BGH,
Urt. v. 21.8.2002 - 1 StR 115/02
1 StR 115/02
StGB §
Der Verfall ist, auch bei Anwendung des Bruttoprinzips, keine Strafe,
sondern eine Maßnahme eigener Art. Die Abschöpfung
des über den Nettogewinn hinaus Erlangten verfolgt
primär einen Präventionszweck. Dies gilt auch
für die Anordnung des Verfalls gegen den
Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3 StGB.
BGH, Urt. v. 21. August 2002 - - LG Mannheim
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
21. August 2002
in der Strafsache gegen
wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat aufgrund der Verhandlung
vom 13. August 2002 in der Sitzung vom 21. August 2002, an denen
teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr.
Schäfer und die Richter am Bundesgerichtshof Nack, Dr.
Boetticher, Schluckebier, Hebenstreit, Oberstaatsanwalt beim
Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt
als Vertreter der Verfallsbeteiligten, Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Die Revision der Verfallsbeteiligten gegen das Urteil des
Landgerichts Mannheim vom 26. Oktober 2001 wird verworfen. Sie
trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete
Urteil dahin geändert, daß gegen die
Verfallsbeteiligte der Verfall eines Geldbetrages von 4.466.203,89 Euro
(8.735.135,56 DM) angeordnet wird.
Die Verfallsbeteiligte trägt die Kosten der Revision der
Staatsanwaltschaft.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat zwei Angestellte der Papierfabrik S. GmbH wegen
mehrfacher Verbrechen nach dem Außenwirtschaftsgesetz
(§ 34 Abs. 4 AWG i.V.m. § 69 Buchst. h Abs. 1 Nr. 2
AWV) zu Bewährungsstrafen verurteilt. Gegen die
Verfallsbeteiligte, die nach dem Tatzeitraum in eine
Kommanditgesellschaft umgewandelte Papierfabrik S. GmbH & Co.
KG, hat es nach § 73 Abs. 3 StGB den Verfall von Wertersatz in
Höhe von 7.916.855,06 DM angeordnet. Die auf die
Sachrüge gestützte Revision der Verfallsbeteiligten
hat keinen Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die mit der
Sachrüge die Anordnung eines höheren Verfallsbetrages
erstrebt, ist hingegen begründet.
I.
Gegenstand der Verurteilung und der Verfallsanordnung sind
Embargoverstöße in der Zeit von Juli 1992 bis
November 1995. Die Papierfabrik S. GmbH (im folgenden S. GmbH), die
technische Spezialpapiere herstellte, hatte Tabakpapier an eine Firma
in Serbien geliefert. Der Angeklagte I. war Leiter des Betriebsbereichs
"Tabakpapiere"; der Mitangeklagte R. war Gesamtverkaufsleiter und
Vorgesetzter des Angeklagten I. .
1. Am 30. Mai 1992 hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
umfassende Sanktionen gegen Serbien und Montenegro verhängt,
die durch Änderungen der Außenwirtschaftsverordnung
mit Wirkung vom 13. Juni 1992 in deutsches Recht umgesetzt wurden und
bis zum 22. November 1995 aufrechterhalten blieben.
Schon vor dem Embargo hatte die S. GmbH Tabakpapier an die serbische
Firma geliefert. Diese Geschäftsbeziehung war im Gegensatz zu
anderen Absatzmärkten relativ profitabel (die Preise lagen 30
bis 40 % über den sonstigen Durchschnittspreisen) und
für das betriebswirtschaftliche Gesamtergebnis der Abteilung
"Tabakpapiere" von großer Bedeutung. Die Angeklagten
befürchteten infolge des Embargos einen erheblichen
Umsatzverlust, eine unzureichende Auslastung der Maschinen und
Kurzarbeit. Sie entschlossen sich deshalb, das Embargo durch
Einschaltung anderer Firmen zu umgehen. Die darüber
unterrichteten Geschäftsführer der S. GmbH billigten
diese Umgehungsgeschäfte ausdrücklich.
Bis zum Ende des Embargos wurde dem Konto der S. GmbH ein
Verkaufserlös von 7.916.855,06 DM (4.047.823,72 EUR)
gutgeschrieben; hinsichtlich dieses Betrages wurde der Verfall von
Wertersatz angeordnet. Nach Aufhebung des Embargos ging auf dem Konto
ein weiterer Betrag von 818.280,50 DM (418.380,18 EUR) ein; dieser
wurde jedoch nicht für verfallen erklärt.
