BGH,
Urt. v. 18.6.2008 - 2 StR 141/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 141/08
vom
18. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen besonders schwerer Brandstiftung u. a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18.
Juni 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan,
der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 1.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 2.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 3.,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Gießen vom 13. November 2007 mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben:
a) im Fall II. 2 der Urteilsgründe (Inbrandsetzen der
Pizzeria) hinsichtlich aller Angeklagten sowie
b) im Gesamtstrafenausspruch hinsichtlich der Angeklagten B. , R. und
Bä. .
Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das vorbezeichnete Urteil,
soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben:
a) im Fall II. 2 der Urteilsgründe (Inbrandsetzen der
Pizzeria) und
b) im Gesamtstrafenausspruch.
Seine weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:
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1. den Angeklagten B. wegen Anstiftung zur Körperverletzung
sowie wegen Betruges und schwerer Brandstiftung, letztere in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung, zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten,
2. den Angeklagten R. wegen gefährlicher
Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall
tateinheitlich zusammentreffend mit schwerer Brandstiftung und Beihilfe
zum Betrug, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun
Monaten,
3. den Angeklagten Bä. wegen gefährlicher
Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall
tateinheitlich zusammentreffend mit schwerer Brandstiftung und Beihilfe
zum Betrug, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier
Monaten sowie
4. den Angeklagten Ro. wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung und Beihilfe zum Betrug
zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren.
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft
mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts sowie die
Revision des Angeklagten B. , der die Verletzung formellen und
materiellen Rechts beanstandet. Während sich der Angeklagte B.
gegen seine Verurteilung insgesamt wendet, erstrebt die
Staatsanwaltschaft insbesondere eine Verurteilung aller Angeklagten u.
a. wegen besonders schwerer Brandstiftung. Die Rechtsmittel haben in
dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
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I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der hoch
verschuldete Angeklagte B. eine Pizzeria in A. . Nachdem sein
früherer Koch C. im Frühjahr 2004 gekündigt
und rückständigen Lohn eingefordert hatte,
beauftragte B. im Dezember desselben Jahres den bei ihm angestellten
Mitangeklagten R. damit, gegen eine Belohnung von 300 €
passende Leute zu finden, die C. krankenhausreif schlagen sollten. Am
28. Dezember 2004 gegen 1.25 Uhr versetzte der von R. gedungene
Mitangeklagte Bä. im Beisein R. s dem Geschädigten C.
von hinten mit einem Stock einen Schlag auf den Kopf, so dass dieser
eine Woche stationär im Krankenhaus behandelt werden musste
(II. 1 der Urteilsgründe).
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2. Im Februar 2005 beauftragte B. den Mitangeklagten R. damit, Leute
ausfindig zu machen, die seine Pizzeria anzünden sollten. Mit
den dann erhofften Zahlungen der Brandversicherung wollte er seine
Schulden begleichen. Ende Februar/Anfang März 2005 kam es zu
einem nächtlichen Treffen zwischen den Angeklagten B. , R. und
Ro. , wobei B. darauf hinwies, dass das ihm nicht gehörende,
aber von ihm und seiner Familie im Obergeschoss bewohnte Haus als
solches intakt bleiben müsse. Nur die Pizzeria solle
zerstört werden. Hierzu sei das als Brandbeschleuniger zu
verwendende Benzin nur in einer schmalen Spur zu legen, damit das Feuer
sich nicht ins Treppenhaus würde ausdehnen können.
Als Lohn für die Brandstiftung stellte B. 20.000 € in
Aussicht.
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Anfang April 2005 übergab B. dem Mitangeklagten R. die
Schlüssel für die Pizzeria mit dem Bemerken, er werde
am nächsten Ruhetag, Montag dem 4. April 2005, mit seiner
Familie einen Ausflug machen. An diesem Tag gegen 21.00 Uhr begaben
sich R. , Ro. und der für die Tatausfüh-
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rung gewonnene Bä. zum Restaurant, betraten dieses mit dem
ihnen übergebenen Schlüssel und schlugen eine Scheibe
ein, um einen Einbruch vorzutäuschen. R.
