BGH,
Urt. v. 20.3.2001 - 1 StR 12/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 12/01
vom
20. März 2001
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20.
März 2001, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Schäfer und die Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Wahl, Schluckebier, Hebenstreit, Schaal,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Deggendorf vom 22. September 2000 im Ausspruch über die
Verfallsanordnung mit den Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
1. Der erheblich körperbehinderte Angeklagte, der selbst keine
Drogen konsumiert, bezog als "Anlaufstelle für
Auslandslieferungen" und "zentraler Zwischenhändler" von einem
nicht ermittelten Lieferanten aus den Niederlanden Haschisch und
Marihuana, das er in einem Versteck lagerte. Er verkaufte in sieben im
einzelnen festgestellten Fällen jeweils entweder an M. oder A.
B. , beide Zwischenhändler und Eigenkonsumenten, insgesamt
7,25 Kilogramm Haschisch sowie in einem weiteren Fall an beide
gemeinsam ein halbes Kilogramm Marihuana. Der Marihuanaverkauf war im
August 1999, die übrigen Verkäufe fanden zwischen dem
1. März 1999 und dem 17. September 1999 statt, ohne
daß insoweit eine nähere zeitliche Eingrenzung
möglich gewesen wäre.
Haschisch und Marihuana waren meist von durchschnittlicher
Qualität. Insoweit ist die Strafkammer von einem THC-Gehalt
von mindestens 3 % ausgegangen. Bei einem Verkauf von insgesamt 1,25
Kilogramm Haschisch an M. B. waren 250 Gramm von besonders guter
Qualität. Insoweit ist die Strafkammer von einem THC-Gehalt
von mindestens 5 % ausgegangen.
Der Preis für das Haschisch betrug jeweils 5.000 DM pro
Kilogramm, der Preis für die Lieferung der 1,25 Kilogramm
Haschisch betrug 10.000 DM, der Preis für das Marihuana 4.250
DM, so daß der Angeklagte aus den Verkäufen
insgesamt einen Erlös von 44.250 DM erzielte. M. und A. B.
gaben das Haschisch an den Händler und Konsumenten L. zu dem
von ihnen an den Angeklagten bezahlten Preis weiter, nachdem sie zuvor
jedoch insgesamt 350 Gramm zum Eigenverbrauch einbehalten hatten. Auch
von dem Marihuana behielten sie eine kleinere Menge zum Eigenverbrauch,
das übrige gaben sie - zum Preis ist insoweit nichts
festgestellt - an Endverbraucher weiter.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wegen
acht Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zugleich wurden
44.250 DM für verfallen erklärt.
II.
Die Revision des Angeklagten hat nur hinsichtlich der Verfallsanordnung
Erfolg.
1. Der Schuldspruch hält rechtlicher
Überprüfung stand.
a) Entgegen der Auffassung der Revision ist die
Beweiswürdigung weder lückenhaft noch sonst rechtlich
zu beanstanden. Der Angeklagte hat das Geschehen im Kern
eingeräumt, aber einen Verkaufsakt weniger und teilweise
geringere Verkaufsmengen behauptet. Soweit die Feststellungen der
Strafkammer damit nicht übereinstimmen, beruhen sie auf den
auch von der Aussage des Zeugen L. bestätigten Aussagen der
Zeugen B. , die die Strafkammer rechtsfehlerfrei als glaubhaft
gewürdigt hat.
b) Zutreffend weist die Revision allerdings darauf hin, daß
die Strafkammer keine ausdrücklichen Feststellungen zu dem
für einen Schuldspruch wegen täterschaftlichen
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erforderlichen Eigennutz
des Angeklagten getroffen hat. Dieser Mangel gefährdet den
Bestand des Urteils hier jedoch nicht, da sich Eigennutz des
Angeklagten dem Urteil seinem Zusammenhang nach zumindest mittelbar
entnehmen läßt (vgl. nur BGH, Beschlüsse
vom 3. September 1985 - 5 StR 550/85 - und vom 29. September 1992 - 1
StR 601/92). Nach Art und Umfang der auf Umsatz gerichteten
Tätigkeit des Angeklagten scheiden andere als
eigennützige Motive nach Lage des Falles aus (vgl. BGH,
Beschluß vom 2. Oktober 1992 - 2 StR 466/92), denn er hat als
selbst kein Rauschgift konsumierender "zentraler
Zwischenhändler" über Monate hin in einer nicht
unerheblichen Zahl von Einzelfällen Rauschgift für
jeweils vier- oder gar fünfstellige Beträge
weiterveräußert.
