BGH,
Urt. v. 21.12.2006 - 3 StR 451/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 451/06
vom
21.12.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Geiselnahme u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
21.12.2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Winkler,
von Lienen,
Becker
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Nebenklägerin B. wird das Urteil des
Landgerichts Kiel vom 12. Juli 2006 im Schuldspruch dahingehend
geändert, dass der Angeklagte im Fall II. 2. der
Urteilsgründe der Geiselnahme in Tateinheit mit schwerer
Vergewaltigung schuldig ist.
Die Kosten des Rechtsmittels sowie die der Nebenklägerin
hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat der Angeklagte zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zum Nachteil
der Nebenklägerin (Fall II. 2. der Urteilsgründe) und
wegen sexueller Nötigung unter Einbeziehung einer weiteren
Freiheitsstrafe zu einer Gesamtstrafe von vier Jahren verurteilt und
seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Die Revision der Nebenklägerin erstrebt mit der
Sachrüge in dem sie betreffenden Fall eine Verurteilung des
Angeklagten auch wegen Geiselnahme. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
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Nach den getroffenen Feststellungen hielt der Angeklagte der
Nebenklägerin einen Kugelschreiber an den Hals,
täuschte so ein Messer vor und nötigte sie hierdurch
zu einem mehrminütigen Fußweg, der sie aus dem
bebauten Bereich einer Kleinstadt an einer Polizeistation vorbei in
freies Gelände zu einer abgelegenen Koppel führte.
Entsprechend seiner vorgefassten Absicht verübte der
Angeklagte dort die Vergewaltigung, die das Landgericht zutreffend
gemäß § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB abgeurteilt
hat.
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Das Vorliegen einer tateinheitlich begangenen Geiselnahme hat das
Landgericht mit der Erwägung verneint, zwar habe der
Angeklagte sich der Nebenklägerin bemächtigt und
zudem eine Ortsveränderung verursacht, es habe jedoch an einer
stabilen Bemächtigungslage gefehlt, der eigenständige
Bedeutung zukomme. Die Strafkammer ist der Meinung, dem Angeklagten sei
es nicht darum gegangen, sich die Lage seines Opfers für die
Vergewaltigung zu Nutze zu machen.
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Diese Ausführungen halten rechtlicher
Überprüfung nicht stand. Der Angeklagte hat die
Nebenklägerin entführt, denn er hat sie - unter
Einsatz eines Nötigungsmittels - an einen Ort verbracht, an
dem sie seinem ungehemmten Einfluss ausgesetzt war (vgl. BGHSt 40, 350,
359; BGHR StGB § 239 b Entführen 3). Dementsprechend
braucht nicht entschieden zu werden, ob der Angeklagte sich des
Tatopfers, läge keine Entführung vor, auch im
tatbestandsmäßigen Sinne bemächtigt und die
dafür erforderliche stabile Bemächtigungslage
geschaffen hat.
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Da die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen für eine
Verurteilung wegen Geiselnahme nach § 239 b Abs. 1 Alt. 1 StGB
ausreichen, hat der Senat den Schuldspruch entsprechend
geändert. Dem steht § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen.
Es ist ausgeschlossen, dass sich der geständige Angeklagte
gegen die Änderung der rechtlichen Bewertung seiner Tat
effektiver hätte verteidigen können, zumal die den
Tatbestand der Geiselnahme ausfüllenden tatsächlichen
Feststellungen - mit Ausnahme der Verwendung des Kugelschreibers -
bereits Gegenstand des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen in der
unverändert zugelassenen Anklage waren.
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Bei der Fassung des Schuldspruchs war zudem das Vorliegen der
Qualifikation nach § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB durch die
Bezeichnung der Tat als "schwere Vergewaltigung" zum Ausdruck zu
bringen (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 177
Rdn. 78 m. w. N.).
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Der Rechtsfolgenausspruch kann in vollem Umfang bestehen bleiben. Die
für die Tat verhängte Einzelfreiheitsstrafe von drei
Jahren ist im Sinne des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO angemessen.
Diese Vorschrift findet auch Anwendung, wenn das von der
Staatsanwaltschaft - oder wie hier der Nebenklage - zu Ungunsten des
Angeklagten angefochtene Urteil einen diesen begünstigenden
Rechtsfehler aufweist (vgl. BGH NJW 2006, 1822, 1824, zur
Veröffentlichung vorgesehen in BGHSt 51, 18). Nach den
gesamten Umständen, insbesondere wegen des
Geständnisses des Angeklagten, seiner verminderten
Schuldfähigkeit, der Kürze der Entführung
und der objektiven Ungefährlichkeit des als Drohmittel
verwendeten Kugelschreibers, stellt sich die Tat trotz des erheblichen
Gewichts der erzwungenen Handlung und der vorhandenen Vorstrafen
bezogen auf das Delikt der Geiselnahme - anders als für die
Vergewaltigung, deren Bewertung als minder schwerer Fall (§
177 Abs. 5 StGB) unter den gegebenen Umständen offensichtlich
ausgeschlossen ist - als ein minder schwerer Fall (§ 239 b
Abs. 2 i. V. m. § 239 a Abs. 2 StGB) dar. Innerhalb des
dafür
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anzuwendenden Strafrahmens von einem bis zu fünfzehn Jahren
Freiheitsstrafe ist es gerechtfertigt, auf das auch von der Strafkammer
gefundene Maß von drei Jahren Freiheitsstrafe zu erkennen,
zumal die Verurteilung zu der Maßregel nach § 63
StGB im Vordergrund steht.
Tolksdorf Miebach Winkler von Lienen Becker |