überprüfte, ob jemand im Obergeschoss
zurückgeblieben war und schüttete dann zusammen mit
Bä. im Inneren der Pizzeria insgesamt 25 l Benzin aus, bevor
Bä. einen primitiven Zeitzünder legte.
Plangemäß entzündete sich das Benzin erst,
als die Angeklagten das Gebäude verlassen hatten. Es kam zu
einer explosionsartigen Verpuffung. Nicht nur der Gastraum, sondern das
ganze Wohnhaus wurden stark beschädigt. Darüber
hinaus griff der Brand auf ein Nachbarhaus über und
beschädigte Dachstuhl und Außenwand. Der dort
wohnende Zeuge D. erlitt eine leichte Rauchvergiftung und musste im
Krankenhaus medizinisch versorgt werden. Der Gesamtschaden betrug
500.000 €. Der Angeklagte B. erhielt 80.000 € an
Versicherungsleistungen, seine Mittäter haben die
versprochenen 20.000 € nicht bekommen (II. 2 der
Urteilsgründe).
2. Das Landgericht hat im Fall II. 1 (zutreffend) eine Strafbarkeit der
Angeklagten R. und Bä. wegen gefährlicher
Körperverletzung sowie eine Anstiftung des Angeklagten B. zu
einer einfachen Körperverletzung angenommen. Hinsichtlich des
Inbrandsetzens der Pizzeria (Fall II. 2) geht das Landgericht -
ausdrücklich entgegen der ständigen Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs - hinsichtlich aller Angeklagten "nur" von einer
schweren Brandstiftung gemäß § 306 a StGB
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus,
bei den Angeklagten R. , Bä. und Ro. darüber hinaus
(zutreffend) von tateinheitlich begangener Beihilfe zu dem von dem
Angeklagten B. tatmehrheitlich begangenen Betrug zum Nachteil der
Brandversicherung.
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II. Revisionen der Staatsanwaltschaft
1. Zu Recht rügt die Staatsanwaltschaft, dass das Landgericht
eine Strafbarkeit aller Angeklagten wegen besonders schwerer
Brandstiftung nach § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB mit
unzutreffender Begründung abgelehnt hat. Dessen
Voraussetzungen sind nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs auch dann gegeben, wenn die Brandlegung - wie hier -
zum Zwecke eines Betrugs zum Nachteil der Versicherung begangen wird
(vgl. BGHSt 45, 211, 216 ff.; NJW 2000, 3581; NStZ 2000, 197; NStZ-RR
2000, 209; 2004, 366; 2005, 76; NJW 2007, 2130; Beschluss vom 22. April
2008 - 3 StR 74/08). Die von dem Landgericht unter Berufung auf
abweichende Meinungen in der Literatur (zum Streitstand vgl. Fischer,
StGB 55. Aufl. § 306 b Rdn. 9 ff.) bemühten Argumente
für eine restriktive Auslegung des § 306 b Abs. 2 Nr.
2 StGB auf Fälle, in denen gerade die spezifischen
Auswirkungen der Brandlegung die Begehung der weiteren Tat
begünstigen, sind nicht neu und geben dem Senat keinen Anlass,
von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
abzuweichen.
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2. Ebenso unzutreffend ist der rechtliche Ansatz des Landgerichts, eine
Strafbarkeit der Angeklagten R. , Bä. und Ro. wegen besonders
schwerer Brandstiftung scheide auch deshalb aus, weil deren
primäres Tatziel das unabhängig von späteren
Versicherungsleistungen zugesagte Entgelt von 20.000 €
für die Brandlegung gewesen sei. Die von § 306 b Abs.
2 Nr. 2 StGB vorausgesetzte Absicht muss sich nämlich nicht
auf den Deliktserfolg, sondern allein auf die Verknüpfung der
Brandstiftungshandlung mit dem mindestens gebilligten Erfolg einer
bestimmten weiteren Tat beziehen (BGHSt 45, 211 ff.; Fischer aaO Rdn.
