BGH,
Urt. v. 19.2.2008 - 5 StR 512/07
5 StR 512/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
19.2.2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19.
Februar 2008, an der teilgenommen haben:
Richterin Dr. Gerhardt
als Vorsitzende,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
als beisitzende Richter,
Richterin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Kr.
als Verteidiger für den Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt W.
als Verteidiger für den Angeklagten G. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin
vom 30. Mai 2007 werden verworfen.
Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem
Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu
tragen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
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Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher
Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von jeweils fünf
Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Angeklagten wenden sich mit
ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen vor
allem gegen die Strafzumessung, wobei der Angeklagte G. seine Revision
wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Die
Rechtsmittel, über die der Senat nach Terminsantrag des
Generalbundesanwalts zu entscheiden hatte, bleiben entsprechend dem
Antrag des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts feierten die Angeklagten
Silvester 2006 bei einem Bekannten in dessen Wohnung. Im Verlauf der
Feier gewann der ebenfalls anwesende Nebenkläger den
unzutreffenden Eindruck, dass der Angeklagte K. seine Freundin
„anmache“. Der Angeklagte G. konnte den
Nebenkläger zunächst durch intensives Einreden
beruhigen. Als sich die Angeklagten später gegen 2.30 Uhr
verabschiedeten, strich der Angeklagte K. dem Kleinkind der Freundin
des Nebenklägers, das
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diese auf dem Arm trug, über den Kopf. Dies missdeutete der
Nebenkläger und nahm den Angeklagten K. aus Eifersucht und Wut
in den „Schwitzkasten“. Es entwickelte sich eine
Rangelei, in die der Angeklagte G. eingriff, um seinem Freund zu Hilfe
zu kommen. Durch andere Gäste konnten die Kämpfenden
schließlich getrennt werden. Der Nebenkläger
entschloss sich, die Wohnung zu verlassen, um sich und die Situation zu
beruhigen.
In der Wohnung diskutierten die Angeklagten etwa fünf Minuten
lang über das Geschehene. Dabei wirkte auf den Angeklagten G.
eine Blutal-koholkonzentration von 1,34 Promille, auf den Angeklagten
K. eine solche von 2,05 Promille ein. Während der Angeklagte
K. zunächst besonnen blieb und nach Hause gehen wollte,
äußerte der über das Scheitern seines
Schlichtungsversuchs erboste Angeklagte G. : „Ich lasse mir
das nicht gefallen, was der mit meinem Kumpel gemacht hat“.
Nunmehr entschloss sich der Angeklagte K. ebenfalls, es dem
Nebenkläger „heimzuzahlen“. Nachdem sie
gemeinsam einige Minuten erfolglos die umliegenden menschenleeren
Straßen abgesucht hatten, bemerkten sie den
Nebenkläger, der mit dem Rücken zu ihnen die
Straße hinunterging. Beide zogen ihre Messer und liefen zu
ihm. Als sie den Nebenkläger erreichten, drohten sie ihm:
„Jetzt machen wir Dich fertig“. Bevor der
Nebenkläger sich umdrehen konnte, drängte G. ihn in
einen Hauseingang. Dort versetzten die Angeklagten ihm mehrere
Messerstiche in das Gesäß und in den Oberschenkel.
Der Nebenkläger versuchte, sich durch Abwehrbewegungen zu
schützen, weswegen die Angeklagten erkannten, dass sie nicht
mehr nur gezielt Beine oder Gesäß treffen
können. Dennoch stachen sie beide weiter auf ihn ein und
trafen ihn u. a. in den Rücken in Höhe der
Lungenflügel, wodurch er eine lebensbedrohliche Verletzung
erlitt.
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Die Abwehrbewegungen des Nebenklägers wurden
schwächer, schließlich befand er sich nur noch in
einer Hockstellung. Der Angeklagte G. schrak nun zurück und
hörte abrupt auf, während der Angeklagte K. weiter
zustechen wollte. Der Angeklagte G. zog ihn jedoch zurück, was
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ihm nur mit „gutem Zureden“ und „nicht
unerheblichem Kraftaufwand“ gelang. Der Angeklagte K.
bemerkte abschließend: „So, jetzt sind wir
quitt“. Beide verließen schnellen Schrittes den
Tatort. Der Nebenkläger konnte nur durch eine sofortige
Operation vor dem Tode gerettet werden.
