BGH,
Urt. v. 19.6.2008 - 3 StR 490/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 490/07
vom
19. Juni 2008
Nachschlagewerk: ja nur zu I.
BGHSt: ja nur zu I.
Veröffentlichung: ja nur zu I.
___________________________________
StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c; §§ 331 -
334
Zur Amtsträgereigenschaft eines selbständigen
Ingenieurs, der aufgrund eines Dienstvertrages langfristig bei einer
100-prozentigen Tochter der Deutsche Bahn AG im Konzernbereich Fahrweg
(jetzt: DB Netz AG) beim Um- oder Ausbau des Streckennetzes
tätig ist (Fortführung von BGHSt 49, 214).
BGH, Urt. vom 19. Juni 2008 - 3 StR 490/07 - LG Hildesheim
in der Strafsache
gegen
- 2 -
1.
2.
3.
wegen zu 1. Bestechlichkeit u. a.
zu 2. Bestechung u. a.
zu 3. Betruges
- 3 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 29. Mai 2008 in der Sitzung am 19. Juni 2008, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der
Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 29. Mai 2008 -
als Verteidiger des Angeklagten D. ,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 29. Mai 2008 -
als Vertreter des Angeklagten R.,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 29. Mai 2008 -
als Vertreter der Nebenbeteiligten,
- 4 -
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Hildesheim vom 23. April 2007 mit den Feststellungen
aufgehoben, soweit es die Angeklagten P. und D. betrifft.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die insoweit entstandenen Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die dadurch entstandenen
notwendigen Auslagen des Angeklagten R. fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe:
Mit der Anklageschrift ist den Angeklagten P. und D. der Vorwurf der
Bestechlichkeit bzw. Bestechung in drei Fällen, bei dem
Angeklagten D. in
1
- 5 -
einem Fall in Tateinheit stehend mit Anstiftung zur Untreue und zum
Betrug, sowie allen drei Angeklagten der Vorwurf des Betruges, bei dem
Angeklagten P. in Tateinheit stehend mit Untreue, gemacht worden. Das
Landgericht hat den Sachverhalt im Eröffnungsbeschluss
abweichend gewertet und die Anklage im Fall 1 der Anklageschrift (B.
VIII. der Urteilsgründe) wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit
im geschäftlichen Verkehr durch die Angeklagten D. und P. und
in den Fällen 2-4 der Anklageschrift (B. IX. der
Urteilsgründe) wegen einer prozessualen Tat des Betruges durch
alle drei Angeklagten, hinsichtlich des Angeklagten P. darüber
hinaus wegen einer tateinheitlich hierzu begangenen Untreue zugelassen.
Durch das angefochtene Urteil hat es die Angeklagten aus rechtlichen
und tatsächlichen Gründen freigesprochen. Dagegen
wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die
Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das
Rechtsmittel hat bezüglich der Angeklagten P. und D. Erfolg,
hinsichtlich des Angeklagten R. ist es unbegründet.
I.
Die Revision dringt mit der Sachrüge durch, soweit das
Landgericht eine Strafbarkeit der Angeklagten P. und D. nach den
§§ 331 ff. StGB mit der Begründung abgelehnt
hat, der Angeklagte P. sei zur Tatzeit kein Amtsträger im
Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB gewesen.
2
1. Die Strafkammer hat insoweit folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte P. , ein ehemaliger, auf eigenen Wunsch aus dem
Beamtenverhältnis ausgeschiedener Bundesbahnbeamter, war ab
Februar 1996 als selbständiger Ingenieur bei der
Planungsgesellschaft Bahnbau Deutsche Einheit GmbH (im Folgenden:
PBDE), einer 100-prozentigen Tochter der
4
- 6 -
Deutschen Bahn AG (im Folgenden: DB AG) beschäftigt.
