BGH,
Urt. v. 19.4.2000 - 3 StR 442/99
StGB § 13
Zur Garantenstellung des Stellvertreters des Leiters eines
Universitätsinstituts für Blutgerinnungswesen und
Transfusionsmedizin (mit Blutbank).
BGH, Urteil vom 19. April 2000 - 3 StR 442/99 - LG Düsseldorf
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 442/99
vom
19. April 2000
in der Strafsache gegen
wegen fahrlässiger Tötung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 12. April 2000 in der Sitzung am 19. April 2000, an denen
teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Kutzer,
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, die Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Winkler, Pfister als beisitzende
Richter, Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizamtsinspektorin in der Verhandlung
vom 12. April 2000, Justizamtsinspektor in der Sitzung am 19. April
2000 als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, für Recht
erkannt:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Düsseldorf vom 18. Dezember 1998 mit den Feststellungen
aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zur Kontaminierung der
Blutkonserven mit dem Bakterium Rahnella aquatilis und zur
Ursächlichkeit dieser Verseuchung für den Tod bzw.
die Körperverletzung der betroffenen Patienten
aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die
Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Beschwerdeführerin und den
Mitangeklagten Prof. Dr. B. jeweils wegen fahrlässiger
Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger
Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach den
Ausführungen der Strafkammer sind der Mitangeklagte als
früherer Leiter des Instituts für Blutgerinnungswesen
und Transfusionsmedizin der medizinischen Einrichtungen der
Universität D. (im folgenden: Institut) und die
Beschwerdeführerin als dessen Stellvertreterin für
insgesamt sechs durch eine bakterielle Kontamination von Blutkonserven
verursachte Transfusionszwischenfälle, von denen fünf
zum Tode der betroffenen Patienten führten, strafrechtlich
verantwortlich. Die an den konkreten Vorfällen nicht
beteiligte Beschwerdeführerin sei strafbar, weil sie es
unterlassen habe, übergeordnete Stellen und Behörden
von einer unsachgemäßen Behandlung der Blutkonserven
und dem Unterbleiben von mikrobiologischen Untersuchungen nach
Transfusionszwischenfällen zu unterrichten. Mit ihrer Revision
beanstandet die Beschwerdeführerin die Verletzung formellen
und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge
in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
I. Nach den Feststellungen baute der Mitangeklagte in den siebziger
Jahren das Institut auf und leitete es bis zum November 1994. Die
Beschwerdeführerin, die sich 1983 habilitierte, war als
akademische Oberrätin von 1987 bis Anfang 1997 (vgl. UA S. 14)
stellvertretende Institutsdirektorin gemäß
§ 44 des Gesetzes über die Universitäten des
Landes Nordrhein-Westfalen (UG NRW), übte dieses Amt aber in
der Zeit vom 14. bis zum 24. September 1994 nicht aus (UA S. 16). Das
Institut diente in erster Linie der Versorgung der Patienten der
medizinischen Einrichtungen in Düsseldorf mit Blutprodukten.
Der Bereich der Herstellung dieser Blutprodukte wurde als Blutbank
bezeichnet. Da die Haushaltslage der Universitätskliniken
angespannt war, reichten die Sachmittel nicht aus, um wichtige Projekte
wie etwa eine zentrale EDV-Anlage zu finanzieren. Im Vergleich mit
anderen großen universitären
Transfusionseinrichtungen wurde der gleiche Umsatz an Blutprodukten auf
knapp der Hälfte des Raumes erzielt. Täglich wurden
regelmäßig 250, gelegentlich auch bis zu 400
Konserven ausgegeben. Der Mitangeklagte übte als
Institutsdirektor die Fachaufsicht über das Personal aus.
Zwischen ihm und der Beschwerdeführerin bestand zumindest in
den Jahren 1993 und 1994 ein gespanntes Verhältnis. Die
Beschwerdeführerin fühlte sich und ihre Leistungen
nicht hinreichend gewürdigt, ihre
Verbesserungsvorschläge nicht genügend beachtet. Die
seit 1989 geltende Krankenhaushygieneverordnung wurde in den
Universitätskliniken nur unzureichend umgesetzt. Im November
1993 fand eine Begehung der Blutbank durch die
Aufsichtsbehörden statt. Dabei wurde der
Herstellungsprozeß bis zur Einlagerung der Blutkonserven
überprüft. In serologischer Hinsicht wurden keine
Beanstandungen erhoben.
Zur Herstellung der Blutprodukte wurde ein Beutelsystem benutzt, das
aus drei durch Schläuche miteinander verbundenen
Kunststoffbeuteln bestand. In den ersten Beutel gelangte das Blut bei
der Spende. Durch Zentrifugation wurde das Erythrozytenkonzentrat (im
folgenden: EK) von dem Blutplasma getrennt. Das EK verblieb in dem
ersten Beutel, das Plasma gelangte in den zweiten. Die Verbindung
zwischen diesen beiden Beuteln wurde getrennt und
verschweißt. In einem weiteren Arbeitsgang wurde
später aus dem Plasma ein Präparat zur Blutgerinnung
gewonnen, das Restplasma wurde in den dritten Beutel gepreßt.
