BGH,
Urt. v. 19.2.2003 - 2 StR 371/02
2 StR 371/02
WaffG §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 1 Nr. 2;
KWKG §§ 15 Abs. 1, 22a Abs. 1 Nr. 4;
SprengG §§ 1 Abs. 4 Nr. 1, 40 Abs. 2 Nr. 1
1. Dienstlich ist jede Tätigkeit eines Bundeswehrsoldaten, die
zu seinem allgemeinen Aufgabenbereich gehört oder damit in
unmittelbarem Zusammenhang steht, nach objektiven Gesichtspunkten
äußerlich als Diensthandlung erscheint und von dem
Willen getragen ist, dienstliche Aufgaben zu erfüllen.
2. Eine den allgemeinen Vorschriften unterfallenden Privathandlung
eines Soldaten liegt namentlich dann vor, wenn die Handlung in keinem
Zusammenhang mit dienstlichen Aufgaben steht oder wenn sie nicht auf
die - wenngleich unter Umständen vorschriftswidrige -
Erfüllung der dem Soldaten nach dienstlicher Stellung und
allgemeiner Zuständigkeit obliegenden Pflichten oder die
Erreichung dienstlicher Zwecke gerichtet ist, sondern allein privaten
Zwecken dient.
BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 - 2 StR 371/02 - LG Darmstadt
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
19. Februar 2003
in der Strafsache gegen
1.
2.
3.
wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 19.
Februar 2003 aufgrund der Hauptverhandlung am 7. Februar 2003, an der
teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr.
Rissing-van Saan und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Otten, die
Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß, Prof. Dr. Fischer, die
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Bundesanwalt als Vertreter
der Bundesanwaltschaft, der Angeklagte in Person in der Verhandlung,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten , Rechtsanwalt ,
Rechtsanwältin , beide in der Verhandlung als Verteidiger
für den Angeklagten , Rechtsanwalt in der Verhandlung als
Verteidiger für den Angeklagten , Justizangestellte in der
Verhandlung, Justizhauptsekretärin bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle, für Recht
erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Darmstadt vom 15. Mai 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten W. und K. wegen tateinheitlichen
vorsätzlichen Einführens von Kriegswaffen, Munition
und explosionsgefährlichen Stoffen zu Freiheitsstrafen von
sieben Monaten und elf Monaten, den Angeklagten L. wegen
tateinheitlichen fahrlässigen Einführens von
Kriegswaffen und von Munition sowie vorsätzlichen
Einführens von explosionsgefährlichen Stoffen zu
einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt; die Vollstreckung
der Freiheitsstrafen wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die
Revisionen der Angeklagten führen mit der Sachrüge
zur Aufhebung des Urteils.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts sind die Angeklagten
Angehörige der Bundeswehr; der Angeklagte L. im Dienstrang
eines Majors, der Angeklagte K. im Dienstrang eines Hauptmanns und der
Angeklagte W. im Dienstrang eines Hauptfeldwebels. Die Angeklagten
waren mit ihrer Einheit, einer vom Angeklagten L. geführten
Panzerpionierkompanie, vom 12. Juni 1999 bis Anfang August 1999 als
Teil der KFOR-Streitkräfte im Kosovo stationiert. Der
Angeklagte L. , der als Pionier hinsichtlich Waffen und Munition nur
sachkundig war, d. h. über keine speziellen Kenntnisse
verfügte, war Dienstvorgesetzter des Angeklagten K. , der
einen Kampfmittelräumzug führte; dieser war
Dienstvorgesetzter des als Truppführer eingesetzten
Angeklagten W. . K. und W. verfügten als Feuerwerker
über Fachkunde.
Allgemeiner dienstlicher Auftrag der Feuerwerker war es, Munition und
Sprengmittel aufzufinden, zu räumen oder zu vernichten; vom
Kommandeur der Brigade war befohlen worden, gefundene Waffen und
Munition sofort zu vernichten oder zur nächsten Sammelstelle
zu verbringen. Aufgrund der besonderen Situation nach dem Ende der
Kampfhandlungen im Kosovo wurden überdies durch Befehl alle
Soldaten auf das Verbot hingewiesen, gefundene Waffen oder Munition mit
nach Deutschland zu nehmen.