Unternehmensgegenstand der innerhalb der DB AG dem Bereich Fahrweg
zugeordneten Gesellschaft war die Vorbereitung und Steuerung von
Planung, Bauvorbereitung, Baudurchführung und
Bauüberwachung insbesondere der Schienenverkehrsprojekte
"Deutsche Einheit" einschließlich der Vergabe, der
Koordinierung und der Abwicklung aller Arbeiten auf der Grundlage von
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DB AG geschlossenen
Finanzierungsvereinbarungen. Mit Wirkung zum 1. Juli 1999 wurde die
PBDE aus dem Vermögen der DB AG ausgegliedert und mit
sämtlichen bestehenden Vertragsverhältnissen in das
Vermögen der DB Netz AG überführt.
Dem Angeklagten P. war durch den "im Namen und für Rechnung
der Deutschen Bahn AG" geschlossenen Ingenieurvertrag mit der PBDE eine
zuvor vakante Stelle übertragen worden. Er erbrachte
zunächst Leistungen im Bereich
Streckenplanung/Baulenkung/Abrechnung beim Bau der Schnellbahnstrecke
Hannover-Berlin im Planungsabschnitt 01 und war u. a. für die
Vorbereitung von Vergaben zuständig. Nach einer internen
Bekanntmachung hatte er alle Befugnisse wie ein interner Mitarbeiter
und arbeitete unter der Stellenbezeichnung "S 142". Anfang Juli 1999
wurde der Vertrag rückwirkend zum 1. Mai 1999 auf die
Nachtragsbearbeitung auch im Planungsabschnitt 02 der Strecke erweitert.
5
Der Angeklagte D. war Geschäftsführer der GP
Baugesellschaft mbH & Co. KG (später GP
Baugesellschaft mbH, im Folgenden: GP), die unter seiner Leitung ihr
Umsatzvolumen im Bereich Erd- und Tiefbauarbeiten wesentlich steigerte
und Aufträge öffentlicher und privater Auftraggeber
abwickelte, darunter mehrere Projekte für die DB AG.
6
- 7 -
Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Erweiterung eines
Auftrags zur Durchführung von Erdarbeiten im Planungsabschnitt
01 um 13,5 Mio. DM, für die die PBDE der GP als Mitglied einer
aus mehreren Unternehmen bestehenden Arbeitsgemeinschaft (ARGE) den
Zuschlag erteilt hatte, erhielt der Angeklagte P. von der GP einen
Scheck über 130.000 DM mit einem unzutreffenden
Verwendungszweck. Einige Monate später erstellte er
über diesen Betrag eine rückdatierte Scheinrechnung
an die GP. Im Planungsabschnitt 02, in dem die GP als Mitglied einer
anderen ARGE ebenfalls mit Erdarbeiten betraut war, meldete sie mehrere
Nachträge an, unter anderem wegen Baubehinderung durch
Sperrung einer Ortsdurchfahrt in Höhe von über 3 Mio.
DM. Nachdem der Nachtrag mehrfach - auf Seiten der PBDE koordiniert
durch den Angeklagten P. - verhandelt und die Forderung auf ca. 1,9
Mio. DM reduziert worden war, verfasste der Angeklagte P. einen
befürwortenden Vergabevermerk und stellte an dem Tag, an dem
auch alle anderen Verantwortlichen bei der PBDE diesen unterzeichnet
hatten, der GP eine Rechnung über 90.000 DM zuzüglich
Umsatzsteuer, die er mit einem unzutreffenden Rechnungstext versah. Die
GP überwies etwa einen Monat später an den
Angeklagten P. 90.000 DM; am selben Tag stellte sie der PBDE die
abgesprochene Rechnung für den Nachtrag über ca. 1,9
Mio. DM.
7
2. Die Auffassung des Landgerichts, auf Grundlage dieser Feststellungen
komme eine Verurteilung der Angeklagten P. und D. wegen Bestechlichkeit
bzw. Bestechung (§§ 332, 334 StGB) nicht in Betracht,
weil es sich bei dem Angeklagten P. nicht um einen Amtsträger
gehandelt habe, hält der rechtlichen Nachprüfung
nicht stand. Der Angeklagte P. war Amtsträger im Sinne von
§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB, denn er war bei der PBDE als
einer sonstigen Stelle im Sinne der Vorschrift zur Wahrnehmung von
Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bestellt.