Bei der Blutspende wurden außer dem ersten Beutel des
Beutelsystems bis Mitte 1993 ein, ab diesem Zeitpunkt auf Anregung
einer Oberschwester zwei Reagenzröhrchen mit Spenderblut
(U-Pilotröhrchen) gefüllt. Dieses Blut diente zur
Durchführung der Tests, mit denen vor der Transfusion der
Konserve die Verträglichkeit von Spender- und Patientenblut
geprüft wurde. Die Röhrchen waren zuvor mit einer
Nährstofflösung gefüllt worden, die mittels
eines Dispensers, d. h. eines Verteilers mit automatischer Dosierung,
in die Röhrchen gelangte. Die in der Blutbank vorhandenen
Dispenser wurden einmal wöchentlich in der
Sterilisationsabteilung der Chirurgie sterilisiert, was jedoch nicht
ausreichte, um eine dauernde Keimfreiheit sicherzustellen.
Es war zumindest seit 1976 üblich, angeforderte, aber dann
nicht verwendete Konserven von den Stationen zurückzunehmen.
Zurückgelangte,
äußerlich unauffällige Konserven, bei denen
das Verfallsdatum noch nicht abgelaufen war, wurden wieder für
eine erneute Ausgabe vorbereitet. Hierzu mußte das bei der
ersten Ausgabe abgetrennte und gesondert verwahrte
Pilotröhrchen herausgesucht und hinzuverbunden werden. War
dieses jedoch wegen zwischenzeitlicher Vernichtung nicht mehr vorhanden
oder wurde vom Heraussuchen wegen des damit verbundenen Zeitaufwandes
abgesehen, griff man ab Mitte 1993 auf das seit dieser Zeit
eingeführte, nach Nummern geordnete zweite
U-Pilotröhrchen zurück. Wenn die EK-Konserve
wiederholt von anfordernden Stellen zur Blutbank zurückkehrte
und kein Pilotröhrchen mehr vorhanden war oder zugeordnet
werden konnte, entsprach es mindestens seit 1976 dem üblichen
Arbeitsablauf, aus dem Inhalt der EK-Konserve durch "Abquetschen" ein
neues Pilotröhrchen herzustellen. Dabei ließen die
Mitarbeiter aus dem ersten Beutel des geschlossenen Systems durch einen
Schlauch einen Teil des EK-Konzentrats in ein Reagenzglas laufen, das
zuvor mittels eines Dispensers mit einer
Nährstofflösung gefüllt worden war. Eine
allgemeine Dienstanweisung oder schriftliche
Tätigkeitsbeschreibung lag hierfür nicht vor. Das
"Abquetschen" fand offen im Bereich der Konservenausgabe statt. Dort
stand ein ständiger und vorbereiteter Arbeitsplatz bereit. Die
Konservenausgabe erfolgte in einem Raum, in dem sich auch die
Konservenkühlschränke befanden und der daher von den
Mitarbeitern der Blutbank häufig aufgesucht wurde. Wiederholt
erteilten im Institut tätige Ärzte
ausdrücklich die Anweisung, Konserven "abzuquetschen".
Nach 1992 wurden zuvor beim "Abquetschen" angewandte
Vorsichtsmaßnahmen nicht mehr regelmäßig
beachtet. So wurde das Schlauchende der EK-Konserve gelegentlich derart
in das Röhrchen eingeführt, daß es dort mit
der Nährstofflösung in Berührung kommen
konnte. Nach dem Verschließen des Schlauches wurden die
Konserven zumindest von einigen Schwestern umgedreht, so daß
die unterhalb der Klemme befindliche Blutsäule nach erneutem
Öffnen der Klemme in die Konserve zurücklief und ein
- vermeintlich - sauberes Verschließen der Konserve
ermöglicht wurde. Der Rücklauf des Blutes vom
Schlauchende in die Konserve war aber ein Einfallstor für
Keime. Im Jahre 1994 gelangte auf die dargestellte Weise von einem
kontaminierten Dispenser über die in dem Reagenzglas
befindliche Nährstofflösung das Bakterium Rahnella
aquatilis, das bis dahin nicht als Verursacher von
Transfusionszwischenfällen und auch sonst nicht als
für Menschen lebensgefährlich bekannt war, in mehrere
Blutkonserven. In der Zeit vom 25. August 1994 bis zum 1. Oktober 1994
wurden insgesamt sechs Patienten derartige bakteriell verseuchte
Blutkonserven transfundiert. Fünf dieser Patienten verstarben
daraufhin an einer durch das Endotoxin des Bakteriums verursachten
Sepsis und deren Komplikationen. Ein Patient konnte nach intensiver
medizinischer Betreuung zwei Wochen nach dem Vorfall als geheilt
entlassen werden.
Der Mitangeklagte und die Beschwerdeführerin kannten die
Praxis des "Abquetschens". Der Mitangeklagte bezeichnete sie einmal als
"Schweinerei", bei der die Schwestern "schön vorsichtig und
steril" vorgehen müßten. Die
Beschwerdeführerin kannte die mit dem "Abquetschen"
verbundenen abstrakten Verkeimungsrisiken, ohne sich jedoch insoweit
einer konkreten Gefahr oder der Möglichkeit einer
gesundheitlichen Schädigung von Patienten bewußt zu
sein. Sie kannte den Vorgang des "Abquetschens" als eine seit langem -
zumindest in Ausnahmefällen - praktizierte Methode zur
Weiterverwendung von Rückläuferkonserven und ging von
der Billigung des Mitangeklagten und des weiteren davon aus,
daß der Mitangeklagte auf der Fortführung des
"Abquetschens" im Interesse der Verwertung der
Rückläuferkonserven bestehen würde. Die
Beschwerdeführerin hielt es für unmöglich,
bei lediglich institutsinterner Beschwerde das Gehör des
Mitangeklagten zu finden und das "Abquetschen" beenden zu
können, zumal sie mit ihrem Vorschlag, Blutbeutel mit ca. zehn
geschlossenen Schlauchsegmenten einzuführen, die eine
entsprechende Anzahl von Kreuzproben ohne Eingriff in das geschlossene
System ermöglicht hätten, bereits 1993 beim
Angeklagten nicht durchgedrungen war. An eine Anzeige an eine
gegenüber dem Mitangeklagten als Institutsleiter
übergeordnete Stelle ("ärztlicher Direktor,
Verwaltungsdirektor, klinischer Vorstand, Rektor, Bezirksregierung,
Ministerium" UA S. 44) dachte die Beschwerdeführerin nicht.
