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BGH, Urteil vom 21. August 2002 - 2 StR 111/02


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 21.8.2002 - 2 StR 111/02
2 StR 111/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
21. August 2002
in der Strafsache gegen
1.
2.
3.
4.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 21. August 2002, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Otten, die Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß, Prof. Dr. Fischer, die Richterin am Bundesgerichtshof Elf, Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatanwaltschaft und des Angeklagten S. gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 6. November 2001 werden als unbegründet verworfen; jedoch wird auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft der Urteilstenor dahin geändert, daß die Angeklagten des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen schuldig sind.
Die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft und die durch diese Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Der Angeklagte S. trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung für schuldig befunden und den Angeklagten Z. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten K. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren, den Angeklagten S. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und den Angeklagten Sa. unter Einbeziehung eines anderen Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Dagegen wenden sich die Revision des Angeklagten S. mit Verfahrensrügen und der Sachrüge und die zum Nachteil der Angeklagten eingelegten - vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen - auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen insbesondere die Strafzumessung beanstandet wird.
Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Nach einem gemeinsamen, im wesentlichen von dem Angeklagten Z. entwickelten Tatplan drangen die Angeklagten, versehen mit zwei ungeladenen Gaspistolen, einem Messer, einer Rohrzange, Kordeln und einem Kabel, am 30. März 2001 nach Geschäftsschluß in einen Großmarkt ein, um das in den Tresoren des Unternehmens verwahrte Geld zu erbeuten. Ein noch im Unternehmen befindlicher Mitarbeiter, der Zeuge H., wurde von dem Angeklagten Z. mit der Pistole geschlagen und zu Boden gestoßen, eine Mitarbeiterin, die Zeugin M.-Z., zunächst gegen einen Schreibtisch gestoßen und sodann mit Todesdrohungen genötigt, die Tresore zu öffnen. Aus den Tresoren entnahmen die Angeklagten Z. und Sa. sodann Hart- und Scheingeld im Wert von 140.000, DM. Der Angeklagte S. hatte währenddessen einen weiteren noch im Verkaufsraum befindlichen Mitarbeiter, den Zeugen Sch., mit der Pistole niedergeschlagen und ihn gemeinsam mit dem Mitangeklagten K. gefesselt. Als die Beute bereits verpackt und die Angeklagten im Begriff waren, das Gebäude zu verlassen, wurde die Nebenklägerin entweder von dem Angeklagten Z. oder K. in das Gesicht getreten oder mit einem festen Gegenstand geschlagen und der gefesselte Zeuge Sch. entweder von dem Angeklagten S. oder Sa. dreimal in die Seite getreten. Da die Kammer insoweit weder einen Täter ermitteln noch einen gemeinsamen Tatplan dahin feststellen konnte, daß die Angeklagten auch Gewaltakte dieser Art - ohne Bezug auf die erstrebte Tatvollendung - billigend in Kauf genommen hatten, sind diese Verletzungshandlungen keinem der Angeklagten zugerechnet worden.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft führen zu der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Schuldspruchänderung, im übrigen haben sie ebenso wie die Revision des Angeklagten S. keinen Erfolg.
I. Die Revision des Angeklagten S.
1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
Die Revision beanstandet eine Verletzung der §§ 249, 256, 261 StPO, weil entgegen den Ausführungen in den Urteilsgründen ein Arztbericht vom 18. Juli 2001 über Verletzungen der Zeugin M.-Z. nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen sei und für die Verlesung zweier weiterer ärztlicher Atteste weder die Voraussetzungen des § 251 StPO noch des § 256 StPO gegeben seien.
Ein Verstoß gegen § 261 StPO ist nicht bewiesen:
Nach den Urteilsausführungen ist davon auszugehen, daß der Arztbericht vom 18. Juli 2001 jedenfalls im Wege des - nicht protokollierungspflichtigen - Vorhalts und der Bestätigung seines Inhalts durch die Zeugin in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Da die Kammer die Zuordnung der (attestierten) Verletzungshandlungen auf die Bekundungen der Zeugin stützt, ist eine Erörterung der Verletzungen mit der Zeugin anhand des Attestes naheliegend. Im übrigen betrifft der von der Revision vorgelegte Arztbericht lediglich Kopfverletzungen, die ersichtlich durch die spätere keinem der Angeklagten zugerechneten Exzesshandlung verursacht wurde und auf deren Einzelheiten es nicht ankam.
