BGH,
Urt. v. 20.2.2003 - 4 StR 228/02
4 StR 228/02
StGB §§ 315 b Abs. 1, 315 c Abs. 1
Im fließenden Straßenverkehr wird ein
Verkehrsvorgang nur dann zu einem Eingriff in den
Straßenverkehr im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB
"pervertiert", wenn zu dem bewußt zweckwidrigen Einsatz eines
Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Einstellung hinzukommt, daß
es mit (mindestens bedingtem) Schädigungsvorsatz - etwa als
Waffe oder Schadenswerkzeug - mißbraucht wird.
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
vom
20. Februar 2003
in der Strafsache gegen
wegen vorsätzlicher
Straßenverkehrsgefährdung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 20.
Februar 2003, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien, Richter am Bundesgerichtshof Dr.
Kuckein, Athing, Richterinnen am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic,
Sost-Scheible als beisitzende Richter, Oberstaatsanwältin beim
Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Staatsanwalt bei der
Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt
als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Gießen vom 5. Februar 2002
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte der vorsätzlichen Gefährdung des
Straßenverkehrs in Tateinheit mit vorsätzlichem
Fahren ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, in einem Fall in
weiterer Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und
unerlaubtem Entfernen vom Unfallort in drei tateinheitlich
zusammentreffenden Fällen, schuldig ist,
b) im Strafausspruch im Fall 2 der Urteilsgründe (Tat vom 19.
Mai 1998), im Ausspruch über die Gesamtstrafe und
über die Maßregel mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher
Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit
vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen
vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den
Straßenverkehr in Tateinheit mit vorsätzlicher
Straßenverkehrsgefährdung, unerlaubtem Entfernen vom
Unfallort, Nötigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und
vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung der
Strafen aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die
Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von vier Jahren
keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen dieses Urteil wendet sich der
Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und
materiellen Rechts beanstandet. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg;
im übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
I.
Die Verfahrensrügen dringen, wie der Generalbundesanwalt in
seiner Antragsschrift vom 7. November 2002 im einzelnen
ausgeführt hat, nicht durch.
II.
Die Sachrüge führt im Fall 2 der
Urteilsgründe (Tat vom 19. Mai 1998) zur Änderung des
Schuldspruchs, zur Aufhebung des Strafausspruchs in diesem Falle und
zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe und die
Maßregel.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Fall 1: Am Morgen des 21. September 1997 befuhr der Angeklagte mit
seinem Pkw die Autobahn A 485, wobei er - wie er wußte -
nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war. Als ihn der
Polizeibeamte J. , dem bekannt war, daß der Angeklagte keine
Fahrerlaubnis besaß, wahrgenommen hatte und ihn mit seinem
als Polizeifahrzeug erkennbaren Kraftrad anzuhalten versuchte, fuhr der
Angeklagte weiter, um sich der polizeilichen Kontrolle zu entziehen. J.
verfolgte ihn sodann mit Blaulicht und eingeschaltetem Signalhorn.
Nachdem der Angeklagte auf eine andere Autobahn (A 45) abgezweigt war,
fuhr er nach kurzer Strecke von dieser wieder ab. Noch auf der
Abfahrspur wendete er plötzlich, um auf die Autobahn, die er
gerade verlassen hatte, entgegen der Fahrtrichtung
zurückzufahren. Er befuhr sie - dem fließenden
Verkehr entgegen - auf dem Standstreifen, um so den ihm nachfahrenden
Polizeibeamten "abzuschütteln". Dieser verfolgte den
Angeklagten jedoch auf dem Standstreifen weiter. Als dem Angeklagten
aus der Ausfahrt eines Parkplatzes zwei Pkws entgegenkamen, fuhr er,
obwohl er die Fahrzeuge bemerkt hatte, ohne seine Geschwindigkeit zu
verringern, weiter. Er wollte sein Fahrzeug zwar "nicht zu
verkehrsfremden Zwecken einsetzen", nahm jedoch billigend in Kauf,
andere Verkehrsteilnehmer in die Gefahr eines Verkehrsunfalls zu
bringen. Um eine Kollision zu vermeiden, wich der erste Pkw auf den
rechten Fahrstreifen, der zweite zur anderen Seite auf den
Grünstreifen aus. In dieser gefährlichen Situation
brach der Polizeibeamte die weitere Verfolgung ab und der Angeklagte
konnte entkommen.
Fall 2: Am späten Abend des 19. Mai 1998 fuhr der Angeklagte,
der weiterhin nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, mit seinem Pkw
auf einer öffentlichen Straße. Er wurde von einem
Streifenwagen, besetzt mit den Polizeibeamten Ji. und W. , die einen
Vollstreckungshaftbefehl gegen den Angeklagten vollziehen wollten,
verfolgt und von den Beamten vergeblich zum Halten aufgefordert. Ji.
versuchte, den Streifenwagen links neben den Pkw des Angeklagten zu
setzen, um diesen zu überholen und dann zum Halten zu bringen.
