BGH,
Urt. v. 21.12.2006 - 3 StR 427/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 427/06
vom
21.12.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
21.12.2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Winkler,
von Lienen,
Becker
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Kleve vom 10. Juli 2006 mit den Feststellungen aufgehoben,
soweit die Angeklagte F. vom Vorwurf der Beteiligung an der Tat vom
21.12.2005 freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte F. von dem Vorwurf freigesprochen,
sich in zwei Fällen (einmal in der Zeit zwischen dem 1.
Oktober und 21.12.2005 und ein weiteres Mal am 21.12.2005) der Einfuhr
von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit
mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge schuldig gemacht zu haben. Gegen den Freispruch vom
zweiten Tatvorwurf (Einkaufsfahrt am 21.12.2005) richtet sich die
Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Sie hat
Erfolg.
1
I. Nach den getroffenen Feststellungen handelte der Mitangeklagte P. ,
der Freund der Angeklagten F. , spätestens ab 2003 mit
Cannabis und Marihuana, wobei er jeweils nach Holland fuhr, dort die
Drogen einkaufte, zum Transport über die Grenze Kuriere
einsetzte und sodann die Betäubungs-
2
- 4 -
mittel im Raum Frankfurt verkaufte. Bei der letzten Einkaufsfahrt
(21.12.2005) begleitete ihn seine Freundin, mit der er seit etwa vier
Monaten eine Beziehung hatte und die jedenfalls von seinem Drogenkonsum
wusste. P. verließ sie nach der Ankunft in Arnheim
für ein bis zwei Stunden und kehrte mit 3 kg Marihuana und 2
kg Haschisch, die jeweils in Weihnachtspapier verpackt worden waren,
zurück. Die Frage der Angeklagten F. , was sich in den Paketen
befinde, beantwortete er nicht. Nachdem P. ein SMS erhalten hatte,
fuhren beide mit den Paketen zu einem Parkplatz und trafen dort die als
Kurier eingesetzte Mitangeklagte G. . Nach einer kurzen Unterhaltung
zwischen P. und G. begaben sich alle Beteiligte zu einem weiteren
Parkplatz, wo sie die Pakete in den PKW der G. umluden. Hierbei half
die Angeklagte F. , indem sie wenigstens ein, möglicherweise
auch beide Pakete aus dem PKW des P. entnahm und der Mitangeklagten G.
übergab.
Die Strafkammer hat die Angeklagte F. freigesprochen, weil ihre
Einlassung, sie habe die Pakete für harmlose
Weihnachtspäckchen gehalten, nicht widerlegt werden
könne. Zwar hätten ihr die äußeren
Umstände Veranlassung geben können, an einen
Drogenschmuggel zu denken; dies sei sogar nahe liegend, aber nicht
zwingend gewesen. Im Übrigen sei die Angeklagte F. aber auch
deswegen freizusprechen, weil es ihr an dem erforderlichen
Beihilfevorsatz gefehlt habe.
3
II. Beide Begründungen, auf die der Freispruch
gestützt worden ist, halten einer rechtlichen
Nachprüfung nicht stand.
4
1. Die Beweiswürdigung lässt besorgen, dass die
Strafkammer von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab
ausgegangen ist. Die Feststellung von
5
- 5 -
Tatsachen verlangt keine absolute, von niemandem anzweifelbare
Gewissheit. Es genügt vielmehr, dass ein nach der
Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit besteht,
demgegenüber vernünftiger Zweifel nicht laut werden
kann. Ein auf die Sachrüge zu beanstandender Rechtsfehler
liegt daher unter anderem dann vor, wenn das Tatgericht zu hohe
Anforderungen an die Überzeugungsbildung von der Schuld eines
Angeklagten stellt (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261
Beweiswürdigung 5, Überzeugungsbildung 22, 25).
So liegt es hier. Die festgestellten Begleitumstände waren in
hohem Ma-ße für eine Drogenschmuggelfahrt typisch.