Insoweit ist die Kammer jedoch - ohne dies näher zu belegen -
überzeugt davon, daß eine solche Anzeige Erfolg
gehabt und zu einem Verbot des "Abquetschens" geführt
hätte.
II. Die Verfahrensrügen sind teilweise in
unzulässiger Form erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO),
teilweise sind sie unbegründet. Der Senat nimmt insoweit auf
die auch unter Berücksichtigung des weiteren
Revisionsvorbringens zutreffenden Ausführungen in der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts Bezug und bemerkt
ergänzend:
1. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des
§ 229 StPO geltend macht, hat sie zwar den Beschluß
der Strafkammer vom 19. März 1998 vorgelegt. Die Rüge
ist gleichwohl im Hinblick auf § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO
unzulässig, da die Revision das Protokoll der Hauptverhandlung
vom 27. März 1998 nur teilweise mitteilt und in dem fehlenden
Teil für die Beurteilung der Hemmung der Unterbrechungsfrist
gemäß § 229 Abs. 3 StPO wesentliche Fakten
festgehalten sind.
Die Rüge wäre auch unbegründet, da der
Fortsetzungstermin vom 18. März eine Verhandlung zur Sache
darstellte. Hierfür reichen Feststellungen zur
Verhandlungsfähigkeit und die Beauftragung eines
Sachverständigen aus (vgl. die Senatsentscheidung BGHR StPO
§ 229 Abs. 1 Sachverhandlung 1). Zum anderen gilt die Hemmung
bezüglich eines Angeklagten auch für den anderen
(vgl. Tolksdorf in KK 4. Aufl. § 229 Rdn. 11).
2. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung der
Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) geltend macht,
weil die Strafkammer die Todesbescheinigungen der verstorbenen
Patienten nicht in das Verfahren eingeführt habe, ist die
Rüge auch deshalb unzulässig, weil die in dem
vertraulichen Teil der vorgelegten Bescheinigungen
aufgeführten Todesursachen mit den diesbezüglichen
Feststellungen der Strafkammer zwanglos übereinstimmen und
sich aus dem Vortrag der Revision somit nicht ergibt, welches der
Beschwerdeführerin günstige Beweisergebnis die
vermißte Beweiserhebung erbracht hätte.
3. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, bei der
Hauptverhandlung am 20. November 1998 sei der Grundsatz der
Öffentlichkeit verletzt worden, ergibt sich aus der innerhalb
der Frist des § 345 Abs. 1 StPO eingereichten Revi-
sionsbegründung ein solcher Verstoß nicht. Die nach
Fristablauf in der Erwiderungsschrift nachgeschobene Tatsache, ein
Hinweisschild vor dem Krankenhausgebäude sei nicht vorhanden
gewesen, kann vom Revisionsgericht nach § 352 Abs. 1 StPO
nicht berücksichtigt werden.
III. Das Urteil hält materiell-rechtlicher
Überprüfung nicht stand. Das Landgericht nimmt eine
Täterschaft durch Unterlassen an. Die Feststellungen reichen
jedoch nicht aus, um eine Garantenstellung der
Beschwerdeführerin zu begründen. Auch die
Ursächlichkeit des Unterlassens für die eingetretenen
Todes- bzw. Körperverletzungserfolge ist nicht ausreichend
dargelegt. Die rechtlichen Mängel betreffen lediglich die
Verurteilung der Beschwerdeführerin, so daß eine
Erstreckung auf den Mitangeklagten gemäß §
357 StPO nicht in Betracht kommt.
1. Die Strafbarkeit wegen eines unechten Unterlassungsdelikts setzt
voraus, daß der Täter als Garant für das
betroffene Rechtsgut anzusehen ist. Dies ist der Fall, wenn eine
besondere Pflichtenstellung vorliegt, die über die
für jedermann geltende Handlungspflicht hinausgeht.
Ausreichende diesbezügliche Feststellungen enthält
das Urteil nicht.
a) Die Strafkammer führt in diesem Zusammenhang
zunächst aus, als stellvertretender Institutsleiterin habe der
Beschwerdeführerin die Rechtspflicht obgelegen, dafür
Sorge zu tragen, daß Empfänger von in der Blutbank
hergestellten Produkten durch diese keine vermeidbaren gesundheitlichen
Schäden erlitten. Somit sei sie insbesondere für die
Beachtung der Regeln der Hygiene und folglich dafür
verantwortlich gewesen, unzulässige Eröffnungen von
Konserven zu unterbinden.
Allein aus der formalen Stellung gemäß § 44
UG NRW läßt sich die Garantenstellung der
Beschwerdeführerin indes nicht ableiten. In § 44 Abs.
