berichtigten Schuldspruchs haben die vom Landgericht auch
in den Fällen II. 1 bis II. 108 der Urteilsgründe
verhängten Einzelstrafen Bestand. Das Landgericht hat die
Einzelstrafen zutreffend gemäß § 52 Abs. 2
StGB dem Gesetz mit der schwersten Strafandrohung entnommen, hier also
dem Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB von sechs Monaten
bis zehn Jahren, den das Landgericht im Hinblick auf die Spielsucht des
Angeklagten B. gemäß §§ 21, 49
Abs. 1 StGB gemildert hat. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht
die Verurteilung wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen
Verkehr nicht strafschärfend in Ansatz gebracht. Es hat die
18
- 10 -
Höhe der Einzelstrafen allein mit solchen Umständen
begründet, die der Verurteilung wegen Betrugs in Tateinheit
mit Untreue zuzurechnen sind.
III.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die die Verurteilung des
Angeklagten B. wegen Steuerhinterziehung wirksam von ihrem
Revisionsangriff ausgenommen hat, sind im Wesentlichen
unbegründet.
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1. Die Staatsanwaltschaft erstrebt ohne Erfolg eine Verurteilung der
Angeklagten wegen Amtsdelikten nach §§ 331 ff. StGB.
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21
a) Der Bundesgerichtshof hat bereits in einer früheren
Entscheidung (BGHSt 38, 199) den Geschäftsführer
eines in Rechtsform einer GmbH geführten, auf dem Gebiet des
Wohnungsbaus tätigen landeseigenen Unternehmens nicht als
Amtsträger im Sinne der §§ 331 ff. StGB
angesehen. Er hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass
die Wohnungsbaugesellschaft privatrechtlich organisiert sei. Dies
spreche gegen eine Amtsträgerschaft, auch wenn es
Ausnahmefälle geben mag, in denen der Bürger zur
Befriedigung grundlegender Lebensbedürfnisse ohne
Ausweichmöglichkeiten auf die Leistungen einer von einer
öffentlich-rechtlichen Körperschaft in
privatrechtlicher Form organisierten Einrichtung angewiesen sei (BGHSt
38, 199, 204). Durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption
vom 13. August 1997 (BGBl I 2038) ist § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c
StGB insoweit erweitert worden, als die Wörter
„unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung
gewählten Organisationsform“ eingefügt
wurden (Art. 1 Nr. 1). Auch diese Erstreckung des
Amtsträgerbegriffes auf privatrechtliche Organisationsformen
führt nicht dazu, dass die Mitarbeiter der GBH, obwohl die
Gesellschaft von der Stadt Hannover letztlich vollständig
beherrscht wird, als Amtsträger im Sinne des § 11
Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB angesehen werden könnten.
- 11 -
b) Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c
StGB ist, wer dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder
sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der
öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen, und zwar unbeschadet der
zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform.
Sonstige Stellen sind behördenähnliche Institutionen,
die zwar keine Behörden im organisatorischen Sinne, aber
rechtlich befugt sind, bei der Ausführung von Gesetzen und bei
der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken
(BGHSt 49, 214, 219; 43, 370, 375 ff.). Auch als juristische Personen
des Privatrechts organisierte Einrichtungen und Unternehmen der
öffentlichen Hand können demnach „sonstige
Stellen“ sein. Dies ist nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht bereits dann der Fall, wenn
sie Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnehmen. Hinzukommen
müssen weitere aussagekräftige
Unterscheidungskriterien, um privates von staatlichem Handeln
abzugrenzen. Eine Gleichstellung mit Behörden ist besonders
dann gerechtfertigt, wenn die juristische Person des Privatrechts bei
der Erfüllung öffentlicher Aufgaben derart
staatlicher bzw. kommunaler Steuerung unterliegt, dass sie bei einer
Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden Merkmale als
„verlängerter Arm“ des Staates erscheint
(BGH wistra 2007, 17; BGHSt 49, 214, 219; BGHSt 50, 299, 303).