Soweit die Revision die unzulässige Verlesung der ärztlichen Atteste bezüglich der Verletzungen der Zeuge H. und Sch. rügt, kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine Verlesung nach § 256 StPO vorgelegen haben. Allerdings ist eine Verlesung eines ärztlichen Attestes nach dieser Vorschrift auch für den Fall tateinheitlichen Zusammentreffens einer (nicht schweren) Körperverletzung mit einem anderen Delikt zulässig, wenn sie ausschließlich zu ihrem Nachweis oder des sie betreffenden Schuldumfangs dient (BGHSt 33, 389f, BGHR StPO § 256 Abs. 1 Körperverletzung 1). Jedenfalls ist aber auszuschließen, daß das Urteil auf einer möglicherweise verfahrensfehlerhaften Verlesung der ärztlichen Atteste beruhen kann. Das Landgericht hat die Feststellung, daß die Angeklagten Z. und S. die Zeugen H. und Sch. mit den Pistolen geschlagen und die von den Zeugen dadurch erlittenen Verletzungen auf die glaubhaften Bekundungen dieser Zeugen gestützt, die dieses Verhalten der Angeklagten detailliert geschildert haben. Die geständigen Angeklagten haben dies nicht bestritten oder - so der Angeklagte S. - sogar ausdrücklich eingeräumt. Im Rahmen der Zeugenvernehmungen wurden die ärztlichen Atteste laut Sitzungsprotokoll erörtert und die dort attestierten Verletzungen - davon ist auszugehen - im Wege des Vorhalts eingeführt. Die Wendung in den Urteilsgründen, daß durch die ärztlichen Atteste die geschilderten Verletzungen bestätigt wurden, besagt unter diesen Umständen nicht mehr, als daß sie ergänzend - zur Bestätigung der bereits auf Grund anderer Beweismittel gewonnenen sicheren Überzeugung - herangezogen wurden.
2. Eine Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Eine Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB hat die Kammer zu Recht verneint. Sie käme im übrigen hier auch schon deshalb nicht in Betracht, weil der Angeklagte den Tatentschluß im voll schuldfähigen Zustand gefaßt und sich lediglich für die Ausführung der Tat "Mut angetrunken" hat. Auch die Voraussetzungen für eine Strafrahmenverschiebung nach § 46a StGB lagen nicht vor. Die Vorschrift des § 46a Nr. 1 StGB setzt nach ständiger Rechtsprechung und nach der gesetzgeberischen Intention einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muß (vgl. BGH, Urt. vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02; vom 31. Mai 2002; BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 1). Dafür ist eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung Voraussetzung, die hier weder nach den Urteilsgründen noch nach dem Revisionsvortrag vorgelegen hat.
II. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft
Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt zum Schuldspruch einen Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten auf: Das Landgericht hat die allen Angeklagten zugerechneten Körperverletzungshandlungen der Angeklagten Z. und S. , soweit sie die Zeugen H. und Sch. betreffen, als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Ziff. 2 StGB, soweit sie die Zeugin M.-Z. betreffen, als Körperverletzung nach § 223 StGB gewertet. Da die Angeklagten auf Grund eines gemeinsamen Tatplans, der auch den Einsatz einfacher körperlicher Gewalt und der mitgeführten Waffen als Schlagwerkzeuge umfaßte, gehandelt haben, sind ihnen diese Körperverletzungshandlungen nicht nur als Mittäter zuzurechnen, sie haben auch in allen drei Fällen eine gefährliche Körperverletzung in der Form der gemeinschaftlichen Tatbegehung (§ 224 Abs. 1 Ziff. 4 StGB) begangen. Dem steht nicht entgegen, daß nicht alle Angeklagten sich eigenhändig an der Mißhandlung der Opfer beteiligt haben. Es reicht aus, daß bei der Verwirklichung des Körperverletzungstatbestands mindestens zwei Täter dem Opfer gegenüberstehen (BGH GA 1986, 229). Davon ist nach den Feststellungen auszugehen.