1 UG NRW ist bestimmt, daß der Leiter der Abteilung
für die Behandlung der Patienten und für die der
Krankenversorgung dienenden Untersuchungen und sonstigen
Dienstleistungen die ärztliche und fachliche Verantwortung
unbeschadet der Verantwortung der von ihm mit den Aufgaben der
Krankenversorgung betrauten Bediensteten trägt. Er ist
gegenüber allen Bediensteten der Abteilung, also auch
gegenüber seiner Vertretung, auf dem Gebiet der
Krankenversorgung weisungsbefugt. Gemäß §
44 Abs. 2 Satz 2 UG NRW wird der Stellvertreter auf Vorschlag des
Leiters der Abteilung vom klinischen Vorstand nach Anhörung
des Vorstands des medizinischen Zentrums auf Zeit bestellt.
Einzelheiten hierzu, insbesondere zu den Umständen der auf UA
S. 16 genannten Unterbrechung vom 14. bis zum 24. September 1994 sind
den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Konkrete inhaltliche,
über die Vertretung des Leiters im Fall von dessen
Verhinderung hinausgehende Pflichten und Aufgaben eines
stellvertretenden Abteilungsleiters sind in § 44 UG NRW nicht
festgelegt. Der Schluß der Kammer allein von der formalen
Stellung der Beschwerdeführerin auf eine Verantwortung
für die Beachtung der Regeln der Hygiene in dem gesamten
Institut ist somit nicht zulässig. Der gesetzlichen Regelung
läßt sich zwar entnehmen, daß den
Mitangeklagten als Abteilungsleiter eine umfassende Verantwortung
für die Vorgänge im Institut traf. Diese bestand
für die Beschwerdeführerin in entsprechendem
Maße jedoch nur dann, wenn der Mitangeklagte verhindert war,
und sie diesen in seiner Funktion als Leiter des Instituts zu vertreten
hatte. Ein diesbezügliches sorgfaltswidriges Unterlassen ist
aber nicht festgestellt.
b) Die Feststellungen begründen daneben keine Garantenstellung
der Beschwerdeführerin durch Ausübung einer Funktion
nach dem Arzneimittelgesetz oder einer sonstigen zur Tatzeit
für den Bereich der Transfusionsmedizin geltenden Regelung.
Die Beschwerdeführerin übte zu keinem Zeitpunkt die
Funktion eines Herstellungsleiters nach dem für den Umgang mit
Blutprodukten anwendbaren Arzneimittelgesetz (§ 4 Abs. 2 AMG)
aus. Dieser ist gemäß § 19 Abs. 1 AMG unter
anderem dafür verantwortlich, daß die Arzneimittel
entsprechend den einschlägigen Vorschriften hergestellt,
gelagert und gekennzeichnet werden. Auch als Kontrolleiter, der
gemäß § 19 Abs. 2 AMG die Verantwortung
dafür trägt, daß die Arzneimittel auf die
erforderliche Qualität geprüft werden, war die
Beschwerdeführerin nicht tätig. Sie wurde lediglich
in dem Protokoll einer Besichtigung vom 22. November 1993 als
Stufenplanbeauftragte bezeichnet. Als solcher hätte ihr
gemäß § 63a AMG die Sammlung und Bewertung
bekanntgewordener Meldungen über Arzneimittelrisiken, die
Koordination der notwendigen Maßnahmen und die
Erfüllung der Anzeigepflichten, soweit sie Arzneimittelrisiken
betreffen, obgelegen. Mit Schreiben vom 3. Februar 1994 teilte der
Verwaltungsdirektor der medizinischen Einrichtungen dem
Regierungspräsidium Düsseldorf jedoch mit,
daß der Mitangeklagte zum Stufenplanbeauftragten bestellt
worden sei. Eine spätere Änderungsanzeige erfolgte
nicht.
Auch eine in diesem Zusammenhang relevante Tätigkeit der
Beschwerdeführerin nach der Krankenhaushygieneverordnung NRW
läßt sich den Urteilsgründen nicht
entnehmen. Nach den Feststellungen sollte jede Abteilung
gemäß § 2 dieser Verordnung i. V. mit einem
Beschluß der Hygienekommission vom 1. März 1990
einen Hygienebeauftragten und einen Stellvertreter benennen. Zu dessen
in § 4 Abs. 2 der Verordnung festgelegten Aufgaben
gehörte es auch, Maßnahmen zur Verhütung
und Aufdeckung von Krankenhausin-
fektionen zu treffen. Der Mitangeklagte benannte gegenüber der
Verwaltung sich, die Beschwerdeführerin und zwei weitere
Ärzte als Hygienebeauftragte und Stellvertreter.
Feststellungen dazu, welche der benannten Personen welche Aufgaben
wahrnehmen sollten und wer als Hygienebeauftragter und wer nur als
dessen Stellvertreter benannt wurde, sind den Urteilsgründen
nicht zu entnehmen. Eine förmliche Bestellung erfolgte nicht.
Schließlich bestimmte Ziffer 1.5 der zur Tatzeit geltenden
Richtlinien zur Blutgruppenbestimmung und Bluttransfusion aus dem Jahre
1991, aufgestellt vom wissenschaftlichen Beirat der
Bundesärztekammer und vom Bundesgesundheitsamt (Deutscher
Ärzte-Verlag Köln 1992), daß
Träger von Einrichtungen, die transfusionsmedizinische
Aufgaben wahrnehmen, für eine angemessene personelle und
sachliche Ausstattung zuständig sind und einen für
diesen Bereich verantwortlichen Arzt, der eine den Aufgaben
entsprechende Qualifikation besitzen mußte, bestellen. Dem
verantwortlichen Arzt oblag auch die Organisation zur Vorbereitung und
zur Durchführung der Transfusion von Blut- und
Blutbestandteilkonserven. Er hatte das zugezogene Personal anzuleiten,
zu überwachen und entsprechende Anweisungen zu erteilen.