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c) Hier ist das Landgericht rechtsfehlerfrei zu der Auffassung gelangt,
dass der Angeklagte B. als technischer Bestandsbetreuer schon objektiv
nicht als Amtsträger anzusehen ist, weil er bei einer
juristischen Person des Privatrechts beschäftigt ist, die
keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erledigt.
23
aa) Die Wohnungsfürsorge ist eine öffentliche
Aufgabe, deren Erfüllung einem Hoheitsträger
zugewiesen ist. Diese Aufgabe nimmt die Stadtverwaltung wahr, indem sie
an sozial schwache Bürger Berechtigungsscheine vergibt und
einzelne Wohnungen mit Belegungsrechten belastet. An diesem Vorgang ist
jedoch die GBH nicht unmittelbar beteiligt, weil sie weder
über die Erteilung einer Berechtigung entscheidet noch
über die Bedingun-
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- 12 -
gen bestimmt, die mit den Berechtigungsscheinen verbunden sind. Diese
Entscheidungszuständigkeiten begründen den
hoheitlichen Charakter der Aufgabe. In diese
Verwaltungsvorgänge ist die GBH jedoch nicht eingebunden.
Vielmehr stellt die GBH lediglich Teile ihres Wohnungsbestandes
für den entsprechenden Begünstigtenkreis zur
Verfügung. Insoweit unterscheidet sich das Handeln der GBH
nicht von demjenigen anderer Wohnungseigentümer, deren
Wohnungen unter einem entsprechenden Belegungsrecht der Stadt Hannover
stehen. Dass dies bei der GBH in einer deutlich höheren
Größenordnung geschieht, weil etwa 70 % ihres
Wohnungsbestandes unter das Belegungsrecht der Kommune fällt,
ändert qualitativ an der grundsätzlichen
Austauschbarkeit der Leistungen nichts.
25
bb) Allerdings enthält das angefochtene Urteil keine
Ausführungen dazu, ob und in welchem Umfang die
Eigentümer solcher Wohnungen, die einer entsprechenden Bindung
unterliegen, von der Stadt Hannover Leistungen erhalten oder einer
besonderen Förderung unterliegen. Die fehlende Darlegung der
Ausgestaltung der Rechtsbeziehung zwischen der Stadt Hannover und den
Eigentümern der sozialgebundenen Wohnungen begründet
hier jedoch keinen wesentlichen Mangel, der zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils nötigen könnte.
Maßgeblich ist insoweit nämlich in erster Linie der
Umstand, dass die in der Zurverfügungstellung der Wohnung
liegende Leistung der GBH keine der staatlichen Sphäre
zugeordnete Leistung ist und durch gleichwertige Leistungen anderer
Wohnungseigentümer ersetzt werden könnte. Dies nimmt
dem Handeln der GBH den hoheitlichen Charakter.
Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden Belegungsrechte der
Stadt Hannover bei etwa 100 anderen Wohnungseigentümern
begründet, wozu auch weitere Baugesellschaften mit eigenem
Wohnungsbestand rechnen. Demnach besteht kein - für die
Erledigung hoheitlicher Aufgaben typisches - Aufgabenfeld der
Staatsverwaltung, das lediglich in einer privatrechtlichen
Organisationsform abgewickelt wird. Vielmehr verschafft sich die
Kommune in Erfüllung ihrer eigenen Sozialverpflichtung
Wohnungen, wobei
26
- 13 -
sie unter mehreren Wohnungsanbietern auswählen kann.
Für diese Beschaffung mit Wohnraum ist ein Markt
eröffnet, auf dem neben der GBH letztlich auch andere
Wohnungseigentümer Wohnraum für soziale Zwecke zur
Verfügung stellen. Dies wird auch dadurch deutlich, dass - so
der vom Landgericht als Zeuge einvernommene Stadtkämmerer We.
- die Belegung der Wohnungen im marktgerechten Wettbewerb unter
Berücksichtigung aller Eigentümer von
geförderten Wohnungen erfolgt. Bei einer solchen
Sachverhaltskonstellation fehlt der spezifisch
öffentlich-rechtliche Bezug, der eine Gleichstellung mit
behördlichem Handeln rechtfertigt. Auch eine Gesellschaft in
alleiniger städtischer Inhaberschaft stellt letztlich nur
einen weiteren Wettbewerber auf einem Markt dar, der vom Staat
eröffnet wurde und sich um die Erfüllung
öffentlicher Aufgaben gebildet hat (vgl. BGHSt 50, 299, 307).
