BGH,
Urt. v. 20.1.2000 - 4 StR 400/99
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
BtMG 1981 § 30 a Abs. 2 Nr. 1
Zum Begriff des "Bestimmens" in § 30 a Abs. 2 Nr. 1 BtMG.
BGH, Urteil vom 20. Januar 2000 - 4 StR 400/99 - Landgericht
Neubrandenburg
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 400/99
vom
20. Januar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer
Menge u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20.
Januar
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Meyer-Goßner,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
Athing,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovic
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Neubrandenburg vom 19. März 1999 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen.
Von Rechts wegen
G r ü n d e :
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben
Fällen und wegen
Bestimmens einer Person unter achtzehn Jahren zum unerlaubten
Handeltreiben
mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe
von acht Jahren verurteilt. Weiterhin hat es den Verfall zweier
Bankguthaben
und sichergestellten Bargeldes angeordnet. Hiergegen wendet sich der
Angeklagte
mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen
Rechts rügt.
Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349
Abs. 2 StPO, da
die Nachprüfung des Urteils aufgrund der
Revisionsrechtfertigung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Der
Erörterung bedarf
nur folgendes:
1. Die Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 3 StPO
(Antrag auf Vernehmung
des Zeugen Jan N. ) ist unbegründet, da es sich bei dem
gestellten
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Antrag nicht um einen Beweisantrag, sondern um einen
Beweisermittlungsantrag
handelt, auf den die Bestimmung des § 244 Abs. 3 StPO keine
Anwendung
findet. Die Vernehmung des Zeugen wurde von der Verteidigung im Hinblick
auf den erheblichen Wertpapierbesitz des seit 1995 arbeitslosen
Angeklagten
zum Beweis dafür beantragt, daß der Zeuge
”durch seine Eltern Monika und
Hans N. in den letzten Jahren Geldbeträge schenkungsweise
erhalten hatte,
die einen Umfang von mehr als 40.000 DM ausmachten und daß
seine Eltern
nicht nur ihn finanziell versorgen wollten, sondern
gleichermaßen seinem Bruder
Jens N. [dem Angeklagten] Geldbeträge in ähnlicher
Höhe zukommen
ließen”. Dem Antrag fehlt es danach - soweit er
nicht die offensichtlich bedeutungslosen
Zuwendungen an den Bruder des Angeklagten betrifft - an einer
konkreten Tatsachenbehauptung. Er läßt weder
erkennen, zu welchen Zeitpunkten,
noch in welcher Höhe an den Angeklagten Geldzuwendungen erfolgt
sein sollen. Er diente vielmehr ersichtlich nur dem Ziel, derartige
Zahlungen,
die aus der Sicht des Angeklagten möglicherweise geeignet sein
könnten, seine
Einlassung über die Herkunft der bei ihm festgestellten
erheblichen Geldbeträge
zu belegen, erst zu ermitteln. Entgegen der Auffassung der Revision
hat sich das Landgericht bei dieser Sachlage auch zu Recht nicht
veranlaßt gesehen, gemäß § 244
Abs. 2 StPO dem Antragsbegehren nachzugehen.
Denn für die Entscheidung von Bedeutung war nur, woher die
Bargeldbeträge
stammten, die der Angeklagte im September 1998 innerhalb eines kurzen
Zeitraums von weniger als zwei Wochen bei zwei Banken einzahlte und
anschließend zum Ankauf von Wertpapieren im Gesamtwert von
über 60.000
DM verwendete.
2. Das Landgericht hat die Voraussetzungen einer Strafbarkeit des
Angeklagten
nach § 30 a Abs. 2 Nr. 1 BtMG zutreffend bejaht.
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a) Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte einen Drogenhandel,
wobei er überwiegend in einem Jugendclub Haschisch verkaufte.
Im ersten der
zwei abgeurteilten Fälle suchte ihn der damals
13-jährige Matthias F. auf, um
von ihm - wie bereits bei früheren Gelegenheiten - Haschisch
zum Eigenkonsum
zu erwerben. Da F. ”Probleme [hatte], seinen Eigenbedarf zu
finanzieren”,
fragte er den Angeklagten, ob er für ihn Haschisch verkaufen
könne. Der
Angeklagte war damit einverstanden und übergab F. 24 Portionen
Haschisch
zu je 1 Gramm. Er wies F. an, 20 Portionen zu je 10.- DM zu verkaufen;
die
restlichen vier Portionen erhielt F. zur Deckung seines Eigenkonsums. F.
verkaufte die 20 Gramm-Portionen in seinem Bekanntenkreis und
übergab dem
Angeklagten den Erlös von 200.- DM. Im zweiten Fall
- kurze Zeit danach - übergab der Angeklagte F. eine Platte
Cannabisharz
mit einem Gewicht von ca. 150 Gramm und wies ihn an, die Platte in
Einzelportionen
zu einem Preis von mindestens 950.- DM zu verkaufen. Den
darüber
hinaus gehenden Erlös sollte er für sich behalten
dürfen. Eine Teilmenge des
Rauschgifts von ca. 40 Gramm verkaufte F.
weisungsgemäß, der Rest kam
ihm abhanden bzw. wurde von ihm selbst konsumiert.
b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen erfüllt das
Verhalten des Angeklagten
die Tathandlung des ”Bestimmens” im Sinne des
§ 30 a Abs. 2 Nr. 1
BtMG.
aa) Nach den allgemeinen, zu § 26 StGB entwickelten
Grundsätzen ist
unter ”Bestimmen” die Einflußnahme auf
den Willen eines anderen zu verstehen,
die diesen zu dem im Gesetz beschriebenen Verhalten bringt (BGH NJW
1985, 924). In welcher Form und durch welches Mittel die
Einflußnahme erfolgt,
ist gleich (BGH aaO). Die Willensbeeinflussung muß auch nicht
die alleinige
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Ursache für das Verhalten des anderen sein, vielmehr
genügt bloße Mitursächlichkeit
( BGH NStZ 1994, 29, 30; vgl. auch Cramer in
Schönke/Schröder StGB
25. Aufl § 26 Rdn. 4; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl.
§ 26 Rdn. 3 jew. m.w.N.).