Am 24. Juni 1999 wurde durch den vom Angeklagten W. geführten
Zug in einem ehemaligen Ausbildungslager der jugoslawischen Armee eine
große Menge Minenkörper und Munition
unterschiedlichster Art gefunden, die aus osteuropäischer
Produktion stammte. Der Angeklagte K. ließ das Material
entgegen der genannten Befehlslage nicht zur offiziellen Sammelstelle,
sondern in die Fahrzeughalle des Bataillons bringen, dem die vom
Angeklagten L. geführte Kompanie angehörte. Dort
wurde das Material auf einem zunächst ungesicherten,
später mit Stacheldraht umgebenen Haufen aufgeschichtet; aus
anderen Funden wurden in der Folgezeit noch scharfe Gefechtsmunition
und scharfe Handgranatenzünder hinzugefügt.
Die Angeklagten K. und W. sowie der frühere Mitangeklagte V.
kamen - entsprechend früheren Plänen -
überein, dieses Wehrmaterial nicht abzuliefern, sondern es zu
Ausbildungszwecken mit nach Deutschland zu nehmen, da es hier an
entsprechendem osteuropäischen Material namentlich
für die Pionierausbildung fehlte. Dabei war vorgesehen, das
Material an den Heimatstandort der Angeklagten K. und W. in K. zu
versenden; dort sollte es von K. nach dessen Rückkehr auf
verschiedene Bundeswehreinheiten und Heeresschulen zu Zwecken der
Pionierausbildung verteilt werden.
Der Angeklagte L. , dem zuvor durch den Angeklagten W. eine der
gefundenen Übungsminen mit explosionsstoffhaltiger Rauchladung
vorgeführt worden war und der hierbei die Überzeugung
gewonnen hatte, daß das Material zu Ausbildungszwecken in
Deutschland gut geeignet sei, stimmte dem Vorhaben unter der
Voraussetzung zu, daß eine Genehmigung der Brigade eingeholt
und das Material auf dem Seeweg als Gefahrgut nach Deutschland
transportiert werde. Daraufhin wurde beim Stab der Brigade ein
entsprechender Antrag gestellt, der sich allerdings unzutreffend allein
auf unscharfes Material bezog; daß das Material bereits in
die Fahrzeughalle gebracht worden war, wurde nicht mitgeteilt.
Ohne eine Genehmigung abzuwarten, befahl der Angeklagte K. , das
Material in Boxenpaletten zu verpacken und auf dem Landweg an seinen
Heimatstandort K. zu versenden. Das Material wurde daraufhin von W. und
V. unter Zuziehung weiterer Soldaten in 25 Boxenpaletten verpackt. W.
äußerte Bedenken gegen die Mitnahme der scharfen
Gefechtsmunition und der scharfen Handgranatenzünder, setzte
aber den Beladevorgang fort; V. fügte heimlich noch vier
Pistolen hinzu. Zutreffende und vollständige Ladelisten wurden
nicht erstellt; einzelnen Boxen wurden handschriftliche Listen mit
unvollständigen Angaben beigefügt. Das mehrere Tage
dauernde Verpacken des Materials bemerkte auch der Angeklagte L. ;
dieser schritt dagegen nicht ein und kontrollierte weder das Vorliegen
einer Genehmigung noch den Paletteninhalt und den vorgesehenen
Transportweg.
Am 4. Juli 1999 ließ der Angeklagte K. sieben Paletten auf
dem Landweg durch eine im Auftrag der Bundeswehr tätige
private Spedition nach Deutschland transportieren. Als Versender war
die Panzerpionierkompanie , als Empfänger der
Kampfmittelbeseitigungszug des Angeklagten W. am Bundeswehrstandort K.
angegeben.
Am 14. Juli 1999 reichte der Angeklagte K. auf dem Dienstweg den Antrag
ein, von aufgefundenen Waffen "ca. drei Exemplare pro Waffentyp"
für Ausbildungszwecke an den Stammtruppenteil nach Deutschland
versenden zu dürfen. Eine Genehmigung wurde vom
Bundesministerium für Verteidigung zunächst nicht
erteilt; vielmehr wurde mitgeteilt, an einer Weisung für den
konkreten Einzelfall werde gearbeitet.
