BGH,
Urt. v. 18.3.2004 - 4 StR 533/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 533/03
vom
18.03.2004
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der Beihilfe zum Mord
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18.
März
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerinnen,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der
Nebenklägerinnen
wird das Urteil des Landgerichts Münster
vom 25. Juni 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine als
Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts
Essen zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht Münster hatte den Angeklagten mit Urteil vom
5. September 2001 aus tatsächlichen Gründen vom
Vorwurf der Beihilfe zum
Mord freigesprochen. Auf die Revisionen der Nebenklägerinnen
hob der Senat
diese Entscheidung, soweit sie den Angeklagten betraf, durch Urteil vom
8.
August 2002 - 4 StR 88/02 - samt den Feststellungen auf und verwies die
Sache
zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht
zurück. Die
Revision des Mitangeklagten Torsten K. , der als Haupttäter
wegen
heimtückisch und aus Habgier begangenen Mordes verurteilt
worden war, hatte
der Senat durch Beschluß vom 11. Juli 2003
gemäß § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet
verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten erneut freigesprochen; ferner hat
es bestimmt, daß der Angeklagte für die erlittene
Untersuchungshaft zu ent-
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schädigen sei. Die Staatsanwaltschaft und die
Nebenklägerinnen wenden sich
mit ihren auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten
Revisionen gegen
dieses Urteil.
Die Rechtsmittel haben Erfolg.
1. Nach den Feststellungen erteilte der gesondert verfolgte Ryszard
A. dem früheren Mitangeklagten Torsten K. den Auftrag,
Zbigniew Ko. aus Dülmen zu töten. Für die
Durchführung der Tat versprach
A. Torsten K. , der sich in finanziellen Schwierigkeiten
befand, 10.000 DM, die nach der Tat in Raten bezahlt werden sollten.
Etwa 2 bis 2 1/2 Wochen vor der Tat erklärte sich K.
gegenüber
A. zur Tatbegehung bereit. Am 17. Oktober 2000 erschoß er
Zbigniew
Ko. , den er, einer Absprache mit A. folgend, unter einem Vorwand
an eine abgelegene Stelle gelockt hatte, aus nächster
Nähe in dessen Fahrzeug.
Die Tatwaffe hatte er von A. erhalten.
Der Angeklagte hatte A. , mit dem er eng befreundet war,
im Spätsommer 2000 mit Torsten K. bekannt gemacht. Ob er dieses
oder weitere Zusammentreffen veranlaßte, um A. Torsten K. als
Täter für den geplanten Mord zuzuführen,
konnte das Landgericht nicht feststellen.
Jedenfalls erfuhr der Angeklagte zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt
vor der Tat, daß sich K. gegenüber A. gegen Zahlung
eines
Geldbetrages zur Tötung des Ko. bereit erklärt hatte.
Um eine Verbindung
zwischen A. und K. zu verschleiern, kam A. mit dem
Angeklagten überein, daß dieser künftig
sämtliche Kontaktaufnahmen zwischen
K. und A. vermitteln sollte. A. setzte K. hiervon
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in Kenntnis, ließ ihn, in Absprache mit dem Angeklagten,
jedoch im Glauben,
der Angeklagte sei in die Tatplanung nicht eingeweiht. In der Folgezeit
bat
K. den Angeklagten mindestens fünfmal um die Herstellung eines
Kontakts
zu A. , den der Angeklagte jeweils auch vermittelte. Das Schwurgericht
konnte jedoch nicht feststellen, ob die daraufhin zwischen A. und
K. geführten Gespräche "der Tatvorbereitung dienten
oder einen anderen
Inhalt hatten". Der Angeklagte war auch zugegen, als A. und K.
etwa eine Woche vor der Tat nach Dülmen fuhren, wo K. das ihm
bis dahin
nicht bekannte Tatopfer gezeigt wurde. Der Zweck dieser Fahrt war dem
Angeklagten bekannt. Unmittelbar nach Begehung des Mordes rief K. ,
einer vor der Tat mit A. getroffenen Vereinbarung folgend, den
Angeklagten
an und teilte ihm mit, es sei "alles ok". Der Angeklagte, der
wußte, daß
K. hiermit die Ausführung der Tat bestätigte, leitete
diese Information,
ebenfalls absprachegemäß, an A. weiter.
Schließlich überbrachte der
Angeklagte im Auftrag des A. Torsten K. die erste Rate des für
die
Tatbegehung versprochenen Geldbetrages; die übrigen Raten
erhielt K.
von A. ausgehändigt.
