BGH,
Urt. v. 20.7.2005 - 2 StR 168/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 168/05
vom
20.07.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
20.07.2005,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode,
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
Dr. Appl,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts
Darmstadt vom 18.01.2005 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen ("schwerer") Untreue zu einer
Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der
Strafe
zur Bewährung ausgesetzt. Gegen den Strafausspruch richtet
sich die zuungunsten
der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft mit der
Sachrüge. Das wirksam auf den Strafausspruch
beschränkte Rechtsmittel, das
vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die Angeklagte, die
schon ab 1987 Gelder veruntreut hatte, Angestellte bei der D.-Bank,
zuletzt
Leiterin einer Filiale. Bis zum 5. August 2002 nahm die Angeklagte
zahlreiche
Manipulationen zu Lasten von Kundenkonten vor. Sie verursachte hierdurch
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einen Schaden der D.-Bank in Höhe von 2.229.278,60 €
(Wertberichtigung von
1.829.278,60 € und Rückstellung von 400.000
€ für die zu erwartenden Forderungen
der geschädigten Kunden). Die Angeklagte hat etwa 400.000
€ für ihre
Immobilien verwendet und weitere ca. 500.000 € für
Kleider, Schuhe und Reisen
ausgegeben.
Die Angeklagte hat gegenüber der Bank ein notarielles
Schuldanerkenntnis
über 1.869.910 € nebst Unterwerfung in die sofortige
Zwangsvollstreckung
in ihr gesamtes Vermögen abgegeben und versucht, den Schaden
teilweise
wiedergutzumachen.
2. Das Landgericht ist insgesamt von einer Tat ausgegangen und hat
eine "schwere - weil gewerbsmäßig begangene und mit
besonders hohem
Schaden einhergehende - Untreue nach §§ 266 Abs. 1
und 2, 263 Abs. 3 Ziffer
1 und 2 StGB" angenommen (UA S. 37). Der Tatrichter hat mit besonderem
Gewicht zugunsten der Angeklagten folgendes gewertet:
"Die Angeklagte muß nunmehr mit dem Bewußtsein
leben, daß sie ihr
eigenes und das Leben ihres Ehemannes zumindest in wirtschaftlicher
Hinsicht
zerstört hat, und sie wird ihr Leben lang an den finanziellen
Folgen ihrer Tat
tragen müssen. Schon jetzt hat sie alles verloren, was sie
sich aufgrund ihres
beruflichen Werdeganges aufbauen konnte oder aufzubauen erhoffen konnte.
All dies wird eine schwere Hypothek für ihr weiteres Leben und
den Fortbestand
ihrer Ehe sein… . Die Angeklagte ist bereits schwer durch
die Folgen
ihrer eigenen Tat bestraft" (UA S. 39/40).
Die Strafkammer hat weiter zu Gunsten der Angeklagten
berücksichtigt,
daß sie aus Angst vor Entdeckung das veruntreute Geld "nicht
tatsächlich hat
genießen können" (UA S. 39).
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II.
Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist
wirksam. Der
abgeurteilte Schuldumfang wird aus den Urteilsgründen in ihrer
Gesamtheit
hinreichend deutlich.
Das Landgericht spricht zwar auf UA S. 11
mißverständlich von Veruntreuungen,
die nach dem 12. November 2002 vorgenommen wurden, und sieht
auf UA S. 37 diejenigen von der Betrachtung als ausgenommen an, die
zeitlich
vor dem die Verjährung erstmals unterbrechenden
Durchsuchungsbeschluß
des Amtsgerichts Dieburg vom 12. November 2002 lagen. Gleichwohl wird
durch das mehrmalige Anführen des (die
fünfjährige Verjährungsfrist unterbrechenden)
Durchsuchungsbeschlusses vom 12. November 2002 und die jeweilige
Bezugnahme (vgl. UA S. 11 und 37) auf die von Amts wegen zu
prüfende
Anklageschrift (Sachakten Bd. I Bl. 181 ff.), die den Zeitraum vom 17.
November
1997 bis 5. August 2002 umfaßt, klargestellt, daß
die Untreuehandlungen
in diesem Zeitraum abgeurteilt sind. Die
(Mindest-)Schadenshöhe wird insbesondere
durch die Aufstellungen der fingierten Konten und ihrer Endsalden
(UA S. 26 bis 28) noch nachvollziehbar dargelegt. Daß die
Angeklagte "etwa"
700.000 € für Zinsen auf fingierte Kredite und Zinsen
für Anlagen, die sie tatsächlich
nicht getätigt hatte, hat verwenden müssen (UA S.
32), ist hierbei bereits
berücksichtigt.
III.
Der Strafausspruch hält der rechtlichen
Überprüfung nicht stand; die
Wertungen des Tatrichters sind rechtsfehlerhaft.
Zutreffend weist der Generalbundesanwalt darauf hin, daß
nachteilige
Folgen für den Täter nicht schlechthin strafmildernd
sind. Wer bei seiner Tat
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bestimmte Nachteile für sich selbst (zwar nicht gewollt, aber)
bewußt auf sich
genommen hat, verdient in der Regel keine strafmildernde
Berücksichtigung
solcher Folgen (vgl. auch Stree in Schönke/Schröder
StGB 26. Aufl. § 46
Rdn. 55). Die uneingeschränkt schuldfähige Angeklagte
hat hier vorwerfbar die
Auswirkungen ihrer Tat herbeigeführt. Sie mußte
damit rechnen, daß die Tat
eines Tages entdeckt und sie zur Rückzahlung des sehr hohen
Schadensbetrages
nicht in der Lage sein würde. Diese typische und vorhersehbare
Folge
der Tat durfte nicht - noch dazu mit besonderem Gewicht - strafmildernd
berücksichtigt
werden.
Auch die strafmildernde Erwägung, daß die Angeklagte
aus Angst vor
Entdeckung das veruntreute Geld "nicht tatsächlich hat
genießen können",
stellt einen Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten dar; denn dies ist
kein
Umstand, der eine geringere Strafe rechtfertigt.
Eine Gesamtschau aller Strafzumessungserwägungen
läßt weiter besorgen,
daß der Tatrichter einseitig zu Gunsten der Angeklagten
gewertet hat,
ohne die Interessen der Geschädigten hinreichend zu
würdigen.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß sich diese
Rechtsfehler bei der
Strafzumessung zugunsten der Angeklagten ausgewirkt haben. Das Urteil
war
daher im angefochtenen Umfang aufzuheben, wobei die Feststellungen
bestehen
bleiben können, da es sich nur um Wertungsfehler handelt. Der
Senat hat
auch nicht gemäß § 354 Abs. 1 a StPO von
einer Aufhebung abgesehen, da im
vorliegenden konkreten Einzelfall das Revisionsgericht die Frage der
Angemessenheit
der verhängten Rechtsfolge nicht abschließend selbst
entscheiden
kann. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Strafe kommt
es hier in besonderem
Maße auf den persönlichen Eindruck von der
Angeklagten an (vgl.
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u.a. Senatsbeschluß vom 13.05.2005 - 2 StR 160/05; BGH NJW
2005, 1813
ff.).
Rissing-van Saan Bode Rothfuß
Fischer Appl |