BGH,
Urt. v. 22.4.2009 - 5 StR 48/09
5 StR 48/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 22. April 2009
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer
Menge
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22.
April 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Hamburg vom 23. September 2008 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision und die
hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
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Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge freigesprochen.
Hiergegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte
Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten
wird. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
1. Dem Angeklagten liegt zur Last, in den Monaten vor dem 23. September
2005 ca. 3 kg Heroin für 48.000 Euro bei einem bisher nicht
ermittelten Lieferanten namens S. in der Türkei bestellt zu
haben, um das Heroin anschließend gewinnbringend verkaufen zu
können. Er soll jedoch bis zum 23. September 2005 nur 31.000
Euro an den Lieferanten des Heroins gezahlt haben, weil er nur 2,7 bis
2,8 kg Heroin mit schlechter Qualität erhalten habe.
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Von diesem Vorwurf hat das Landgericht den Angeklagten aus
tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil es nicht
mit der für eine Verurtei-
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lung erforderlichen Sicherheit feststellen konnte, „ob und in
welchem Umfang“ der Angeklagte an einem
Drogengeschäft beteiligt war.
2. Der Freispruch hält der sachlich-rechtlichen
Nachprüfung stand.
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a) Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an
seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist
das durch das Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da
die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts ist. Der Beurteilung
durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht
Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die
Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder
lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte
Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht
überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung
erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.,
vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; BGHR StPO
§ 261 Überzeugungsbildung 33; BGH NStZ 2000, 48; BGH
wistra 2002, 260, 261; BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt
50, 299 nicht abgedruckt). Nach diesen Maßstäben ist
die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht rechtsfehlerhaft.
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b) Einziges im Urteil verwendetes Beweismittel für den
Anklagevorwurf gegen den die Einlassung verweigernden Angeklagten ist
ein im Rahmen der Telefonüberwachung aufgezeichnetes
Telefonat, das der Angeklagte vom Festnetzanschluss seiner Ehefrau in
Hamburg aus mit dem nicht identifizierbaren männlichen
Gesprächsteilnehmer S. in der Türkei - offenbar in
türkischer Sprache - geführt hat. Dieses durch eine
vereidigte Dolmetscherin in die deutsche Sprache übersetzte,
ca. 19 Minuten dauernde Telefongespräch ist im Urteil in
voller Länge wörtlich wiedergegeben. Nach Auffassung
des Landgerichts legt dieses Telefonat „seinem Ablauf und
konspirativem Inhalt nach einen deliktischen Hintergrund in der Art
nahe, dass über nicht gezahlte Geldbeträge bzw.
Schulden aus einem illegalen Geschäft gesprochen wird.
Für sich genommen, lässt es aber keine sicheren
Rückschlüsse auf eine täterschaftliche oder
sonstige strafrechtlich relevante Beteiligung des Ange-
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klagten an der Abwicklung eines Drogengeschäfts zu.“
Weder im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten, noch
durch Finanzermittlungen konnte weitere geeignete Beweismittel
aufgefunden werden.
Das Landgericht stellt fest, dass in diesem Telefonat über
Preise und über gezahlte bzw. geforderte Geldbeträge
gesprochen wird. Der gehandelte Gegenstand wird indes nicht benannt;
das Wort „Heroin“ wird im Gespräch nicht
erwähnt. Vielmehr wird von „Dings“,
„es“, „das“ und
„Stück“ gesprochen, wobei insbesondere der
Ausdruck „Dings“ in dem Telefonat sehr
häufig und in ganz unterschiedlichen
Sinnzusammenhängen („Dein Dings war ja ohnehin
Dings“) vorkommt. Nach Auffassung des Landgerichts liegt es
deshalb nicht außerhalb der Auslegungsmöglichkeit,
dass „auch andere Drogen unbekannter Art und
Qualität bzw. Quantität oder andere
Gegenstände illegaler Herkunft gemeint sein
können“. Den Schluss, dass es sich bei dem
Gesprächsgegenstand um 3 kg Heroin handelt, zieht die
Staatsanwaltschaft aus den Vorhaltungen des S. zum vereinbarten Preis
(„Wir haben mit dir den Preis besprochen. Schau, für
16 hatte ich Dings gemacht, das macht 48.“) verbunden mit
Erkenntnissen über den üblichen Marktpreis von 16.000
Euro (in der Revisionsschrift genannt: 15.000 bis 25.000 Euro) je
Kilogramm Heroin. Nach Auffassung der Strafkammer handelt es sich dabei
indes „nur um eine mögliche, nicht aber um eine
zwingende Schlussfolgerung“. Zur Begründung stellt
die Strafkammer in einer Auseinandersetzung mit dem gesamten Inhalt des
Telefonats darauf ab, dass zur Höhe der geschuldeten bzw.
