BGH,
Urt. v. 2.12.2004 - 3 StR 246/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 246/04
vom
2. Dezember 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltr eibens mit Betäubungsmitteln in nicht ger inger
Menge
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der
Sitzung vom 2. Dezember
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Winkler ,
Pfister,
von Lienen,
Hubert
als beisitzende Richter ,
Bundesanwalt beim
Bundesgerichtshof
in der Verhandlung,
Staatsanwalt
bei der Verkündung
als Vertreter der
Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
Dr.
,
Pr of. Dr.
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der
Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wir d das Urteil des Land-
gerichts Kiel vom 18. Februar 2004 im Rechtsfolgenausspruch mit
den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer
Verhandlung
und Entscheidung, auch
über die Kosten des
Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den
Angeklagten unter Freisprechung
im übrigen
wegen uner laubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer
Menge in 42 Fällen
sowie wegen unerlaubten
"gewerbsmäßigen" Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln
in 54 Fällen zur
Gesamtfreiheitsstr afe von zwei
Jahr en und zur
Gesamtgeldstrafe von 360
Tagessätzen zu je 55
€
verurteilt.
Die Vollstreckung der
Gesamtfreiheitsstrafe hat das
Landgericht zur Bewäh-
rung ausgesetzt; für die Bezahlung der Gesamtgeldstrafe hat es
Ratenzahlung
bewilligt.
Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte
und vom Generalbundes-
anwalt vertretene Revision der
Staatsanwaltschaft, die die
Verletzung sachli-
chen Rechts rügt, führt zur Aufhebung des gesamten
Rechtsfolgenausspruchs.
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1. Allerdings hat die Staatsanwaltschaft - wie sich aus der
Revisionsbe-
gründung ergibt -
lediglich die Verfallsentscheidung
anfechten wollen. Diese
Rechtsmittelbeschr änkung ist
hier indes nicht wirksam.
Zwar ist eine Be-
schränkung der Revision auf die Anordnung des
Verfalls, deren Aufhebung den
Strafausspruch in der Regel
nicht ber ührt ( vgl.
BGH NStZ 2000, 137; BGHR
StGB § 46 Abs. 1
Schuldausgleich 38 = NStZ
2001, 312; Schmidt in LK
11. Aufl. § 73 Rdn. 7
und 11 f.),
grundsätzlich möglich
(vgl. Kuckein in KK
5. Aufl. § 344 Rdn. 12
m. w. N.). Sie ist
aber nach den allgemeinen
Grundsätzen, die für
die Beschränkung von
Rechtsmitteln gelten, nur dann
wirksam, wenn dieser Teil der Entscheidung losgelöst vom
übrigen Urteilsinhalt
selbständig geprüft und
beurteilt werden kann und
die nach dem
Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von
inneren
Widersprüchen bleibt ( st.
Rspr.; vgl. BGHSt 29,
359, 364; 47, 32, 35). Diese
Voraussetzungen liegen im gegebenen Fall nicht vor; denn nach
den Gründen
des angefochtenen Urteils hat
das Landgericht ersichtlich den
gesamten
Rechtsfolgenausspruch einschließlich
des Absehens von einer
Verfallsanordnung als einheitliche
Sanktionsentscheidung angesehen, deren
innerer Zusammenhang die Ausklammerung eines Teilbereiches nicht
verträgt.
Demgemäß gilt der
gesamte Rechtsfolgenausspruch als
angefochten (vgl.
Kuckein aaO § 344 Rdn. 16).
2. Die Entscheidung des Landgerichts, von
einer Verfallsanordnung ab-
zusehen, kann nicht bestehen bleiben,
weil ihre Grundlagen nicht hinreichend
dar getan sind und deshalb dem Revisionsgericht die
Überprüfung verwehrt ist.
Das Landgericht hat -
nachdem der Angeklagte auf
die Rückgabe be-
schlagnahmter Gegenstände, die in den Urteilsgründen
nicht näher bezeichnet
wurden, verzichtet hat -
von einer "darüber
hinausgehenden Verfallsanor d-
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nung" abgesehen, da der Wert
des aus der Straftat Erlangten in seinem Ver-
mögen nicht mehr vorhanden sei. Der Angeklagte habe den Profit
aus dem Be-
täubungsmittelhandel für die Bestr eitung
seines Lebensunterhaltes verwendet,
"darüber hinaus" keine Vermögenswerte angesammelt.
a) Mit diesen Erwägungen hat das
Landgericht die Nichtanordnung des
Verfalls ersichtlich auf § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB
gestützt. Danach kann
die Anordnung nur unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert
zur Zeit
der Anor dnung in dem
Vermögen des Betroffenen
nicht mehr vorhanden ist.
Das Landgericht hätte daher zunächst feststellen
müssen, was der Angeklagte
aus seinen Straftaten erlangt hat und ob er entr eichert oder
das Erlangte noch
in seinem Vermögen
vorhanden ist (vgl. BGH
NStZ-RR 2002, 7) . Denn eine
Entscheidung nach § 73 c Abs. 1
Satz 2 1. Alt. StGB scheidet aus, soweit
der
Angeklagte über Vermögen verfügt,
das wertmäßig nicht
hinter dem anzuor d-
nenden Verfallbetr ag
zurückbleibt (vgl. BGHR
StGB § 73 c Wert 2
= NStZ
2000, 480). Wenn der
Täter über
Vermögen verfügt, liegt
es nahe, daß der
Wert des aus der Straftat Erlangten darin
noch vorhanden ist, es sei denn, es
steht zweifelsfrei fest, daß
ein Vermögenswert ohne jeden denkbaren
Zusam-
menhang mit der abgeurteilten Straftat erworben wurde (vgl. BGHSt 48,
40, 41
f.). Für die Frage der
Entreicherung kommt es weder
dar auf an, daß sich das
Erlangte selbst noch im
Vermögen des Täters
befindet, noch darauf, ob das
dur ch die Tat Erlangte unmittelbar zum Erwerb noch
vorhandener Vermögens-
werte führte. Vielmehr
braucht vor handenes Vermögen
keinen konkreten oder
unmittelbaren Bezug zu den Str aftaten zu haben,
derentwegen der Verfall an-
geordnet wir d.