8
- 8 -
a) Bei den von der PBDE ausgeschriebenen und unter ihrer Leitung
durchgeführten Gleisbaumaßnahmen handelte es sich um
Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Der Ausbau und die
Erhaltung des Schienennetzes gehören zu den Aufgaben der
Leistungsverwaltung einschließlich der Daseinsvorsorge, die
nach ständiger Rechtsprechung zu den Aufgaben der
öffentlichen Verwaltung im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr.
2 Buchst. c StGB gezählt werden (BGHSt 31, 264, 268; 38, 199,
201 f.; 43, 370, 375; 49, 214, 220 ff.). Trotz der (teilweisen)
Privatisierung der deutschen Eisenbahnen stellt das Eisenbahnwesen nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHSt 49, 214, 221 ff.) und
der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur
(Rudolphi/Stein in SK-StGB § 11 Rdn. 27; Radtke in
MünchKomm-StGB § 11 Rdn. 41; Heinrich, Der
Amtsträgerbegriff im Strafrecht S. 637 f.;
Hommelhoff/Schmidt-Aßmann ZHR 160 [1996] 521, 537; jew. m. w.
N.; aA Cantzler, Strafrechtliche Auswirkungen der Privatisierung von
Verwaltungsaufgaben S. 14 f., 114) eine öffentliche Aufgabe
dar. Dies gilt insbesondere für die von der PBDE nach ihrem
Unternehmensgegenstand entfalteten Tätigkeiten der Planung,
Bauvorbereitung, Baudurchführung und Bauüberwachung
von Schienenverkehrsprojekten. Nach der verfassungsrechtlichen
Grundentscheidung in Art. 87e Abs. 4 GG gewährleistet der Bund
beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes die Berücksichtigung
des Allgemeinwohls. Gesellschaften, die den Bau, das Unterhalten und
das Betreiben von Schienenwegen zum Geschäftszweck haben,
verbleiben dauerhaft zumindest mehrheitlich im Eigentum des Bundes
(Art. 87e Abs. 3 Satz 2, 3 GG). Durch diese Regelungen, die erst im
Gesetzgebungsverfahren Aufnahme in den Gesetzentwurf fanden, sollte ein
Ausgleich zu der Forderung der Länder, das Schienennetz im
unmittelbaren Bundeseigentum zu belassen, geschaffen und die politische
Verantwortung des Bundes für die Infrastruktur sichergestellt
werden (BTDrucks. 12/6280 S. 8). Sie zeigen, dass ein
vollständiger Rückzug des Bundes aus dem
Eisenbahnwesen trotz der Überführung des Eisenbahn-
9
- 9 -
vermögens in Wirtschaftsunternehmen nicht gewollt war und
insbesondere die hier in Rede stehenden Neubaumaßnahmen von
Schienenwegen als Teil des Ausbaus der Infrastruktur vorrangig dem
Allgemeinwohl dienen und damit eine öffentliche Aufgabe
darstellen.
b) Bei der PBDE handelte es sich um eine sonstige Stelle im Sinne von
§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB.
10
Unter einer sonstigen Stelle versteht man eine
behördenähnliche Institution, die unabhängig
von ihrer Organisationsform befugt ist, bei der Ausführung von
Gesetzen mitzuwirken, ohne dabei eine Behörde im
verwaltungsrechtlichen Sinne zu sein. Ist eine Einrichtung der
Öffentlichen Hand in der Form einer juristischen Person des
Privatrechts organisiert, müssen bei ihr Merkmale vorliegen,
die eine Gleichstellung mit einer Behörde rechtfertigen; sie
muss nach ständiger Rechtsprechung bei einer Gesamtbetrachtung
"als verlängerter Arm des Staates erscheinen" (BGHSt 43, 370,
377; 45, 16, 19; 46, 310, 312 f.; 49, 214, 219; 50, 299, 303; BGH NStZ
2006, 628, 630). In die Gesamtbetrachtung sind alle wesentlichen
Merkmale der Gesellschaft einzubeziehen, namentlich, ob diese
gewerblich tätig ist und mit anderen im Wettbewerb steht
(BGHSt 38, 199, 204), ob im Gesellschaftsvertrag eine
öffentliche Zwecksetzung festgeschrieben ist (BGHSt 43, 370,
372 f.), ob sie im Eigentum der Öffentlichen Hand steht und
ihre Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln finanziert
wird (BGHSt 45, 16, 20) sowie in welchem Umfang staatliche Steuerungs-
und Einflussnahmemöglichkeiten bestehen (BGHSt 43, 370, 378
f.; 45, 16, 20 f.; 49, 214, 224 f.).