Unbeschadet der Frage der rechtlichen Verbindlichkeit dieser
Richtlinien ergeben die Feststellungen jedenfalls nicht, daß
die Beschwerdeführerin diese Funktion ausübte.
Aus dem Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens (TFG) vom 1. Juli
1998 (BGBl 1998 I 1752), mit dem das Blutspende- und Transfusionswesen
eine gesetzliche Grundlage erhalten hat, um dadurch das Risiko der
Übertragung von Infektionskrankheiten durch Blutprodukte zu
vermindern (vgl. BTDrucks. 13/9594 S. 1; 13/10643 S. 1), lassen sich
für die Tatzeit keine weitergehenden Verantwortlichkeiten
ableiten.
c) Den Feststellungen des Urteils ist auch nicht mit der erforderlichen
Deutlichkeit zu entnehmen, daß die
Beschwerdeführerin deshalb Garantin war, weil sie auf Grund
dienstlichen Auftrags oder tatsächlich im Bereich der Blutbank
eine Funktion ausübte, kraft derer sie für den Umgang
mit den Blutkonserven und/oder die Einhaltung von Hygienevorschriften
verantwortlich war (zur Garantenstellung eines Arztes unter dem
Gesichtspunkt der Übernahme der Verantwortung vgl. aus der
strafrechtlichen Rechtsprechung BGH NJW 1979, 1258; aus der allg.
Kommentarliteratur Jescheck in LK 11. Aufl. § 13 Rdn. 27;
Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 13 Rdn. 8;
Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 13 Rdn. 9; Stree in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 13 Rdn.
28a; aus der Fachliteratur Lenckner, Arzt und Strafrecht, in Praxis der
Rechtsmedizin S. 572 ff.; Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 2.
Aufl. Rdn. 34; aus der zivilrechtlichen Rechtsprechung BGH NJW 1979,
1248, 1249).
Die Strafkammer teilt lediglich an einer Stelle der
Sachverhaltsschilderung in einem Nebensatz mit, die
Beschwerdeführerin habe die tatsächliche Aufsicht
über die nichtärztlichen Mitarbeiter der Blutbank
geführt. Dieser bereits als solcher substanzlose, nicht durch
weitere Feststellungen näher konkretisierte Hinweis reicht
nicht aus. Bei der Garantenstellung handelt es sich um eine
für die Haftung aus einem unechten Unterlassensdelikt
schlechterdings unverzichtbare Voraussetzung. An dieser essentiellen
Bedeutung müssen sich die sachlich-rechtlichen
Darlegungsanforderungen im vorliegenden Fall orientieren. Die
Urteilsgründe enthalten jedoch keine auch nur
einigermaßen umfassende Darstellung der dienstlich
übertragenen oder tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben
der Beschwerdeführerin. Hinzu kommt, daß nach den
weiteren Feststellungen der Mitangeklagte die Fachaufsicht
über die Bediensteten des Instituts führte. Unter
diesen Umständen wären nähere, konkretere
Ausführungen zu den Aufgaben und Tätigkeiten der
Beschwerdeführerin im Institut erforderlich gewesen. So
wäre etwa darzustellen gewesen, ob und gegebenenfalls wie und
in welchem Umfang die Beschwerdeführerin mit der
Führung der Aufsicht über das nichtärztliche
Personal, das mit Blutprodukten befaßt war, betraut worden
ist. Wenn die Strafkammer die Wahrnehmung der Aufsichtsführung
nur aus der tatsächlichen Übung im Institut
hergeleitet hat, hätten die Tatsachen, aus denen dieser
Schluß gezogen worden ist, mitgeteilt werden müssen.
d) Entgegen der Auffassung der Strafkammer begründen die
Feststellungen schließlich keine Garantenstellung der
Beschwerdeführerin aus Ingerenz.
Die Strafkammer hat insoweit zwar rechtsfehlerfrei festgestellt,
daß die Beschwerdeführerin das "Abquetschen" in
einem Fall aktiv förderte, indem sie im Januar 1992 zu der
Zeugin R. sagte, die vor dieser auf dem Tisch liegenden Konserven
sollten "abgequetscht" werden. Soweit sie aus diesem einzelnen Vorfall
eine Garantenstellung für Geschehnisse ableitet, die sich im
Jahre 1994 und damit mehr als zwei Jahre später ereigneten,
ist dies jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen nicht
ausreichend. Ein pflichtwidriges Vorverhalten begründet nur
dann eine Garantenstellung, wenn es die nahe Gefahr des Eintritts des
konkret untersuchten tatbestandsmäßigen Erfolges
verursacht (st. Rspr., vgl. BGHR StGB § 13 I Garantenstellung
14; Jescheck in LK 11. Aufl. § 13 Rdn. 32; Stree in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 13 Rdn.
34). Dem Urteil läßt sich jedoch nicht mit der
erforderlichen Sicherheit entnehmen, daß sich die Aussage der
Beschwerdeführerin gegenüber der Schwester R. zur
Tatzeit im Jahre 1994 noch gefahrerhöhend ausgewirkt hat.