Um das Überholen zu verhindern, zog der Angeklagte sein
Fahrzeug langsam nach links. Eine Kollision der Fahrzeuge konnte - was
dem Angeklagten bewußt war und worauf er auch vertraute - nur
durch ein starkes Abbremsen des Streifenwagens verhindert werden (1.
Tatkomplex). Als der Polizeibeamte Ji. im Verlauf der Fluchtfahrt
erneut versuchte, den Streifenwagen neben das Fahrzeug des Angeklagten
zu setzen und er zum Überholen ausscherte, bremste der
Angeklagte an einer Straßeneinmündung sein Fahrzeug
plötzlich stark ab und bog ohne Vorankündigung nach
links, wobei er das Polizeifahrzeug in dem Wissen schnitt,
"daß er dadurch die Polizeibeamten der Gefahr eines
Verkehrsunfalls aussetzte". Trotz einer Vollbremsung des Streifenwagens
kam es zu einem - vom Angeklagten nicht beabsichtigten -
Zusammenstoß. Beide Fahrzeuge kamen zum Stehen. Als der
Polizeibeamte W. den Angeklagten festnehmen wollte, gab dieser Gas und
fuhr davon (2. Tatkomplex). Im Verlauf seiner weiteren Fluchtfahrt
beging der Angeklagte mehrere Verkehrsordnungswidrigkeiten.
Schließlich rammte Ji. mit dem Streifenwagen zweimal das Heck
des Fahrzeugs des Angeklagten, um diesen zum Anhalten zu bewegen. Der
Angeklagte fuhr jedoch jeweils weiter (3. Tatkomplex).
2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten im Fall 1 (Tat vom
21. September 1997) rechtlich dahingehend gewürdigt,
daß er sich der vorsätzlichen Gefährdung
des Straßenverkehrs (§ 315 c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f
StGB) in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne
Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) schuldig gemacht hat.
Im Fall 2 (Tat vom 19. Mai 1998) hat sich der Angeklagte nach
Auffassung der Strafkammer - tateinheitlich neben
vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis - wie folgt strafbar
gemacht:
a) im ersten Tatkomplex (durch das Abdrängen des
Polizeifahrzeugs, um sich der Festnahme zu entziehen, in dem Wissen,
daß eine Kollision nur durch starkes Abbremsen des
Streifenwagens verhindert werden konnte), wegen gefährlichen
Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315 b Abs. 1 Nr.
3 StGB) in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung
des Straßenverkehrs (§ 315 c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b
StGB), in weiterer Tateinheit (Zwang zum starken Abbremsen) mit
Nötigung gemäß § 240 StGB und
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 1. Alt.
StGB);
b) im zweiten Tatkomplex (durch das plötzliche starke
Abbremsen und Schneiden des Polizeifahrzeugs in dem Wissen,
daß dadurch die Beamten der konkreten Gefahr eines
Verkehrsunfalls ausgesetzt waren) wegen vorsätzlicher
Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB) in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen
vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB
(Flucht nach der Kollision) und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
(§ 113 Abs. 1 1. Alt. StGB);
c) im dritten Tatkomplex (Flucht nach dem zweimaligen Rammen durch das
Polizeifahrzeug) wegen zweier Fälle des unerlaubten Entfernens
vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
3. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts weist zu Fall 1
der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler auf. Das grob
verkehrswidrige und rücksichtslose Fahren auf dem
Standstreifen einer Autobahn entgegen der Fahrtrichtung
erfüllt den Tatbestand des § 315 c Abs. 1 Nr. 2
Buchst. f StGB (vgl. König in LK 11. Aufl. § 315 c
Rdn. 115 f., 120; Hentschel Straßenverkehrsrecht 37. Aufl.
§ 18 StVO Rdn. 14b, 18a). Dem Gesamtzusammenhang der
Urteilsgründe ist auch mit noch hinreichender Deutlichkeit zu
entnehmen, daß eine konkrete Gefahr für Leib oder
Leben der Insassen der entgegenkommenden Pkws im Sinne eines
"Beinahe-Unfalls" bestand (vgl. UA 14, 18 f., 21 f., 25).