In den bereits am 4. Juli 1999 versandten Paletten befand sich neben
explosivstoffreiem Material auch eine große Menge
explosivstoffhaltiges
Übungsmaterial, scharfe Gefechtsmunition sowie scharfe, auch
selbständig explosionsfähige
Handgranatenzünder. Die Paletten trafen am 26. Juli 1999 im
Logistikzentrum der Bundeswehr in D. ein und wurden dort, da sie nicht
ordnungsgemäß deklariert waren, geöffnet.
Hierbei wurde festgestellt, daß sich während des
Transports ein Minenzünder entzündet hatte.
Am 26. Juli 1999 erteilte die Führung der Brigade in P. die
beantragte Genehmigung zur Versendung unscharfer Materialien zu
Ausbildungszwecken nach Deutschland. Nach Entdeckung der
befehlswidrigen Versendung wurde die Genehmigung
zurückgenommen. Dennoch wurden die nach Deutschland versandten
unscharfen Wehrmaterialien teilweise zu Ausbildungszwecken an
verschiedene Bundeswehreinheiten verteilt; der Rest wurde vernichtet.
Die Angeklagten K. und W. handelten als fachkundige Feuerwerker in
genauer Kenntnis der Eigenschaften des eingeführten Materials
und des Fehlens der erforderlichen Genehmigung. Für den
Angeklagten L. hat das Landgericht bedingten Vorsatz nur hinsichtlich
des explosivstoffhaltigen Übungsmaterials, nicht jedoch
hinsichtlich der scharfen Gefechtsmunition und der
Handgranatenzünder festgestellt, jedoch insoweit angenommen,
der Angeklagte habe es aus Nachlässigkeit unterlassen, sich
hinreichend zu unterrichten und das eigenmächtige Vorgehen
seiner Untergebenen zu kontrollieren und zu unterbinden.
Das Landgericht hat im Hinblick auf die scharfe Munition den Tatbestand
des § 53 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, auf die
Handgranatenzünder den Tatbestand des § 22 a Abs. 1
Nr. 4 Kriegswaffenkontrollgesetz und hinsichtlich der
explosivstoffhaltigen Übungsmaterialien den Tatbestand des
§ 40 Abs. 2 Nr. 1 Sprengstoffgesetz als verwirklicht angesehen
und die Angeklagten K. und W. jeweils wegen vorsätzlicher
mittäterschaftlicher Einfuhr, den Angeklagten L. wegen
vorsätzlicher Einfuhr der Explosivstoffe und wegen durch
Unterlassen begangener fahrlässiger Einfuhr der Munition und
der Kriegswaffenteile verurteilt. Einen Ausschluß der
Anwendbarkeit der genannten Tatbestände
gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 WaffG, §
15 Abs. 1 KWKG, § 1 Abs. 4 Nr. 1 SprengG hat das Landgericht
abgelehnt, da es sich bei den Tathandlungen nicht um dienstliche,
sondern um Privathandlungen der Angeklagten gehandelt habe.
2. Diese Beurteilung hält aus sachlich-rechtlichen
Gründen der rechtlichen Prüfung nicht stand; auf die
vom Angeklagten L. erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher
nicht an. Zutreffend wenden die Revisionen der Angeklagten ein, das
Landgericht habe die Anwendbarkeit der genannten Strafvorschriften auf
das Handeln der Angeklagten rechtsfehlerhaft bejaht.