Der Schuldspruch war entsprechend dem Urteilstenor zu ändern. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil auf die Tatbestandsalternative des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB bereits in der Anklage hingewiesen worden ist.
Es kann jedoch ausgeschlossen werden, daß der Strafausspruch auf diesem Rechtsfehler beruht. Das Landgericht hat den Ausnahmestrafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB angewandt. In diesem Zusammenhang hat es auch die Verwirklichung des qualifizierten Körperverletzungstatbestands - ohne Differenzierung etwa hinsichtlich der nur als einfache Körperverletzung gewerteten Handlung gegenüber der Zeugin M.-Z. - gewürdigt und die besondere Gefährlichkeit mehrerer Angreifer strafschärfend berücksichtigt. Im übrigen ist die Strafrahmenwahl und die konkrete Strafzumessung nicht zu beanstanden. Entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falls ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Dem Tatrichter obliegt es, im Rahmen einer Gesamtwürdigung alle maßgeblichen Umstände, die - sei es, daß sie dem Tatgeschehen vorausgehen, ihm innewohnen, es begleiten oder ihm nachfolgen - in objektiver und subjektiver Hinsicht die Tat und die Person des Täters kennzeichnen, nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen. Das Ergebnis seiner Würdigung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar. Es kann nur dann eingreifen, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Betracht läßt oder sich die Strafe so weit nach oben oder nach unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; BGHSt 29, 319, 320; BGHR StGB § 250 Abs. 3 Strafrahmenwahl 1).
Ein derartiger Rechtsfehler liegt hier nicht vor. Das Landgericht hat nicht übersehen, daß die Tat detailliert geplant und mit hoher Kriminalität - mehrere Versuche, Maskierung und Bewaffnung - ausgeführt worden ist und bei den Geschädigten zu erheblichen psychischen Folgen geführt hat. Zugunsten der Angeklagten hat die Kammer dem nach ihrem Eindruck aufrichtigen Bedauern der Tat durch die Angeklagten entscheidendes Gewicht beigemessen, die sich in der Hauptverhandlung bei den geschädigten Zeugen entschuldigt haben. Strafmildernd hat es daneben gewertet, daß die Angeklagten noch sehr jung, in gewissem Grade alkoholisch enthemmt (vgl. auch BGH NStZ 1995, 282) und zum Teil zwar strafrechtlich schon in Erscheinung getreten, aber Erstverbüßer sind. Auch das Geständnis der Angeklagten konnte als Milderungsgrund herangezogen werden. Dem steht nicht entgegen, daß die Strafkammer nicht klären konnte, wem die Exzeßhandlungen zum Nachteil der Zeugin M.-Z. und des Zeugen Sch. zuzurechnen waren. Daß diese Mißhandlungen den Zeugen den Angeklagten als jedenfalls fahrlässig verschuldete Tatfolgen anzulasten seien - wie die Revision meint - hätte die Vorhersehbarkeit dieser Verletzungshandlungen vorausgesetzt. Daß sich die Kammer davon bei der ersten gemeinsamen Straftat der Angeklagten offenbar nicht zu überzeugen vermochte, ist hinzunehmen. Auszuschließen ist auch, daß die Kammer die Höhe der Tatbeute übersehen hat. Unbedenklich ist in diesem Zusammenhang schließlich auch, daß die geringere Gefährlichkeit der verwandten Waffen in ihrer konkreten Anwendung strafmildernd herangezogen ist, wenn auch diese Tatsache für sich gesehen - wie sich schon aus der gegenüber § 250 Abs. 3 StGB höheren Strafdrohung des § 250 Abs. 1 StGB ergibt - nicht geeignet wäre, einen minder schweren Fall zu begründen.
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