BGH,
Urt. v. 19.7.2001 - 4 StR 457/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 457/00
vom
19. Juli 2001
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen Betruges
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19.
Juli 2001, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Meyer-Goßner, die Richter am
Bundesgerichtshof Maatz, Dr. Kuckein, die Richterin am
Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic, der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann als beisitzende Richter, Bundesanwalt als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten Ulrich G. wird das Urteil des
Landgerichts Rostock vom 29. März 2000 im Ausspruch
über das ihn betreffende Berufsverbot mit den Feststellungen
aufgehoben; der Ausspruch entfällt.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
II. 1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vor-bezeichnete
Urteil wird verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch
entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten G. und P. wegen Betruges
verurteilt, und zwar den Angeklagten G. zu einer Freiheitsstrafe von
zwei Jahren und sechs Monaten und die Angeklagte P. zu einer zur
Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun
Monaten. Ferner hat es dem Angeklagten G. "für die Dauer von
drei Jahren untersagt, im Bereich der Schuldensanierung, -regulierung,
Vermittlung hierzu und Kreditvermittlung gewerblich tätig zu
werden oder ein solches Gewerbe für einen anderen
auszuüben oder für sich ausüben zu lassen".
Gegen dieses Urteil wenden sich der Angeklagte G. und - zu Ungunsten
beider Angeklagten - die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisonen, mit
denen sie die Verletzung sachlichen Rechts rügen; der
Angeklagte G. beanstandet darüber hinaus auch das Verfahren;
er wendet sich gegen seine Verurteilung insgesamt. Die
Staatsanwaltschaft beanstandet, daß das Landgericht die
Angeklagten nur einer Tat des Betruges für schuldig befunden
hat. Das Rechtsmittel des Angeklagten G. führt nur zum Wegfall
des Ausspruchs über das Berufsverbot; die Revision der
Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos.
I.
Das Landgericht hat festgestellt:
In Verfolgung ihrer betrügerischen Absicht beschlossen beide
Angeklagten im Frühjahr 1995, gewerblich eine sog.
"Schuldenregulierung" anzubieten. Das "Konzept" der Angeklagten bestand
darin, "durch Zeitungsanzeigen und den nachfolgenden, in allen
Fällen gleichen Schriftverkehr mit den sich auf die Anzeigen
meldenden Interessenten bei diesen den Eindruck zu erwecken, sie
könnten einen Kredit bekommen. Auf diese Weise sollten die
Kunden dazu veranlaßt werden, einen per Nachnahme erhobenen
Betrag zu zahlen in der Erwartung, die Nachnahmesendung enthalte einen
... Kreditvertrag". Den Angeklagten kam es dabei darauf an, die Kunden
glauben zu machen, der erhobene und bezahlte Betrag sei die
Vergütung für die Vermittlung eines Kredits.
Tatsächlich fand aber weder eine Kreditvermittlung statt, noch
beabsichtigten die Angeklagten, überhaupt eine
vermögenswerte Leistung zu erbringen. Um ihr "Konzept"
durchzuführen, übernahm der Angeklagte G. unter der
eigens hierfür gegründeten Firma N. - im folgenden NF
- die Anwerbung und vermeintliche Vermittlung der Kunden,
während die Angeklagte unter der ebenfalls eigens
hierfür gegründeten Firma H.
Vermögensberatung - im folgenden HVB - die
"Schuldenregulierung" betrieb.
Von April 1995 bis Januar 1996 erhielten insgesamt 2.166 Kunden die
Nachnahmesendung, "wobei die Mehrheit hiervon ... die
Nachnahmegebühr entrichtete und die Sendung in Empfang nahm.
Von diesen Kunden wurden insgesamt mindestens 550.000 DM an NF gezahlt.
