BGH,
Urt. v. 21.2.2001 - 2 StR 524/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 524/00
vom
21. Februar 2001
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21.
Februar 2001, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode als Vorsitzender, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Otten,
Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß, Prof. Dr. Fischer,
Richterin am Bundesgerichtshof Elf als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten d. L. wird das Urteil des
Landgerichts Koblenz vom 28. Juni 2000 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen Geldfälschung und
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt wurde
(Fälle III, 5 und 6);
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
II. 1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das genannte Urteil
werden verworfen.
2. Die Kosten dieser Rechtsmittel und die den Angeklagten insoweit
entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten d. L. wegen Handeltreibens mit und
wegen Besitzes von Betäubungsmitteln sowie wegen
Geldfälschung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und
sechs Monaten, den Angeklagten A. wegen "Verstoßes gegen
§ 53 Abs. 1 Nr. 1 b Waffengesetz" (Waffenhandel) und
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf
Fällen, davon in einem Fall in nicht geringer Menge, zu der
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Im
übrigen hat es beide Angeklagten aus tatsächlichen
Gründen freigesprochen.
Der Angeklagte d. L. rügt mit seiner Revision die Verletzung
materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer
Revision gegen den Teilfreispruch der beiden Angeklagten und
rügt ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel des Angeklagten d. L. hat in dem aus der Urteilsformel
ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist es offensichtlich
unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Rechtsmittel der
Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nur vertreten werden,
soweit sie sich gegen den Freispruch des Angeklagten A. in den
Fällen VI, 1-4 richten, sind insgesamt unbegründet.
I. Revision des Angeklagten d. L.
1. Der Schuldspruch wegen Geldfälschung (§ 146 Abs. 1
Nr. 3 StGB - Fall III, 6) hat keinen Bestand.
Das Landgericht hat hierzu im wesentlichen festgestellt: Der Angeklagte
übergab dem Zeugen K. bei einem
Betäubungsmittelverkauf als Wechselgeld u.a. einen
gefälschten 100-DM-Schein. Später rief der Angeklagte
den Zeugen an, um den falschen Geldschein zurückzufordern. Der
Angeklagte kam jedoch nicht zu dem vereinbarten Tauschtermin. Der Zeuge
gab das Falschgeld weiter. Es wurde zur Bezahlung bei einem
Bordellbesuch verwandt.
Damit hat das Landgericht lediglich den äußeren
Tathergang festgestellt, daß der Angeklagte Falschgeld als
echt in Verkehr gebracht hat (§ 147 StGB). Der Tatbestand des
§ 146 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfordert aber über das
Inverkehrbringen hinaus, daß der Täter hinsichtlich
des Falschgelds zuvor eine Handlung nach Nr. 1 oder 2 dieser Vorschrift
begangen hat, das heißt, der Täter muß
sich das Falschgeld in der Absicht verschafft haben, daß es
als echt in Verkehr gebracht oder ein solches Inverkehrbringen
ermöglicht werde, oder daß der Täter es in
dieser Absicht nachgemacht oder verfälscht hat. Das
Landgericht hätte daher prüfen müssen, ob
sich der Angeklagte das Falschgeld in dieser Absicht verschafft, es
nachgemacht oder verfälscht hat. Feststellungen hierzu fehlen
jedoch.
Das angefochtene Urteil äußert sich auch nicht dazu,
ob der Angeklagte vorsätzlich gehandelt hat. Dies versteht
sich hier nicht von selbst. Denn der Angeklagte offenbarte dem Zeugen
K. von sich aus, daß der Geldschein falsch war und
erklärte sich zunächst auch bereit, ihn
zurückzunehmen.
2. Der Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
kann ebenfalls nicht bestehen bleiben, weil das in Betracht kommende
Geldfälschungsdelikt (§§ 146, 147 StGB) hier
mit dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit
steht. Zum Handeltreiben gehört auch die Abwicklung der
Kaufpreiszahlung einschließlich der etwa erforderlichen
Rückgabe von Wechselgeld. Das Handeltreiben trifft daher mit
der Weitergabe des Falschgelds teilweise in derselben Handlung
zusammen. Werden durch dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt,
so ist - auch wenn nur die Anwendung eines der Strafgesetze
rechtsfehlerhaft ist - regelmäßig die Verurteilung
wegen der Tat im ganzen aufzuheben (vgl. BGH NStZ 1997, 276).
3. Mit der Aufhebung des Schuldspruchs wegen Geldfälschung und
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln entfallen die
zugehörigen Einzelfreiheitsstrafen. Dies hat die Aufhebung der
Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge.