Das Landgericht hat das Geschehen als einen Totschlagsversuch gewertet,
von dem beide Angeklagten jedoch strafbefreiend zurückgetreten
seien. Bei der Begehung der vollendeten gefährlichen
Körperverletzung sei die Schuldfähigkeit bei keinem
der Angeklagten erheblich vermindert gewesen. Die Annahme eines minder
schweren Falles gemäß § 224 Abs. 1 StGB hat
es abgelehnt. Bei der Strafzumessung innerhalb des Normalstrafrahmens
des § 224 Abs. 1 StGB hat es zu Gunsten der Angeklagten
insbesondere ihre Geständnisse, ihre Bereitschaft zur
„Schadenswiedergutmachung“, eine „leichte
alkoholische Enthemmung“ und „eine gewisse
affektive Aufladung im Sinne einer Verärgerung“
über das Verhalten des späteren Opfers gewertet.
Außerdem hat es bedacht, dass es sich um junge Erwachsene
handelt. Straferschwerend hat es hingegen neben der intensiven
Vorgehensweise vor allem berücksichtigt, dass drei Varianten
des Tatbestands des § 224 Abs. 1 StGB erfüllt seien,
das Verhalten der Erfüllung der vierten Tatbestandsvariante
nahe komme, beide Angeklagte - wenn auch in unterschiedlichem Umfang -
vorbestraft seien und sie „nicht spontan, sondern nach
ausführlicher Überlegung“ zur Befriedigung
ihres Rache- bzw. Ehrgefühls gehandelt hätten.
Außerdem hat es darauf abgestellt, dass vom Angeklagten G.
zwar die Initiative zum Ablassen vom Nebenkläger ausgegangen,
er aber auch die „treibende Kraft“ bei der Fassung
des Tatentschlusses gewesen sei.
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2. Die fehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die
Schuldsprüche. Die Annahme uneingeschränkter
Schuldfähigkeit hält revisionsrechtlicher
Prüfung stand.
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a) Soweit das Landgericht im Anschluss an den Sachverständigen
eine relevante Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit
durch eine schwere seeli-
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sche Abartigkeit bereits deswegen abgelehnt hat, weil bei beiden
Angeklagten keine Persönlichkeitsstörung, sondern
lediglich eine von latenter Aggressionsbereitschaft mit besonderer
Empfindsamkeit gegenüber Kränkungen geprägte
Persönlichkeit bei dem Angeklagten K. und eine selbstunsichere
Persönlichkeitsstruktur bei dem Angeklagten G. vorliege, ist
dies nicht zu beanstanden. Die wesentlichen Anknüpfungspunkte
und Darlegungen des Sachverständigen für diesen
Befund sind im Urteil in nachvollziehbarer Weise wiedergegeben (vgl.
BGH NStZ 2003, 307).
b) Das Landgericht hat auch geprüft, ob bei den Angeklagten
ein Affekt im Sinne einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung
vorgelegen haben könnte. Es hat dies - auch insoweit
sachverständig beraten - für beide Angeklagten
aufgrund einer hinreichenden Gesamtbetrachtung der für und
gegen die Annahme eines schuldrelevanten Affekts sprechenden Kriterien
in rechtsfehlerfreier Weise verneint (vgl. BGHR StGB § 20
Bewusstseinsstörung 3 und 5; BGHR StGB § 21 Affekt 4
bis 6). Der Senat besorgt insbesondere nicht, dass das Landgericht
wesentliche, für einen affektiven Ausnahmezustand sprechende
Indizien nicht bedacht oder in ihrer Bedeutung für die Annahme
eines Affekts verkannt haben könnte.
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aa) So hat es gesehen, dass die „höhere alkoholische
Beeinflussung“ des Angeklagten K. als konstellativer Faktor
einen Affekt begünstigen kann (vgl. BGHR StGB § 21
Ursachen, mehrere 11; BGH, Beschluss vom 31. Januar 2007 - 5 StR 504/06
Rdn. 14 m.w.N.). Soweit das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung
die Alkoholisierung des Angeklagten als „leichte alkoholische
Enthemmung“ - ersichtlich nur zur Abgrenzung zu einer allein
alkoholbedingten Beeinträchtigung der
Steuerungsfähigkeit, die es vertretbar ausgeschlossen hat -
würdigt, zeigt dies hier keinen Wertungsfehler im Rahmen der
Prüfung eines Affektes auf. Denn es erörtert
ausdrücklich die Beeinflussung des Angeklagten durch die
Blutalkoholkonzentration von 2,05 Promille (anders der Sachverhalt in
BGH StraFo 2007, 501). Demgegenüber hat es aber den
beachtlichen, gegen einen Affekt sprechenden Indi-
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zien - vor allem dem Entstehen des Tatentschlusses nach einer Phase der
Besinnung, um sich für die vermeintlich erlittene
Ehrkränkung zu rächen, und die zielstrebige und
überlegte Suche nach dem Opfer - ein stärkeres
Gewicht beigemessen und so ausgeschlossen, dass die Alkoholisierung im
Zusammenwirken mit der „gewissen affektiven Aufladung im
Sinne einer Verärgerung“ eine die
Schuldfähigkeit erheblich beeinträchtigende
tiefgreifende Bewusstseinsstörung begründet hat. Dies
zeigt auch unter Berücksichtigung der dargelegten
Persönlichkeit des Angeklagten keinen Rechtsfehler auf.