295.000 DM davon reichte der Angeklagte G. als
´Provision´ an die Angeklagte P. weiter". Den
Angeklagten war bei ihrem Vorgehen "bewußt, daß die
Kunden zur Zahlung der per Nachnahme erhobenen
´Vermittlungsvergütung´ durch die Annahme
veranlaßt wurden, die NF habe ihnen einen Kredit vermittelt
und die Nachnahmesendung enthalte den entsprechenden Vertrag mit dem
Kreditgeber". Aus diesem Grunde erfolgte der Hinweis, daß der
Vertrag "nicht als Bankkreditvertrag abgewickelt" werde, erst nach
Bezahlung der Nachnahme, "denn die Angeklagten rechneten damit,
daß im Falle einer früheren Aufklärung
über den wirklichen Geschäftsgegenstand kaum ein
Kunde zur Zahlung bereit gewesen wäre".
II.
Revision des Angeklagten G.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der
Revisionsrechtfertigung des Angeklagten G. deckt zum Schuld- und zum
Strafausspruch keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf.
1. Die Verfahrensbeschwerden dringen nicht durch. Insoweit verweist der
Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts vom 6. März 2001.
2. Der Angeklagte hat auch mit der Sachrüge keinen Erfolg. Auf
der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat das
Landgericht den Angeklagten zu Recht wegen Betruges verurteilt.
a) Näherer Erörterung bedarf lediglich das Merkmal
der Täuschung. Entgegen der Auffassung der Revision hat das
Landgericht dies zu Recht bejaht.
Die Täuschungshandlung besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes
in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder
Unterdrückung wahrer Tatsachen. Täuschung ist danach
jedes Verhalten, das objektiv irreführt oder einen Irrtum
unterhält und damit auf die Vorstellung eines anderen
einwirkt. Dabei ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein
anerkannt, daß außer der ausdrücklichen
Begehung, namentlich durch bewußt unwahre Behauptungen, die
Täuschung auch konkludent erfolgen kann, nämlich
durch irreführendes Verhalten.
Dies schließt eine Täuschungshandlung nicht deshalb
aus, weil sich der Täter hierzu - insoliert betrachtet -
wahrer Tatsachenbehauptungen bedient. Wie der Senat in seinem Urteil
vom 26. April 2001 - 4 StR 439/00 - (NJW 2001, 2187 f.; zur
Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) näher
ausgeführt hat, wird ein Verhalten in diesen Fällen
zur tatbestandlichen Täuschung dann, wenn der Täter
die Eignung der - inhaltlich richtigen - Erklärung, einen
Irrtum hervorzurufen, planmäßig einsetzt und damit
unter dem Anschein "äußerlich verkehrsgerechten
Verhaltens" gezielt die Schädigung des Adressaten verfolgt,
wenn also die Irrtumserregung nicht die bloße Folge, sondern
der Zweck der Handlung ist.
b) Die Feststellungen belegen die hiernach vorausgesetzte objektive und
subjektive Tatseite; denn danach war das von den Angeklagten verfolgte
"Konzept" gerade darauf angelegt, "die Interessenten durch das
Vortäuschen einer Kreditvermittlung zur Zahlung des
NachnahmebetragesGRE> zu veranlassen". Die
Beweiswürdigung des Landgerichts, das sich die
Überzeugung verschafft hat, die Angeklagten hätten
den Kunden der NF "vorgespiegelt, ihnen solle ein Kredit vermittelt
werden, während in Wahrheit weder eine Vermittlung erfolgte,
noch ein Kredit gewährt wurde", weist keinen Rechtsfehler auf.
Daß die Interessenten bzw. Kunden bei sorgfältiger
Prüfung der telefonischen Auskünfte sowie des
Schriftverkehrs hätten erkennen können, daß
ihnen keine Gewährung oder zumindest Vermittlung eines Kredits
zugesichert wurde, beseitigt unter den gegebenen Umständen die
tatbestandliche Täuschungshandlung nicht (Senatsurteil aaO).
c) Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Angeklagten - ohne dies
allerdings näher auszuführen - eine tatbestandliche
Täuschung durch positives Tun, nämlich durch aktive
Irreführung und nicht lediglich durch Unterlassen einer an
sich gebotenen Aufklärung angenommen. Dem steht die - insoweit
mißverständliche - Erwägung nicht entgegen,
"die Anrufer (seien) in keinem Fall darüber
aufgeklärt (worden), daß die
´Problemlösung´ ... kein Kredit sei. Denn
die Angeklagten beschränkten sich bei Verfolgung ihres
"Konzepts" nicht darauf, gezielt gegenüber den Interessenten
das Wort "Kredit" nicht zu erwähnen. Vielmehr haben sie durch
eine Vielzahl von Wendungen (etwa "Regulierungssumme", "Tilgungsrate",
"Laufzeit", "Vermittlung einer Finanzsanierung", "Vertragsannahme und
Genehmigung über obige Schuldsumme über eine private
Finanzsanierungsgesellschaft") bewußt auf die
Herbeiführung, jedenfalls aber auf die Aufrechterhaltung der
fehlerhaften Annahme, die NF gewähre oder zumindest vermittle
einen Kredit, hingewirkt. Deshalb kommt es hier auf die Abgrenzung zur
Täuschung durch Unterlassen und auf die Frage einer
Garantenpflicht zur Aufklärung (vgl. Lackner/Kühl
StGB 23. Aufl. § 263 Rdn. 12 ff.) nicht an.
d) Auch der von den Angeklagten angestrebte irrtumsbedingte
Vermögensschaden ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei
festgestellt. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob die
"Vergütungsvereinbarung" nichtig oder nur wegen arglistiger
Täuschung gemäß § 123 BGB
anfechtbar war. Denn für die Prüfung eines
Vermögensschadens im Sinne des Betrugstatbestandes ist
entscheidend allein der nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu
bestimmende Wertvergleich von Leistung und Gegenleistung (BGHSt 22, 88,
89). Hierzu ergeben die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen
Feststellungen, daß - was im übrigen auf der Hand
liegt - die von den Angeklagten so bezeichnete "Finanzsanierung",
nämlich die bloße Weiterleitung von Zahlungen des
Kunden an dessen Gläubiger, "völlig ohne Belang",
d.h. nicht nur nach deren persönlicher Einschätzung,
sondern auch nach Auffassung eines objektiven Beurteilers praktisch
wertlos waren. Dies genügt unter den gegebenen
Umständen für die Annahme eines
Vermögensschadens (vgl. BGHSt 23, 300, 301; ebenso
Senatsurteil vom 26. April 2001). Soweit die Revision
demgegenüber einwendet, der
"Vermögensverwaltungsvertrag" sei für die Kunden
schon deshalb nicht "absolut wertlos" gewesen, weil die vertraglich
zugesagte Leistung, nämlich auf die Gläubiger dahin
einzuwirken, daß diese Ratenzahlungsvereinbarungen zustimmen,
"für kreditunwürdige Personen das einzige probate
Mittel dar(stellt), aus der Schuldensituation herauszukommen", hat das
Landgericht nicht festgestellt, daß die Angeklagten auch nur
in diesem Umfang eine "Leistung" erbracht haben bzw. zu erbringen
beabsichtigen. Dem steht nämlich schon entgegen, daß
die "Interessent(en) (ihre) Gläubiger der NF gar nicht genannt
hatte(n)".
2. Auch der Strafausspruch gegen den Angeklagten G. hält der
rechtlichen Nachprüfung stand. Das Landgericht hat alle
"bestimmenden" Strafzumessungsgründe (§ 267 Abs. 3
Satz 1 StPO) gegeneinander abgewogen. Die Revison zeigt insoweit einen
Rechtsfehler auch nicht auf.
3. Dagegen kann der Ausspruch über das Berufsverbot nicht
bestehen bleiben. Die Verhängung der Maßregel nach
§ 70 StGB setzt voraus, daß der Täter den
Beruf oder das Gewerbe, bei dem ihm Mißbrauch oder grobe
Pflichtverletzung vorgeworfen wird, bei Begehung der Straftat
tatsächlich ausübt (BGHSt 22, 144, 145 f.). Nach der
Rechtsprechung reicht es demgemäß nicht aus,
daß die vom Angeklagten begangenen Betrugstaten nur im
Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder vorgetäuschten
Berufs- oder Gewerbetätigkeit standen (BGHR StGB § 70
Abs. 1 Pflichtverletzung 4; Senatsbeschluß vom 16.