11
Bei einer Gesamtbetrachtung aller die PBDE prägenden Merkmale
ergibt sich, dass sie als "verlängerter Arm des Staates" zu
werten, damit einer Behör-
12
- 10 -
de gleichzustellen ist und deshalb eine sonstige Stelle im Sinne von
§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB darstellt:
Die Gesellschaft stand im Tatzeitraum im alleinigen (mittelbaren)
Bundeseigentum, weil die Bundesrepublik sämtliche Anteile an
der DB AG hielt, die zunächst unmittelbar und ab Juli 1999
mittelbar über die DB Netz AG zu 100 % Muttergesellschaft der
PBDE war. Dementsprechend verfügte der Bund über
Aufsichtsbefugnisse sowohl gegenüber der DB AG als auch
unmittelbar im Aufsichtsrat der PBDE.
13
Zwar ist die alleinige Inhaberschaft sowie eine Rahmen- und
Globalsteuerung der Gesellschaft durch den Staat für die
Annahme einer "sonstigen Stelle" noch nicht ausreichend (BGHSt 43, 370,
378; 45, 16, 20; 49, 214, 226). Jedoch ergibt die gebotene Gesamtschau
der folgenden besonderen Umstände, dass die PBDE einer
Behörde gleichsteht:
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aa) Die finanziellen Mittel zur Durchführung der
Schienenverkehrsprojekte wurden nach den Feststellungen des
angefochtenen Urteils der PBDE über die DB AG aufgrund der
zwischen dieser und der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen
Rahmen- und Einzelfinanzierungsvereinbarungen in Form von zinslosen
Darlehen oder nicht rückzahlbaren Baukostenzuschüssen
vollständig durch den Bund zur Verfügung gestellt.
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bb) Die PBDE wurde nicht gewerblich tätig und stand zu anderen
Unternehmen nicht im Wettbewerb. Sie erwirtschaftete - anders als dies
ein privatwirtschaftliches Konkurrenzunternehmen hätte tun
müssen - mit ihrer Planungs- und
Koordinierungstätigkeit keine Erträge, sondern setzte
die ihr zur Verfügung gestellten Mittel zur Realisierung der
Schienenprojekte und damit zur Erfüllung der dem Bund
gemäß Art. 87e GG obliegenden und von diesem
finanzierten
16
- 11 -
Gemeinwohlaufgabe ein. Auf dem Gebiet des Ausbaus der
Schieneninfrastruktur bestand - und besteht bis heute - kein
Wettbewerb, weil es an konkurrierenden Auftraggebern fehlt. Aus diesem
Grund wird die im Zuge der Umsetzung der zweiten Stufe der Bahnreform
gegründete DB Netz AG vergaberechtlich als
öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Satz 1
Nr. 2 GWB angesehen, weil ihr Unternehmensbereich der klassischen
Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand zuzuordnen ist und sie
nicht gewerblich tätig wird (Vergabekammer des Bundes,
VergabeR 2004, 365, 367; Battis/Kersten, WuW 2005, 493, 497 ff.). Die
für die Muttergesellschaft der PBDE maßgeblichen
Grundsätze gelten für die PBDE entsprechend.