2. Die Verfallsanordnung gegen die Verfallsbeteiligte als
Drittbegünstigte nach § 73 Abs. 3 StGB hat das
Landgericht damit begründet, daß ihr das Handeln der
Angeklagten zuzurechnen sei, da diese im Interesse des Unternehmens und
mit Billigung der Geschäftsführer gehandelt
hätten. Die spätere Veräußerung
der S. GmbH an ein anderes Unternehmen und die Umwandlung in eine
Kommanditgesellschaft habe an ihrer Stellung als Verfallsadressatin
nichts geändert.
Das nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB Erlangte bestehe in dem
gesamten während der Embargozeit vereinnahmten
Verkaufserlös. Die Höhe des Verfallsbetrages bemesse
sich nach dem Bruttoprinzip, so daß keine Kosten in Abzug zu
bringen seien. Die Voraussetzungen der Härteregelung des
§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB hat das Landgericht verneint. Die
Geschäftsführer der S. GmbH hätten die
Umgehungsgeschäfte gebilligt und gezielt finanzielle Mittel
und Ressourcen des Unternehmens für die Produktion des
für Serbien bestimmten Zigarettenpapiers eingesetzt, also
bewußt Kapital in strafbare Handlungen investiert. Zudem sei
das Unternehmen durch die Verfallsanordnung keinesfalls in seiner
Existenz gefährdet. Auch eine Entreicherung im Sinne des
§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB liege nicht vor.
3. Die Verfallsbeteiligte macht mit ihrer Revision geltend, sie
könne infolge des nach der Tatzeit erfolgten
Unternehmensverkaufs und wegen der Unternehmensumwandlung nicht
Verfallsadressatin sein. Ferner habe das Landgericht bei der
Höhe des Verfalls zu Unrecht das Bruttoprinzip angewendet.
Jedenfalls aber hätte wegen des Schuldprinzips nur der
Nettoerlös abgeschöpft werden dürfen.
4. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer Revision eine
höhere Verfallsanordnung. Auch hinsichtlich der nach Ende des
Embargos vereinnahmten Verkaufserlöse in Höhe von
818.280,50 DM - die aus Lieferungen während der Embargozeit
herrührten - hätte der Verfall angeordnet werden
müssen.
II.
Die Revision der Verfallsbeteiligten hat keinen Erfolg. Das Landgericht
hat die Höhe des verfallenen Wertersatzes nach § 73a
Satz 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB zu Recht nach dem
Bruttoprinzip ermittelt und rechtsfehlerfrei eine unbillige
Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB verneint.
1. Der Verfall (des Wertersatzes) ist nach § 73 Abs. 1 Satz 1
StGB zwingend nach Maßgabe des Bruttoprinzips anzuordnen,
soweit nicht die gleichfalls zwingende Härtevorschrift des
§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB entgegensteht.
a) Die Höhe des Verfalls (und des Verfalls des Wertersatzes)
richtet sich nach dem Bruttoprinzip. Bruttoprinzip bedeutet,
daß nicht bloß der Gewinn, sondern
grundsätzlich alles, was der Täter für die
Tat oder aus ihr erlangt hat, für verfallen zu
erklären ist (BGH NStZ 1995, 491). Entscheidend ist, was dem
Betroffenen gerade durch die Straftat zugeflossen ist oder was er durch
diese erspart hat. Bei der Berechnung des - wie hier - durch einen Kauf
Erlangten ist vom gesamten Verkaufserlös ohne Abzug von
Einkaufspreis und sonstigen Aufwendungen auszugehen (BGH NStZ 1994,
123; NStZ 2000, 480; NStZ-RR 2000, 57; wistra 2001, 389; BGH,
Beschluß vom 3. Dezember 2000 - 1 StR 547/00; BGH, Urt. v.
20. März 2001 - 1 StR 12/01).
b) Dieser Umfang des Verfalls entspricht dem Willen des Gesetzgebers,
der durch Gesetz zur Änderung des
Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer
Gesetze vom 28. Februar 1992 (BGBl. I S. 372) § 73 StGB mit
Wirkung vom 7. März 1992 geändert hat.