c) Verteidigung und Generalbundesanwalt machen geltend, die Strafkammer
habe nicht erörtert, ob die Taten des Angeklagten im Sinne
einer Bewertungseinheit als tateinheitlich verbunden anzusehen seien;
im Falle der Annahme einer Bewertungseinheit sei eine mildere Strafe
nicht auszuschließen.
Unbeschadet der Frage, ob allein eine zwar fehlerhafte, den
Schuldumfang aber nicht berührende Beurteilung der
Konkurrenzverhältnisse hier zu einem für den
Angeklagten günstigeren Ergebnis führen
könnte (vgl. hierzu BGHSt 41, 368, 373; BGHR BtMG §
29 Bewertungseinheit 9), teilt der Senat auch im übrigen diese
Auffassung nicht.
aa) Da schon der Erwerb von Rauschgift zum Zwecke gewinnbringender
Weiterveräußerung den Tatbestand des Handeltreibens
hinsichtlich der Gesamtmenge erfüllt, sind darauf folgende
Veräußerungen von Teilmengen nicht mehr rechtlich
selbständige Taten, sondern es liegt insgesamt nur eine Tat im
Rechtssinne (Bewertungseinheit) vor (st. Rspr., vgl. BGHSt 30, 28; BGHR
BtMG § 29 Bewertungseinheit 1 ff.).
bb) Es ist jedoch nicht geboten, konkret festgestellte
Einzelverkäufe nur deshalb zu Tateinheit zusammenzufassen,
weil die nicht näher konkretisierte Möglichkeit
besteht, daß sie ganz oder teilweise aus einem Verkaufsvorrat
stammten und so zu einer Bewertungseinheit verbunden sein
könnten (st. Rspr., vgl. nur BGHR aaO 5, 11, 12).
cc) Hier ergeben sich mehrere Lieferungen schon allein aus der
Feststellung, daß der Angeklagte Anlaufstelle für
"Auslandslieferungen" war. Es spricht auch gegen nur eine Lieferung,
daß das vom Angeklagten verkaufte Haschisch über
Monate hinweg von gleichbleibender Qualität war.
Erfahrungsgemäß verringert sich schon nach wenigen
Wochen der THC-Gehalt von gelagertem Haschisch sehr deutlich (BGHR aaO
1; Körner, BtMG 4. Aufl., Anhang C 1, Rdn. 229).
dd) Andererseits hat die Strafkammer aber auch festgestellt,
daß der Angeklagte "die Drogen" vorrätig hatte und
jederzeit in der Lage war, ohne Voranmeldung Haschisch im Kilobereich
zu liefern. Dies legt aber allenfalls die Annahme nahe, daß
jeweils zumindest eine gewisse Anzahl der abgeurteilten Verkaufsmengen
aus größeren Vorräten stammten, die vom
Angeklagten zuvor als Gesamtmenge erworben worden waren.
Nähere Feststellungen sind in diesem Zusammenhang jedoch nicht
getroffen. Anhaltspunkte dafür, daß dies
möglich gewesen wäre, ergeben die
Urteilsgründe nicht. Eine Aufklärungsrüge
mit der Behauptung von Erwerbsgeschäften über
bestimmte größere Einkaufsmengen ist nicht erhoben.
Wenn aber ausreichende Anhaltspunkte dafür fehlen,
daß bestimmte Verkäufe einer vom Angeklagten
erworbenen Gesamtmenge im Sinne einer Bewertungseinheit zuzuordnen sein
könnten, käme lediglich eine willkürliche
Zusammenfassung in Betracht. Dies wäre aber rechtlich nicht
zulässig (BGHR aaO, 14; BGH NStZ 1997, 137).
d) Auch im übrigen ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei.
2. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher
Überprüfung stand.
a) Die hier erkennbar ausschließlich für die
Strafzumessung bedeutsamen Feststellungen zum THC-Gehalt sind nicht zu
beanstanden. Entgegen der Auffassung der Revision ist nicht nur der
Kaufpreis, sondern auch die Beurteilung der Qualität durch
tatbeteiligte Konsumenten geeignete Grundlage für die dem
Tatrichter obliegende Feststellung des Wirkstoffgehalts nicht
sichergestellter Rauschmittel (vgl. Körner aaO, § 29a
Rdn. 82 m.w.N.). Auch unter Berücksichtigung des
Verkaufspreises wird der Angeklagte durch die Annahme, das als von
durchschnittlicher Qualität beurteilte Haschisch habe einen
THC-Gehalt von nur 3 % gehabt, jedenfalls nicht rechtsfehlerhaft
benachteiligt (vgl. Körner aaO, Rdn. 83 und Anhang C 1 Rdn.
232 jew. m.w.N.). Erst recht gilt das für die Annahme, das
Haschisch, das nach den Aussagen der Zeugen "besonders gut schmeckte",
und das wesentlich teurer war als das übrige, habe nur einen
THC-Gehalt von 5 % gehabt. Im Ergebnis nichts anderes gilt hinsichtlich
des Marihuanas. Marihuana hat allerdings einen geringeren THC-Gehalt
als Cannabisharz, bei mittlerer Qualität beträgt er
erfahrungsgemäß etwa 2 bis 4 % (Körner aaO,
Anhang C 1, Rdn. 231). Zumal unter Berücksichtigung des
Umstands, daß das Marihuana hier fast doppelt so teuer war
wie das übrige Rauschgift, ist die Annahme eines
Wirkstoffgehalts von 3 % daher ebenfalls nicht zu beanstanden.
b) Auch im übrigen ist der Strafausspruch ohne den Angeklagten
benachteiligenden Rechtsfehler.
3. Die Verfallsanordnung kann dagegen nicht bestehen bleiben.
Die Strafkammer, die zutreffend davon ausgegangen ist, daß
der vom Angeklagten eingenommene Verkaufserlös ohne
Berücksichtigung von ihm gegenüberstehenden Unkosten
insgesamt dem Verfall unterliegen kann ("Bruttoprinzip"), hat sich
nicht erkennbar mit § 73c StGB auseinandergesetzt. Die
Feststellungen, daß der niemandem unterhaltspflichtige
Angeklagte, nachdem seine Pflasterfirma seit 1998 nicht mehr betrieben
wird, eine monatliche Erwerbsunfähigkeitsrente von 1.100 DM
bezieht und in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt,
machen ausdrückliche Erörterungen hierzu nicht
entbehrlich. Der Senat kann nicht überprüfen, ob hier
(ausnahmsweise) die Voraussetzungen des unbestimmten Rechtsbegriffs
einer unbilligen Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz
1 StGB (vgl. hierzu Schmidt in LK, 11. Aufl. § 73c Rdn. 6 bis
8 m.w.N.) vorliegen oder ob die Strafkammer das ihr in § 73c
Abs. 1 Satz 2 StGB eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei
ausgeübt hat (vgl. BGHR StGB § 73c Härte 3;
Schmidt aaO Rdn. 12, 13 m.w.N.). Selbst nachholen kann der Senat diese
Entscheidung nicht (BGH NStZ 1999, 560, 561 m.w.N.).
In diesem Umfang bedarf die Sache daher neuer Verhandlung und
Entscheidung. Gegebenenfalls wird dabei auch zu prüfen sein,
ob dem Angeklagten nach Maßgabe der für Geldstrafen
geltenden Grundsätze (vgl. § 42 StGB) von Amts wegen
Zahlungserleichterungen zu bewilligen sind (vgl. BGHSt 33, 37, 40;
Schmidt aaO Rdn. 15).
Schäfer Wahl Schluckebier Hebenstreit Schaal |