cc) Aus dem Gesellschaftsvertrag der PBDE ergibt sich zudem eine
öffentliche Zwecksetzung, weil darin die Umsetzung der vom
Bund zu gewährleistenden und zu finanzierenden
Schienenverkehrsprojekte als (alleiniger) Unternehmensgegenstand
festgeschrieben ist. Soweit darüber hinaus als
Unternehmensgegenstand die Realisierung der Projekte "Deutsche Einheit"
genannt werden, dienten diese in besonderem Maße der
Erfüllung des Gemeinwohlauftrages des Bundes: Die Forderung
nach einer technischen und organisatorischen Angleichung der beiden
Deutschen Bahnen nach der Wiedervereinigung (Deutsche Bundesbahn und
Deutsche Reichsbahn) geht auf Art. 26 Abs. 3 des Einigungsvertrages
zurück. Dementsprechend ist nach § 8 Abs. 1 Satz 3
des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG) der Ausbaustand der
Schienenwege in den neuen Bundesländern an den in den alten
Bundesländern anzupassen. Der Bedarfsplan
gemäß § 1 Abs. 1 BSWAG in der zur Tatzeit
gültigen Fassung vom 15. November 1993 (BGBl 1993 I S. 1875
f.) wies das von der PBDE ausgeführte Projekt der Ausbau- /
Neubaustrecke Hannover-Berlin als vordringlichen Bedarf aus.
17
- 12 -
dd) Aus der engen Verzahnung von öffentlicher Aufgabe,
öffentlicher Finanzierung und öffentlichem
Gesellschaftszweck ergeben sich im Zusammenhang mit den gesetzlichen
Vorgaben des BSWAG umfangreiche Einflussmöglichkeiten und
Steuerungsmechanismen des Staates gegenüber der PBDE: Welche
Strecken neu bzw. ausgebaut werden, legt der Bund durch den Bedarfsplan
zum BSWAG fest. Eine Konkretisierung dieses Bedarfsplanes erfolgt durch
vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
aufgestellte Fünfjahrespläne, die die Grundlage der
Aufstellung von Ausbauplänen für die
Bundesschienenwege bilden (§ 5 Abs. 1 BSWAG). Nicht darin
aufgeführte Strecken können gemäß
§ 6 BSWAG nur in Ausnahmefällen aufgrund eines
unvorhergesehenen Verkehrsbedarfs in die Ausbaupläne
aufgenommen werden. Der Bedarfsplan ist alle fünf Jahre nach
einer Prüfung durch das Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gegebenenfalls anzupassen, wobei die
Aufstellung und Anpassung des Bedarfsplanes durch Gesetz vorgenommen
werden (§ 4 Abs. 1 BSWAG).
18
Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 BSWAG finanziert der Bund den Bau, den
Ausbau sowie Ersatzinvestitionen, die DB AG trägt
gemäß § 8 Abs. 4 BSWAG lediglich die Kosten
der Unterhaltung und Instandhaltung ihrer Schienenwege. Die
Durchführung und die Finanzierung der in den Bedarfsplan
aufgenommenen Baumaßnahmen geschieht gemäß
§ 9 BSWAG auf der Grundlage von
öffentlich-rechtlichen Verträgen zwischen der DB AG
und der den Neu- oder Ausbau finanzierenden
Gebietskörperschaft, d. h. in aller Regel dem Bund, in denen
konkrete Vorgaben für die Verwendung der Gelder gemacht werden
(BGHSt 49, 214, 224). Durch die grundsätzliche Befugnis zur
Festlegung der von der PBDE durchzuführenden
Baumaßnahmen war eine weitere Einflussnahme des Staates damit
auch über die Mittelvergabe gegeben, ohne die der PBDE kein
Kapital zur Durchführung ihrer
Geschäftstätigkeit verblieb.
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- 13 -
Auch der Gesellschaftsvertrag der PBDE sah
Einflussmöglichkeiten des Bundes vor. In den aus mindestens
fünf Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrat konnten sowohl das
Bundesministerium für Verkehr als auch das Bundesministerium
für Finanzen jeweils ein Aufsichtsratsmitglied entsenden. Nach
§ 14 Abs. 2 bzw. § 15 Abs. 2 des
Gesellschaftsvertrages oblag es dem Aufsichtsrat, "den von der
Geschäftsführung aufgestellten Wirtschaftsplan
(…) und einen davon abhängigen Plan, der die vom
Eisenbahn-Bundesamt der DB AG zugewiesenen Haushaltsmittel des Bundes
sowie deren Verwendung für das kommende Geschäftsjahr
ausweist", zu beschließen. Im Aufsichtsrat konnten
"Maßnahmen von grundsätzlicher und finanzieller
Bedeutung" nicht gegen die Stimmen des Bundes beschlossen werden
(§ 7 Abs. 3 bzw. § 8 Abs. 3 des
Gesellschaftsvertrages). Zu den Einflussmöglichkeiten aufgrund
der Regelungen des BSWAG und der Steuerung über die
Mittelvergabe bestand damit zumindest eine Sperrminorität des
Bundes im Aufsichtsrat der PBDE, durch die er die Einhaltung seiner
Vorgaben kontrollieren konnte.
