BGH,
Urt. v. 20.9.2000 - 5 StR 252/00
StGB § 261
AO 1977 § 374
Zum Begriff der Vortat bei der Geldwäsche
gemäß § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB.
BGH, Urt. v. 20. September 2000 - 5 StR 252/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 252/00
URTEIL
vom 20. September 2000
in der Strafsache gegen
wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20.
September 2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger, Richterin Dr. Tepperwien, Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause als beisitzende Richter, Bundesanwalt als Vertreter
der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht
erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 8. Dezember 1999 wird verworfen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Angeklagten durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen
Auslagen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 22 Fällen
und wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Steuerhehlerei
in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren
und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts
gestützte und vom Generalbundesanwalt nicht vertretene
Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte Anfang
April 1998 sowie Ende Mai 1998 den Ankauf von jeweils 200.000
Stück unverzollter Zigaretten von polnischen Schmugglern
finanziert und gemeinsam mit dem Zeugen K organisiert. Die Summe der in
diesen beiden Fällen hinterzogenen Eingangsabgaben belief sich
insgesamt auf knapp 100.000 DM.
Ab Ende Mai 1998 bis spätestens 8. April 1999 hat der
Angeklagte weiterhin im Zusammenwirken mit dem von ihm angeworbenen
Fahrer B und dem Zeugen K in 20 Einzelfällen jeweils
mindestens 300.000 unverzollte und unversteuerte Zigaretten von
polnischen Schmugglern angekauft. Die Zigaretten wurden dabei von B zu
den Lagern in Petershagen oder Wegendorf verbracht, wo sie von B und
dem Angeklagten gemeinsam abgeladen wurden. Der Zeuge K verkaufte die
Zigaretten von dort aus an vietnamesische Abnehmergruppen. Insgesamt
wurden in diesen Fällen Eingangsabgaben in Höhe von
insgesamt 1,48 Millionen DM verkürzt.
In weiteren sechs Fällen zwischen Ende Mai 1998 und
März 1999 hat der Angeklagte den Erwerb von jeweils 500.000
Zigaretten durch den Zeugen K finanziert, ohne daß die
hierfür insgesamt angefallenen Eingangsabgaben von 740.000 DM
abgeführt worden sind. Diese Taten hat das Landgericht jeweils
als Beihilfe zur gewerbsmäßigen Steuerhehlerei des K
bewertet.
In sämtlichen Fällen hat das Landgericht eine
Verurteilung wegen tat-
einheitlicher Geldwäsche (§ 261 StGB) abgelehnt, weil
der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer an der Vortat
beteiligt gewesen und deshalb gemäß § 261
Abs. 9 Satz 2 StGB eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche
ausgeschlossen sei.
II.
Die landgerichtliche Entscheidung hält rechtlicher
Überprüfung stand.
1. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat das
Landgericht zu Recht den Angeklagten nicht zugleich wegen
tateinheitlicher Geldwäsche für die Taten ab 5. Mai
1998 verurteilt. Eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche
gemäß § 261 StGB ist hier deshalb nicht
gegeben, weil bei dem Angeklagten der
Strafausschließungsgrund nach § 261 Abs. 9 Satz 2
StGB besteht. Gemäß dieser Vorschrift wird nach
§ 261 Absätzen 1 bis 5 StGB nicht bestraft, wer wegen
Beteiligung an der Vortat strafbar ist.
a) Zutreffend hat das Landgericht dabei den Straftatbestand der
gewerbsmäßigen Steuerhehlerei
gemäß § 374 AO als Vortat angesehen. Nach
§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB ist die Steuerhehlerei, wenn
der Täter gewerbsmäßig handelt, eine
rechtswidrige Tat im Sinne des § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB. An
die aus dieser Vortat herrührenden Gegenstände
knüpfen die Tathandlungen der Geldwäsche an. Bei
Steuerdelikten nach §§ 373, 374 AO kann die
Geldwäsche sich gemäß § 261 Abs. 1
Satz 3 StGB auch auf einen Gegenstand beziehen, hinsichtlich dessen
Abgaben hinterzogen wurden. Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte
durch den Besitzerwerb an den Zigaretten jeweils den Tatbestand der
gewerbsmäßigen Steuerhehlerei erfüllt. Eine
Strafbarkeit entfällt deshalb aufgrund des
persönlichen Strafausschließungsgrundes hinsichtlich
der Sicherungs- und Verwertungshandlungen, die der Angeklagte an dem
gehehlten Gut vorgenommen hat.
b) Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, es
müsse eine erhebliche zeitliche Zäsur zwischen Vortat
und Geldwäschehandlung vorliegen. Dem kann nicht gefolgt
werden. Maßgeblich ist allein, daß die
Gegenstände überhaupt durch die Hehlerei erworben
sind. Auf eine Vollendung oder gar Beendigung der Vortat kommt es
für eine Anwendung des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB nicht
an. Die Novellierung des Geldwäschetatbestandes durch das
Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten
Kriminalität vom 4. Mai 1998 (BGBl. I, 845) legt insoweit auch
keine korrigierende Auslegung nahe. Mit der Neufassung ist das
ursprüngliche Tatbestandsmerkmal der "fremden" Vortat
entfallen. Damit sollten jedoch vor allem Strafbarkeitslücken
für die Fälle geschlossen werden, in denen eine
Ahndung wegen der Vortat aus tatsächlichen Gründen
nicht erfolgen konnte. Nach altem Recht war hier eine Verurteilung
wegen Geldwäsche problematisch. Durch die Neufassung wird
jetzt sichergestellt, daß bei unklarer Täterschaft -
im Wege der Postpendenzfeststellung - jedenfalls wegen
Geldwäsche verurteilt werden kann, wenn zumindest deren
Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen (vgl. BGH NStZ 1995, 500; StV
1998, 25, 26). Wie aus der gleichfalls neu eingefügten
Regelung des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB aber deutlich wird,
sollte der Täter der Katalogtat nicht zugleich wegen
Geldwäsche bestraft werden. Nur zur Erreichung dieses Zieles
wurde die Regelung überhaupt erst erforderlich. Dies stellt
auch die Begründung zum Gesetzentwurf (BT Drucks. 13/8651, S.
11) klar, die auf den Grundsatz der Straffreiheit von
Selbstbegünstigungshandlungen verweist und Doppelbestrafungen
in den Fällen vermeiden will, in denen der Vortäter
Geldwäschehandlungen vornimmt. Vor dem Hintergrund dieses
Gesetzeszweckes kann deshalb nicht der zeitliche Abstand zwischen
Vortat und Geldwäschehandlung entscheidend sein, sondern
allein, ob die Hehlereihandlung als Vortat und die
Geldwäschehandlung sich auf denselben Gegenstand beziehen.
c) Im vorliegenden Fall besteht allerdings die Besonderheit,
daß der Katalogvortat der Steuerhehlerei mit der Straftat des
gewerbsmäßigen Schmuggels gemäß
§ 373 Abs. 1 AO selbst wiederum eine Katalogtat nach
§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB vorgelagert ist. Der
Steuerhehler verschafft sich mit seiner Tathandlung zugleich den
Gegenstand aus der rechtswidrigen Vortat im Sinne des § 261
Abs. 2 Nr. 1 StGB, weil die Zigaretten im Wege des Schmuggels nach
Deutschland verbracht wurden. Die Vortat des Schmuggels bildet jedoch
dann nicht die Bezugstat für die Geldwäsche, wenn die
vom Angeklagten verwirklichte Tathandlung selbst eine Katalogvortat
darstellt. Der Steuerhehlerei ist regelmäßig bereits
tatbestandlich immanent, daß sie sich auf einen
geschmuggelten Gegenstand bezieht. Sie setzt also voraus, daß
jedenfalls vorher durch Vortäter der Tatbestand des Schmuggels
erfüllt wurde. Diese Aneinanderreihung von Katalogtaten ist in
der Systematik des Straftatbestands der Geldwäsche bereits
angelegt. Vergleichbare Konstellationen ergeben sich auch bei
Straftaten nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, die gleichfalls nach
§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. b StGB Katalogtaten der
Geldwäsche sind. Da beim Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln häufig ein ebenfalls
handeltreibender Vortäter vorhanden sein wird, wäre
bei jeder nächst niedrigeren Handelsstufe gleichzeitig mit dem
Sich-verschaffen des Rauschgifts der Tatbestand der Geldwäsche
erfüllt. Für den Bereich des Handeltreibens hat der
Bundesgerichtshof ausgesprochen, daß im Falle des
täterschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Strafbarkeit
nach § 261 StGB ausscheidet (BGHSt 43, 158, 164). Diese
Entscheidung ist allerdings noch zur alten Fassung des
Geldwäschetatbestandes ergangen, die eine Beteiligung an einer
fremden Vortat vorausgesetzt hat. Für den Fall der Beihilfe
(zu einer dann fremden Vortat) hat der Bundesgerichtshof aber bereits
damals darauf hingewiesen, daß auch die Beihilfe zur Vortat
der Anschlußtat vorgeht, wenn Beihilfe- und
Geldwäschehandlung identisch sind. Dieser Gedanke gilt nach
der Neufassung des Geldwäschetatbestandes fort (so auch
Kreß wistra 1998, 121, 128). Insoweit bildet der neu
eingeführte persönliche Strafausschliessungsgrund des
§ 261 Abs. 9 Satz 2 StGB zugleich eine Konkurrenzregel, die
eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche immer dann
ausschließt, wenn der Angeklagte bereits wegen der
Beteiligung an einer Katalogtat strafbar ist.
Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob sich die Strafbestimmung
bei den Tathandlungen nach § 261 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr.
2 StGB auf Maßnahmen im Hinblick auf einen aus der Vortat
bereits erlangten Gegenstand bezieht oder wie im Fall des Abs. 2 Nr. 1
der Vorschrift schon den Erwerbsvorgang selbst betrifft. Da die
Tathandlungen oftmals ineinander übergehen, lassen sich
häufig keine überzeugenden Abgrenzungen schaffen.
Ohne aber die einzelnen Tathandlungen voneinander abschichten zu
können, wäre eine Differenzierung dogmatisch nicht
gerechtfertigt. Zudem bestünde hierfür auch kein
kriminalpolitisches Bedürfnis, weil entsprechende
Erwerbsvorgänge unter dem Gesichtspunkt der Katalogtat bereits
strafbewehrt sind. Es macht wenig Sinn, sie als
Geldwäschehandlung einem weiteren Straftatbestand zu
unterwerfen. In diesem Sinne argumentiert auch die
Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 261 Abs. 9
Satz 2 StGB (BT Drucks. 13/8651, S. 11) wenn sie ausführt,
daß Doppelbestrafungen in den Fällen verhindert
werden sollen, in denen der Vortäter
Geldwäschehandlungen vornimmt. Ausgehend von diesem
Gesetzeszweck hat deshalb das Landgericht den Begriff der "Vortat"
jedenfalls für solche Sachverhaltsgestaltungen zutreffend im
Sinne von "Katalogtat" ausgelegt.
d) Dem gefundenen Ergebnis steht auch nicht entgegen, daß der
Ausnahmestrafrahmen der Geldwäsche gemäß
§ 261 Abs. 4 StGB weiter reicht als derjenige des
gewerbsmäßigen Schmuggels und der
gewerbsmässigen Steuerhehlerei (§§ 373, 374
AO). So eröffnet der besonders schwere Fall der
Geldwäsche einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahren
Freiheitsstrafe. Ein solcher liegt in der Regel dann vor, wenn der
Täter - wie hier - gewerbsmäßig handelt.
Demgegenüber sehen - bei gewerbsmäßiger
Begehung - die Steuerhehlerei und der Schmuggel (§§
373, 374 AO) jeweils nur einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu
fünf Jahren Freiheitsstrafe vor.
Zwar kann ein unterschiedlicher Strafrahmen für die Bestimmung
des Verhältnisses verschiedener Tatbestände
grundsätzlich Bedeutung erlangen (vgl. BGHSt 31, 163, 165 f.
zum Verhältnis von § 30 Abs. 1 Nr. 4 zu § 29
Abs. 1 Nr. 1 BtMG). Hier besteht jedoch eine Besonderheit: Ob
nämlich trotz des gegebenen Regelbeispiels der
Gewerbsmäßigkeit der Strafrahmen des besonders
schweren Falls ausgelöst werden könnte,
bedürfte einer wertenden Beurteilung. Dabei
müßte der Strafrahmen der Vortat
berücksichtigt werden, hinsichtlich derer die
Geldwäschehandlung erfolgt wäre. Im Hinblick auf die
Rechtsähnlichkeit zur Begünstigung (vgl. BT Drucks.,
aaO, S. 11) läge es hier auch nahe, den Rechtsgedanken des
§ 257 Abs. 2 StGB in die Abwägung einzubeziehen,
wonach die Strafe für die Begünstigung nicht schwerer
sein darf als die für die Vortat angedrohte Strafe (vgl. auch
BGHR StGB § 257 Abs. 2 - Verjährung 1). Im Einzelfall
dürfte deshalb regelmäßig
auszuschließen sein, daß sich aus der
Anschlußtat der Geldwäsche eine höhere
Strafe ergeben könnte als aus der Vortat.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der
unbeschränkt geführten Revision der
Staatsanwaltschaft hat auch im übrigen keinen Rechtsfehler zu
Gunsten oder Ungunsten des Angeklagten ergeben.
Harms Häger Tepperwien
Raum Brause |