4. Im Fall 2 hält der Schuldspruch jedoch insoweit einer
rechtlichen Überprüfung nicht stand, als der
Angeklagte wegen gefährlichen Eingriffs in den
Straßenverkehr und wegen Nötigung verurteilt wurde.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats wird ein
vorschriftswidriges Verkehrsverhalten im fließenden Verkehr
nur dann von § 315 b StGB erfaßt, wenn ein
Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in
verkehrsfeindlicher Einstellung bewußt zweckwidrig einsetzt,
er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff
in den Straßenverkehr zu "pervertieren", und es ihm darauf
ankommt, durch diesen in die Sicherheit des Straßenverkehrs
einzugreifen (vgl. nur BGHSt 41, 231, 234; BGH NStZ-RR 2000, 343; BGHR
StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 2 Hindernisbereiten 1, 3, 4). Ein
bloß vorschriftswidriges Verkehrsverhalten fällt
dagegen grundsätzlich nicht unter § 315 b StGB,
sondern - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - nur unter
§ 315 c StGB (BGHSt 41, 231, 233 f.; BGHR StGB § 315
b Abs. 1 Nr. 2 Hindernisbereiten 3; Tröndle/Fischer StGB 51.
Aufl. § 315 b Rdn. 8). Insoweit kommt § 315 c StGB
eine "Sperrwirkung" zu. Unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise ein
Verkehrsvorgang im fließenden Straßenverkehr zu
einem "Eingriff" in den Straßenverkehr "pervertiert" wird,
hat der Senat in der Vergangenheit für verschiedene
"Fallgruppen" entschieden (vgl. hierzu König aaO §
315 b Rdn. 12 ff. m.w.N.). Er hält an dieser Rechtsprechung im
Grundsatz fest, ist jedoch der Auffassung, daß zu dem
bewußt zweckwidrigen Einsatz eines Fahrzeugs in
verkehrsfeindlicher Einstellung hinzukommen muß,
daß das Fahrzeug mit (mindestens bedingtem)
Schädigungsvorsatz - etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug
(vgl. BGH VRS 94, 213, 214) - mißbraucht wird. Erst dann
liegt eine - über den Tatbestand des § 315 c StGB
hinausgehende - verkehrsatypische "Pervertierung" des Verkehrsvorgangs
zu einem gefährlichen "Eingriff" in den
Straßenverkehr im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB vor;
das gilt für alle Alternativen der Vorschrift. Mit dieser
Einschränkung stellt der Senat nicht in Frage, daß
für den subjektiven Tatbestand des § 315 b Abs. 1
StGB Gefährdungsvorsatz ausreicht (vgl.
Tröndle/Fischer aaO § 315 b Rdn. 14); er
konkretisiert hierdurch lediglich die schon bisher geforderte
"Absicht", den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den
Straßenverkehr zu "pervertieren".
In Fällen, in denen der Täter sein Fahrzeug als
Fluchtmittel - somit zu "Verkehrszwecken" (vgl. BGH VRS 65, 428, 429) -
benutzt und er bei der Flucht (lediglich) verkehrswidrig
fährt, scheidet ein verkehrsfremdes, verkehrsfeindliches
Verhalten daher jedenfalls dann aus, wenn er - wie in dem angefochtenen
Urteil - nur mit Gefährdungsvorsatz handelt. Diese
Fälle werden regelmäßig von § 315
c StGB (hier: § 315 c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB)
erfaßt (vgl. BGHR StGB § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a
Vorsatz 3 [rücksichtslose Fluchtfahrt]; BGH NStZ-RR 2000, 343
f.). Soweit der Senat in früheren Entscheidungen bei einer
solchen Fallgestaltung den Tatbestand des § 315 b StGB mit der
Begründung bejaht hat, das absichtliche - ohne durch die
Verkehrslage veranlaßte - Hindern am Überholen falle
"ausnahmsweise" nicht unter § 315 c StGB, sondern unter
§ 315 b (Abs. 1 Nr. 2) StGB, weil die Behinderung nicht die
bloße Folge, sondern der Zweck der verbotenen Fahrweise sei
(BGHSt 21, 301, 302 f.; BGH, Urteil vom 3. August 1978 - 4 StR 146/78;
vgl. auch BGHSt 7, 379, 380; 22, 67, 72; 23, 4, 6 f.; 41, 231, 234; BGH
VRS 64, 267 f.), hält er daran für die Fälle
nicht fest, in denen der Täter lediglich mit
Gefährdungsvorsatz handelt. Ist nämlich das eigene
Fortkommen primäres Ziel einer bestimmten Fahrweise, so macht
das in der gewollten Behinderung eines anderen Fahrzeugs liegende
Nötigungselement allein ein Verkehrsverhalten noch nicht zu
einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr.