übersandten Geldbeträge von den Teilnehmern des -
insbesondere in diesem Punkt streitig geführten -
Gesprächs mehrfach unterschiedliche Beträge genannt
werden. Daher ließen sich „sichere Feststellungen
zur Höhe des vom Angeklagten möglicherweise bereits
geleisteten bzw. noch zu leistenden Kaufpreises nicht
ableiten“. Deshalb gelangt das Landgericht zu dem Schluss,
dass keine hinreichend sicheren Erkenntnisse zur Art,
Quantität oder Qualität eventuell gehandelter Drogen
möglich sind. Darüber hinaus ergäben sich
aus dem Inhalt des Telefonats keinerlei Hinweise auf konkrete
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Tatmodalitäten; unklar bleibe auch, welche Rolle der
Angeklagte in einem möglichen Drogengeschäft gespielt
haben soll.
c) Dass sich das Landgericht keine hinreichende Überzeugung
von der Täterschaft des Angeklagten bilden konnte, ist
angesichts des Fehlens hinreichend aussagekräftiger
Anhaltspunkte für die angeklagte Tat nicht zu beanstanden. Das
Landgericht hat den Inhalten des Telefongesprächs, die den
Anklagevorwurf stützen, die ihn infrage stellenden Inhalte
gegenüber gestellt. Wesentliche Erörterungsdefizite
deckt die Revision der Staatsanwaltschaft insoweit nicht auf. Aus
revisionsgerichtlicher Sicht ist es hinzunehmen, dass das Landgericht
alleine auf der Grundlage eines einzigen überwachten
Telefongesprächs mit stark auslegungsbedürftigem,
teilweise nicht nachvollziehbarem und an manchen Stellen
lückenhaftem Inhalt keine für eine Verurteilung
hinreichende Überzeugung von der angeklagten Tat gewinnen
konnte. Angesichts der Kargheit der Beweisgrundlage stellt es
insbesondere keine Überspannung der Beweisanforderungen zum
Tatnachweis dar, wenn das Landgericht ein höheres
Maß an Gewissheit über den
Gesprächsgegenstand verlangt.
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3. Es führt auch nicht zur Aufhebung des Urteils, dass das
Landgericht eine Verurteilung des Angeklagten wegen Geldwäsche
gemäß § 261 StGB mit rechtsfehlerhafter
Begründung unter Hinweis auf eine nicht sicher
auszuschließende Beteiligung des Angeklagten an einer
möglichen Vortat mit Rücksicht auf § 261
Abs. 9 Satz 2 StGB verneint hat. Insoweit weist die Revision zu Recht
darauf hin, dass bei unklarer Täterschaft im Wege der
Postpendenzfeststellung jedenfalls wegen Geldwäsche verurteilt
werden kann, wenn zumindest deren Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen
(vgl. BGH NStZ 1995, 500; StV 1998, 25, 26). Auf diesem Rechtsfehler
beruht das Urteil indes nicht. Vielmehr lässt es insgesamt
hinreichend deutlich erkennen, dass sich das Landgericht - insoweit
rechtsfehlerfrei - schon nicht zu
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gesicherten Feststellungen zu einer unter dem Gesichtspunkt der
Geldwäsche relevanten Vortat in der Lage gesehen hat (vgl. BGH
StV 2000, 67).
Basdorf Raum Brause
Schaal Schneider |