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ee) Nach alledem ist es ohne Bedeutung, dass die beiden Vertreter des
Bundes im Aufsichtsrat in der Minderheit waren und deshalb - wie das
Landgericht ausführt - keine Wünsche und
Vorstellungen gegen den Willen der Geschäftsführung
durchsetzen konnten. Die aufgezeigten Einfluss- und
Kontrollmöglichkeiten bereits weit im Vorfeld einer etwaigen
Entscheidung des Aufsichtsrats belegen für den
Geschäftsbereich der PBDE eine hinreichend konkrete staatliche
Steuerung, die im Zusammenhang mit der ausschließlich
staatlichen Mittelherkunft, der fehlenden Wettbewerbssituation und der
im Vordergrund stehenden öffentlichen Aufgabe der
Gewährleistung der Schieneninfrastruktur die Einordnung der
PBDE als sonstige Stelle im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. c StGB tragen. Schon diese Umstände unterscheiden den
hier zu beurteilenden Sachverhalt wesentlich von dem vom Landgericht
zur Stützung
21
- 14 -
seiner Rechtsansicht herangezogenen Fall, dass sich ein Privater mit
einer Sperrminorität an einer Gesellschaft beteiligt, die auf
dem Gebiet der Daseinsvorsorge tätig wird und mehrheitlich im
staatlichen oder kommunalen Eigentum steht (vgl. BGHSt 50, 299). Es
kommt hinzu, dass zwar nur zwei Aufsichtsratsmitglieder unmittelbar vom
Bund entsandt wurden, jedoch aufgrund des alleinigen Anteilseigentums
des Bundes an der DB AG und damit mittelbar auch an der PBDE die nicht
unmittelbar vom Bund bestimmte Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder
nicht einem privaten Dritten, der vom Staat völlig
unabhängig ist, gleichgesetzt werden kann.
c) Das Urteil des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli
2004 (BGHSt 49, 214), mit dem er für die DB AG als Ganzes die
Eigenschaft einer "sonstigen Stelle" verneint hat, steht nicht
entgegen. In dieser Entscheidung ist für die mit der zweiten
Stufe der Bahnreform im Jahr 1999 als Konzerntochter der DB AG
gegründete, ausschließlich für den Bereich
Fahrweg zuständige DB Netz AG ausdrücklich offen
gelassen worden, ob diese einer derartigen staatlichen Steuerung
unterliegt, dass sie als "sonstige Stelle" im Sinne des § 11
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB einzustufen ist (BGHSt aaO S. 226 f.).
Daraus wird deutlich, dass in diesem Urteil auch keine Festlegungen
für die Einordnung solcher - nicht in den Blick genommener -
selbständiger Tochterunternehmen der DB AG getroffen werden
sollten, die schon vor der zweiten Stufe der Bahnreform
ausschließlich im Teilbereich Fahrweg tätig waren.
22
Auch das vom Landgericht aus dem genannten Urteil herangezogene
Argument, die DB AG sei bis zur zweiten Stufe der Bahnreform als
einheitliches Unternehmen aufgetreten, müsse daher als Ganzes
beurteilt werden und könne als Unternehmenseinheit nicht als
"sonstige Stelle" nach § 11 Abs. 1 Nr. 2
23
- 15 -
Buchst. c StGB angesehen werden, führt für die PBDE
nicht weiter. Denn unabhängig davon, ob § 11 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. c StGB mit dem Begriff der "sonstigen Stelle" bei
privatrechtlichen Einrichtungen tatsächlich
ausschließlich Unternehmen oder Gesellschaften als Ganzes
bezeichnet oder nicht doch auch deren abgrenzbare Untereinheiten
umfasst, handelte es sich bei der PBDE um eine eigene
Rechtspersönlichkeit, die daher nicht allein deshalb -
jedenfalls bis zum Inkrafttreten der zweiten Stufe der Bahnreform -
derselben rechtlichen Einordnung wie die DB AG unterliegen kann oder
gar muss, weil sie eine 100-prozentige Tochter der DB AG war (dies
trifft im Übrigen jetzt auch auf die DB Netz AG zu) und diese
als einheitliches Unternehmen auftrat.
