BGH,
Urt. v. 20.9.2000 - 2 StR 186/00
StGB § 250 Abs. 1 Nr. 2 i.d.F. des 6. StrRG
Ein Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub
oder Diebstahl verbunden hat, kann nicht nur dann Täter eines
Bandenraubes sein, wenn es am Tatort an der Ausführung des
Raubes unmittelbar beteiligt ist. Es reicht aus, daß es auf
eine andere als täterschaftlicher Tatbeitrag zu wertende Weise
daran mitwirkt und der Raub von mindestens zwei weiteren
Bandenmitgliedern in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken
begangen wird (Fortführung von BGH, Urt. vom 9. August 2000 -
3 StR 334/91 - zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).
BGH, Urt. vom 20. September 2000 - 2 StR 186/00 - LG Frankfurt am Main
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 186/00
vom
20. September 2000
in der Strafsache gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Raubes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20.
September 2000, an der teilgenommen haben: Vizepräsident des
Bundesgerichtshofes Dr. Jähnke als Vorsitzender, der Richter
am Bundesgerichtshof Dr. Bode, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr.
Otten, der Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß, die
Richterin am Bundesgerichtshof Elf als beisitzende Richter,
Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt G. als
Verteidiger des Angeklagten B. , Rechtsanwalt S. als Verteidiger des
Angeklagten D. , Rechtsanwalt K. als Verteidiger des Angeklagten P. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten B. und der Staatsanwaltschaft gegen das
Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 1999 werden
verworfen.
Der Angeklagte B. trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die
Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten D.
und P. insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der
Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen schweren Raubes in vier
Fällen schuldig gesprochen. Den Angeklagten B. hat es zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren (Einzelstrafen: fünf
Jahre und sechs Monate, fünf Jahre und sechs Monate, sieben
Jahre und sechs Monate und sechs Jahre), die Angeklagten P. und D.
jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren (Einzelstrafen:
drei Jahre, drei Jahre, fünf Jahre und sechs Monate, zwei
Jahre und sechs Monate) verurteilt und sichergestellte Waffen
eingezogen. Dagegen richten sich die vom Generalbundesanwalt vertretene
Revision der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten P. und D.
, die auf die Aussprüche über die Gesamtstrafen
beschränkt ist, und die auf die Sachrüge
gestützte Revision des Angeklagten B. .
Beide Revisionen haben keinen Erfolg.
II.
Nach den Feststellungen schloß sich der Angeklagte B. Anfang
Dezember 1998 mit den beiden Mitangeklagten sowie zwei gesondert
verfolgten Jugendlichen zusammen, um Raubüberfalle auf
italienische Lokale und Geschäfte zu begehen, wobei die Beute
gleichmäßig geteilt werden sollte. B. nahm die
Führungsposition ein: er plante und organisierte die
Überfälle, wählte ihm bekannte
Lokalitäten als Objekte aus, beschrieb den anderen die
Örtlichkeiten und gab Anweisungen zur Durchführung
der Taten. Für den Fall der Verhaftung einer der Beteiligten
sagte er zu, deren Wohnungen zu finanzieren und sich um geeignete
Rechtsanwälte zu kümmern. Bei der Ausführung
der Taten war er jeweils nicht am Tatort.
In der Zeit vom 6.-16. Dezember 1998 wurden vier italienische Betriebe
überfallen, wobei die Taten jeweils nach vorangegangener
Einweisung durch den Angeklagten B. von den Mitangeklagten und den
beiden jugendlichen Bandenmitgliedern - in einem Fall zusammen mit
einem weiteren Mittäter - ausgeführt wurden. Dabei
führte gemäß der Absprache in den ersten
drei Fällen der Angeklagte D. eine geladene Gaspistole bei
sich, während Gü. , eines der jugendlichen
Bandenmitglieder, jeweils eine Gotcha-Pistole an den Kopf eines der
Opfer hielt. Im letzten Fall hatten alle vier Bandenmitglieder am
Tatort geladene Gaspistolen bei sich, wobei Gü. seine Waffe
direkt auf den Kopf der Zeugin richtete. Aufgrund der Bedrohungen
erlangten sie Bargeldbeträge zwischen 500, und 24.000, DM
sowie diverse Wertsachen.
