BGH,
Urt. v. 18.5.2010 - 5 StR 115/10
5 StR 115/10
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 18. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Totschlags u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Mai
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Sch. ,
Rechtsanwalt Sche.
als Verteidiger für den Angeklagten D. ,
Rechtsanwalt S.
als Verteidiger für den Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt F.
als Vertreter für den Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Die Revision des Nebenklägers gegen das Urteil des
Landgerichts Chemnitz vom 16. November 2009 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
1
Das Schwurgericht hat die Angeklagten - soweit der Nebenkläger
betroffen ist - jeweils des (gemeinschaftlichen) versuchten Totschlags
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung
schuldig gesprochen. Es hat hierfür gegen den Angeklagten D.
eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt und hat
ihn aufgrund weiterer Delikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben
Jahren und sechs Monaten verurteilt, daneben zur Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt unter Ausspruch eines Teilvorwegvollzugs. Gegen den
Angeklagten H. hat das Schwurgericht eine Freiheitsstrafe von einem
Jahr und acht Monaten verhängt; ihn hat es unter Einbeziehung
anderweitig rechtskräftig verhängter Strafen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten unter
Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Gegen beide
Angeklagte hat das Landgericht eine Adhäsionsgrundentscheidung
zugunsten des Nebenklägers ausgesprochen. Der
Nebenkläger erstrebt mit seiner Revision die Verurteilung der
Angeklagten wegen versuchten Mordes. Das zulässige Rechtmittel
bleibt - gegen den Antrag des Generalbundesanwalts - erfolglos.
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1. Die Aufklärungsrüge ist unzulässig
(§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Es fehlt bereits an einer
vollständigen Dokumentation der bisherigen Aussagen der nach
den Geständnissen der Angeklagten in der Hauptverhandlung
nicht vernommenen Zeugin, deren Vernehmung der Nebenkläger
nicht zum Gegenstand eines Beweisantrags gemacht hat, ferner an einer
Mitteilung über die aktenkundigen Gründe für
das Nichterscheinen der Zeugin.
2
2. Die Sachrüge ist unbegründet.
3
Die Nichtverurteilung der Angeklagten wegen versuchten Mordes aus
niedrigen Beweggründen hält rechtlicher
Überprüfung stand. Tatanlass für die
gemeinschaftliche Misshandlung des Nebenklägers in dessen
Wohnung war das Bedürfnis des Angeklagten D. , den
Nebenkläger für einen Einbruch in die Wohnung einer
Bekannten und die Wegnahme eines Laptops, zudem wegen der irrigen
Annahme, vom Nebenkläger werde eine
„Drogenküche“ unterhalten,
„abzustrafen“ (UA S. 12). Bei der Gewalteinwirkung
setzte der erregte, rauschgiftsüchtige D. auch ein Messer ein,
mit welchem er dem Nebenkläger schließlich mit
bedingtem Tötungsvorsatz nach fünf
oberflächlichen Stichen einen tiefen
lebensgefährlichen Stich in den Brustbereich versetzte. Bei
einem - namentlich vom maßgeblichen subjektiven Standpunkt
der Angeklagten - durch schuldhaftes Vorverhalten des
Nebenklägers gesetzten Tatanlass, bei dem sich spontan
steigernden Ablauf der gewollten „Abreibung“, bei
der Vorsatzform und der psychischen Verfassung der - freilich noch
uneingeschränkt schuldfähigen - Angeklagten gebot
allein der Umstand einer Bestrafungsaktion aus letztlich nichtigem
Anlass nicht die ausdrückliche Erörterung des von
keinem Verfahrensbeteiligten zur Sprache gebrachten Mordmerkmals der
niedrigen Beweggründe. Dieses lag unter den festgestellten
Begleitumständen jedenfalls subjektiv denkbar fern. Ein Fall
verwerflicher Selbstjustiz (vgl. Schneider in MünchKomm StGB
2003 § 211 Rdn. 86; ders. in Festschrift für Gunter
Widmaier 2008 S. 759, 775), der insoweit nähere
Erwägungen nahe gelegt hätte, liegt nicht vor (vgl.
auch BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 1,
2, 4, 11, 31, 36).
4
- 5 -
Die Annahme eines beendeten Totschlagsversuchs, der einen
strafbefreienden Rücktritt ausschließt, ist nach den
Feststellungen zur Wucht des letzten Messerstichs auch ohne die
für sich im Blick auf den Zweifelsgrundsatz fraglichen
ergänzenden Erwägungen des Schwurgerichts (UA S. 21)
rechtsfehlerfrei, so dass die Sachrüge auch keinen Anlass zum
Eingreifen des Revisionsgerichts entsprechend § 301 StPO
bietet.
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Basdorf Raum Brause
Schneider Bellay |