Es bedarf nach alledem auch keiner weiteren Erörterung, ob der
in einigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes geforderte
weitergehende, insbesondere gesellschaftsrechtlich verankerte Einfluss
der Öffentlichen Hand auf die laufenden Geschäfte und
Einzelentscheidungen (BGHSt 43, 370, 378; 45, 16, 20; 49, 214, 226)
stets maßgeblich für die Gleichstellung einer
privatrechtlich organisierten Gesellschaft mit einer Behörde
ist. Der Senat hätte Bedenken, diesem Kriterium ein solch
entscheidendes Gewicht beizumessen. Dem steht zunächst
entgegen, dass der Gesetzgeber mit der Ergänzung von
§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB durch die Worte "unbeschadet
der zur Aufgabenerfüllung gewählten
Organisationsform" durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom
13. August 1997 (BGBl I S. 2038) klargestellt hat, dass die Wahl der
Organisationsform - privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich
- für sich gesehen nicht zur Abgrenzung einer "sonstigen
Stelle" von nichtstaatlichen Einrichtungen herangezogen werden kann.
Dann verbietet sich aber auch ein vorrangiges Abstellen auf die
gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung von Einfluss- und
Kontrollmöglichkeiten. Darüber hinaus sind
Einzelheiten des Gesellschaftsvertrages bereits für den bei
einer solchen Gesellschaft Angestellten oftmals nicht zu
überblicken;
24
- 16 -
erst recht gilt das für einen außenstehenden
Dritten. Damit ist aber für die möglichen
Täter eines Bestechungsdelikts ein - nach der zitierten
Rechtsprechung maßgebliches - Kriterium, das die
Amtsträgerschaft und damit gegebenenfalls die Strafbarkeit
begründet, nicht oder nur schwer erkennbar. Nicht zuletzt im
Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG neigt der
Senat deshalb dazu, hinsichtlich der Steuerungsmöglichkeiten
des Staates nicht zu verlangen, dass sich aus gesellschaftsrechtlichen
Regelungen ein Einfluss der Öffentlichen Hand auf konkrete
Einzelentscheidungen im Tagesgeschäft ergeben muss (vgl. dazu
Radtke in MünchKomm-StGB § 11 Rdn. 55; Heinrich NStZ
2005, 197, 201; kritisch zum Erfordernis der staatlichen Steuerung auch
Rudolphi/Stein in SK-StGB § 11 Rdn. 30 a).
d) Der Angeklagte P. war nach den Feststellungen des Landgerichts auch
zum Amtsträger bestellt. Die öffentlich-rechtliche
Bestellung ist von der rein privatrechtlichen Beauftragung abzugrenzen
und muss zu einer über den einzelnen Auftrag hinausgehenden
längerfristigen Tätigkeit oder einer
organisatorischen Eingliederung in die Behördenstruktur
führen, ohne dass es freilich eines förmlichen
Bestellungsaktes bedarf (BGHSt 43, 96, 102; Fischer, StGB 55. Aufl.
§ 11 Rdn. 20 m. w. N.). Bei dem Angeklagten P. lag sowohl eine
längerfristige Tätigkeit über mehrere Jahre
als auch eine Eingliederung in die Struktur der PBDE vor, in der er die
Stelle "S 142" bekleidete. Dies wurde durch die interne Mitteilung,
dass er über die gleichen Befugnisse wie ein Mitarbeiter
verfügte, auch schriftlich dokumentiert.
25
Die Auffassung des Landgerichts, dass es eines Bestellungsaktes mit
Warnfunktion bedurft hätte, beruht auf der rechtsfehlerhaften
Annahme, bei der PBDE habe es sich jedenfalls bis zur Eingliederung in
die DB Netz AG nicht um
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- 17 -
eine sonstige Stelle im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c
StGB gehandelt; sie trifft deshalb ebenfalls nicht zu.
