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BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 - 4 StR 437/02


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 20.2.2003 - 4 StR 437/02
4 StR 437/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
vom
20. Februar 2003
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 20. Februar 2003, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien, Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Dr. Kuckein, Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann als beisitzende Richter, Bundesanwalt in der Verhandlung, Staatsanwalt bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1.
Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 21. Juni 2002 werden verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen; die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte mit ihren Revisionen. Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
1. Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten ist auf den Strafausspruch beschränkt. Die Nachprüfung des Urteils ergibt insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
Die Strafrahmenwahl ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Ein Rechtsfehler liegt insbesondere nicht darin, daß die Strafkammer bei der zur Strafrahmenbestimmung vorgenommenen Gesamtbetrachtung nicht ausdrücklich erwähnt hat, daß zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer eine mehrjährige eheliche Lebensgemeinschaft bestanden hat. Angesichts der Ausführungen des Landgerichts zu den partnerschaftlichen Problemen zwischen Täter und Opfer ist nicht zu besorgen, daß das Landgericht diesen Umstand übersehen haben könnte; in Anbetracht der das Tatopfer in besonderer Weise ängstigenden und demütigenden Vorgehensweise des Angeklagten mußte sich die eheliche Lebensgemeinschaft hier jedoch nicht maßgeblich strafmildernd auswirken.
Auch die Strafzumessung im einzelnen weist keinen Rechtsfehler auf.
Entgegen der Auffassung der Revision lassen die Ausführungen dazu nicht besorgen, daß die Strafkammer der unzutreffenden Auffassung gewesen sei, die Berücksichtigung der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten bei der Strafrahmenbestimmung stehe einer weiteren strafmildernden Beachtung bei der Strafzumessung im engeren Sinne entgegen. Vielmehr ist den Ausführungen zu entnehmen, daß das Landgericht die eingeschränkte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten, wenn auch mit geringerem Gewicht, in seine Gesamtwürdigung von Tatgeschehen und Täterpersönlichkeit einbezogen hat, indem es die auf der Persönlichkeitsstörung beruhenden Beziehungsprobleme ausdrücklich mildernd berücksichtigt hat.
Ebensowenig ist zu beanstanden, daß das Landgericht die in den Taten zu Tage getretene hohe kriminelle Energie zu Lasten des vermindert schuldfähigen Angeklagten gewertet hat. Zwar dürfen einem Angeklagten solche Tatmodalitäten nicht zum Vorwurf gemacht und straferschwerend zur Last gelegt werden, wenn und soweit sie gerade Ausdruck des die erhebliche Minderung seiner Schuldfähigkeit begründenden, geistig-seelischen Zustandes sind (vgl. nur BGH StV 2001, 615, 616; BGHR StGB § 21 Strafzumessung 18, jeweils m.w.N.). Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht. Die hohe kriminelle Energie hat das Landgericht in der jeweils zielgerichteten Planung und Durchführung der Taten gesehen. Sie erklärt sich nicht aus der bei dem Angeklagten vorhandenen Persönlichkeitsstörung, bei der es sich um eine "narzisstische Persönlichkeitsstruktur bei einer paranoiden Persönlichkeitsstörung" handelt.
Die vom Landgericht verhängten Freiheitsstrafen liegen innerhalb des dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumten Spielraums; ihre Höhe ist angesichts der Vielzahl und des Gewichts der straferschwerenden Gesichtspunkte revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht hat der Tatrichter berücksichtigt, daß sich beide Taten jeweils über mehrere Stunden erstreckten, mit mehrmaligem Eindringen in den Körper des Opfers verbunden und von besonders erniedrigenden Umständen begleitet waren.
2. Revision der Staatsanwaltschaft
Die Auslegung der Revision der Staatsanwaltschaft ergibt, daß diese ihr zunächst umfassend eingelegtes Rechtsmittel auf den Strafausspruch und die Nichtanordnung der Maßregel nach § 63 StGB beschränkt hat. Zwar hat die Beschwerdeführerin eine Beschränkung "auf den Strafausspruch" erklärt und auch einen darauf beschränkten Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Dies steht jedoch im Widerspruch zu ihrer Revisionsbegründung, die sich ausschließlich mit der Frage einer Unterbringung nach § 63 StGB befaßt. Aus der Begründung ergibt sich, daß die Staatsanwaltschaft das Urteil insbesondere deshalb für rechtsfehlerhaft hält, weil das Landgericht nicht festgestellt hat, daß die Voraussetzungen des § 21 StGB beim Angeklagten sicher vorgelegen haben. Bei einem Widerspruch zwischen Revisionsantrag und Revisionsbegründung ist das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; Kuckein in KK-StPO 4. Aufl. § 344 Rdn. 5 m.w.N.). Diese ergibt hier, daß die Beschwerdeführerin sich nicht nur - wie ausdrücklich erklärt - gegen den Strafausspruch, sondern auch gegen die Nichtanordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB wendet; die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung hat sie dagegen nicht angegriffen. Eine nachträgliche Erweiterung einer einmal beschränkten Revision ist nach Ablauf der Revisionseinlegungsfrist nicht zulässig (vgl. BGHSt 38, 366; BGH, Beschluß vom 6. Oktober 1998 - 4 StR 372/98).
Es kann dahinstehen, ob die Aufklärungsrüge, die sich ausschließlich mit der Unterbringung nach § 63 StGB befaßt, zulässig erhoben ist, weil die Beschwerdeführerin kein bestimmt zu erwartendes Beweisergebnis benennt. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Das Landgericht ist den Ausführungen des Sachverständigen, dessen fachliche Kompetenz es nicht in Zweifel zieht, zu einer beim Angeklagten bestehenden Persönlichkeitsstörung gefolgt. Daß es
- entgegen der Einschätzung des Sachverständigen - eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit im Sinne von § 21 StGB letztlich nicht sicher ausschließen konnte, mußte es nicht zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens veranlassen.
Die Überprüfung des Urteils zum Strafausspruch und zur Nichtanwendung von § 63 StGB aufgrund der erhobenen Sachrüge hat keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler aufgedeckt.
Tepperwien Maatz Kuckein Solin-Stojanovic Ernemann



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