bb) Das Landgericht durfte in diese Gesamtbetrachtung einstellen, dass
die Angeklagten sich an das Tatgeschehen erinnern. Diesen Aspekt hat es
ersichtlich nicht als Ausschlusskriterium, sondern lediglich als ein
Indiz für eine intakte Steuerungsfähigkeit
zugrundegelegt (vgl. BGHR StGB § 20
Bewusstseinsstörung 5; BGH, Beschluss vom 31. Januar 2007 - 5
StR 504/06 Rdn. 11 m.w.N.). Angesichts des Umstands, dass die
Angeklagten den Nebenkläger auf offener, aber
„menschenleerer“ Straße attackierten und
erst zustachen, nachdem sie ihn in einen Hauseingang gezogen hatten,
begegnet es keinen Bedenken, dass das Landgericht die Tat nicht als ein
Handeln ohne Sicherungstendenzen bewertet hat.
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3. Auch die vom Landgericht im Übrigen vorgenommene Bestimmung
der Strafrahmen und die Bemessung der Strafen sind nach
Maßgabe der insoweit eingeschränkten
revisionsgerichtlichen Prüfungskompetenz nicht zu beanstanden.
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Das Landgericht hat die nach § 267 Abs. 3 Sätze 1 und
2 StPO bestimmenden Erwägungen dargelegt und rechtsfehlerfrei
gegeneinander abgewogen. Es ist auszuschließen, dass es
einseitig nur strafschärfende Faktoren bedacht hätte,
da es ausdrücklich auch die mildernden Gesichtspunkte -
darunter vor allem das Geständnis der Angeklagten und der
Umstand, dass sie noch junge Erwachsene sind - in den Blick genommen
und in die erforderliche und für jeden der beiden Angeklagten
auch erfolgte Gesamtbe-
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trachtung der individuellen Strafzumessungsgesichtspunkte einbezogen
hat. Dass diese nicht zu einer milderen Strafe geführt haben,
ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Es ist insbesondere nicht zu besorgen, dass das Landgericht allein die
fehlende Spontaneität als strafschärfenden Umstand
gewertet hat (vgl. hierzu BGH StraFo 2007, 512; StV 1995, 584),
vielmehr ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass es die
„Tatbegehung nach ausführlicher
Überlegung“ als belastenden Faktor
berücksichtigt hat. Hiergegen ist nichts zu erinnern. Die
Auswirkungen der Alkoholisierung des Angeklagten K. sind trotz der
für sich genommen bedenklichen Bezeichnung als
„leicht“ noch nicht rechtsfehlerhaft unterbewertet.
Ersichtlich wollte das Landgericht durch diese Bewertung nur zum
Ausdruck bringen, dass die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht
vorliegen, es diesem Umstand aber dennoch schuldminderndes Gewicht
beigemessen hat. Die strafschärfende Berücksichtigung
der Vorbelastungen begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken.
Dass es sich um nach Jugendrecht geahndete Verfehlungen handelt, denen
keine einschlägigen Delikte zugrundelagen, steht dem nicht
entgegen (vgl. BGHSt 24, 198). Mit dem unterschiedlichen Gewicht der
Vorbelastungen bei beiden Angeklagten hat sich das Landgericht in
ausreichender Weise auseinandergesetzt.
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Auch das - von beiden Revisionsführern mit entgegengesetzter
Zielrichtung angegriffene - Sanktionsgefüge zwischen den
beiden Angeklagten zeigt keinen Wertungsfehler auf. Hierzu weisen die
Urteilsgründe aus, dass das Landgericht die Strafe
für beide Angeklagte nach individueller Würdigung
anhand der jeweils in ihrer Person verwirklichten
Strafzumessungsgesichtspunkte bestimmt hat. Soweit das Landgericht
ausführt, dass sich eine Abweichung im Strafmaß
„verboten“ habe, stellt es ersichtlich darauf ab,
dass strafschärfende Faktoren bei einem Angeklagten durch die
nur in seiner Person verwirklichten Strafmilderungsgesichtspunkte
ausgeglichen worden sei-
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en, so dass die Schuld bei beiden Angeklagten im Ergebnis gleich schwer
wiege.
Soweit im Übrigen geltend gemacht wird, das Landgericht habe
den Stellenwert der belastenden Faktoren verkannt, stellt dies den
unbeachtlichen Versuch dar, die Würdigung des Tatrichters
durch eine eigene zu ersetzen und die für und gegen die
Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte anders zu gewichten.
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Gerhardt Raum Brause
Schaal Jäger |