a) Der Tatbestand des § 53 WaffG ist gemäß
§ 6 Abs. 1 Satz 1 WaffG in der zur Tatzeit geltenden Fassung
"auf ... die Bundeswehr ... nicht anzuwenden", soweit diese dienstlich
tätig wird. Entsprechend regelt § 15 Abs. 1 KWKG,
daß die Vorschriften der §§ 2 bis 4 a KWKG
über die Genehmigungspflichtigkeit des Umgangs mit
Kriegswaffen, an welche der Verbrechenstatbestand des § 22 a
Abs. 1 Nr. 4 und der Vergehenstatbestand des § 22 a Abs. 4
KWKG anknüpfen, "für die Bundeswehr ... (nicht
gelten)". Gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 1 SprengG
gilt das Sprengstoffgesetz nicht "für die Bundeswehr". Diese
Regelungen nehmen übereinstimmend den Umgang mit Waffen,
Kriegswaffen und Explosivstoffen umfassend vom Anwendungsbereich der
genannten Gesetze aus, soweit solche Handlungen von
Angehörigen der Bundeswehr - darüber hinaus auch
weiterer Exekutivorgane des Bundes und der Länder - im Rahmen
dienstlicher Tätigkeit ausgeführt werden. Der
unterschiedliche Wortlaut der genannten Vorschriften steht dem nicht
entgegen. Eine Differenzierung zwischen der Bundeswehr als Organ und
den der Bundeswehr angehörigen oder für sie
tätigen Personen scheidet insoweit schon deshalb aus, weil
Handlungen des Staatsorgans Bundeswehr notwendig von
natürlichen Personen in Erfüllung dienstlicher
Aufgaben ausgeführt werden. Die Auffassung des Landgerichts,
die Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 KWKG (und entsprechend
§ 1 Abs. 4 Nr. 1 SprengG, § 6 Abs. 1 Satz 1 WaffG)
gelte "nur (für) das Organ Bundeswehr, nicht aber für
den einzelnen Soldaten" (UA S. 15), bestimmt den Ausgangspunkt der
rechtlichen Prüfung daher nicht zutreffend.
Das ergibt sich im übrigen auch aus dem Zweck der genannten
Ausnahmeregelungen. Ihnen liegt die Erwägung des Gesetzgebers
zugrunde, daß es wenig sinnvoll erschiene, wenn sich oberste
Bundes- und Landesbehörden selbst eine "Genehmigung" zum
Umgang mit Waffen und Explosivstoffen erteilen
müßten, und daß innerhalb der genannten
bewaffneten Organe umfangreiche Regelungen und
Überwachungsvorschriften gelten, welche den Sicherungszweck
gegenüber Bediensteten und Außenstehenden
gleichermaßen erfüllen und den speziellen Aufgaben
dieser Behörden Rechnung tragen (vgl. BT-Drucks. III/1989, S.
23; V/1268, S. 46; V/528, S. 36; VI/2678, S. 38; VI/2379, S. 15;
Steindorf in Erbs/Kohlhaas WaffG § 6 Rdn. 3 ff., 5; SprengG
§ 1 Rdn. 8; Hinze, Waffenrecht, KWKG § 15 Anm. 1;
Pottmeyer, KWKG, 2. Aufl. § 15 Rdn. 2; Pathe in Bieneck
[Hrsg.], Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 1998,
§ 41 Rdn. 36; Pietsch in Holzmann/John [Hrsg.] Ausfuhrrecht,
2002, KWKG § 15 Rdn. 2; Apel/Keusgen, Sprengstoffgesetz,
Kommentar, 2. Aufl., 13. Lfg. 2001, § 1 Rdn. 9 ff.;
Potrykus/Steindorf, Waffenrecht, 7. Aufl. 1999, WaffG § 6 Rdn.
3 ff.). Hieraus folgt, daß Angehörige der
Bundeswehr, soweit sie im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit
Umgang mit Waffen, Kriegswaffen oder Explosivmaterial haben, von den
Genehmigungsvorschriften der allgemeinen Gesetze und daher auch von
deren hieran anknüpfenden Strafvorschriften ausgenommen sind.