III.
1. Die Revision des Angeklagten B.
Das Landgericht hat die Taten für alle Angeklagten als
mittäterschaftlich begangenen schweren Raub nach §
250 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Absatz 1 Nr. 2 StGB, im Fall 4
zusätzlich qualifiziert nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB
gewertet. Diese rechtliche Würdigung begegnet auch insoweit
keinen Bedenken, als das Landgericht den Angeklagten B. des
mittäterschaftlich begangenen Bandenraubs für
schuldig befunden hat.
Das Landgericht hat zutreffend angenommen, daß der Angeklagte
Mitglied einer Bande gewesen ist, die sich zur fortgesetzten Begehung
von Raubtaten zusammengeschlossen hatte, und als solches die Taten
begangen hat. Zu Recht ist das Landgericht aber auch davon ausgegangen,
daß der Angeklagte, dessen Tatbeitrag nach allgemeinen
Grundsätzen als mittäterschaftliche Tatbeteiligung zu
werten war, jeweils Mittäter des Bandenraubs war, obwohl er im
Gegensatz zu den anderen Bandenmitgliedern nicht am Tatort war und die
Taten nicht im zeitlichen und örtlichen Zusammenwirken mit
einem anderen Bandenmitglied begangen hat.
Allerdings wurde in der bisherigen Rechtsprechung zu § 244
Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F., § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB n.F. und
§ 25O Abs. 1 Nr. 4 StGB a.F., § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB
n.F. das Merkmal "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" als
täterschaftsbegründendes Merkmal verstanden.
Voraussetzung für die Annahme einer
mittäterschaftlichen Begehung eines Bandendiebstahls oder
eines Bandenraubs war es danach, daß das Bandenmitglied
örtlich und zeitlich, wenn auch nicht notwendig
körperlich bei der Tat mit mindestens einem weiteren
Bandenmitglied zusammengewirkt hat (BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr.
4 Bande 1; BGHSt 33, 50, 52; 8, 205, 207). Das nicht am Tatort
anwesende Bandenmitglied konnte danach - auch wenn es nach allgemeinen
Grundsätzen Mittäter war - lediglich wegen Teilnahme
am Bandendelikt und tateinheitlich dazu wegen Mittäterschaft
am Grunddelikt bestraft werden (BGHSt 33, 50, 52, 53; Ruß in
LK StGB 11. Aufl. § 244 Rdn. 13; Tröndle/Fischer,
StGB 49. Aufl. § 244 Rdn. 15).
Diese im Schrifttum umstrittene Rechtsprechung hat der
Bundesgerichtshof durch das zum Bandendiebstahl ergangene Urteil vom 9.
August 2000 - 3 StR 339/99 - (zum Abdruck in BGHSt vorgesehen)
ausdrücklich aufgegeben. Nach dieser Entscheidung kann ein
Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder
Diebstahl verbunden hat, auch dann Täter eines
Bandendiebstahls sein, wenn es zwar nicht am Tatort an der
Ausführung unmittelbar beteiligt ist, aber auf eine andere als
täterschaftlicher Tatbeitrag zu wertende Weise daran mitwirkt
und der Diebstahl von mindestens zwei weiteren Bandenmitgliedern in
zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begangen wird. Das
Merkmal "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" ist als
tatbezogenes, die Tatausführung näher kennzeichnendes
Tatbestandsmerkmal anzusehen, das akzessorisch zu behandeln ist und
nach allgemeinen Teilnahmegrundsätzen, insbesondere nach
§ 25 Abs. 2 StGB, dem nicht am Tatort agierenden
Bandenmitglied zugerechnet werden kann.