März 1999 - 4 StR 26/99; Tröndle/Fischer StGB 50.
Aufl. § 70 Rdn. 3 m.w.N.). So liegt es hier: Die
Feststellungen ergeben nicht, daß sich der Angeklagte
überhaupt ernsthaft im Bereich der "Schuldenregulierung" und
Vermögensverwaltung betätigte. Vielmehr diente - wie
das Landgericht ausdrücklich feststellt - die
Gründung der NF - ebenso wie die Gründung der HVB
durch die Mitangeklagte P. - der Begehung des abgeurteilten Betruges.
Danach hat der Angeklagte die Vermittlungstätigkeit der NF
aber nur vorgetäuscht, um die Geschädigten zu
Zahlungen an ihn zu veranlassen. Das genügt für die
Anordnung des Berufsverbots nicht. Der Senat läßt
deshalb den Maßregelausspruch entfallen.
Es besteht kein Anlaß, den Angeklagten aus
Billigkeitsgründen teilweise von den Kosten seines
Rechtsmittels freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
III.
Revision der Staatsanwaltschaft
Die Revision der Staatsanwaltschaft erweist sich als
unbegründet. Ohne Erfolg rügt die
Beschwerdeführerin, daß das Landgericht die beiden
Angeklagten jeweils nur einer Tat des Betruges für schuldig
befunden hat. Einen durchgreifenden Rechtsfehler weist das Urteil
insoweit nicht auf:
Zwar sind die Angeklagten als mittelbare Täter rechtlich so zu
behandeln, als hätten sie die Betrugstaten gegenüber
den 2.166 Interessenten eigenhändig verwirklicht (§
25 Abs. 1 StGB). Für die Frage des Vorliegens einer oder
mehrerer Handlungen im Sinne der §§ 52, 53 StGB ist
nach ständiger Rechtsprechung aber der jeweilige Tatbeitrag
entscheidend (BGH NJW 1995, 2933, 2934; StV 2000, 196). Das hat das
Landgericht auch beachtet; denn es begründet seine
Rechtsauffassung damit, "der Tatbeitrag beider Angeklagten (habe) in
der Etablierung und Leitung des betrügerischen
Geschäftsbetriebes (bestanden), in dessen Rahmen sie die
Täuschung der Geschädigten jeweils von ihren
Angestellten regelhaft ausführen ließen, denen sie
entsprechende, generelle Weisungen erteilt hatten".
Demgegenüber hat das Landgericht allerdings - worauf die
Beschwerdeführerin verweist - festgestellt, "die Telefonanrufe
der Interessenten (habe) in den ersten zwei Wochen des
Geschäftsbetriebs neben der Angeklagten P. auch der Angeklagte
G. selbst entgegen(genommen), danach zunächst nur die
Angeklagte P.". Doch ergibt sich daraus noch nichts, was die
Beurteilung der Konkurrenzfrage durch das Landgericht im Ergebnis in
Zweifel zieht. Denn in der bloßen Entgegennahme der
Telefonanrufe der Interessenten kann für sich allein noch
nicht der Beginn der Ausführungshandlung des Betruges gesehen
werden, zumal nicht festgestellt ist, daß einer der beiden
Angeklagten die Anrufer hierbei schon getäuscht hat. Den
anschließenden Schriftverkehr, durch den die
Täuschung bewirkt wurde, erledigten jedoch nicht die
Angeklagten, sondern ihre Angestellten nach den von ihnen erteilten
Arbeitsanweisungen. Hiermit in Übereinstimmung steht deshalb
auch die Feststellung im Rahmen der rechtlichen Würdigung, die
Angeklagten hätten "die Täuschung der einzelnen
Geschädigten jeweils nicht in eigener Person" vorgenommen. Die
rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen
hätten nur mit der Verfahrensbeschwerde angegriffen werden
können. Eine Formalrüge hat die
Beschwerdeführerin aber nicht erhoben.
Meyer-Goßner Maatz Kuckein
Solin-Stojanovic Ernemann
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