2. Die Schwurgerichtskammer hat den Angeklagten, der bestreitet, von
dem Mordkomplott Kenntnis gehabt zu haben, vom Vorwurf der Beihilfe zum
Mord aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Obwohl
er in die geplante Tat
eingeweiht gewesen sei, könne ihm - unter Anwendung des
Zweifelssatzes -
nicht nachgewiesen werden, daß er die Haupttat objektiv
gefördert habe. An
einer Verurteilung des Angeklagten wegen Nichtanzeige eines geplanten
Mordes
gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 6 StGB hat sich das
Landgericht aus Rechtsgründen
gehindert gesehen, weil es - in umgekehrter Anwendung des Zweifelssat-
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zes - nicht sicher auszuschließen vermochte, daß
der Angeklagte Tatbeteiligter
des Mordes war.
3. Der Freispruch vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord hält
rechtlicher
Überprüfung nicht stand. Die Annahme des
Landgerichts, es könne nicht festgestellt
werden, daß der Angeklagte durch die Vermittlung der
Gespräche zwischen
K. und A. den Mord an Zbigniew Ko. gefördert habe,
begegnet in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Soweit das Landgericht seine Auffassung damit begründet, es
habe
sich nicht feststellen lassen, daß die zwischen K. und A.
vor der Tat geführten Gespräche für die
Tatvorbereitung "erforderlich" gewesen
seien (UA 26), ist bereits zu besorgen, daß es seiner
rechtlichen Bewertung in
Bezug auf das Vorliegen einer strafbaren Beihilfehandlung im Sinne des
§ 27
Abs. 1 StGB einen zu engen Maßstab zugrunde gelegt hat. Eine
Hilfeleistung
im Sinne dieser Vorschrift setzt zwar voraus, daß eine
Handlung die Herbeiführung
des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert;
für den Erfolg selbst muß
sie jedoch nicht ursächlich sein (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt
46, 107, 109 m.w.N.).
Es kommt deshalb nicht entscheidend darauf an, ob K. und A.
anläßlich der vom Angeklagten vermittelten
Gespräche notwendige Tatvorbereitungen
trafen. Auch der Umstand, daß K. von der
Gutgläubigkeit des
Angeklagten ausgegangen sein mag, ist rechtlich ohne Bedeutung; denn
§ 27
StGB setzt nicht einmal voraus, daß der Täter
überhaupt von der Hilfeleistung
Kenntnis erlangt hat (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 8).
b) Darüber hinaus ist das Schwurgericht auf der Grundlage
einer nicht
erschöpfenden und deshalb rechtsfehlerhaften
Beweiswürdigung zu dem Er-
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gebnis gelangt, zwischen K. und A. seien - möglicherweise -
keine
tatvorbereitenden Gespräche geführt worden. Seine
Überzeugung stützt das
Landgericht ausschließlich darauf, es gebe zum Inhalt der vom
Angeklagten
vermittelten Gespräche weder Zeugenaussagen noch Erkenntnisse
aus einer
Telefonüberwachung. Bei dieser Würdigung hat das
Landgericht wesentliche
Umstände, die in die entgegengesetzte Richtung weisen,
unbeachtet gelassen
und nicht gewürdigt.
Nach den Urteilsfeststellungen liegen zahlreiche Anhaltspunkte
dafür
vor, daß K. nach seiner Zusage, die Tat zu begehen, mit A.
noch
weitere tatvorbereitende Gespräche führte. Es ist
schon nicht ersichtlich, welchen
anderen Anlaß K. gehabt haben sollte, an A. heranzutreten.
Außer dem Mordkomplott bestand zwischen den beiden Personen
keine Verbindung.
Darüber hinaus ist nach den Feststellungen davon auszugehen,
daß
A. mit K. eine Verabredung im Hinblick auf die Durchführung der
Vorbereitungsfahrt nach Dülmen, bei welcher K. das Tatopfer
gezeigt
wurde, getroffen hatte. Ferner beauftragte A. "zu einem nicht
feststellbaren
Zeitpunkt" Torsten K. , ihm, A. , den Vollzug der Tat über den
Angeklagten ausrichten zu lassen. Anhaltspunkte dafür,
daß sich K. und
A. bereits vor Einschaltung des Angeklagten als Vermittler
über diese
Umstände verständigt hatten, liegen nach den
Urteilsgründen nicht vor.
Die Tatsache, daß das Schwurgericht die vorgenannten
Umstände nicht
erörtert hat, läßt besorgen, daß
es ihre Bedeutung in diesem Zusammenhang
nicht erkannt hat.