Die Entstehung wettbewerblicher Strukturen im Zusammenhang mit der
Vergabe sozialgebundener Wohnungen im Raum Hannover wird im
Übrigen durch den Umstand belegt, dass auch die Verwertung von
Wohnungen, die mit Belegungsrechten der Stadt belastet sind,
gewinnbringend sein kann, wie das Beispiel der GBH zeigt.
cc) Die soziale Zielsetzung der GBH, die in der Satzung niedergelegt
ist, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Allerdings ist der
Staatsanwaltschaft zuzugeben, dass diesem Umstand Indizcharakter
für eine Aufgabe zukommen kann, die typischerweise durch die
öffentliche Verwaltung wahrgenommen wird. Das Gewicht dieses
Gesichtspunktes vermindert sich im vorliegenden Fall jedoch dadurch
deutlich, dass die GBH nach den Feststellungen des Landgerichts
erwerbswirtschaftlich tätig ist und auch tatsächlich
erhebliche Gewinne erzielt hat. Weiterhin wurden in den
Haushaltsplanungen der Stadt Hannover bis 2009 jährliche
Gewinnerwartungen in Höhe von 4 % des Eigenkapitals
eingestellt. Obwohl eine Gewinnerzielungsabsicht ebenso wenig wie
tatsächlich erzielte Gewinne der Einstufung als
öffentliche Aufgabe entgegenstehen (BGHSt 49, 214, 221; BGHR
StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7), relativiert ihr
Vorhandensein doch die in der Satzung festgelegte soziale Zweckbindung.
Abgesehen davon, dass eine solche soziale Zielstel-
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lung nur ein einzelner Gesichtspunkt innerhalb der vorzunehmenden
Gesamtbewertung (BGHSt 50, 299, 305) sein könnte, kommt ihr
auch deshalb keine wesentliche Bedeutung zu, weil die GBH
tatsächlich beträchtliche Gewinne erwirtschaftet hat.
dd) Schließlich hat das Landgericht zutreffend in seine
Gesamtbewertung einbezogen, dass die GBH von der Bevölkerung
als eine von 100 Wohnungseigentümern und Anbietern auf dem
Wohnungsmarkt, nicht aber als verlängerter Arm des Staates
wahrgenommen wird. Die GBH tritt - wie andere gewerbliche Unternehmen
auch - auf dem Markt werbend auf und operiert nach außen wie
andere private Wohnungsbauunternehmen. Dieses Erscheinungsbild der GBH
in der Öffentlichkeit ist angesichts des von den
§§ 331 ff. StGB geschützten Rechtsguts
berücksichtigungsfähig (BGHSt 49, 214, 227). Die
Amtsdelikte schützen das Vertrauen der Allgemeinheit in die
Integrität von Trägern staatlicher Institutionen
(BGHSt aaO; 43, 370, 377). Wird das privatrechtlich strukturierte
Unternehmen nicht als Teil der Staatsverwaltung angesehen, weil eine
Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht mehr deutlich
wird, verliert sich vor dem Hintergrund des durch die Amtsdelikte
verfolgten Strafzwecks auch im Korruptionsfalle das Bedürfnis
nach einer Ahndung gemäß §§ 331
ff. StGB.
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3. Der Schuldspruch in den Fällen II. 1 bis II. 108 der
Urteilsgründe ist gemäß § 301 StPO
auch bei den Nichtrevidenten G. , D. und W. dahingehend zu berichtigen,
dass die tateinheitlichen Verurteilungen wegen Bestechung im
geschäftlichen Verkehr entfallen. Aus den gleichen
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Gründen, wie beim Angeklagten B. ausgeführt, haben
diese Schuldspruchberichtigungen jedoch keinen Einfluss auf die
verhängten Strafen.
Basdorf Raum Brause
Schaal Jäger |