Sie hatten sogar den Mitangeklagten P. zu der Einlassung veranlasst, er
habe seiner Freundin von den Drogen zwar nicht ausdrücklich
berichtet, diese sei aber wohl von einem entsprechenden Inhalt der
Pakete ausgegangen. Wenn das Landgericht bei einer solchen Sachlage
gleichwohl davon ausgeht, die Angeklagte F. habe
möglicherweise nicht einmal einen bedingten Vorsatz dahin
gehabt, es könnten Rauschmittel in den fraglichen
Päckchen sein, ohne hierfür sprechende Indizien
anführen zu können, überspannt es die
Anforderungen an die Überzeugungsbildung.
6
Bedenklich ist auch die Erwägung, die Einlassung der
Angeklagten werde nicht "zwingend" widerlegt. Falls damit gemeint sein
sollte, die Einlassung eines Angeklagten könne nur durch eine
"zwingende Beweisführung" ausgeräumt werden,
wäre dies rechtsfehlerhaft. Der Tatrichter hat sich auch bei
entlastenden Angaben eines Angeklagten eine Überzeugung von
deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit aufgrund des gesamten Ergebnisses
der Beweisaufnahme zu bilden (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGHR StPO
§ 261 Einlassung 6 und Überzeugungsbildung 29; BGH
NStZ 2002, 48). Wenn es - wie hier - für das Gegenteil der
Einlassung eine Fülle gewichtiger Beweisanzeichen gibt, ist er
nicht gehin-
7
- 6 -
dert, sich davon zu überzeugen, selbst wenn die Widerlegung
der entlastenden Angaben nicht zwingend ist und auch ein anderer
Schluss möglich wäre.
2. Aber auch die weitere Begründung, es hätte
jedenfalls an einem Beihilfevorsatz gefehlt, beruht auf unzutreffenden
rechtlichen Erwägungen.
8
Das Landgericht hat dazu ausgeführt, dass die Angeklagte F. -
sollte sie überhaupt gewusst haben, dass die Pakete
Betäubungsmittel enthielten - nach den Umständen
möglicherweise davon ausgegangen sei, P. hätte die
Einkaufsfahrt und die Übergabe der Drogen an die Kurierin auch
allein durchgeführt, was der Annahme eines Vorsatzes
entgegengestanden hätte. Es sei auch nicht festzustellen, dass
P. durch die Anwesenheit der Angeklagten F. bestärkt worden
sei. Diesen Ausführungen liegt ersichtlich eine unzutreffende
Vorstellung von den objektiven Voraussetzungen der Beihilfe zugrunde.
9
Die Annahme, P. hätte die Tat auch ohne den Beitrag der
Angeklagten F. begangen, beruht auf der unzutreffenden Auffassung, eine
Beihilfehandlung müsse in dem Sinne kausal sein, dass sie
für das Gelingen der Haupttat unverzichtbar ist. Nach
ständiger Rechtsprechung ist als Hilfeleistung im Sinne des
§ 27 StGB jedoch jede Handlung anzusehen, welche die
Herbeiführung des Taterfolgs objektiv fördert (vgl.
BGHSt 46, 107, 109 m. w. N.). Eine solche Hilfeleistung hätte
die Angeklagte - objektiv wie subjektiv - dadurch erbracht, dass sie
zumindest eines der Rauschgiftpakete dem PKW des P. entnahm und der
Kurierin übergab. Darauf, dass P. als Haupttäter das
Umladen der Pakete unschwer auch alleine und damit ohne Mitwirkung der
Angeklagten F. hätte vornehmen können, kommt es somit
aus Rechtsgründen für die Annahme einer
Beihilfehandlung nicht an. Dieser
10
- 7 -
Umstand ist allein für die Gewichtung des Schuldumfangs und
damit die Strafzumessung von Bedeutung.
Tolksdorf Miebach Winkler von Lienen Becker |