Der Nötigungscharakter ist ebenso wie die Inkaufnahme der
Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer Bestandteil einer
Vielzahl alltäglichen bewußt regelwidrigen
Verkehrsverhaltens (beispielsweise bewußter
Vorfahrtverletzungen), ohne daß solche vorsätzlichen
Verkehrsverstöße als "Pervertierung" gewertet
würden. Ebensowenig kann es für die rechtliche
Einordnung von regelwidrigem Verkehrsverhalten im fließenden
Straßenverkehr auf eine "moralische Bewertung" der Motive
ankommen, aus denen der Täter sein Interesse an der
ungehinderten Fortsetzung seiner Fahrt über das Interesse
anderer Verkehrsteilnehmer an gefahrloser Teilnahme am
Straßenverkehr stellt.
Der Schuldspruch wegen gefährlichen Eingriffs in den
Straßenverkehr muß demnach entfallen.
b) Soweit der Angeklagte seine Festnahme dadurch vereitelte,
daß er das Polizeifahrzeug am Überholen hinderte und
den Polizeibeamten Ji. zu einem "starken Abbremsen" des Fahrzeugs
zwang, hat er zwar neben dem Tatbestand des § 113 Abs. 1 StGB
zugleich den der Nötigung (§ 240 StGB)
erfüllt; § 113 StGB ist aber gegenüber
§ 240 StGB lex specialis und daher allein anzuwenden (BGH VRS
35, 174, 175; BGH bei Spiegel DAR 1981, 189; BayObLG JR 1989, 24;
Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 113 Rdn. 26). Die
tateinheitliche Verurteilung wegen Nötigung muß
somit ebenfalls wegfallen.
c) Entgegen der Auffassung der Revision hat sich der Angeklagte auch
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 Nr. 1
StGB) - in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen (vgl.
BGH NZV 2001, 265, 266; BGHR StGB § 142 Konkurrenzen 1) -
schuldig gemacht.
Alle drei Kollisionen der Fahrzeuge auf der Fluchtfahrt waren
"Unfälle" im Sinne des § 142 Abs. 1 StGB. Dem steht
nicht entgegen, daß der Polizeibeamte Ji. - im dritten
Tatkomplex - zwei der Unfälle selbst (vorsätzlich)
herbeigeführt hatte (vgl. BGHSt 24, 382 ff.; BGH VRS 11, 425
ff.; 56, 141, 144). Ohne Bedeutung für die Wartepflicht des
Angeklagten war es auch, daß den Polizeibeamten die Person
und das Fahrzeug des Angeklagten bekannt waren; denn es bestand ein
Feststellungsinteresse des im Hinblick auf das Streifenfahrzeug
geschädigten Dienstherrn der Polizeibeamten über die
näheren Umstände des Zustandekommens des jeweiligen
Unfalls (vgl. BGH VRS 11, 425, 426 f.; OLG Koblenz DAR 1977, 76, 77; zu
einem vergleichbaren Fall vgl. auch BGH VRS 65, 428, 429). Die
subjektive Tatseite ist - entgegen der Auffassung der Revision -
rechtsfehlerfrei festgestellt (UA 15/16, 21, 23).
d) Alle Gesetzesverletzungen, die der Angeklagte im Verlauf der
Fluchtfahrt vom 19. Mai 1998 begangen hat, bilden eine Tat im Sinne des
§ 52 StGB (vgl. BGHSt 22, 67, 76; BGH NStZ-RR 1997, 331, 332;
zu mehreren Straßenverkehrsgefährdungen s. BGH NZV
2001, 265 f. [eine Tat]; zu mehreren einander folgenden
Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte vgl. BGH, Urteil vom
9. März 1978 - 4 StR 64/78 = VRS 56, 141, 142 ff.; v. Bubnoff
in LK 11. Aufl. § 113 Rdn. 68 [eine natürliche
Handlungseinheit]).
5. Der Wegfall der Vorwürfe des gefährlichen
Eingriffs in den Straßenverkehr und der Nötigung
wirkt sich auf den Schuldumfang aus und führt deshalb zur
Aufhebung des Strafausspruchs im Fall 2 der Urteilsgründe und
zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Der Senat hebt auch den Ausspruch
über die Anordnung der Sperre für die Erteilung einer
Fahrerlaubnis auf, weil nicht auszuschließen ist,
daß sich der vom Landgericht angenommene zu große
Schuldumfang auch auf die Dauer der Sperre ausgewirkt hat. Im Falle der
Neufestsetzung einer Sperrfrist wird der nunmehr zur Entscheidung
berufene Tatrichter die bei einer nachträglichen
Gesamtstrafenbildung gem. § 55 Abs. 2 StGB zu beachtende
Höchstdauer der Sperre zu berücksichtigen haben (vgl.
BGHSt 24, 205 ff.; Tröndle/Fischer aaO § 55 Rdn. 33).
Die Strafe im Fall 1 (neun Monate Freiheitsstrafe) wird von dem
Rechtsfehler nicht berührt; sie kann daher bestehen bleiben.
Tepperwien Kuckein Athing Solin-Stojanovic Sost-Scheible |