II. Revisionen der Staatsanwaltschaft
Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg. Die
Teilfreisprüche der beiden Angeklagten halten der
sachlich-rechtlichen Prüfung stand.
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen
muß der Tatrichter nach dem Anklagevorwurf zunächst
die Tatsachen mitteilen, die er für erwiesen hält,
bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen
Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen -
zusätzlichen - Feststellungen nicht getroffen werden
können. Die Begründung muß so
abgefaßt sein, daß das Revisionsgericht
prüfen kann, ob dem Tatrichter bei der
Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind, insbesondere,
ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt
erschöpfend gewürdigt ist und der Freispruch auf
rechtlich einwandfreien Erwägungen beruht (vgl. BGHR StPO
§ 267 Abs. 5 Freispruch 2-5, 7, 8). Bei aller Pflicht zur
umfassenden Darstellung ist der Tatrichter aber nicht gehalten, alle
Umstände, die ihn an einer Überzeugung von der Schuld
des Angeklagten gehindert haben, in den Urteilsgründen
lückenlos anzuführen (vgl. BGHR StPO § 267
Abs. 5 Freispruch 11, 12).
Den danach zu stellenden Anforderungen werden die - teilweise
allerdings knapp gefaßten - Urteilsgründe gerecht.
Soweit in der Hauptverhandlung zum eigentlichen Tatgeschehen keine
Feststellungen getroffen werden konnten, blieb auch nichts, was zur
Überzeugung des Gerichts zum Tatvorwurf als erwiesen
hätte festgestellt und mitgeteilt werden können. Die
Beweiswürdigung selbst läßt keine
Lücken oder Widersprüche erkennen, sie
verstößt nicht gegen Denkgesetze oder allgemein
anerkannte Erfahrungssätze und ist auch sonst nicht unklar.
Dem steht insbesondere nicht entgegen, daß das Landgericht
nicht weitere Einzelheiten zum Inhalt der als Beweismittel verwerteten
abgehörten Telefongespräche mitgeteilt hat. Die aus
den Beweisumständen gezogenen Schlußfolgerungen sind
möglich und naheliegend, zwingend brauchen sie nicht zu sein.
Zu den einzelnen Tatvorwürfen ist ergänzend zu
bemerken:
1. Teilfreispruch des Angeklagten A. :
Dem Angeklagten A. legt die Staatsanwaltschaft fünf weitere
Taten zur Last, die das Landgericht nicht für erwiesen
hält (VI, 1-5). Diese Bewertung ist aus Rechtsgründen
nicht zu beanstanden.
(1) Der Angeklagte hat bestritten, bei P. eine Pistole zum
Weiterverkauf bestellt zu haben (VI, 1). Er hat sich dahin eingelassen,
er habe die Waffe lediglich einmal ansehen wollen. Diese Einlassung
hielt das Landgericht für nicht widerlegbar. Gegenteiliges
ergebe sich nicht aus dem als einziges Beweismittel zur
Verfügung stehenden Telefongespräch zwischen dem
Angeklagten und P. P. selbst hat als Zeuge die Auskunft verweigert
(§ 55 StPO). Der Inhalt des Telefonats war ersichtlich derart
wenig beweiserheblich, daß eine nähere
Begründung und inhaltliche Wiedergabe des
Telefongesprächs entbehrlich war. Belegt wird dies auch
dadurch, daß im Fall VI, 3 der als relevant in Betracht
kommende Gesprächsinhalt wörtlich wiedergegeben wird.
(2) Soweit dem Angeklagten zur Last liegt, er habe einen
"linksdrehenden" Revolver zum Weiterverkauf erworben (VI, 2), hat er
sich dahin eingelassen, er habe bei C. eine Vitrine mit einer
linksherum laufenden Uhr gekauft, die er noch in Besitz habe. Diese
Einlassung hält das Landgericht für nicht widerlegt.
Die Einlassung werde durch C. bestätigt, der ein
Geschenkartikelgeschäft betreibe und auch Scherzartikel
verkaufe. Etwas anderes ergebe sich nicht aus dem von der Anklage als
Beweismittel angeführten 29-minütigen
Telefongespräch des Angeklagten mit C. Auch hier erschien dem
Landgericht der Beweiswert des Gesprächs für den
Tatnachweis ersichtlich als so gering, daß es sich
erübrigte, seinen Inhalt näher darzulegen. Auch die
Beschwerdeführerin stellt dies letztlich nicht in Frage.
(3) Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten auch das Feilhalten
eines Revolvers Browning zur Last (VI, 3). Der Angeklagte hat
bestritten, je eine solche Waffe besessen zu haben. Das Gegenteil
hält das Landgericht nicht für erwiesen. Zwar habe
der Zeuge R. den Zeugen Sch. in einem abgehörten Telefonat
gefragt: "Ist das für dem seine Browning?", wobei sich das
"dem" möglicherweise auf den Angeklagten bezog. Beide Zeugen
hätten bei ihrer Vernehmung aber keine Angaben dazu machen
können, ob der Angeklagte eine solche Waffe besessen habe.
Wenn das Landgericht bei dieser Beweislage annimmt, der Inhalt des im
übrigen ersichtlich nicht beweiserheblichen Gesprächs
lasse nicht "zwingend" auf den Waffenbesitz des Angeklagten
schließen, läßt dies nicht besorgen, die
Strafkammer habe die Anforderungen an die richterliche
Überzeugungsbildung überspannt.
(4) Der Angeklagte soll ferner eine gebrauchte Schußwaffe
für 3.000 DM an den Zeugen R. verkauft haben (VI, 4). Der
Angeklagte hat die Tat bestritten und sich dahin eingelassen, er habe
R. keine Waffe zum Schutz eines befreundeten Mädchens besorgt.
Soweit in einem abgehörten Telefongespräch mit "Toni"
hiervon die Rede sei, handele es sich um "Geschwätz." R. hat
als Zeuge erklärt, er habe nie eine Waffe bei dem Angeklagten
bestellt oder erworben. Einen Tatnachweis hält das Landgericht
auch in diesem Fall nicht für geführt. Diese
Beweiswürdigung macht hinreichend deutlich, daß in
dem abgehörten Telefonat zwar über eine Waffe zum
Schutz einer Freundin gesprochen wurde, daß die Einlassungen
des Angeklagten, es habe sich um nicht ernst gemeintes
"Geschwätz" gehandelt, mit den verfügbaren
Beweismitteln aber nicht widerlegt werden konnte. Etwas anderes
mußte sich dem Landgericht nicht deshalb aufdrängen,
weil der Angeklagte noch in drei weiteren - ebenfalls nicht
nachweisbaren - Fällen wegen des unerlaubten Umgangs mit
Schußwaffen angeklagt ist.
(5) Das Landgericht hat nicht feststellen können,
daß der Angeklagte einer griechischen
Staatsangehörigen "Anna" eine gefälschte italienische
Identitätskarte verkauft hat (VI, 5). Die
Beweiswürdigung hierzu läßt einen
Rechtsfehler nicht erkennen. Der Angeklagte hat die Tat bestritten.
"Anna" war als Zeugin nicht verfügbar. Die vernommenen Zeugen
haben von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Das
Urteil läßt nicht erkennen, daß insoweit
Vernehmungsbeamte vernommen wurden. Eine zulässige
Aufklärungsrüge wurde nicht erhoben.
2. Teilfreispruch des Angeklagten d. L.
Auch hinsichtlich des Angeklagten d. L. genügt das Urteil den
Anforderungen, die an die Begründung eines Freispruchs aus
tatsächlichen Gründen zu stellen sind.
(6) Im Fall VI, 6 wird ausreichend begründet, weshalb die
Einlassung des Angeklagten nicht zu widerlegen war, seine
Vermittlungsbemühungen beim versuchten Erwerb von
Ecstasy-Tabletten durch eine italienische Tätergruppe seien
aus Angst vor erpresserischen Methoden seiner Landsleute nur
vorgetäuscht gewesen. Da das Geschäft nicht
durchgeführt wurde und die von dem Angeklagten weitergegebene
Telefonnummer des möglichen Lieferanten, wie er
wußte, unrichtig war, bedurfte es einer näheren
Erörterung der von der Beschwerdeführerin genannten
Umstände nicht (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 5
Freispruch 11).
(2) Der Tatvorwurf im Fall VI, 7 (Beschaffung und Verkauf
gefälschter Ausweispapiere) ist durch die Wiedergabe des
Hilfsbeweisantrags der Beschwerdeführerin hinreichend
mitgeteilt. Feststellungen hierzu konnten nicht getroffen werden. Die
Belastungszeugen haben in der Hauptverhandlung die Auskunft verweigert.
Andere Beweismittel sind aus den Urteilsgründen nicht zu
erkennen. Eine zulässige Aufklärungsrüge
wurde nicht erhoben.
Bode Otten Rothfuß
Fischer Elf |