Während der Verfall nach der alten Fassung des § 73
StGB nur den "Vermögensvorteil" (Nettoprinzip)
erfaßte, ist nunmehr der Verfall des "Erlangten"
(Bruttoprinzip) anzuordnen.
Die Gesetzesänderung geht zurück auf einen Vorschlag
des Bundesrates zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25.
Oktober 1989 (BT-Drucks. 11/6623 S. 11), der in seiner Stellungnahme
die Umstellung des Nettoprinzips auf das Bruttoprinzip vorgeschlagen
hatte. Die Bundesregierung hatte den Vorschlag in ihrer
Gegenäußerung aufgegriffen (S. 13); das Gesetz kam
jedoch in der 11. Wahlperiode nicht mehr zustande.
In der 12. Wahlperiode griff der Bundesrat in seinem Entwurf des OrgKG
(BT-Drucks. 12/989) diesen Änderungsvorschlag zu § 73
StGB wieder auf und die Bundesregierung stimmte dem zu (S. 52). Die
Notwendigkeit der Gesetzesänderung begründete der
Bundesrat unter anderem mit der restriktiven Anwendung des Verfalls in
der Praxis aufgrund der Kompliziertheit der Regelung. Der
Rechtsausschuß des Bundestages führte in seinem
Bericht (BT-Drucks. 12/2720, S. 42) aus, "es gehe bei den
Verfallsvorschriften nicht um eine Strafe, sondern um die Beseitigung
eines rechtswidrigen Zustandes, der durch eine Straftat
ausgelöst worden sei."
Parallel dazu war der Änderungsvorschlag zu den
Verfallsvorschriften im Zuge der Ausschußberatungen
(BT-Drucks. 12/289) in den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur
Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (BT-Drucks.
12/104) aufgenommen worden. Zwar scheiterte dieser Gesetzentwurf
zunächst im Vermittlungsverfahren; die Koalitionsfraktionen
(BT-Drucks. 12/899) und die Bundesregierung (BT-Drucks. 12/1134)
brachten den Entwurf aber erneut ein. Das daraufhin verabschiedete
Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes,
des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze führte
schließlich zur Änderung des § 73 StGB, so
daß der entsprechende Änderungsvorschlag im OrgKG
entfiel. In der Entwurfsbegründung (BT-Drucks. 12/899, S. 11)
wurde die Umstellung auf das Bruttoprinzip damit begründet,
daß das Nettoprinzip die Ermittlung der
Verfallsvoraussetzungen erschwere. Auch führe die
Saldierungspflicht bei der Nettogewinnabschöpfung nach der
Gesamtsystematik der Rechtsordnung zu Wertungswidersprüchen.
Der Rechtsgedanke des § 817 Satz 2 BGB, wonach das in ein
verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren
ist, sollte deshalb auch beim Verfall Anwendung finden. Der Verfall
sollte sich deshalb auf "die Gesamtheit des Erlangten" beziehen.
c) Das Bruttoprinzip ist auch auf Fälle der vorliegenden Art
(Embargoverstoß) anwendbar (vgl. BGH, Beschluß vom
8. Oktober 1999 - 2 StR 511/98).
Zwar wird das Bruttoprinzip zumeist bei
Betäubungsmitteldelikten zur Anwendung kommen (vgl. BGH NStZ
1994, 123; NStZ 1995, 491; NStZ 1995, 495; NStZ 2000, 480; NStZ 2001,
312; NStZ-RR 2000, 57; BGH, Urt. v. 20. März 2001 - 1 StR
12/01; BGH, Beschlüsse vom 13. Dezember 2000 - 1 StR 547/00
und vom 25. Juli 2001 - 5 StR 300/01). Insbesondere hier besteht kein
rechtlich schützenswertes Vertrauen, aus dem verbotenen
Geschäft erlangte Vermögensbestandteile behalten zu
dürfen, die der Erlös strafbarer Geschäfte
sind (BGH NStZ 2001, 312). Nicht abzugsfähig sind damit auch
Transportkosten oder der Kurierlohn (BGH NStZ-RR 2000, 57) und
selbstverständlich auch die "Anschaffungskosten" für
eine Schußwaffe.