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Jedenfalls dann, wenn der Angeklagte - wie im gegebenen Fall - unter Um-
ständen über nicht nur
unerhebliches Ver mögen verfügt,
ist der Tatrichter da-
her regelmäßig
gehalten, den gesamten
Erlös aus den
Rauschgiftgeschäften
zu ermitteln, um auf diese Weise den Verfallbetrag festzustellen (vgl.
BGH StV
1998, 599) und diesem den Wert des vorhandenen Nettovermögens
des Ange-
klagten gegenüberzustellen (vgl. BGH wistra 2003, 424 m. w.
N.). Dies läßt das
angefochtene Urteil vermissen. Das
Landgericht hat die Erlöse aus
dem Dr o-
genhandel nur in einigen Einzelfällen festgestellt. Zum Wert
der Gegenstände,
auf die der Angeklagte verzichtet hat und zum Wert
des dem Angeklagten ge-
hör enden Betr iebs, mit
dem er im Jahr e 2003
immerhin ein Nettoeinkommen
von 19.500
€
erzielt hat, fehlen nähere Feststellungen.
Angesichts dessen sind
die pauschalen Erwägungen, der
Angeklagte habe den Profit aus
dem Betäu-
bungsmittelhandel für die Bestr eitung seines
Lebensunterhaltes verwendet und
keine Vermögenswerte angesammelt, zur
Begründung der Entreicherung nicht
ausr eichend.
b) Ohne die Feststellung, was der Angeklagte aus seinen
Straftaten ins-
gesamt erlangt hat, hat dem Landgericht zudem die notwendige Grundlage
für
die ihm nach § 73 c Abs. 1
Satz 2 StGB übertragene Er
messensentscheidung
gefehlt. Da der nachträgliche Wegfall der Ber eicherung den
Verfall des erlang-
ten Tatvorteils bzw. seines
Wertes an sich unberührt
läßt, muß
der Tatr ichter
neben den persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen des Betroffenen in
seine Billigkeitsentscheidung insbesondere einbeziehen, aus welchem
Grunde
das Er langte bzw. dessen Wert nicht mehr im
Vermögen des Angeklagten vor-
handen ist (vgl. Eser in Schönke/Schröder,
StGB 26. Aufl. § 73 c Rdn. 4; Horn
in SK-StGB 18. Lfg. § 73 c Rdn. 6). Hierbei ist
maßgebend, ob und inwieweit es
unter Berücksichtigung der
Umstände des Einzelfalles
unangemessen er-
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scheint, den Verfall anzuordnen. So können etwa das
"Verprassen" der erlang-
ten Mittel sowie ihre Verwendung
für Luxus und zum
Vergnügen insoweit ge-
gen die Anwendung der Härtevorschrift sprechen; ihr Verbrauch
in einer Notla-
ge für den Lebensunterhalt hingegen kann als
Argument für eine entsprechen-
de Ermessensentscheidung herangezogen
werden (vgl. BGHSt 38,
23, 25;
Tr öndle/Fischer , StGB 52.
Aufl. § 73 c Rdn. 5;
Schmidt in LK 11. Aufl.
§ 73 c
Rdn.11 f.) . Ohne Feststellung des Gesamterlöses des
Drogenhandels ist indes
nicht zu beurteilen, ob
der Angeklagte unter
Berücksichtigung seiner damali-
gen
Lebens-
verhältnisse einen gewöhnlichen Unterhaltsaufwand
hatte oder - was selbst bei
Berücksichtigung des Dr ogenkonsums des Angeklagten und der
Existenz eines
Mittäters angesichts der außerordentlich hohen
Handelsmengen verschiedener
Drogen ( innerhalb von 22 Monaten rund 23.500 Ecstacy-Tabletten,
mindestens
1.200 g Amphetamin sowie 42 kg
Haschisch) und der zum
Teil festgestellten
Erlöse zumindest in Betracht
kommt - eine ungewöhnlich aufwendige
Lebens-
führung betrieben, eventuell sogar einen luxuriösen
Lebensstil gepflegt hat.
3. Als Folge der Aufhebung
der Entscheidung zum Verfall
kann wegen
des hier bestehenden inneren
Zusammenhangs auch der
Strafausspruch kei-
nen Bestand haben. Daher ist
über den gesamten Rechtsfolgenausspruch neu
zu entscheiden.
4. Für die neuerlich dur chzuführende
Hauptverhandlung weist der Senat
dar auf hin, daß der bislang nicht festgestellte
Gesamterlös aus den Drogenge-
schäften notfalls im Wege der Schätzung
ermittelt werden muß ( § 73 b StGB)
und daß die
Verhängung einer Geldstrafe
nach § 41 StGB neben
einer Frei-
heitsstrafe nicht allein deshalb vorgenommen werden darf,
um die an sich ge-
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botene höhere Freiheitsstrafe
auf ein Maß
herabsetzen zu können,
das die
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Aussetzung der Vollstreckung
zur Bewährung
ermöglicht (vgl. BGHSt
32, 60,
65; BGH NJW 1985, 1719; Häger in LK 11. Aufl.
§ 41 Rdn. 23).
Tolksdorf
Winkler
Pfister
von
Lienen
Hubert
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