Weder ist festgestellt, daß bei dem Vorfall weitere
Mitarbeiter anwesend waren, noch daß die Zeugin R. ihn
weitererzählt hat oder daß die Zeugin R. im Jahre
1994 überhaupt noch im Institut tätig war. Im
übrigen wird in den Urteilsgründen festgestellt,
daß ab 1992 wiederholt Ärzte eine
ausdrückliche Anweisung zum "Abquetschen" erteilt haben, wobei
allerdings nur die Ärzte Dr. Z. und Dr. E. , nicht aber die
Beschwerdeführerin genannt werden. Wesentlich ist dabei der
Umstand, daß der Mitangeklagte als Institutsleiter die Praxis
des "Abquetschens" kannte und duldete. Bei der Gesamtbewertung des
Vorverhaltens hätte auch berücksichtigt werden
müssen, daß die Beschwerdeführerin
gegenüber dem Mitangeklagten im Jahre 1993 den Vorschlag
machte, ein Beutelsystem mit etwa zehn außerhalb des
geschlossenen Systems befindlichen Schlauchsegmenten zu benutzen, was
ein "Abquetschen" praktisch überflüssig gemacht
hätte.
e) Soweit der strafrechtliche Vorwurf gegen die
Beschwerdeführerin ferner darauf gestützt wird, sie
habe es nach Transfusionszwischenfällen unterlassen, auf die
Durchführung bakteriologischer Tests hinzuwirken,
läßt sich den Feststellungen auch insoweit keine
Garantenstellung entnehmen. Zwar führt die Kammer in diesem
Zusammenhang aus, die Beschwerdeführerin habe im Jahre 1990
eine Handlungsanweisung für Transfusionszwischenfälle
erstellt. Etwas nähere Angaben macht das Urteil noch im Rahmen
der Beweiswürdigung. Dort wird dargelegt, daß die
Beschwerdeführerin neben dem Mitangeklagten
Zwischenfallberichte unterzeichnet habe. Ob die
Beschwerdeführerin dies regelmäßig oder gar
in jedem Fall tat, nur für eine bestimmte Gruppe von Patienten
zuständig war oder die Berichte nur bei Abwesenheit des
Mitangeklagten als dessen Stellvertreterin unterschrieb, teilt das
Urteil nicht mit. So bleibt unklar, welche genauen Aufgaben die
Beschwerdeführerin im Jahre 1994 im Zusammenhang mit der
Aufklärung von Transfusionszwischenfällen hatte.
2. Schließlich ist auch die Ursächlichkeit des
Unterlassens für den Eintritt des Erfolges nicht ausreichend
belegt.
Bei der Prüfung der Ursächlichkeit des
Pflichtenverstoßes ist hypothetisch zu fragen, was geschehen
wäre, wenn sich der Täter
pflichtgemäß verhalten hätte. Nach
feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine
pflichtwidrige Unterlassung der Beschwerdeführerin
grundsätzlich nur angelastet werden, wenn der strafrechtlich
relevante Erfolg bei pflichtgemäßem Handeln mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden
wäre (vgl. BGHR StGB § 222 Kausalität 1, 2,
3, 4 jeweils m.w.Nachw.; Lenckner, Arzt und Strafrecht, in Praxis der
Rechtsmedizin S. 571; Ulsenheimer, MedR 1992, 127, 130; Stree in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 13 Rdn.
61 m.w.Nachw.; demgegenüber will die Gegenmeinung eine
bloße Risikoerhöhung ausreichen lassen, vgl. Roxin,
ZStW 74 (1962), 411, 430 ff.; vgl. auch die Nachweise bei BGHSt 37,
106, 127). Weiter muß bei den Erfolgsdelikten zur
sachgemäßen Begrenzung der objektiven
Zurechenbarkeit der Erfolg seinen Grund gerade in der objektiven
Pflichtverletzung haben.
Die Kammer führt hierzu lediglich aus, sie sei angesichts der
Eindeutigkeit des Regelverstoßes einerseits und der
fachlichen und dienstlichen Autorität der
Beschwerdeführerin andererseits davon überzeugt,
daß zumindest eine schriftliche Eingabe an
übergeordnete Stellen zu einem kurzfristigen Verbot des
"Abquetschens" bis spätestens Frühjahr 1994
geführt und die dadurch verursachten
Transfusionszwischenfälle verhindert hätte.
Weitergehende Ausführungen zur Kausalität enthalten
die Entscheidungsgründe nicht. Dies ist nicht ausreichend. Die
Besonderheiten des zu beurteilenden Geschehens erforderten hier eine
eingehendere Darlegung der Beweiswürdigung.