10 a). Sowohl für die Brandstiftung als solche als auch
für den nachfolgenden Betrug genügte bedingter
Vorsatz, der nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts bei
allen Angeklagten gegeben war. Dies gilt auch für den
Angeklagten Bä. , der die Pizzeria deshalb im Auftrag des An-
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geklagten B. in Brand setzte, um diesem die Inanspruchnahme der
Brandversicherung zu ermöglichen. Dass die ihm dafür
versprochene Entlohnung nicht direkt aus der Versicherungsleistung,
sondern aus dem sonstigen Vermögen B. s fließen
sollte, hindert eine mögliche Strafbarkeit aus § 306
b Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht.
3. Die Aufhebung im Fall II. 2 der Urteilsgründe erfasst auch
die tateinheitliche Verurteilung aller Angeklagten wegen
gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des
Geschädigten D. , die tateinheitliche Verurteilung des
Angeklagten B. wegen schwerer Brandstiftung auch nach § 306 a
Abs. 2 StGB sowie die Verurteilung der Angeklagten R. , Bä.
und Ro. wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zum Betrug. Die
Verurteilung des Angeklagten B. wegen tatmehrheitlich begangenen
Betruges bleibt hiervon unberührt.
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Von der Aufhebung umfasst sind auch die Feststellungen, da der Senat
nicht ausschließen kann, dass die neue Hauptverhandlung zu
abweichenden Feststellungen führen wird. Im Übrigen
wird der neu entscheidende Tatrichter genauer als bisher geschehen zu
prüfen haben, ob sich der Vorsatz aller Angeklagten auf eine
Verletzung (§§ 223, 224 StGB) oder zumindest eine
konkrete Gesundheitsgefährdung (§ 306 a Abs. 2 StGB)
des Geschädigten D. bezog. Dies versteht sich angesichts des
gemeinsamen Tatplans der Angeklagten, durch eine "umsichtige"
Brandlegung nur das Inventar der Pizzeria, nicht aber das gesamte
Gebäude, geschweige denn das Nachbargebäude, in Brand
zu setzen (UA S. 10 bis 12, 20), hier nicht von selbst.
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Der Wegfall der im Fall II. 2 festgesetzten Einsatzstrafen
führt auch zur Aufhebung der hinsichtlich der Angeklagten B. ,
R. und Bä. verhängten Gesamtstrafen. Was den
Angeklagten R. anbelangt, wird der neue Tatrichter zu prüfen
haben, ob gegen diesen verhängte frühere Geldstra-
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fen bereits vollstreckt sind oder ob diese gegebenenfalls bei erneuter
Gesamtstrafenbildung zu berücksichtigen sein werden. Der
Angeklagte Bä. hingegen ist durch die rechtlich nicht
mögliche Einbeziehung einer gegen ihn verhängten, zur
Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe ersichtlich nicht
beschwert, so dass sich die Erörterung eines
Härteausgleichs erübrigt.
III. Revision des Angeklagten B.
1. Die von dem Angeklagten B. erhobene Formalrüge einer
Verletzung des § 185 GVG ist aus den Gründen der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 3. April 2008
unzulässig im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
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2. Auf die Sachrüge hin ist das Urteil - soweit es den
Angeklagten B. betrifft - ebenfalls im Fall II. 2 der
Urteilsgründe (Inbrandsetzung der Pizzeria) und im
Gesamtstrafenausspruch aufzuheben, weil ein Vorsatz dieses Angeklagten,
seinen Nachbarn D. zu verletzen oder zumindest dessen Gesundheit
konkret zu gefährden (§§ 223, 224, 306 a
Abs. 2 StGB) nicht in der erforderlichen Weise festgestellt ist. Eine
Erstreckung der Revision insoweit gemäß §
357 StPO auf die übrigen Mitangeklagten war nicht veranlasst,
weil hier die Beurteilung eines Verletzungsvorsatzes hinsichtlich jedes
Angeklagten individuell vorzunehmen ist und der Entscheidung des
Landgerichts nicht etwa ein fehlerhaftes Verständnis des
bedingten Vorsatzes als solchem zugrunde liegt.
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Die Verurteilung des Angeklagten B. wegen tatmehrheitlich begangenen
Betruges bleibt von der teilweisen Aufhebung im Fall II. 2
unberührt. Im Übrigen ist seine Revision aus den
Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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Rissing-van Saan Rothfuß Roggenbuck
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