BGH,
Urt. v. 20.5.2003 - 1 StR 22/03
1 StR 22/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
20. Mai 2003
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 20.
Mai 2003, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Nack und die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl,
Schluckebier, Dr. Kolz, die Richterin am Bundesgerichtshof Elf,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als
Verteidiger der Angeklagten K. , Rechtsanwalt als Verteidiger des
Angeklagten B. , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
I. 1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20. August 2002,
soweit dieses die Angeklagte K. betrifft, wird verworfen.
2. Die Staatskasse hat die der Angeklagten K. durch das Rechtsmittel
erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
II. 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete
Urteil, soweit es den Angeklagten B. betrifft, im Ausspruch
über die drei Gesamtstrafen mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte K. wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit
mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in 71
Fällen unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus dem Urteil
des Amtsgerichtes Nürnberg vom 4. April 2002 zur
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten
verurteilt und die in der Vorverurteilung ausgesprochene Sperre zur
Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis aufrechterhalten. Den Angeklagten
B. hat es wegen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von
Betäubungsmitteln in 53 Fällen schuldig gesprochen
und wegen bestehender Vorverurteilungen, denen es Zäsurwirkung
beigemessen hat, zu drei Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Im
einzelnen hat es nach Auflösung der Gesamtstrafe aus dem
Beschluß des Amtsgericht Fürth vom 6. September 2001
unter Einbeziehung der Freiheitsstrafen aus dem Urteil des
Amtsgerichtes Nürnberg vom 9. Mai 2000 eine
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten und unter
Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichtes Fürth
vom 14. August 2000 eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs
Monaten verhängt. Weiter hat es unter Auflösung einer
Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichtes
Nürnberg vom 30. April 2002 unter Einbeziehung der dortigen 39
Einzelstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun
Monaten ausgesprochen.
Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision
der Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung sachlichen Rechts;
sie hält die Gesamtstrafenbildung wie auch die Zumessung der
Einzelstrafen für rechtsfehlerhaft und meint, das Landgericht
habe zu Unrecht von der Anordnung des Wertersatzverfalls gegen diese
beiden Angeklagten abgesehen. Das Rechtsmittel führt zur
Aufhebung der drei gegen den Angeklagten B. ausgesprochenen
Gesamtfreiheitsstrafen; im übrigen ist es
unbegründet. Die eingestreute
Aufklärungsrüge ist nicht den Formerfordernissen des
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend ausgeführt.
I.
Die Zumessung der Einzelstrafen gegen die Angeklagten K. und B.
für die abgeurteilten Taten ist von Rechts wegen nicht zu
beanstanden. Darauf hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom
22. Januar 2003 und auch in der Revisionshauptverhandlung zutreffend
hingewiesen.
II.
Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerdeführerin auch gegen die
Nichtanordnung des Verfalls von Wertersatz. Die Strafkammer hat davon
wegen Vorliegens eines Härtefalls (§ 73c Abs. 1 Satz
2 Alternative 1 StGB) abgesehen. Sie hat rechtlich zutreffend die
Voraussetzungen bejaht, die es ihr ermöglichen, nach
Billigkeitsgesichtspunkten von einer Verfallsanordnung Abstand zu
nehmen. Im Rahmen der von ihr zu treffenden Ermessensentscheidung hat
sie tragfähig darauf abgestellt, die Resozialisierung der
Angeklagten solle nicht durch zu hohe finanzielle Belastungen
gefährdet werden. Dabei hat sie ersichtlich auf die
Urteilsfeststellungen zurückgegriffen, denen zufolge beide
Angeklagte über keine Vermögenswerte
verfügen, vielmehr Schulden in beachtlicher Höhe
haben und der Wert des durch die Straftaten Erlangten darüber
hinaus bei beiden nicht mehr vorhanden ist. Auch die weiteren in diesem
Zusammenhang angestellten Erwägungen sind aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
III.
1. Die Bildung der Gesamtstrafe gegen die Angeklagte K. begegnet keinen
rechtlichen Bedenken.
2. Die gegen den Angeklagten B. ausgesprochenen Gesamtfreiheitsstrafen
können hingegen von Rechts wegen keinen Bestand haben.
a) Schon die Annahme der Strafkammer, dem Urteil des Amtsgerichtes
Fürth vom 14. August 2000 komme eine - weitere -
Zäsurwirkung zu, ist nach den bisherigen Feststellungen nicht
zutreffend. Die dort abgeurteilten Taten wurden vor dem Urteil des
Amtsgerichtes Nürnberg vom 9. Mai 2000 begangen, waren deshalb
mit der in diesem Urteil verhängten Strafe
gesamtstrafenfähig (vgl. Tröndle/Fischer StGB 51.
Aufl. § 55 Rdn. 9 ff., 12; siehe auch BGHSt 32, 190, 193).
Zäsurwirkung für die hier abgeurteilten Taten konnte
auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen somit allein das Urteil
des Amtsgerichtes Nürnberg vom 9. Mai 2000 entfalten.
b) Darüber hinaus ist die Bildung der dritten Gesamtstrafe
revisionsgerichtlich nicht nachprüfbar. Die Strafkammer hat 39
Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichtes Nürnberg vom
30. April 2002 einbezogen, ohne deren Art und Höhe in dem
angefochtenen Urteil zu bezeichnen. Das ist rechtsfehlerhaft, weil die
Straffindung damit in einem wesentlichen Punkt nicht nachvollziehbar
ist. Das gilt namentlich hinsichtlich der Frage, ob die Vorschrift des
§ 54 StGB richtig angewandt worden ist (vgl. zu alldem BGH bei
Holtz MDR 1979, 280; BGH NStZ 1987, 183; BGH, Beschl. vom 20. Februar
2002 - 3 StR 338/01).
c) Schließlich hat die Strafkammer nicht klargestellt, welche
der Einzelstrafen gegen den Angeklagten B. für die
abgeurteilten Taten sie in die jeweiligen Gesamtstrafen eingebracht
hat. Dem Senat ist es auch nicht möglich, die Bestimmung der
jeweils in die Gesamtstrafen einbezogenen Einzelstrafen dem
Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen. Dem steht
auch die große Zahl der Einzelstrafen und die recht nahe
beieinander liegende Höhe der drei Gesamtstrafen entgegen.
Hinzu kommt, daß die Bildung der dritten
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten bei einer
Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und hinzutretenden
weiteren zahlreichen Freiheitsstrafen - darunter allein eine Vielzahl
Einzelfreiheitsstrafen von je einem Jahr (vgl. UA S. 31) - schon
für sich gesehen ohne weitere Begründung nicht
nachvollziehbar ist.
Nach allem erscheint ein Rechtsfehler, der den Angeklagten B.
beschweren (vgl. § 301 StPO), ihn aber auch zu Unrecht
begünstigen kann, nicht ausgeschlossen.
3. Der neue Tatrichter wird die Grundsätze der
Zäsurwirkung von Vorverurteilungen zu beachten haben,
namentlich mit zu prüfen haben, ob die Geldstrafe aus dem
Urteil des Amtsgerichtes Fürth vom 14. Januar 2000 bereits
erledigt ist oder ebenfalls für eine Gesamtstrafenbildung in
Betracht kommt.
Nack Wahl Schluckebier Kolz Elf
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