Die Erwägungen zur Änderung der Rechtsprechung
hinsichtlich § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244a StGB haben
auch für die bandenmäßige Begehung eines
Raubes gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB
Geltung. Denn der Qualifikationstatbestand des
bandenmäßig begangenen schweren Raubes entspricht
dem des Bandendiebstahls (BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 4 Bande
1; Herdegen in LK 11. Aufl. § 250 Rdn. 31;
Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 250 Rdn. 6;
Günther in SK-StGB § 250 Rdn. 35; Eser in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 250 Rdn.
26). Dies ergibt sich aus dem nahezu identischen Wortlaut der
Vorschriften und dem Willen des Gesetzgebers. Aus den
Gesetzesmaterialien zu § 250 Abs. 1 StGB a.F. ist ersichtlich,
daß durch die Neufassung dieser Vorschrift durch das
Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März
1974 die Straferschwerungsgründe beim Raub im wesentlichen an
§ 244 Abs. 1 StGB a.F. angepaßt werden sollten
(BT-Drucks. VI/3250 S. 237; Eser in Schönke/Schröder,
StGB 25. Aufl. § 250 Rdn. 1). Durch das Sechste Gesetz zur
Reform des Strafrechts vom 26. Januar 1998 sind insoweit - abgesehen
von der in § 250 Abs. 2 Nr. 2 neu eingefügten
zusätzlichen Qualifikation (BT-Drucks. 13/9064 S. 18) - keine
inhaltlichen Änderungen erfolgt. Das in § 244 Abs. 1
Nr. 2, § 244a und in § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB
gleichermaßen verwendete Tatbestandsmerkmal "unter Mitwirkung
eines anderen Bandenmitglieds" kann daher grundsätzlich nur
einheitlich ausgelegt werden.
In Fortführung der geänderten Rechtsprechung zu
§ 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244a StGB ist
demgemäß auch § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB
dahingehend auszulegen, daß ein nicht am Tatort anwesendes
Bandenmitglied jedenfalls in dem
- hier allein entscheidungserheblichen - Fall, daß mindestens
zwei weitere Bandenmitglieder den Raub in zeitlichem und
örtlichem Zusammenwirken begehen, auch dann Mittäter
eines schweren (bandenmäßig begangenen) Raubes sein
kann, wenn es zwar nicht am Tatort an der Ausführung der Tat
unmittelbar beteiligt ist, aber auf eine andere als
täterschaftlicher Tatbeitrag zu wertende Weise daran mitwirkt.
Diese Auslegung des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB wird nicht nur den
beiden bisher als Grund für die Strafschärfung
angeführten Gesichtspunkten gerecht: der besonderen
Gefährlichkeit, die sich aus der Bandenverabredung
für die Allgemeinheit ergibt und der erhöhten Gefahr
für das Opfer im Einzelfall aufgrund der örtlich
gemeinsamen Tatausführung durch mehrere (vgl. BGHSt 8, 205,
209; Ruß/Herdegen in LK 11. Aufl. § 244 Rdn. 11,
§ 250 Rdn. 31; Günther in SK-StGB § 250 Rdn.
35; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl.
§ 244 Rdn. 23, § 250 Rdn. 26; Meyer JuS 1986, 189,
191, 192). Sie trägt auch der Gefährlichkeit des
Tatbeitrags des im Hintergrund - möglicherweise, wie hier, als
Bandenchef - Mitwirkenden Rechnung und vermeidet das unbefriedigende
Ergebnis, daß bei einer Bande, die aus mehr als der
für die Bandenbildung notwendigen Mindestzahl von zwei
Personen besteht und deshalb von vornherein gefährlicher ist,
die nicht am Tatort handelnden Mitglieder ein geringeres
Strafbarkeitsrisiko tragen.
Auch im übrigen weist die Revision des Angeklagten keinen
Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf.
2. Revision der Staatsanwaltschaft
Die wirksam auf die Gesamtstrafenaussprüche hinsichtlich der
Angeklagten D. und P. beschränkte Revision der
Staatsanwaltschaft ist ebenfalls unbegründet.
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters.
Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist in der Regel nur
möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich
fehlerhaft sind, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke
verstößt oder sich die verhängte Strafe
nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter
Schuldausgleich zu sein. Eine ins einzelne gehende
Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (BGHSt 34, 345, 349). Diese
Grundsätze gelten auch für die Bildung der
Gesamtstrafe (BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 5).
An die Begründung der Strafhöhe sind allerdings um so
größere Anforderungen zu stellen, je mehr sich die
Strafe der unteren oder oberen Grenze des Zulässigen
nähert (BGH NJW 1995, 2234, 2235; BGHSt 24, 268, 271). Diesen
Anforderungen wird das Urteil des Landgerichts jedoch gerecht. Die
Kammer hat die - jeweils nur geringfügige - Erhöhung
der Einsatzstrafe umfassend und rechtsfehlerfrei begründet.
Die dabei zunächst erfolgte Bezugnahme auf die für
die Bestimmung der Einzelstrafen maßgebenden
Erwägungen ist zulässig (vgl. BGHSt 24, 268, 271;
BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 1). Insoweit hat die Kammer
alle wesentlichen belastenden und entlastenden Gesichtspunkte
abgewogen. Dabei hat sie u.a. zugunsten berücksichtigt,
daß die umfassend geständigen Angeklagten D. und P.
auf Weisung des Mitangeklagten B. gehandelt haben und von diesem zu den
Taten verlockt worden sind. Darüber hinaus hat sie bei der
Gesamtstrafenbildung das relativ junge Alter der beiden Angeklagten,
die nicht vorbestraft sind, ihre überzeugende Abkehr von den
Taten und die Tatsache, daß sie wesentliche
Aufklärungsbeiträge bezüglich des
Mittäters B. geleistet haben, gewürdigt. Zu Lasten
der Angeklagten ist u.a. die Maskierung des Angeklagten gewertet
worden, die geeignet gewesen sei, die von den Opfern beschriebenen
Angstzustände hervorzurufen. Daß die Strafkammer
unter diesen Umständen die eingetretenen Tatfolgen und die
Mehrzahl der Tatopfer übersehen hat, ist
auszuschließen.
Der Bundesgerichtshof hat im übrigen wiederholt klargestellt,
daß gerade bei einer Reihe gleichartiger Taten die
Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel niedriger auszufallen
hat, wenn - wie hier - zwischen den Taten ein enger zeitlicher,
sachlicher und situativer Zusammenhang besteht. Insoweit ist die
bloße Zusammenzählung der verwirkten Einzelstrafen
nicht maßgebend, sondern eher geeignet, den Blick
für die gesetzmäßige Strafe zu verstellen
(vgl. BGH NJW 1995, 2234, 2235; BGHR StGB § 54 Abs. 1
Bemessung 1).
Unter den gegebenen Umständen unterscheiden sich die - wenn
auch am unteren Rand des Vertretbaren - gebildeten Gesamtstrafen von
den in vergleichbaren Fällen üblicherweise
verhängten Strafen nicht so stark, daß der mit ihnen
verfolgte Zweck des Schutzes der Rechtsordnung durch gerechten
Schuldausgleich nicht mehr erreicht werden könnte.
Die Gesamtstrafen bezüglich der Angeklagten D. und P. von 6
Jahren erscheinen auch im Verhältnis zu der
Gesamtfreiheitsstrafe hinsichtlich des Angeklagten B. von 9 Jahren
nicht als unangemessen milde. Zwar muß, auch wenn mehrere
Angeklagte in einem Verfahren abgeurteilt werden, für jeden
von ihnen die Strafe aus der Sache selbst gefunden werden. Der
Gesichtspunkt, daß gegen Mittäter verhängte
Strafen auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen
sollten, darf aber nicht völlig außer Betracht
bleiben (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 1; BGH StV
1981, 122, 123). Die umfassend geständigen Angaben der
Angeklagten D. und P. haben erheblich zur Überführung
des Mitangeklagten B. , der hier der Initiator, Bandenchef und
Organisator der Taten war, beigetragen.
Jähnke Bode Otten
Rothfuß Elf |