BGH,
Urt. v. 20.3.2003 - 4 StR 400/02
4 StR 400/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
vom
20. März 2003
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 20.
März 2003, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien, Richter am Bundesgerichtshof Maatz,
Dr. Kuckein, Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic, Richter
am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann als beisitzende Richter, Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger
für den Angeklagten R. , Rechtsanwalt als Verteidiger des
Angeklagten K. , Rechtsanwalt als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1.
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Münster vom 28. Mai 2002 werden verworfen.
2. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel
und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von
14 Jahren (R. ) bzw. 13 Jahren und 6 Monaten (K. ) verurteilt und ihre
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gleichzeitig hat
es bestimmt, daß bei beiden Angeklagten ein Teil der
Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen ist, und zwar bei
dem Angeklagten R. sieben Jahre und zehn Monate und bei dem Angeklagten
K. sieben Jahre und sechs Monate. Gegen dieses Urteil wenden sich die
Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung
materiellen Rechts beanstanden. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
Soweit sich die Beschwerdeführer gegen die Schuld- und
Strafaussprüche wenden, sind ihre Rechtsmittel aus den in den
Antragsschriften des Generalbundesanwalts genannten Gründen
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Auch die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafen
hält entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer und
des Generalbundesanwalts rechtlicher Prüfung stand.
Nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers soll zwar
grundsätzlich die Maßregel vor der Strafe vollzogen
werden, weil die möglichst umgehende Behandlung des
süchtigen Straftäters am ehesten einen dauerhaften
Erfolg verspricht (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug,
teilweiser 4, 12, 14). Eine Abweichung von der
regelmäßigen Vollstreckungsreihenfolge des
§ 67 Abs. 1 StGB ist jedoch dann zulässig, wenn
dadurch der Zweck der Maßregel leichter erreicht werden kann
(§ 67 Abs. 2 StGB); in einem solchen Fall muß das
Urteil auf der Grundlage einer eingehenden, die Persönlichkeit
des Angeklagten berücksichtigenden Beurteilung darlegen, wegen
welcher besonderen Umstände der Vorwegvollzug der Strafe die
Therapie günstiger beeinflussen wird und daß dieses
Ziel im Maßregelvollzug nicht in gleicher Weise erreicht
werden kann (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug,
teilweiser 14).
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht. Die
Strafkammer hat in Übereinstimmung mit den dazu
gehörten Sachverständigen entscheidend darauf
abgestellt, daß bei beiden Angeklagten eine hinreichend
erfolgreiche Entziehungsbehandlung nur dann durchgeführt
werden kann, wenn ihnen die Möglichkeit eröffnet
wird, unmittelbar mit Abschluß der Maßnahme nach
Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe aus dem
Vollzug entlassen zu werden. Das Landgericht hat eingehend dargelegt,
daß der Angeklagte R. , bei dem eine langjährige
Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit besteht und der bisher
alle Entgiftungs- und Entwöhnungsbehandlungen entweder gegen
ärztlichen Rat vorzeitig beendet oder gar nicht aufgenommen
hat, nur auf diese Weise zu einer Mitwirkung an einer Therapie
motiviert werden kann. Hinsichtlich des Angeklagten K. , bei dem neben
der Alkoholproblematik eine Persönlichkeitsentwicklung mit
unreifen Zügen und eine Minderbegabung im Sinne einer
Lernbehinderung vorliegt, führt das Urteil im einzelnen aus,
daß dieser wegen seiner geringen intellektuellen Begabung
darauf angewiesen ist, das in der Therapie Erlernte unmittelbar im
alltäglichen Leben in der Freiheit umzusetzen.
Die Bemessung der Dauer des Vorwegvollzugs ist ebenfalls rechtlich
nicht zu beanstanden. Der Tatrichter ist zu Recht davon ausgegangen,
daß bei beiden Angeklagten eine mögliche Entlassung
frühestens nach Verbüßung von zwei Dritteln
der Freiheitsstrafe in Betracht kommt. Darüber hinaus hat er
auch auf die von den Sachverständigen angegebene
voraussichtliche Dauer einer erfolgversprechenden Therapie Bedacht
genommen.
Tepperwien Maatz Kuckein Solin-Stojanovic Ernemann |