Aus der umfassenden Beschränkung des Umgangs mit
Betäubungsmitteln ergibt sich indes keine Begrenzung des
Saldierungsverbots nur auf diese Deliktsgruppe; das Bruttoprinzip gilt
vielmehr für alle Fälle des Verfalls (zu
Bestechungsdelikten vgl. BGH wistra 2001, 389; BGH NJW 2002, 2257,
2259; zu geheimdienstlicher Agententätigkeit vgl. BGH NJW
1998, 1723, 1728).
2. Der Senat hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die
Umgestaltung des Verfallsrechts durch die Einführung des
Bruttoprinzips in § 73 StGB mit der den Umfang des Verfalls
begrenzenden Funktion des § 73c StGB (BGH NStZ 2001, 312; vgl.
auch BGH NStZ-RR 2000, 57 und den hierzu ergangenen Beschluß
des Bundesverfassungsgerichtes - Kammer - vom 3. September 1999 - 2 BvR
1637/99).
a) Der Verfall ist keine Strafe und auch keine - in Bezug auf das
Schuldprinzip - strafähnliche Maßnahme. Er ist
vielmehr eine Maßnahme eigener Art. Das folgt aus dem
objektivierten Willen des Gesetzgebers, der systematischen Stellung
sowie dem Wortlaut der Vorschrift und den zugehörigen
verfahrensrechtlichen Vorschriften.
aa) Nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung setzt der
Verfall Schuld nicht voraus. Anders als bei der Einziehung (§
74 Abs. 1 StGB) genügt für den Verfall eine
rechtswidrige Tat (§ 73 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11
Abs. 1 Nr. 5 StGB). Er muß unter den Voraussetzungen des
§ 73 Abs. 3 StGB auch gegen einen Dritten und sogar gegen eine
juristische Person angeordnet werden. Gegen den
Drittbegünstigten ist der Verfall anzuordnen, auch wenn der
Dritte bzw. das Organ einer juristischen Person keine Straftat begangen
hat (vgl. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 54). Auch insoweit
unterscheidet er sich von der Einziehung, die eine
vorsätzliche oder sonst individuell vorwerfbare Straftat
voraussetzt (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 1, § 74a,
§ 75 StGB). Nach § 76a StGB kann auf Verfall auch
selbständig in dem objektiven Verfahren nach § 442
i.V.m. § 440 StPO erkannt werden. Der Verfall ist im
Strafgesetzbuch auch nicht in den Titel "Strafen" eingeordnet, sondern
bildet zusammen mit der Einziehung einen eigenen Titel.
bb) Die Einführung des Bruttoprinzips hat an der Rechtsnatur
des Verfalls als eine Maßnahme eigener Art nichts
geändert; jedenfalls wird er auch dadurch nicht zu einer
Strafe oder strafähnlichen Maßnahme (BGH NStZ 1995,
491; NJW 1998, 1723, 1728; NStZ 2001, 312 m.w.N.; ebenso Schmidt in LK
11. Aufl. § 73 Rdn. 7 ff.; a.A. Tröndle/Fischer, StGB
50. Aufl. § 73 Rdn. 3; Eser in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. vor § 73
Rdn. 19; Lackner in Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 73
Rdn. 4b).
Das Bruttoprinzip sollte die Anordnung des Verfalls nicht nur im
Hinblick auf seine Berechnung praktikabler machen. Die
Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten
verfolgt vielmehr primär einen Präventionszweck. Die
dadurch angestrebte Folge, daß auch die Aufwendungen nutzlos
waren, soll zur Verhinderung gewinnorientierter Straftaten - und
insbesondere diese wollte der Gesetzgeber erfassen - beitragen.
Müßte der Betroffene für den Fall der
Entdeckung hingegen lediglich die Abschöpfung des Tatgewinns
befürchten, so wäre die Tatbegehung unter
finanziellen Gesichtspunkten weitgehend risikolos. Diesen
Präventionszweck - der Verfallsbetroffene soll das Risiko
strafbaren Handelns tragen - hatte der Gesetzgeber im Auge, als er sich
auf den Rechtsgedanken des § 817 Satz 2 BGB bezog, wenn er
darauf abhob, daß das in ein verbotenes Geschäft
Investierte unwiederbringlich verloren sein soll.