3. Aufgrund der rechtsfehlerhaften Verneinung der
Amtsträgerschaft des Angeklagten P. war das Urteil mit den
Feststellungen aufzuheben, soweit es die Angeklagten P. und D.
betrifft. Dies gilt auch hinsichtlich des zweiten Tatkomplexes, in dem
das Landgericht an sich rechtsfehlerfrei (s. dazu unten II.) auch diese
beiden Angeklagten vom Vorwurf des Betruges bzw. der Untreue
freigesprochen hat. Es hat aber insoweit den festgestellten Sachverhalt
unter dem Gesichtspunkt der Bestechlichkeit bzw. Bestechung rechtlich
unzutreffend gewürdigt. Um dem neuen Tatrichter eine
unabhängige und widerspruchsfreie Beurteilung zu
ermöglichen, hat der Senat deshalb die Feststellungen
insgesamt aufgehoben, soweit sie die Angeklagten P. und D. betreffen.
27
II.
Das Urteil hat hingegen Bestand, soweit das Landgericht den Angeklagten
R. im zweiten Tatkomplex vom Vorwurf des Betruges aus
tatsächlichen Gründen freigesprochen hat.
28
Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge hat aus den
Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.
Auch die Sachrüge dringt nicht durch:
29
Entgegen der Auffassung der Revision ist die Beweiswürdigung
weder lückenhaft, noch weist sie sonstige Rechtsfehler auf.
Das Landgericht hat aufgrund einer umfassenden Würdigung aller
für und gegen den Angeklagten sprechenden Indizien eingehend
begründet, warum es sich insbesondere von
30
- 18 -
einer vorsätzlichen Täuschungshandlung nicht hat
überzeugen können. Maß-geblich hat es dabei
darauf abgestellt, dass die Umstände, die für und
gegen die Berechtigung der geltend gemachten Nachtragsforderung sowohl
dem Grunde als auch der Höhe nach sprachen, den
maßgeblichen Entscheidungsträgern innerhalb der PBDE
aufgrund der Vielzahl von Verhandlungen über diese Forderung
und des umfangreichen Schriftwechsels darüber bekannt waren.
Rechtsfehlerfrei hat es zudem berücksichtigt, dass
für die Beurteilung der Frage, ob die Forderung dem Grunde
nach berechtigt war, seitens der PBDE eine Rechtsanwaltskanzlei
eingeschaltet worden und eine bewusste Falschinformation dieser Kanzlei
nicht feststellbar war. Zur Höhe der Forderung hat sich die
Strafkammer auf das Gutachten des in der Hauptverhandlung
gehörten Sachverständigen berufen und in
rechtsfehlerfreier Weise berücksichtigt, dass auch dem
Rechnungsprüfer der PBDE die offensichtlichen Rechenfehler des
Angeklagten R. sowie die fehlende Nachvollziehbarkeit der Forderung in
Bezug zu der Urkalkulation nicht aufgefallen waren. Angesichts dieser
Umstände kam es auf die Frage, ob und gegebenenfalls in
welcher Höhe eine Forderung der GP tatsächlich
bestand oder zivilgerichtlich durchsetzbar gewesen wäre, nicht
mehr entscheidend an. Aus diesem Grund genügen auch die
Ausführungen der Strafkammer, mit denen sie die wesentlichen
Ausführungen des Sachverständigengutachtens
wiedergegeben hat, den revisionsrechtlichen Anforderungen.
Soweit die Staatsanwaltschaft einzelne Indizien herausgreift und
stärker zu Lasten des Angeklagten wertet oder sich gegen
Feststellungen wendet, die
31
- 19 -
das Landgericht aus dem Sachverständigengutachten herleitet,
handelt es sich um den im Revisionsverfahren unbehelflichen Versuch,
die eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des
Tatrichters zu setzen.
Becker Pfister von Lienen
RiBGH Hubert und RiBGH Dr. Schäfer
befinden sich im Urlaub und sind daher
gehindert zu unterschreiben.
Becker |