Die waffen- oder sprengstoffrechtliche Genehmigung wird für
sie nicht lediglich fingiert; vielmehr treten innerdienstliche
Erlaubnis-, Sicherungs- und Verbotsvorschriften umfassend an die Stelle
der allgemeinen Regelungen.
b) Die Ausnahmeregelungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KWGK,
§ 1 Abs. 4 Nr. 1 SprengG, § 6 Abs. 1 Satz 1 WaffG
gelten andererseits, wie sich aus
ihrem Wortlaut und Zweck ergibt, nicht pauschal für
Angehörige oder Bedienstete der dort genannten Staatsorgane;
sie knüpfen nicht an den Status von Personen an, sondern an
die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben durch Personen als
Angehörige bestimmter Exekutivorgane des Staats. Dies ergibt
sich für das Waffenrecht im Gegenschluß aus dem
Wortlaut des § 6 Abs. 1 WaffG, gilt aber nach dem
dargestellten Gesetzeszweck gleichermaßen für die
kriegswaffen- und sprengstoffrechtlichen Ausnahmevorschriften. Von den
allgemeinen Genehmigungsvorschriften befreit können Personen
daher nicht schon deshalb sein, weil sie Angehörige oder
Bedienstete der dort genannten Staatsorgane sind, sondern nur insoweit,
als sie in Erfüllung von Aufgaben dieser Organe, somit
"dienstlich" handeln.
c) Dies hat das Landgericht im Grundsatz zutreffend gesehen; es hat
aber, ausgehend von seinem Ansatz, von den Genehmigungsvorschriften
ausgenommen sei nur das Organ Bundeswehr, nicht aber der einzelne
Soldat, seiner Prüfung einen zu engen Begriff der dienstlichen
Tätigkeit zugrunde gelegt. Es hat angenommen, die Handlungen
der Angeklagten seien keine dienstliche Tätigkeit, sondern
Privathandlungen gewesen, welche die Angeklagten nur "unter dem
Deckmantel einer Diensthandlung" vorgenommen hätten (UA S. 14
f.). Der Begriff des dienstlichen Tätigwerdens sei
für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der
Ausnahmeregelungen enger auszulegen als etwa im Bereich der
Bestechungsdelikte, da der dienstliche Charakter einer Handlung dort
die Strafbarkeit begründe, sie hier aber
ausschließe. Voraussetzung für den
Anwendungsausschluß sei daher, daß der einzelne
Soldat "im konkreten Fall ... in Abstimmung mit der Leitung der
Bundeswehr handelt" (UA S. 15). Das sei hier nicht gegeben, denn der
dienstliche Auftrag zur Ausbildung der ihm untergebenen Soldaten habe
sich für den Angeklagten L. allein auf die Weitergabe seiner
Kenntnisse, nicht aber auf die Beschaffung von Ausbildungsmaterial
bezogen; die Angeklagten K. und W. seien nur hinsichtlich der
für den Auslandseinsatz benötigten Versorgungs- und
Ausrüstungsgüter für die Logistik
zuständig gewesen, nicht aber für die Versendung von
Gegenständen nach Deutschland.
Dies zieht den Anwendungsbereich der Ausschlußvorschriften zu
eng. Die vom Landgericht vertretene Auffassung würde im
Ergebnis dazu führen, daß der Umgang eines Soldaten
mit Waffen und Sprengstoffen allein dann von der Anwendung der
allgemeinen, das Erfordernis einer behördlichen Genehmigung
voraussetzenden waffenrechtlichen Vorschriften ausgenommen
wäre, wenn er in Ausübung seiner ihm dienstlich
obliegenden Aufgaben nach Maßgabe einer ihm von der "Leitung
der Bundeswehr" erteilten Genehmigung handelte. Da die Bundeswehr als
ganze einer waffen- oder sprengstoffrechtlichen Genehmigung gerade
nicht bedarf, würde der Regelungsgehalt der
§§ 6 Abs. 1 Satz 1 WaffG, 15 Abs. 1 KWKG, 1 Abs. 4
Nr. 1 SprengG so im Ergebnis darauf beschränkt, daß
für den einzelnen Soldaten an die Stelle der
Genehmigungspflicht die innerhalb der Bundeswehr für ihn
geltenden Dienstvorschriften und Befehle träten; jeder
dienstpflichtwidrige Umgang mit Waffen oder Explosivstoffen
würde ohne weiteres zur Anwendbarkeit der allgemeinen (Straf-)
Normen des Waffengesetzes, des Kriegswaffenkontrollgesetzes und des
Sprengstoffgesetzes führen. Eine solche Auslegung
würde dem Zweck der Ausnahmevorschriften nicht gerecht, denn
sie würde zu einer unpraktikablen Erstreckung der allgemeinen
waffen- und sprengstoffrechtlichen Vorschriften schon auf jedes
bundeswehrinterne, wenngleich im Einzelfall vorschriftswidrige Handeln
eines Soldaten führen. Damit würde der Gesamtbereich
von Disziplinverstößen im Umgang mit Waffen und
explosiven Stoffen den allgemeinen Gesetzen unterfallen. Eben dies
sollen die genannten Ausnahmevorschriften aber ausschließen.