Dieser Normzweck gilt auch für die Anordnung des Verfalls
gegen den Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3 StGB,
insbesondere dann, wenn dieser Nutznießer der rechtswidrigen
Tat ist. Die Ratio des Zugriffs auf den Drittbegünstigten
beschreibt Schmidt (in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 50) zutreffend
so: "Ohne diese Regelung wäre eine Gewinnabschöpfung
gerade in Bereichen wie z. B. der Wirtschafts- oder
Verbandskriminalität sowie des organisierten Verbrechens, in
denen die Vermögensvorteile aus Straftaten bei Unternehmen
anfallen oder auf Scheinfirmen übertragen werden, kaum
möglich." Ebenso sieht es Eser (in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 Rdn.
34; vgl. aber auch Rdn. 37a), wenn er begründet, weshalb die
Verfallsanordnung nicht auf den Täter beschränkt sein
darf: "Damit aber wäre eine Gewinnabschöpfung gerade
dort erschwert, wenn nicht praktisch ausgeschlossen, wo das
größte Bedürfnis dafür besteht,
nämlich im Bereich der Wirtschafts- und
Verbandskriminalität ...".
Soweit der Täter oder Teilnehmer für den Dritten
handelt, soll er das für den Dritten nicht risikolos tun
können. Die den Dritten treffende Folge, daß auch
seine Aufwendungen nutzlos waren, kann und soll bewirken, daß
der Dritte - namentlich ein hierarchisch organisiertes Unternehmen -
Kontrollmechanismen zur Verhinderung solcher Straftaten errichtet und
auf deren Einhaltung achtet. Darin liegt der Präventionszweck
des Verfalls gegen den Drittbegünstigten. Würde bei
ihm lediglich der aus der Straftat gezogene Gewinn
abgeschöpft, so würde sich die bewußt aus
finanziellen Interessen begangene Tat im Ergebnis als wirtschaftlich
risikolos auswirken. Ein derart risikolos zu erzielender Gewinn
müßte geradezu als Tatanreiz für die
Straftat wirken; das würde dem mit dem Bruttoprinzip
verfolgten Präventionszweck zuwiderlaufen.
Hinzu kommt gerade mit Blick auf die Natur der hier in Rede stehenden
rechtswidrigen Tat (Verbrechen nach dem
Außenwirtschaftsgesetz, Embargoverstoß), an die der
Verfall anknüpft, daß sich die Maßnahme
als Teil eines Systems erweist, welches die Wirksamkeit der
Handelsbeschränkungen sicherstellen und diese durchsetzen soll
(vgl. auch BVerfG - Kammer - NJW 1990, 1229).
cc) Der Senat verkennt nicht, daß mit dem Bruttoprinzip dem
Verfallsbetroffenen ein - mitunter erheblicher - wirtschaftlicher
Nachteil zugefügt werden kann. Dies findet seine
Rechtfertigung jedoch darin, daß nicht auf wohlerworbenes,
sondern auf Vermögen zugegriffen wird, das durch
vorausgegangene rechtswidrige Taten bemakelt ist. Um Repression oder
Vergeltung geht es dabei nicht. Weil der Verfall keine schuldbezogene
individuelle Vorwerfbarkeit voraussetzt, kann und soll er nicht dem
(individuellen) Schuldausgleich dienen.
b) Das Schuldprinzip ist daher auf den Verfall nicht anwendbar. Das
gilt auch, soweit dieser nach dem Bruttoprinzip über den
Vermögensvorteil hinaus angeordnet wird (BGH NStZ 1995, 491).
Das Schuldprinzip, das seine Grundlage in Art. 1 Abs. 1 GG hat, besagt,
daß jede Strafe in einem gerechten Verhältnis zur
Schwere der Straftat und zum Verschulden des Täters stehen
muß. Die verhängte Strafe darf die Schuld des
Täters nicht übersteigen. Insoweit deckt sich der
Schuldgrundsatz in seinen die Strafe begrenzenden Auswirkungen mit dem
Übermaßverbot (BVerfGE 45, 187, 228; 54, 100, 108;
86, 288, 313; BVerfG NJW 2002, 1779). Eine Strafandrohung darf nach Art
und Maß dem unter Strafe stehenden Verhalten nicht
schlechthin unangemessen sein; Tatbestand und Rechtsfolge
müssen sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (BVerfG NJW
1994, 1577 und - Kammer - NJW 1997, 1910).