Die Strafkammer teilt nicht einmal mit, ob die getroffene Feststellung
überhaupt auf der Aussage eines oder mehrerer Zeugen oder der
Verwertung eines sonstigen Beweismittels beruht. Der Senat kann deshalb
nicht ausschließen, daß die
Schlußfolgerung der Strafkammer eine bloße
Vermutung ist. Der Schluß erscheint nach den übrigen
Feststellungen keineswegs so naheliegend oder gar
selbstverständlich, daß es entsprechender
Darlegungen nicht bedurft hätte. Der Mitangeklagte kannte und
billigte die Praxis des "Abquetschens". Bei einer Anzeige an eine
höhere Behörde wäre zu erwarten gewesen,
daß diese sich mit dem Mitangeklagten als Institutsleiter in
Verbindung setzt, um dessen Auffassung zu erfahren und gegebenenfalls
bei der zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen. Der
fachlichen Autorität der Beschwerdeführerin
hätte dann die als höher einzustufende fachliche
Autorität des Mitangeklagten gegenübergestanden. Ob
die höhere Behörde unter diesen Umständen zu
dem von der Strafkammer dargestellten Ergebnis gelangt wäre,
versteht sich jedenfalls nicht von selbst. Hinzu kommt, daß
nach den Feststellungen die übergeordneten Stellen auch sonst
bei Entscheidungen die angespannte Haushaltslage
berücksichtigt haben und es an der gebotenen personellen und
sachlichen Ausstattung der Blutbank fehlen ließen. So war es
dem Mitangeklagten spätestens seit Anfang der neunziger Jahre
nicht mehr möglich, die Blutbank durch Neubauten erweitern zu
lassen oder von ihm als dringend benötigt angemeldete
Einrichtungen wie eine zentrale EDV-Anlage zu erhalten. Weiter hat die
Strafkammer nicht festzustellen vermocht, daß eine
vollständige Umsetzung der Krankenhaushygieneverordnung NRW
durch den Krankenhausträger - sofern sie denn von einer
übergeordneten Stelle überhaupt angeordnet worden
wäre - das "Abquetschen" verhindert hätte. Das
Institut ist zudem im Herbst 1993 durch die Aufsichtsbehörde
untersucht worden, wenn auch nach den Feststellungen nur der Bereich
der Herstellung der Konserven und nicht deren "Weiterverarbeitung"
begutachtet wurde. Dabei ist der Aufsichtsbehörde das nach den
Urteilsgründen offensichtliche "Abquetschen" nicht als
beanstandenswert aufgefallen. Schließlich ist zu beachten,
daß das "Abquetschen" in dem Institut über einen
Zeitraum von annähernd 20 Jahren praktiziert wurde. Wieso eine
Meldung der seit langer Zeit in dem Institut tätigen
Beschwerdeführerin dazu geführt hätte,
daß das "Abquetschen" gerade ab "spätestens dem
Beginn des Jahres 1994" untersagt worden wäre, wird in den
Urteilsgründen ebenfalls nicht näher dargelegt.
Die Strafkammer führt schließlich unter Hinweis auf
die vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGHSt 37, 106 ff.
entwickelten Grundsätze zur Kausalität in einem Fall,
in dem die zur Schadensabwendung gebotene Maßnahme nur durch
Zusammenwirken mehrerer Beteiligter zustande kommt, aus, die
Beschwerdeführerin könne sich nicht dadurch
entlasten, daß ihr Bemühen, die Entscheidung einer
höheren Behörde herbeizuführen,
möglicherweise erfolglos geblieben wäre.
Könne die zur Schadensabwendung gebotene Maßnahme
nur durch Zusammenwirken mehrerer Beteiligter zustande kommen, so setze
jeder, der es trotz seiner Mitwirkungspflicht unterlasse, seinen
Beitrag dazu zu leisten, eine Ursache dafür, daß die
gebotene Maßnahme unterbleibe. Dabei verkennt die
Strafkammer, daß sich der vorliegende Sachverhalt von
demjenigen, welcher der genannten Entscheidung zugrunde lag,
maßgeblich unterscheidet. Dort ging es um die gemeinsame und
gleichstufige Verantwortung mehrerer Geschäftsführer
einer GmbH für den Rückruf eines Produkts (vgl. BGH
aaO S. 132). So liegt es hier nicht. Das von der
Beschwerdeführerin unterlassene Handeln sollte nicht gemeinsam
und in gleichstufiger Verantwortung mit dem Mitangeklagten gefordert
werden, sondern vielmehr durch sie allein an Stelle des in erster Linie
verantwortlichen, aber pflichtwidrig untätigen Leiters des
Instituts.
Soweit es um die Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin
wegen des Unterlassens bakteriologischer Tests geht, stellt die Kammer
eine Kausalität für die ersten Zwischenfälle
bei den Patienten S. und Br. selbst nicht fest. Im übrigen ist
auch in diesem Zusammenhang nicht ausreichend dargelegt, daß
es auf eine Intervention der Beschwerdeführerin hin zu einer
Anordnung solcher Tests gekommen wäre, zumal der in der
Fachwelt renommierte Mitangeklagte als Institutsleiter sich ersichtlich
aus finanziellen Gründen eindeutig dagegen ausgesprochen
hatte. Sein Wort hätte bei den höheren Stellen
Gewicht gehabt.
3. Die von der Frage der Verantwortlichkeit der
Beschwerdeführerin abgrenzbaren Feststellungen zur
Kontaminierung der Blutkonserven mit dem Bakterium Rahnella aquatilis
und der Ursächlichkeit dieser Verseuchung für den Tod
bzw. die Körperverletzung der betroffenen Patienten
können bestehen bleiben. Sie werden durch die aufgezeigten
Rechtsfehler nicht betroffen und sind auch unter
Berücksichtigung der gegen sie gerichteten Angriffe der Revi-
sion nicht zu beanstanden. Insbesondere enthält die
diesbezügliche Beweiswürdigung keinen Rechtsfehler.
Allerdings sind die Feststellungen zur Sorgfaltswidrigkeit des
"Abquetschens" und zur Nichteinhaltung steriler Bedingungen nicht
aufrechterhalten und neu zu treffen. Dabei wird klarzustellen sein, ob
bereits die Methode des "Abquetschens" als solche oder erst ihre
Durchführung unter nicht sterilen Bedingungen als
sorgfaltswidrig angesehen wird (vgl. dazu die
mißverständliche Begründung zur Ablehnung
eines Hilfsbeweisantrags auf UA S. 161, 162, in der ein Widerspruch zur
sonstigen Urteilsbegründung gesehen werden könnte).
