BGH,
Urt. v. 19.2.2003 - 2 StR 538/02
2 StR 538/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
19. Februar 2003
in der Strafsache gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 19.
Februar 2003, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan und die Richter am
Bundesgerichtshof Dr. h. c. Detter, Dr. Bode, Rothfuß, Prof.
Dr. Fischer Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz
vom 29. Juli 2002 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch
der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und das Tatmesser
eingezogen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der
er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sein
Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die Revision ist hinsichtlich des
Schuldspruchs unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
StPO. Einer Erörterung bedarf auf die Sachrüge hin
allein die Strafzumessung, die aber im Ergebnis ebenfalls rechtlich
nicht zu beanstanden ist.
II. Das Landgericht hat bei der Strafzumessung unter anderem
ausgeführt: "Die Kammer hat dabei von der
Milderungsmöglichkeit des § 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr.
1 StGB Gebrauch gemacht, vor allem deshalb, weil das Tatopfer
letztendlich durch die Tat keine erheblichen Verletzungen davongetragen
hat. Innerhalb dieses Strafrahmens hat die Kammer
strafschärfend gewertet, daß der Angeklagte sein
Tatopfer über einen längeren Zeitraum massiv
gewürgt und dadurch in erhebliche Todesangst versetzt hat. Der
Angeklagte hat sich auch nicht dadurch von der weiteren
Tatausführung abbringen lassen, daß er das Opfer
durch die Stichverletzung nicht tödlich getroffen oder
zumindest kampfunfähig gemacht hat. Er hat vielmehr, und dies
ist ein Indiz für seine erhebliche kriminelle Energie,
über einen Zeitraum von mehr als zehn Minuten massiv sein
Opfer gewürgt, um den Tatplan zu vollenden. Durch die
Tatbegehung hat er darüber hinaus tateinheitlich eine
gefährliche Körperverletzung verübt und zwar
in den Tatbestandsalternativen ´mittels eines
gefährlichen Werkzeugs´ und ´mittels einer
das Leben gefährdenden Behandlung´."
1. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß
strafschärfend gewertet wurde, daß der Angeklagte
sein Tatopfer über einen längeren Zeitraum massiv
gewürgt und dadurch in erhebliche Todesangst versetzt hat.
Diese Überlegung läßt einen
Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB nicht besorgen. Denn
beide Umstände sind nicht tatbestandliche Voraussetzung
für die Annahme eines versuchten Tötungsdeliktes.
Daß der Tatrichter sie nicht schon als wesentliche
versuchsbezogene Gesichtspunkte (Nähe zur Tatvollendung,
Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle
Energie; vgl. BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 12
m.w.N.) bei der Prüfung der von ihm nur unter Hinweis darauf,
daß beim Opfer keine erheblichen Verletzungen eingetreten
sind, bejahten Milderungsmöglichkeit gemäß
§§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB herangezogen hat,
beschwert den Angeklagten nicht. Jedenfalls war ihre
Berücksichtigung innerhalb des gewählten Strafrahmens
zulässig.
2. Bei den weiteren Erwägungen des Tatrichters kommt es
entscheidend darauf an, ob sie besorgen lassen, daß das
Landgericht bei der Strafzumessung nicht nur die in der
Tatausführung zum Ausdruck kommende Energie, insbesondere die
Hartnäckigkeit bei der Durchführung des Tatplans
berücksichtigt hat, sondern fehlerhaft dem Angeklagten zur
Last legt, daß er die Straftat überhaupt begangen
hat, anstatt davon Abstand zu nehmen (vgl. hierzu BGHR StGB §
46 Abs. 2 Wertungsfehler 14). Aufgrund der gebotenen Gesamtbetrachtung
der Strafzumessungserwägungen ist der Senat davon
überzeugt, daß dem Angeklagten nicht
rechtsfehlerhaft angelastet worden ist, daß er von seinem
Tötungsvorhaben nicht zurückgetreten ist (vgl. auch
BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 13). Denn der
Tatrichter hat selbst ausdrücklich die Indizwirkung der
Tatausführung für die erhebliche kriminelle Energie
des Angeklagten hervorgehoben. Von dem in Tateinheit verwirklichten
vollendeten Delikt der gefährlichen Körperverletzung
konnte der Angeklagte ohnehin nicht zurücktreten. Bei diesem
vom Tatrichter sowohl in der Alternative "mittels eines
gefährlichen Werkzeugs" (hinsichtlich des dem Würgen
vorausgehenden Stichs mit einem Messer) als auch in der Alternative
"mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" (§
224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) bejahten Delikts durfte das nachhaltige
Würgen ohnehin ohne Verstoß gegen § 46 Abs.
3 StGB als Modalität der Tatausführung
berücksichtigt werden (vgl. u.a. BGHR StGB § 46 Abs.
3 Körperverletzung 1).
Die Revision des Angeklagten war daher zu verwerfen.
Rissing-van Saan Detter Bode Rothfuß Fischer |