Eine Strafe, für die das Schuldprinzip gilt, ist im Gegensatz
zu einer reinen Präventionsmaßnahme dadurch
gekennzeichnet, daß sie - wenn nicht
ausschließlich, so doch auch - auf Repression und Vergeltung
für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt. Mit der Strafe
wird dem Täter ein rechtswidriges sozialethisches
Fehlverhalten vorgeworfen; das setzt die Feststellung der individuellen
Vorwerfbarkeit voraus (BVerfGE 95, 96, 140 und - Kammer - NJW 1998,
2585). Das Schuldprinzip gilt nicht für Rechtsfolgen ohne
Strafzwecke (BVerfGE 91, 1, 27).
c) Der Verfall greift auch bei Anwendung des Bruttoprinzips nicht in
das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) ein. In Fällen der
vorliegenden Art dürften die in Rede stehenden
Vermögenspositionen schon nicht in den Schutzbereich des
Grundrechts fallen. Die Kaufpreisforderungen der Verfallsbeteiligten
stammen aus rechtswidrigen, sich als Verbrechen erweisenden
Embargogeschäften. An deren Stelle ist in Folge der
Erfüllung ein entsprechender Geldbetrag (Wertersatz) getreten.
Es handelt sich also nicht um wohlerworbene, sondern um von vornherein
bemakelte Positionen. Unter diesen Umständen ergibt sich
jedenfalls aus der Befugnis des Gesetzgebers zur Bestimmung von Inhalt
und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) im Blick auf
Zweck und Bedeutung der Regelung auch insoweit eine
verfassungsrechtlich hinreichend tragfähige Grundlage (vgl.
auch BT-Drucks. 11/6623, S. 5 unter Bezugnahme auf BVerfGE 22, 387,
422).
d) Soweit der Verfall den Betroffenen
übermäßig belasten würde
(Übermaßverbot oder
Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) sieht
die Härteklausel des § 73c StGB eine hinreichend
bestimmte Begrenzung vor. Nach dessen Absatz 1 Satz 1 darf der Verfall
nicht angeordnet werden, soweit er für den Betroffenen eine
unbillige Härte wäre (vgl. BGH NStZ 1995, 495;
NStZ-RR 2000, 365; wistra 2001, 389; BGHR StGB § 73c
Härte 6; BGH, Urt. v. 5. Dezember 2001 - 2 StR 410/01). Zudem
kann die Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 insbesondere dann unterbleiben,
wenn der Betroffene entreichert ist. Sind beim Verfall gegen den
Drittbegünstigten der Dritte bzw. die Organe einer
juristischen Person gutgläubig, so wird in der Regel zu
prüfen sein, ob eine unbillige Härte nach §
73c StGB vorliegt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl.
§ 73 Rdn. 22; Eser in Schönke/Schröder, StGB
26. Aufl. § 73 Rdn. 37a). Entsprechendes gilt, wenn der Anteil
des Vermögensvorteils marginal ist.
4. Der Verfall des Wertersatzes in Höhe von 7.916.855,06 DM
und die Verneinung einer unbilligen Härte erweisen sich danach
als rechtsfehlerfrei.
a) Die S. GmbH war Drittbegünstigte im Sinne des § 73
Abs. 3 StGB. Hier liegt ein sog. Vertretungsfall im weiteren Sinne vor
(BGHSt 45, 235, 245) vor, denn die Angeklagten handelten als
Angestellte der S. GmbH zugunsten des Unternehmens, noch dazu mit
ausdrücklicher Billigung der
Geschäftsführer. Für die rechtswidrigen
Taten der Angeklagten hatte die S. GmbH die Kaufpreisforderungen als
Tatentgelte (§ 11 Nr. 9 StGB) unmittelbar "erlangt". Nachdem
diese - unbeschadet der Frage ihrer Wirksamkeit - geltend gemacht und
erfüllt wurden, war der Verfall des Wertersatzes nach
§ 73a Satz 1 StGB in Form eines Geldbetrags, der dem Wert der
Forderungen entspricht, anzuordnen.
b) Die Geschäftsführer der S. GmbH hatten die
Umgehungsgeschäfte gebilligt und gezielt finanzielle Mittel
und Ressourcen des Unternehmens für die Produktion des
für Serbien bestimmten Zigarettenpapiers eingesetzt, also
bewußt Kapital in strafbare Handlungen investiert. Bei dieser
Fallgestaltung erfordert der Präventionszweck des
Bruttoprinzips die Abschöpfung der gesamten bemakelten
Kaufpreisforderung.
c) Das Übermaßverbot ist nicht verletzt. Die
Verfallsbeteiligte ist durch die Verfallsanordnung keinesfalls in ihrer
Existenz gefährdet; die Geschäftsführung
hatte die Begehung der Embargoverstöße und damit der
rechtswidrigen Taten (Verbrechen) gebilligt. Schon deswegen liegt keine
unbillige Härte im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB
vor. Auch eine Entreicherung (§ 73 Abs. 1 Satz 2) StGB ist
nach den Feststellungen ausgeschlossen.
5. Die S. GmbH & Co. KG ist die richtige Verfallsadressatin.
a) An der Stellung der Kommanditgesellschaft als Verfallsadressatin hat
auch der Verkauf und die Umwandlung des Unternehmens nichts
geändert. Im November 1997, zwei Jahre nach Tatende, kaufte
die amerikanische Firma G. die S. GmbH. 1998 wurde die S. GmbH in die
S. GmbH & Co. KG umgewandelt; als neue Komplementärin
beteiligte sich die Firma Ra. 209
Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH.
b) Die Umwandlung erfolgte durch Formwechsel gemäß
§ 1 Nr. 4 UmwG, für welche die §§
190 ff. UmwG gelten. Wesentliches Merkmal des Formwechsels ist die
wirtschaftliche Kontinuität des Rechtsträgers (vgl.
Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG 3. Aufl. § 190 Rdn. 5).
Da dieser identisch bleibt (Identitätsgrundsatz), findet auch
kein Vermögensübergang statt (Kallmeyer, UmwG 2.
Aufl. § 190 Rdn. 6). Der bisherige Rechtsträger
besteht nach Durchführung des Formwechsels in seiner neuen
Rechtsform weiter (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Das
führt dazu, daß Rechte und Pflichten, die
während der Zeit der ursprünglichen Rechtsform
entstanden sind, weiterbestehen, nunmehr allerdings in der Person des
Rechtsträgers in seiner neuen Form. Der Verfall war daher
gegenüber der Kommanditgesellschaft anzuordnen, denn diese hat
- Identitätsgrundsatz - die Tatentgelte für die
Embargoverstöße in ihrer früheren
Rechtsform erlangt. Daran ändert auch der
Gesellschafterwechsel infolge des Unternehmensverkaufs nichts, denn die
Verfallsbeteiligte ist als juristische Person selbständige
Trägerin von Rechten und Pflichten.
III.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
Auch hinsichtlich der nach Aufhebung des Embargos vereinnahmten
Verkaufserlöse in Höhe von 818.280,50 DM war der
Verfall des Wertersatzes anzuordnen. Die Forderungen sind ersichtlich
aus Geschäften während der Embargozeit "erlangt"
worden. Sie hatten - auch wenn sie nichtig (§§ 134,
138 BGB) waren - schon zu diesem Zeitpunkt einen wirtschaftlichen Wert,
weil die konkrete Aussicht auf Bezahlung bestand. Im übrigen
handelt es sich bei den hier in Rede stehenden Strafbestimmungen um
Zeitgesetze (vgl. BGH StV 1999, 26; NJW 2002, 1357), so daß
nach § 2 Abs. 5 StGB auch § 2 Abs. 4 Satz 1 StGB zur
Anwendung käme.
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden und den Verfall eines
höheren Geldbetrages anordnen, da die Verfallsanordnung auch
in dieser Höhe zwingend ist und keine weiteren Feststellungen
veranlaßt sind (§ 354 Abs. 1 StGB). Damit
beträgt der verfallene Geldbetrag insgesamt 4.466.203,89 Euro
(8.735.135,56 DM).
Schäfer Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit
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