BGH,
Urt. v. 20.9.2005 - 1 StR 86/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 86/05
vom
20.09.2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Geiselnahme u.a.
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20.
September
2005, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
Bundesanwalt - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mosbach vom 15. Oktober 2004 werden mit der Maßgabe
verworfen, dass
1. a) der Angeklagte G. im Fall II. 4. der Freiheitsberaubung
in Tateinheit mit Nötigung sowie im Fall II. 5. der
tateinheitlich
begangenen Freiheitsberaubung, Nötigung und
gefährlichen
Körperverletzung schuldig ist;
b) der Angeklagte K. der Freiheitsberaubung in Tateinheit
mit Nötigung und gefährlicher
Körperverletzung schuldig ist;
2. der Maßregelausspruch hinsichtlich des Angeklagten G.
aufgehoben wird und der Ausspruch entfällt.
Die Beschwerdeführer haben jeweils die Kosten ihres
Rechtsmittels
zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen Geiselnahme in
zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung sowie
wegen Nötigung und wegen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln
in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
fünf Jahren verurteilt und ihm
die Fahrerlaubnis entzogen. Der Angeklagte K. ist wegen Geiselnahme in
- 4 -
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von drei
Jahren verurteilt worden. Die Angeklagten wenden sich mit der
Sachrüge gegen
dieses Urteil, der Angeklagte G. allerdings nur insoweit, als er in den
Fällen II. 4. und 5. auch wegen Geiselnahme verurteilt wurde.
Die Rechtsmittel der Angeklagten führen zu einer
Änderung des Schuldspruchs.
Von einer Aufhebung des Strafausspruchs hat der Strafsenat abgesehen.
Jedoch entfällt der Maßregelausspruch, welcher nach
der Entscheidung
des Großen Senats für Strafsachen vom 27.04.2005
(NStZ 2005, 503) nicht
mehr den hierdurch festgelegten Voraussetzungen genügt.
I.
Das Landgericht hat seiner Entscheidung folgende Feststellungen
zugrunde gelegt:
1. Im April verkaufte der Angeklagte G. dem Zeugen S. einmal
drei Gramm Haschisch zum Preis von 20 Euro (Tat II. 1.) und ein weiteres
Mal an S. und Y. zuvor von ihm selbst für 50 Euro erworbene
15 Gramm Haschisch zu einem Preis von 65 Euro (Tat II. 2.). Zugleich
bot er
diesen vier Kokainplomben zum Kauf an. Für die erste Tat hat
die Strafkammer
eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu fünf Euro,
für die Tat II. 2. eine Freiheitsstrafe
von sechs Monaten verhängt.
2. In der Folge wurde der Angeklagte von einer unbekannt gebliebenen
Person bedrängt, ihr Drogen zu verkaufen. Weil er davon
ausging, dass diese
ihr Wissen von S. vermittelt erhalten habe, wollte er S. einen
Denkzettel
verpassen. Er verbrachte darauf mit seinem Pkw den Zeugen S. an
einen einsam gelegenen Ort, bedrohte ihn und zwang ihn dazu, bis auf
Schuhe
und Boxershorts alle Kleidungsstücke auszuziehen; sodann fuhr
er weg, so
- 5 -
dass S. unbekleidet zum nächsten Ort laufen musste, wo er erst
bei Dunkelheit
ankam. Hierfür hat das Landgericht eine Freiheitsstrafe von
einem Jahr
ausgesprochen (Tat II. 3.).
3. (Fall II. 4.): Der Angeklagte G. hatte erfahren, dass der Zeuge
S. anderen Personen von der vorgenannten Tat II. 3. erzählt
hatte. Da der
Geschädigte nach seiner Meinung offenbar seine damit
verbundene "erste
Warnung" nicht verstanden hatte, beschloss er, ihn nochmals in ein
entlegenes
Waldstück zu verbringen und dieses Mal seine Drohungen
nachhaltig zu verstärken.
Zu diesem Zweck sprach er den Zeugen S. an und bat ihn
freundlich und unter Verdeckung seiner wahren Absichten, in sein
Fahrzeug
einzusteigen, um mit ihm nochmals über den vergangenen Vorfall
zu reden.
S. ließ sich täuschen, stieg in das Fahrzeug ein,
worauf G. sofort
losfuhr, sodass S. das fahrende Fahrzeug nicht mehr verlassen konnte.
G. fuhr sodann in ein abgelegenes Waldgebiet, welches nur über
Forstwege
erreicht werden kann. Dort angekommen ließ er S. aussteigen
und
zog eine Schreckschusspistole, welche auf den Zeugen S. den Eindruck
einer scharfen Waffe machte. Er wies sein Opfer darauf hin, dass er
"keinen
Spaß mache" und S. offenbar immer noch nicht gelernt habe,
"das Maul
zu halten". Um ihn künftig zum Schweigen zu bringen und
einzuschüchtern,
richtete G. in der Folge mehrfach die Waffe gegen S. und drohte,
ihn zu erschießen. Um seine Drohungen durchzusetzen und damit
S. ihn
in Zukunft weder bei der Polizei noch bei anderen Personen "verpfeifen"
werde,
schoss G. neben S. in den Boden, sodass das durch die Druckwelle
aufgewirbelte Laub den Eindruck einer scharfen Waffe
verstärkte und
S. nunmehr ernsthaft davon ausging, dass der Angeklagte ihn
töten wolle,
um ihn zum Schweigen zu bringen. In der Folge schoss der Angeklagte
auch an der weisungsgemäß ausgestreckten Hand und am
Oberschenkel von
- 6 -
S. nur knapp vorbei. Er forderte schließlich den am ganzen
Leib zitternden
Zeugen S. auf, ihm seine Jacke auszuhändigen - dem kam S.
nach - und außerdem in Zukunft den Mund zu halten, da er
sonst ernst machen
und ihn töten werde. Danach ließ er S. allein im
Waldstück, vier Kilometer
von der nächsten Verkehrsstraße entfernt,
zurück.
4. (Fall II. 5.): Einige Wochen später erhielt G. eine
polizeiliche Ladung
zu einer Beschuldigtenvernehmung, weshalb er davon ausging, dass
S. nunmehr Angaben gegenüber den Ermittlungsbehörden
gemacht habe.
Daraufhin beschlossen G. und der Mitangeklagte K. , S. gemeinsam
abzustrafen. Sie waren sich dabei einig, dass einfache Drohungen
nicht mehr ausreichen würden und man S. notfalls dauerhaft
verletzen
müsse, damit dieser endlich lerne, dass man andere Menschen
nicht verrät.
Sie verabredeten, ihn beim nächsten Aufeinandertreffen
freundlich anzusprechen
und ihn zum Einsteigen in den Pkw zu bewegen; danach wollte man ihn in
ein einsames Waldstück verbringen, ihn dort gemeinsam
zusammenschlagen
und zuletzt das Wort "Verräter" mit einem Messer quer
über die Brust einschneiden.
Gleichzeitig sollte er aufgefordert werden, seine bei der Polizei
gemachten
Angaben zurückzuziehen und zukünftig den Mund zu
halten. Diesem
Plan entsprechend überredeten sie S. , als sie ihn dann wenige
Tage später
trafen, in den Pkw des G. einzusteigen, angeblich um mit ihm zu reden.
Da sie zu zweit und zudem ihm körperlich überlegen
waren, kam dieser ihrem
freundlich geäußerten Verlangen nach. Als sie zu
seiner Überraschung dann
losfuhren, wollte er zwar aussteigen, was ihm aber nicht mehr
möglich war. Im
Wald angekommen, musste S. seine Oberbekleidung ausziehen. Danach
schrieen K. und G. ihn mehrfach an, dass er seinen Verrat eingestehen
sollte, worauf S. jedoch nur antwortete, dass er niemanden verraten
habe. Daraufhin schlug G. mit den Fäusten auf S. ein, wobei K.
- 7 -
ihn anfeuerte. Gleichzeitig heizte K. die Atmosphäre dadurch
weiter auf,
dass er sagte, S. sei ein Verräter und müsse bestraft
werden. G.
versetzte S. zunächst einen Faustschlag ins Gesicht und,
nachdem er zu
Boden gegangen war, mehrere Tritte in den Bauch, die Wade und gegen den
Kopf. Nach einem weiteren Schlag des G. ergriff K. den S. an
beiden Armen und hielt ihn fest. Daraufhin schnitt G. mit einem
Klappmesser
mit einer Klingenlänge von 10 cm den Buchstaben "V" mit einer
Schenkellänge
von etwa 10 cm etwa 5 mm tief in die Brust des Opfers. Als sich zu
diesem Zeitpunkt unerwartet ein von einem Forstarbeiter gesteuerter
Radlager
näherte und die Angeklagten fürchteten, entdeckt zu
werden, forderten sie
S. nochmals auf, in Zukunft seinen Mund zu halten. Sie nahmen ihn
daraufhin
im Pkw eine Strecke mit und ließen ihn an einem Ortsrand
frei, wobei sie
nochmals von ihm verlangten, er solle seine Angaben bei der Polizei
zurückziehen.
Der Zeuge S. wurde in der Folge aufgrund der Schwere der Verletzungen
ins Krankenhaus gebracht, wobei die ihm zugefügte Schnittwunde
mit über 30 Stichen genäht werden musste und auch
einige Monate später
noch eine deutlich erkennbare ca. 10 cm große
V-förmige Narbe mit ca. 1 cm
hohen dunkelrot gefärbten Narbenwulsten zu sehen war. Ob die
Narbe operativ
entfernt werden kann, steht noch nicht fest.
Das Landgericht hat in beiden Tatkomplexen das jeweilige Verbringen in
den Wald mit den dortigen Handlungen als Geiselnahme, im zweiten
Tatkomplex
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung
gewertet.
Der Angeklagte G. verfolgt mit seiner Revision den Wegfall der
Verurteilung wegen zweier Fälle der Geiselnahme und ist der
Auffassung, es
handele sich im Fall II. 4. nur um einen Fall der Freiheitsberaubung in
Tateinheit
mit versuchter Nötigung sowie im Fall II. 5. um einen Fall der
Freiheitsbe-
8 -
raubung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und
gefährlicher Körperverletzung.
II.
Die vom Landgericht zu den Fällen II. 4. und 5. getroffenen
Feststellungen
reichen nicht hin, jeweils darauf eine Verurteilung wegen eines
Verbrechens
der Geiselnahme nach § 239b StGB zu stützen.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es erforderlich,
dass zwischen der Entführung eines Opfers und einer
beabsichtigten Nötigung
ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang derart besteht, dass der
Täter
das Opfer während der Dauer der Entführung
nötigen will (vgl. BGHSt 40, 350,
355, 359) und die abgenötigte Handlung auch während
der Dauer der Zwangslage
vorgenommen werden soll (BGHR StGB § 239b Entführen
4). Denn der
Zweck dieser Strafvorschrift, die schon wegen ihrer hohen Mindeststrafe
der
einschränkenden Auslegung bedarf, besteht gerade darin, das
Sich-
Bemächtigen oder die Entführung des Opfers deshalb
besonders unter Strafe
zu stellen, weil der Täter seine Drohung während der
Dauer der Zwangslage
jederzeit realisieren kann (BGH, Beschluß vom 14. Mai 1996 -
4 StR 174/96).
Allerdings liegt eine vollendete Nötigung bereits dann vor,
wenn der Täter mehrere
Verhaltensweisen des Opfers erstrebt, aber nur eine davon realisiert
wird
(BGH bei Dallinger MDR 1972, 386 f.), wobei auch das Erreichen eines
Teilerfolges
des Täters, der mit Blick auf ein weitergehendes Ziel
jedenfalls vorbereitend
wirkt, für eine Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB)
ausreichend sein kann.
Ebenso kann eine beliebige Handlung, Duldung oder Unterlassung einen
Nötigungserfolg
im Sinne des § 239b StGB darstellen (BGH, Beschl. vom 2. Okto-
9 -
ber 1996 - 3 StR 378/96). Jedenfalls solche Handlungen des Opfers, die
eine
nach der Vorstellung des Täters eigenständig
bedeutsame Vorstufe des gewollten
Enderfolgs darstellen, führen zur Vollendung der mit der
qualifizierten
Drohung erstrebten Nötigung (BGHR StGB § 239b
Nötigungserfolg 1).
2. Im Fall II. 4. wollte der Angeklagte G. den Zeugen S.
einschüchtern
und ihn dadurch künftig zum Schweigen bringen, insbesondere
sollte er ihn weder bei der Polizei noch bei anderen Personen
"verpfeifen".
Damit waren seine Ziele auf ein Unterlassen in der Zukunft gerichtet,
auf einen
Zeitraum, zu dem der Zeuge aus der Gewalt des Angeklagten entlassen war.
Aus den Feststellungen des Landgerichts ergibt sich nicht, dass der
Angeklagte
davon ausgegangen ist, dass er bereits während der
Bemächtigungssituation,
insbesondere durch seinen Waffeneinsatz, erreichen wollte und konnte,
dass der Zeuge S. sich zu diesem Zeitpunkt endgültig zu einem
Schweigen
verpflichtet und noch vor seiner Zurücklassung im Wald eine
derartige Erklärung
abgegeben hat. Damit erfüllt das Verhalten des Angeklagten nur
die
Tatbestände der Freiheitsberaubung und der (schon im Hinblick
auf die erzwungene
Herausgabe der Jacke vollendeten) Nötigung.
3. Auch im Fall II. 5. ergibt sich aus den Feststellungen der
Strafkammer
nicht, dass der Zeuge S. auf die Drohungen und Aufforderungen der
Angeklagten
G. und K. , "seinen Mund zu halten" und seine angeblichen
Angaben bei der Polizei zurück zu ziehen, eine entsprechende
zusagende oder
sonst zustimmende Erklärung noch während der
andauernden Bemächtigungslage
abgegeben hat; daher fehlt es am erforderlichen funktionalen
Zusammenhang
zwischen dem Sich-Bemächtigen einerseits und der
beabsichtigten Nötigung
durch qualifizierte Drohung andererseits (vgl. hierzu BGHR StGB
§ 239b
Nötigungserfolg 1).
- 10 -
Darauf, dass das Landgerichts nicht feststellen konnte, dass die dem
Zeugen S. zugefügte schwere Entstellung infolge der
V-förmigen roten
und wülstigen Narbe eine dauerhafte Entstellung (§
239b Abs. 1 iVm. § 226
Abs. 1 Nr. 3 StGB) sei, kommt es daher nicht an.
Das Verhalten der beiden Angeklagten stellt danach keine Geiselnahme
dar, sondern erfüllt die Tatbestände der
tateinheitlich und gemeinschaftlich begangenen
Freiheitsberaubung, Nötigung und gefährlichen
Körperverletzung.
4. Da weitere Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 239b
StGB
nicht zu erwarten sind, ändert der Senat die
Schuldsprüche in entsprechender
Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst.
III.
Die von der Strafkammer gegen den Angeklagten G. verhängte
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren kann bestehen bleiben,
ebenso die gegen
den Angeklagten K. verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren.
Einer
Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es nicht, weil die
verhängte Rechtsfolge
- auch nach Änderung des Schuldspruchs - im Sinne des
§ 354 Abs. 1a
Satz 1 StPO angemessen ist (vgl. hierzu BGH, Urt. vom 2. Dezember 2004
- 3
StR 273/04; Beschl. vom 8. Dezember 2004 - 1 StR 483/04). Ebenso war es
entgegen des hilfsweise gestellten Antrags des Generalbundesanwalts
nicht
angemessen, die gegen den Angeklagten in den Fällen II. 4. und
5. festgesetzten
Einzelstrafen und die von der Strafkammer gebildete
Gesamtfreiheitsstrafe
herabzusetzen.
Ob eine Rechtsfolge als angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a
StPO
angesehen werden kann, hat das Revisionsgericht auf der Grundlage der
Fest-
11 -
Feststellungen des angefochtenen Urteils unter
Berücksichtigung aller maßgeblichen
Gesichtspunkte, insbesondere aller nach § 46 StGB für
die Strafzumessung
erheblichen Umstände zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 2.
Dezember
2004 - 3 StR 273/04). Dies war vorliegend auch möglich, weil
alle für
eine Strafzumessung erforderlichen Feststellungen vom Landgericht
getroffen
worden sind und es daher keiner weiteren Feststellungen mehr bedurfte.
1. Angeklagter G. : Die Strafkammer hat für die Tat II. 4.
eine Einzelstrafe
von drei Jahren und für die Tat II. 5. eine Einzelstrafe von
vier Jahren
Freiheitsstrafe verhängt und daraus zusammen mit den
Einzelstrafen der Taten
II. 1. - 3. (30 Tagessätze, sechs Monate, ein Jahr) die
Gesamtfreiheitsstrafe
von fünf Jahren gebildet. Als Folge der vom Senat
vorgenommenen Schuldspruchänderung
entfällt bei den Taten II. 4. und 5. jeweils der Tatbestand der
Geiselnahme, an dessen Stelle der Angeklagte der Freiheitsberaubung und
Nötigung, zusätzlich im Fall II. 5. auch der
gefährlichen Körperverletzung
schuldig ist. Der Senat hat die Gesamtfreiheitsstrafe in Anwendung von
§ 354
Abs. 1a StPO bestehen lassen.
Hier erweist sich die vom Landgericht festgesetzte Einsatzstrafe von
vier
Jahren für die Tat II. 5. als angemessen im Sinne des
§ 354 Abs. 1a StPO. Als
Sanktion für eine schwerwiegende Tat, eine die wahren
Absichten der Angeklagten
verdeckende Vorgehensweise mit erheblichen körperlichen Folgen
für
das hilflose Opfer mit Schlägen, Tritten und dem
gefährlichen Messereinsatz,
zumal mit Blick auf die Intensität der Beteiligung des
Angeklagten G. und
seine in den Taten II. 3. bis 5. sich jeweils steigernde
gewalttätige Einwirkung
auf das Opfer, erscheint die festgesetzte Strafe, auch unter
Berücksichtigung
sämtlicher zu seinen Gunsten zu bedenkenden und vom
Landgericht tatsächlich
bedachten Umstände, uneingeschränkt als im Sinne des
§ 354 Abs. 1a
- 12 -
StPO schuldangemessen (vgl. BGH, Urt. vom 2. Dezember 2004
- 3 StR 273/04) und keinesfalls als zu hoch. Die von der Strafkammer
zugrunde
gelegten Maßstäbe lassen sich auf den
geänderten Schuldspruch ohne weiteres
übertragen, zumal der vom Landgericht nach § 239b
Abs. 2 iVm. § 239a
Abs. 4 StGB gemilderte Strafrahmen des § 239b StGB etwa dem
Strafrahmen
des § 224 StGB entspricht, wobei die Mindeststrafe des
§ 224 StGB mit sechs
Monaten höher ist.
Die von der Strafkammer festgesetzte Einzelstrafe von drei Jahren
für
die Tat II. 4. erscheint trotz der Schuldspruchänderung
gleichfalls angemessen,
weil der Angeklagte ohne einen tatsächlich gegebenen Anlass
und mit gespielter
Freundlichkeit das ahnungslose und unterlegene Opfer in eine
für dieses
schutzlose Lage verbrachte und mit den von diesem für echt
gehaltenen
Schüssen aus der Schreckschusspistole, wie von ihm
beabsichtigt, in Todesangst
versetzte und den am ganzen Leib zitternden Zeugen, nachdem er ihm
auch noch die Jacke weggenommen hatte, vier Kilometer von der
nächsten
Verkehrsstraße entfernt allein im Waldstück
zurückließ.
Nach alledem ist auch die gebildete Gesamtfreiheitsstrafe mit dem
besonders
straffen Strafzusammenzug angemessen. Hierbei ist zu sehen, dass
der Angeklagte bei seinen Taten gegenüber S. allein davon
getrieben
war, dass er ungestört seinen
Betäubungsmittelgeschäften nachgehen konnte.
Schließlich kann auch nicht unberücksichtigt
bleiben, dass - unabhängig von
möglichen verbleibenden Entstellungen - durch das Einstechen
des V-förmigen
Mals die Wunde umfassend ärztlich versorgt und mit 30 Stichen
genäht werden
musste.
2. Angeklagter K. : Auch die vom Landgericht gegen den Angeklagten
K. verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren hat der Senat
gemäß § 354
- 13 -
Abs. 1a StPO bestehen lassen. Insoweit ist entscheidend, dass der
Angeklagte
K. überhaupt keinen Anlass hatte, gegen den Zeugen S.
vorzugehen.
Er hat sich von Anfang an bei der Tatausführung beteiligt und
letztlich den Mitangeklagten
G. sogar aufgefordert, mit dem Messer die Buchstaben in
den Oberkörper des Opfers einzustechen.
IV.
Zugunsten des Angeklagten G. war der Maßregelausspruch
aufzuheben;
denn nach der Entscheidung des Großen Senats für
Strafsachen
vom 27.04.2005 (NStZ 2005, 503) setzt die strafgerichtliche Entziehung
der
Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit bei Taten im
Zusammenhang
mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs voraus, dass die Anlasstat
tragfähige
Rückschlüsse darauf zulässt, dass der
Täter bereit ist, die Sicherheit des
Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen
unterzuordnen. Den
Feststellungen des Landgerichts ist derartiges nicht zu entnehmen;
insbesondere
gab es offensichtlich nicht die Gefahr, dass der Zeuge S. sich seiner
Freiheitsberaubung während der Fahrt in dem Pkw des G.
körperlich widersetzt,
wodurch bei einem möglichen Gerangel dann zumindest eine Gefahr
für die Sicherheit des Straßenverkehrs
hätte entstehen können.
- 14 -
Im Übrigen haben sich keine Rechtsfehler zum Nachteil der
Angeklagten
ergeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.
Wahl Schluckebier Kolz
Hebenstreit Graf |