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c) Schließlich hat sich das Landgericht darauf
beschränkt zu prüfen, ob
der Angeklagte Beihilfe zur Anstiftung des A. geleistet hat. Dies hat
es zwar rechtsfehlerfrei verneint. Es hat aber rechtsfehlerhaft nicht
in Betracht
gezogen, daß A. über die Anstiftung des Torsten K.
hinaus entweder
als Mittäter des Mordes oder zumindest als Gehilfe des
Haupttäters im
Rahmen der Tatvorbereitung weitere wesentliche Tatbeiträge
geleistet hat, die
der Angeklagte gefördert haben kann (vgl. BGHR StGB §
25 Abs. 2 Mittäter 12;
§ 26 Bestimmen 6). So hat A. Torsten K. die Tatwaffe
überlassen
und diese nach Ausführung der Tat wieder an sich genommen.
Ferner hat er
mit Torsten K. die Durchführung der Tat besprochen und die
Vorbereitungsfahrt
nach Dülmen nicht nur organisiert, sondern selbst daran
teilgenommen.
Außerdem stand er mit Torsten K. auch nach dessen Zusage, den
Mord zu begehen, noch mehrfach in Kontakt.
Diese Tatbeiträge kann der Angeklagte schon durch die
gegenüber
A. erteilte Zusage, Kontakte zu K. zu vermitteln, im Sinne des
§ 27
Abs. 1 StGB (psychisch) unterstützt haben (vgl. zur
sogenannten Kettenbeihilfe:
Cramer/Heine in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl.
§ 27 Rdn. 18). In gleicher
Weise könnte auch die Begleitung des Angeklagten bei der
Vorbereitungsfahrt
nach Dülmen eine tatfördernde Bedeutung erlangt haben.
d) Der Senat kann nicht ausschließen, daß das
Schwurgericht bei Berücksichtigung
der vorgenannten Umstände sowohl die Bereitschaft des
Angeklagten,
als Vermittler zwischen K. und A. zur Verfügung zu stehen,
als auch die Vermittlertätigkeit selbst unter dem
Gesichtspunkt einer Beteiligung
des Angeklagten an dem Mord anders als geschehen beurteilt
hätte.
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4. Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung. Der
neue Tatrichter wird dabei - ohne Bindung an die zum Nachteil des K.
getroffenen
Feststellungen - auch zu der Haupttat eigene Feststellungen zu treffen
haben, da das Urteil in Bezug auf den Angeklagten wiederum insgesamt
aufgehoben ist.
Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat
außerdem auf folgendes
hin:
Sollte das Gericht wiederum zu dem Ergebnis gelangen, daß dem
Angeklagten
trotz Kenntnis von der geplanten Tat eine Hilfeleistung im Sinne des
§ 27 StGB unter Anwendung des Zweifelssatzes nicht
nachzuweisen ist, wird
es zu prüfen haben, ob eine Verurteilung wegen Nichtanzeige
einer geplanten
Straftat nach § 138 Abs. 1 (Nr. 6) StGB zu erfolgen hat. Zwar
kommt, ausgehend
von dem Grundsatz, daß für einen Tatbeteiligten eine
Mitteilungspflicht
nach § 138 StGB nicht besteht, nach der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
eine Strafbarkeit nach § 138 StGB nicht in Betracht, wenn der
Verdacht einer Tatbeteiligung am Ende der Beweisaufnahme noch
fortbesteht.
Nach dieser Rechtsprechung ist, wenn sich der Verdacht der
Tatbeteiligung
nicht ausräumen läßt, der Angeklagte
vielmehr in (doppelter) Anwendung des
Zweifelssatzes freizusprechen (BGHSt 39, 164, 167; 36, 167, 174; BGH bei
Holtz MDR 1979, 635; 1986, 794; 1988, 276). An dieser Rechtsprechung
beabsichtigt
der Senat, gegebenenfalls unter Aufgabe entgegenstehender eigener
Rechtsprechung, nicht länger festzuhalten. Vielmehr neigt er
der in der Literatur
mit beachtlichen Argumenten vertretenen Auffassung zu, daß in
den
Fällen, in denen nicht geklärt werden kann, ob der
Nichtanzeigende auch an
der Vortat beteiligt war, jedenfalls eine Bestrafung aus § 138
StGB zu erfolgen
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hat (vgl. Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder
aaO § 138 Rdn. 29;
Hanack in LK 11. Aufl. § 138 Rdn. 75; Rudolphi in SK-StGB
§ 138 Rdn. 35;
Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 138 Rdn. 6; Joerden
Jura 1990, 633, 640 f.).
5. Mit der Aufhebung des Urteils ist die sofortige Beschwerde der
Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung des Landgerichts
über die Kosten
und notwendigen Auslagen sowie gegen die Entscheidung über
eine Entschädigung
des Angeklagten nach den Vorschriften des Gesetzes über die
Entschädigung
für Strafverfolgungsmaßnahmen gegenstandslos
geworden.
6. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die
Sache an
ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs.
2 StPO).
Tepperwien Maatz Kuckein
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