Indem der Angeklagte dem zur Tatzeit 13-jährigen Matthias F.
Haschisch
übergab und ihn anwies, dieses zu ganz bestimmten Bedingungen
für ihn zu
verkaufen, hat er ihn danach zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln
bestimmt. Dem steht nicht entgegen, daß die Initiative von F.
ausging
und er von sich aus die Bereitschaft erklärt hatte,
für den Angeklagten Haschisch
zu verkaufen. Zwar kann der zu einer konkreten Tat bereits fest
Entschlossene
nicht mehr zu ihr ”bestimmt” werden (Fall des sog.
”omnimodo facturus”;
vgl. BGHR StGB § 26 Bestimmen 1 und 3). So verhält es
sich hier jedoch
nicht: Erst durch die Übergabe des Rauschgiftes mit der
Anweisung, dieses
zu bestimmten Bedingungen zu verkaufen, ist F. zu den konkreten Taten
des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, die
Gegenstand der
Verurteilung sind, veranlaßt worden. Daß er - wie
sein Anerbieten zeigt - bereits
allgemein zu derartigen Taten bereit war, ist demgegenüber
unschädlich
(vgl. BGH NStZ 1994, 29, 30).
bb) Nichts anderes kann für den Begriff des "Bestimmens" in
§ 30 a
Abs. 2 Nr. 1 BtMG gelten (vgl. auch F. e/Wienroeder BtMG § 30
a Rdn. 7;
Weber BtMG § 30 a Rdn. 45 f.; Körner BtMG 4. Aufl.
§ 29 a Rdn. 20). Zwar hat
der Bundesgerichtshof zu den §§ 174, 176 StGB
ausgeführt, daß dort der Begriff
des "Bestimmens" nicht ohne weiteres demselben Begriff in § 26
StGB
gleichgestellt werden könne; er hat dabei aber entscheidend
darauf abgestellt,
daß diese Vorschriften auch Klein- und Kleinstkinder
betreffen, bei denen eine
der Anstiftung im Sinne des § 26 StGB gleichzusetzende
Beeinflussung des
Willens offensichtlich nicht in Betracht kommt (BGHSt 41, 242, 245).
Dieser
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Gesichtspunkt trifft jedoch auf die Vorschrift des § 30 a Abs.
2 Nr. 1 BtMG ersichtlich
nicht zu, so daß es einer von der Bedeutung des Begriffs in
§ 26 StGB
abweichenden - ausdehnenden oder einschränkenden - Auslegung
des "Bestimmens"
hier nicht bedarf. Im Anwendungsbereich des § 30 a Abs. 2 Nr. 1
BtMG wird es sich häufig gerade so verhalten, daß
der Minderjährige bereits
der Drogenszene verhaftet ist und daher der Gefahr einer Beeinflussung
seines
Willens in Richtung auf ein Verhalten, wie es in § 30 a Abs. 2
Nr. 1 BtMG
umschrieben wird, in besonders starkem Maße ausgesetzt ist.
Der Tatbestand
des § 30 a Abs. 2 Nr. 1 BtMG (zur Entstehungsgeschichte vgl.
F. e/Wienroeder BtMG § 30 a Rdn. 5 und Weber BtMG §
30 a Rdn. 1) ist
nach den Gesetzesmaterialien aus der Überlegung heraus
eingeführt worden,
daß die Benutzung Minderjähriger zur
Durchführung des Betäubungsmittelverkehrs
in besonderem Maße verabscheuungs- und strafwürdig
ist (BTDrucks.
12/989 S. 54/55 und 12/6853 S. 41). Mit dieser Regelung sollte auch dem
Art. 3 Abs. 5 Buchst. f des Übereinkommens der Vereinten
Nationen vom 20.
Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und
psychotropen
Stoffen (BGBl. 1993 II S. 1137) entsprochen werden, wonach der
Umstand, daß Minderjährige in Mitleidenschaft
gezogen oder benutzt werden,
bei der Bewertung der Straftat als besonders schwerwiegend anzusehen
ist.
Zwar wird das regelmäßig nicht schon dann der Fall
sein, wenn der Täter durch
das bloße Überlassen von Betäubungsmitteln
dem Minderjährigen nur die
Möglichkeit zum unerlaubten Handeltreiben verschafft. Nimmt er
jedoch - wie
hier - auf den Willen des Minderjährigen in der Weise
Einfluß, daß er ihn anweist,
nach von ihm vorgegebenen Bedingungen und für seine Rechnung
Betäubungsmittel
zu verkaufen, so "benutzt" er den Minderjährigen zum
Betäubungsmittelverkehr
auch dann, wenn dieser hierzu von vornherein (allgemein)
bereit war und diese Bereitschaft dem Täter gegenüber
auch aufgezeigt hat.
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Geht die Initiative von dem Minderjährigen aus, so mag dieser
Umstand gegebenenfalls
einen minder schweren Fall im Sinne des § 30 a Abs. 3 BtMG
begründen.
Einen solchen hat das Landgericht jedoch rechtsfehlerfrei verneint.
Meyer-Goßner Tolksdorf Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |