BGH,
Urt. v. 21.11.2000 - 1 StR 433/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 433/00
vom
21. November 2000
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21.
November 2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Schäfer und die Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Wahl, Dr. Boetticher, Schluckebier, Dr. Kolz,
Oberstaatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als
Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Ravensburg vom 3. Juli 2000 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
unerlaubtem Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in drei Fällen, wegen Beihilfe zur unerlaubten
Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben von Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt.
Außerdem hat es den Verfall des Wertersatzes von 1.500 DM
angeordnet. Die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts bleibt
ohne Erfolg.
1. Die Überprüfung des Urteils hat keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der
Erörterung bedarf allein die vom Generalbundesanwalt in seiner
Zuschrift aufgeworfene Frage, ob der Angeklagte in den Fällen
II. 1 bis 3 der Urteilsgründe neben der
täterschaftlich begangenen Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei
Fällen nur der tateinheitlich begangenen Beihilfe zum
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
schuldig ist.
Dazu hat das Landgericht festgestellt: Dem Angeklagten wurde im
Frühjahr 1999 von dem inzwischen rechtskräftig
verurteilten S. angeboten, im Betäubungsmittelhandel Geld zu
verdienen. Der Angeklagte wollte S. als Freund nicht verlieren, zeigte
aber insbesondere Interesse daran, seine finanziellen
Verhältnisse zu verbessern und zusätzliche Einnahmen
zu erzielen, da er einen aufwendigen Lebensstil pflegte und bei ihm
ständig Geldmangel herrschte. Nachdem ihm jeweils S. das
Kaufgeld für Kokain ausgehändigt hatte,
führte er mit der Bahn drei Beschaffungsfahrten in die
Niederlande durch. Für jede Beschaffungsfahrt erhielt er
jeweils 2.000 DM. Der Angeklagte wußte von vornherein,
daß die von ihm eingeführten Rauschgiftmengen stets
für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. An
diesem Weiterverkauf war er auch beteiligt. So portionierte er im
Auftrag von S. das Kokain in Einzelverkaufsmengen und lieferte
Einzelmengen zwischen 10 g und 40 g an verschiedene Abnehmer in
Österreich und in I. . Dabei war er nicht nur als Auslieferer
tätig, er kassierte auch bei den Drogenabnehmern die
jeweiligen Kaufpreise, wechselte österreichische Schillinge in
Deutsche Mark um und lieferte das Geld bei S. ab. Pro Fahrt nach I.
erhielt er von S. 60 bis 80 DM, pro Fahrt nach Österreich
bekam er 100 bis 120 DM.
2. Der Senat vermag der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht zu
folgen, der Angeklagte hätte in den Fällen II. 1 bis
3 der Urteilsgründe nach den getroffenen Feststellungen nicht
wegen täterschaftlichen Handeltreibens, sondern nur wegen
Beihilfe verurteilt werden dürfen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist
unerlaubtes Handeltreiben jedes eigennützige Bemühen,
das darauf gerichtet ist, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu
ermöglichen und zu fördern, selbst wenn es sich um
eine einmalige, gelegentliche oder vermittelnde Tätigkeit
handelt (Weber, BtMG § 29 Rdn. 82 m.Nachw.). Die Abgrenzung
von Mittäterschaft zur Beihilfe erfolgt nach den allgemeinen
Grundsätzen des Strafrechts (BGHR BtMG § 29 Abs. 1
Nr. 1 Handeltreiben 25, 36). Der Tatrichter hat auf Grund wertender
Betrachtung aller von der Vorstellung des Täters
umfaßten Umstände zu entscheiden, ob der Angeklagte
als Mittäter und nicht nur als Gehilfe an der Straftat
beteiligt war. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Beurteilung
können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der
Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der
Wille zur Tatherrschaft, so daß Durchführung und
Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Angeklagten
abhängen (st.Rspr.; vgl. BGH NStZ 2000, 482; 1999, 451, 452).
Für den Bereich des Handeltreibens ist maßgeblich,
welchen Einfluß der Angeklagte auf die Bestimmung von Art und
Menge des zu transportierenden Rauschgifts oder auf die Gestaltung von
Übernahme und Transport hatte (BGH, Beschl. vom 2. Juli 1998 -
1 StR 280/98). Danach genügt eine ganz untergeordnete
Tätigkeit des Kuriers für die Annahme der
Mittäterschaft in aller Regel nicht (BGH StV 1999, 429).
Die tatrichterliche Wertung, daß der Angeklagte in den
Fällen II. 1 bis 3 der Urteilsgründe nicht nur das
Kokain aus den Niederlanden einführte, sondern auch zu den
nachfolgenden Umsatzgeschäften ein ausgeprägtes
Näheverhältnis hatte, wird durch die Feststellungen
des Landgerichts hinreichend belegt. Zwar kann im Einzelfall auch ein
Täter der Einfuhr, der damit aus eigennützigen
Motiven fremde Umsatzgeschäfte fördert, hinsichtlich
des Handeltreibens nur Gehilfe sein; dies setzt aber voraus,
daß seine Rolle insoweit nur ganz untergeordnet ist (vgl.
BGHR BtMG § 29 I Nr. 1 Handeltreiben 25; BGH StV 1999, 429).
So liegt es hier nicht. Der Angeklagte wußte von vornherein,
daß seine gegenüber S. zu erfüllende
Aufgabe nicht mit der Einfuhr des Kokains beendet war, sondern
daß er die von ihm selbst abgepackten Portionen an die
Abnehmer zu verteilen und für die Abrechnung des Kaufgeldes zu
sorgen hatte. Dabei war er in seiner Entscheidung frei, wann und wie er
das Kokain zunächst im Keller seiner Wohnung in L. aufbewahrte
und wann er es an die Abnehmer ablieferte.
Nach den getroffenen Feststellungen begegnet die - nur begrenzter
revisionsrechtlicher Kontrolle zugängliche Bewertung
über das Vorliegen von Täterschaft oder Beihilfe (BGH
NStZ-RR 1998, 25; vgl. ausführlich zum tatrichterlichen
Beurteilungsspielraum Maatz/Wahl FS aus Anlaß des
fünfzigjährigen
Bestehens des BGH S. 531, 552) - Entscheidung des Landgerichts, es
liege täterschaftliches Handeltreiben vor, keinen Bedenken.
Deshalb stellt es hier auch keinen Rechtsfehler dar, daß die
Strafkammer ihre Auffassung zu dieser Abgrenzung nicht
ausdrücklich dargelegt hat.
Schäfer Wahl Boetticher Schluckebier Kolz |