d) Dienstlich ist jede Tätigkeit eines Bundeswehrsoldaten, die
zu seinem allgemeinen Aufgabenbereich gehört oder damit in
unmittelbarem Zusammenhang steht, nach objektiven Gesichtspunkten
äußerlich als Diensthandlung erscheint und von dem
Willen getragen ist, dienstliche Aufgaben zu erfüllen. Es kann
hier dahinstehen, ob sich diese Bestimmung des Bereichs dienstlicher
Tätigkeit von den Begriffen der "Dienstausübung" und
der "dienstlichen Handlung" im Sinne der §§ 331 ff.
StGB unterscheidet. Auch wenn dies der Fall wäre, so
könnte hieraus nicht geschlossen werden, daß schon
jeder Verstoß gegen Dienstvorschriften oder gegen eine klare
Befehlslage den Umgang eines Soldaten mit Waffen oder Sprengmitteln zu
einem außerdienstlichen "Privatverhalten" macht. Die Grenze
zu einer den allgemeinen Vorschriften unterfallenden Privathandlung ist
namentlich dann überschritten, wenn die Handlung in keinem
Zusammenhang mit dienstlichen Aufgaben steht, etwa gänzlich
außerhalb schon des allgemeinen
Zuständigkeitsbereichs liegt und daher nur "bei Gelegenheit"
der Dienstausübung begangen wird (vgl. etwa BGH, Beschl. vom
12. Dezember 1997 - 3 StR 383/97), oder wenn sie nicht auf die -
wenngleich unter Umständen vorschriftswidrige -
Erfüllung der dem Soldaten nach dienstlicher Stellung und
allgemeiner Zuständigkeit obliegenden Pflichten oder auf die
Erreichung dienstlicher Zwecke gerichtet ist, sondern allein privaten
Zwecken dient. Die Bestimmung dieser Grenze im Einzelfall kann nicht
pauschal anhand allgemeiner Kriterien vorgenommen werden; sie setzt in
zweifelhaften Fällen regelmäßig eine
umfassende Prüfung der jeweils konkreten Umstände
voraus. Diese notwendige Eingrenzung hat das Landgericht auf der
Grundlage seines zu engen Verständnisses vom Begriff der
"dienstlichen Tätigkeit" unterlassen.
3. Aus den vom Landgericht getroffenen Feststellungen ergab sich hier
eine Reihe von Indizien für ein zwar vorschriften- und
befehlswidriges, aber noch "dienstliches" Handeln der Angeklagten.
a) So spricht etwa das Verbringen und offene Lagern der aufgefundenen
Materialien in der Fahrzeughalle des Bataillons nicht für ein
außerdienstliches, privates Handeln. Von indizieller
Bedeutung war auch der Umstand, daß der Angeklagte L. dem
Versand nach Deutschland zunächst unter der Bedingung
zustimmte, daß eine Genehmigung der Brigadeführung
eingeholt und der Transport auf dem Seeweg durchgeführt wurde
(UA S. 6); weiterhin, daß vom Angeklagten K. zwei -
wenngleich unvollständige bzw. verspätete -
Genehmigungsanträge gestellt wurden (UA S. 6, S. 8). Dies
spricht objektiv für eine jedenfalls grundsätzliche
Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens der Angeklagten und daher
gegen die Annahme, die Beschaffung von Wehrmaterialien zu
Ausbildungszwecken für Kampfmittelbeseitigungs-Einheiten in
Deutschland habe gänzlich außerhalb des allgemeinen
Zuständigkeits- und Aufgabenbereichs der vom Angeklagten L.
geführten Pionierkompanie gelegen.