IV. Mit der Entscheidung des Senats hat sich die gegen die
Kostenentscheidung des Landgerichts eingelegte sofortige Beschwerde
erledigt.
V. Für die neue Hauptverhandlung gibt der Senat folgende
Hinweise:
1. Die neu entscheidende Strafkammer wird auch Gelegenheit zur
Prüfung haben, ob die Beschwerdeführerin bei ihrer
Rückkehr aus dem Urlaub am 19. September 1994 (vgl. dazu ihre
Angaben in der Revisionsbegründung S. 92) nicht Veranlassung
gehabt hätte, Sofortmaßnahmen auf Grund der
bekanntgewordenen Zwischenfälle einzuleiten, bevor sie am 22.
September 1994 zu einer Tagung gefahren ist. Dazu wird ihr
Kenntnisstand bei Urlaubsrückkehr und ihre verantwortliche
Stellung im Institut nach Ablauf ihrer formalen Bestellung als
Stellvertreterin zu prüfen sein, insbesondere ob sie nicht
bereits am 19. September 1994 auf die Bestellung eines Stellvertreters
hätte dringen müssen, da der Mitangeklagte zu dieser
Zeit in Urlaub war. Dabei wird auch zu klären sein, wie es
dazu kommt, daß nach UA S. 45 ein Schreiben vom 12. September
1994 von beiden Angeklagten unterzeichnet worden sein soll, obwohl zu
dieser Zeit nach den Urteilsfeststellungen der Mitangeklagte (UA S. 47)
und nach ihren eigenen Angaben auch die Beschwerdeführerin (S.
92 der Revi-
sionsbegründung) in Urlaub abwesend gewesen sein sollen.
2. Je nach der festgestellten Stellung im Institut und der
Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin für die
Transfusionszwischenfälle wird nicht nur Täterschaft
durch Unterlassen, sondern gegebenenfalls auch Täterschaft
durch positives Tun zu prüfen sein (vgl. zur Abgrenzung bei
Jescheck in LK 11. Aufl. Rdn. 90 vor § 13 StGB).
3. Bei der Beurteilung der Frage einer Sorgfaltspflichtverletzung wird
zu beachten sein, daß an das Maß der
ärztlichen Sorgfalt hohe Anforderungen zu stellen sind. Art
und Maß der anzuwendenden Sorgfalt ergeben sich aus den
Anforderungen, die bei einer Betrachtung der Gefahrenlage "ex ante" an
einen besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und
der sozialen Rolle des Handelnden zu stellen sind (vgl.
Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 15 Rdn. 37).
Für die Beurteilung ärztlichen Handelns gibt es kein
"Ärzteprivileg", wonach die strafrechtliche Haftung sich etwa
auf die Fälle grober Behandlungsfehler beschränkt
(vgl. Ulsenheimer, MedR 1984, 161, 162; ders. MedR 1992, 127, 129).
Maßgebend ist der Standard eines erfahrenen Facharztes, also
das zum Behandlungszeitpunkt in der ärztlichen Praxis und
Erfahrung bewährte, nach naturwissenschaftlicher Erkenntnis
gesicherte, von einem durchschnittlichen Facharzt verlangte
Maß an Kenntnis und Können. Da aus medizinischen
Maßnahmen besonders ernste Folgen entstehen können
und der Patient regelmäßig die
Zweckmäßigkeit oder Fehlerhaftigkeit der Handlung
nicht beurteilen kann, sind an das Maß der
ärztlichen Sorgfalt hohe Anforderungen zu stellen (st. Rspr.,
vgl. BGHSt 6, 282, 288; BGH bei Dallinger, MDR 1972, 384, 385; vgl. aus
der Lit. etwa Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis 2. Aufl. Rdn.
18; Schroeder in LK 11. Aufl. § 16 Rdn. 197; Cramer in
Schönke/ Schröder, StGB 25. Aufl. § 15 Rdn.
219). Diese schon grundsätzlich hohen Sorgfaltsanforderungen
gelten für den besonders gefahrenträchtigen Bereich
der Transfusionsmedizin erst recht (vgl. aus dem strafrechtlichen
Bereich BGH GA 1969, 246 = DMW 1969, 92, 93; BGH, Urt. vom 27. Februar
1957 - 2 StR 5/57; Jähnke in LK 11. Aufl. § 222 Rdn.
10; aus dem zivilrechtlichen Bereich BGHZ 114, 284, 291 f.; 116, 379,
382; Weißauer/Opderbecke, MedR 1992, 307 ff.; Fahrenhorst,
MedR 1992, 74 ff.; Hart, MedR 1995, 61 ff.; Teichner, MedR 1986, S. 110
ff.; Weißauer, MedR 1987, 272 ff.; zur zivilrechtlichen
Haftung bei Hygienezwischenfällen vgl. Stegers, MedR 1988, 227
ff.; ders., MedR 1997, 390, 392).
4. Soweit sich die Beschwerdeführerin maßgeblich
auch damit verteidigt, das Bakterium Rahnella aquatilis sowie dessen
Gefährlichkeit nicht gekannt zu haben, wird zu prüfen
sein, ob dieser Umstand für die Frage der Vorhersehbarkeit der
eingetretenen Folgen nicht deswegen bedeutungslos ist, weil nur eine
unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf vorliegt.
Kutzer Rissing-van Saan Miebach
Winkler Pfister |