Zudem war zu berücksichtigen, daß der zweite, erst
nachträglich eingereichte Antrag des Angeklagten K. sich
ausdrücklich auf "im Rahmen eines
Kampfmittelbeseitigungs-Auftrags (gefundene) Waffen" bezog (UA S. 8),
also nach seinem Wortlaut gerade nicht auf unscharfes Exerziermaterial
beschränkt war. Daß von vorgesetzten Dienststellen
mitgeteilt wurde, eine entsprechende Weisung für den
Einzelfall werde erarbeitet, spricht eher für die Annahme,
daß eine entsprechende Versendung durch den vom Angeklagten
K. geführten Kampfmittelbeseitungs-Zug als nicht von
vornherein genehmigungsunfähig angesehen wurde.
Die Stellung der Genehmigungsanträge konnte überdies
auf eine subjektive Bewertung durch die Angeklagten hindeuten, wonach
die Versendung des Materials jedenfalls nicht von vornherein
außerhalb ihres allgemeinen Dienstauftrags lag.
Schließlich war auch indiziell zu würdigen,
daß das Material zu keiner Zeit den der Bundeswehr
zuzurechnenden Bereich verlassen hat und nach der Vorstellung der
Angeklagten auch nicht verlassen sollte, und daß die von
ihnen vorgesehene Verwendung zu Ausbildung und Übung
unzweifelhaft dem dienstlichen Bereich zuzuordnen gewesen wäre.
b) Diese Indizien hat das Landgericht nicht hinreichend
geprüft; vielmehr hat es ihnen - auf der Grundlage seiner
Rechtsauffassung folgerichtig - eine Bedeutung von vornherein
abgesprochen, wie die eher pauschale Beurteilung des Landgerichts
belegt, die Angeklagten hätten nur "unter dem Deckmantel einer
Diensthandlung" gehandelt (UA S. 14 f.). Es bleibt (hierbei) unklar, ob
und gegebenenfalls welche dienstlichen Handlungen das Landgericht als
"Deckmantel" angesehen oder ob es das gesamte Handeln der Angeklagten,
soweit es nicht von Dienstvorschriften und Befehlen gedeckt war,
nurmehr als quasi "vorgetäuschtes" dienstliches Handeln
beurteilt hat. Nähere Feststellungen, welche die letztgenannte
Beurteilung tragen und daher das Handeln der Angeklagten als
außerdienstliches Privathandeln kennzeichnen würden,
fehlen im Urteil, weil nach Auffassung des Landgerichts ein
dienstliches Tätigwerden schon bei Handlungen gegen ein
ausdrückliches Verbot "nicht in Betracht" kam (UA S. 15).
Diese Auslegung hat den Tatrichter daran gehindert, das Gewicht der
festgestellten Beweisanzeichen im einzelnen zu würdigen und
gegebenenfalls weitere Feststellungen zu treffen.
c) Bedenken begegnet überdies die Ansicht des Landgerichts,
die hinsichtlich des Angeklagten L. festgestellte unbewußt
fahrlässige Ermöglichung der Versendung von scharfer
Munition und Handgranatenzündern durch Unterlassen
pflichtgemäßer Kontrolle stelle eine Privathandlung
dar. Daß eine solche Wertung beim Vorwurf
unbewußter Fahrlässigkeit durch Unterlassen der
Erfüllung dienstlicher Pflichten möglich ist,
erscheint zweifelhaft; es fehlen im Urteil insoweit jedenfalls
Anhaltspunkte dafür, der Angeklagte habe mit der
unzureichenden Erfüllung seiner die Garantenstellung
begründenden Dienstpflichten irgendeinen privaten Zweck
verfolgt.
4. Da weitergehende Feststellungen möglich erscheinen, war die
Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Der neue Tatrichter wird auch den allgemeinen Aufgaben- und
Zuständigkeitsbereich der vom Angeklagten L.
geführten Pionierkompanie als Teil der ihr
übergeordneten Einheiten genauer als bisher festzustellen und
eine nach Sachlage möglicherweise gebotene Unterscheidung
zwischen den Angeklagten zu prüfen haben.
Rissing-van Saan Otten Rothfuß Fischer Roggenbuck |