BGH,
Urt. v. 22.12.2000 - 3 StR 378/00
StPO § 269, § 336 Satz 2
GVG § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a
1. Die Strafverfolgungskompetenz des Bundes und damit des
Generalbundesanwaltes und der Staatsschutzsenate der Oberlandesgerichte
beschränkt sich auf das Gebiet des Staatsschutzstrafrechts.
Daher ist der Bund für die Verfolgung der in § 120
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GVG genannten Katalogtaten rechts- oder
linksextremistischer Gewalttäter nach der Alternative
"bestimmt und geeignet, die innere Sicherheit der Bundesrepublik
Deutschland zu beeinträchtigen" (Buchst. a der Vorschrift)
ausnahmsweise nur dann zuständig, wenn die Tat darauf
gerichtet ist, das innere Gefüge des Gesamtstaates oder dessen
Verfassungsgrundsätze zu beeinträchtigen.
Zu diesen Verfassungsgrundsätzen zählt der
Ausschluß jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft
gegenüber Minderheiten. Dieser Grundsatz wird
beeinträchtigt, wenn der Täter das Opfer nur deshalb
angreift, weil er es als Mitglied einer nationalen, rassischen,
religiösen oder durch ihr Volkstum bestimmten Gruppe treffen
will.
2. Weiter setzt die Strafverfolgungszuständigkeit des Bundes
voraus, daß die die Tat prägenden Umstände
und ihre Auswirkungen dem Fall besondere Bedeutung verleihen und
deshalb die Übernahme des Verfahrens durch den
Generalbundesanwalt geboten ist. Die besondere Bedeutung muß
sich aus dem spezifischen Gewicht des Angriffs auf eines der dem
§ 120 Abs. 2 GVG zugrunde liegenden Rechtsgüter des
Gesamtstaates ergeben.
3. Im Revisionsverfahren prüft der Bundesgerichtshof von Amts
wegen, ob das Oberlandesgericht im
Eröffnungsbeschluß seine Zuständigkeit nach
§ 120 Abs. 2 GVG unter Zugrundelegung zutreffender rechtlicher
Maßstäbe bejaht hat.
BGH, Urt. vom 22. Dezember 2000 - 3 StR 378/00 - OLG Rostock
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 378/00
vom
22. Dezember 2000
in der Strafsache gegen
1.
2.
3.
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 13. Dezember 2000 in der Sitzung am 22. Dezember 2000, an denen
teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Kutzer,
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, die Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Winkler, Becker als beisitzende Richter,
Bundesanwalt , Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter
der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten S.
, Rechtsanwältin als Verteidigerin des Angeklagten E. - in der
Verhandlung vom 13. Dezember 2000 - , Rechtsanwalt als Verteidiger des
Angeklagten Sch. , Rechtsanwalt von als Nebenklägervertreter
für den Nebenkläger P. - in der Verhandlung vom 13.
Dezember 2000 - , Rechtsanwalt als Nebenklägervertreter
für den Nebenkläger V. - in der Verhandlung vom 13.
Dezember 2000 - , Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts
Rostock vom 11. April 2000 werden verworfen.
Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen, der
Angeklagte Sch. daneben die den Nebenklägern im
Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Oberlandesgericht hat die Angeklagten sowie die Nichtrevidenten K.
und L. jeweils des "versuchten Mordes an 2 Menschen in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung an 2 Menschen" und den
Angeklagten S. darüber hinaus der vorsätzlichen
Körperverletzung schuldig gesprochen. Es hat gegen die
Angeklagten E. und Sch. auf Jugendstrafen von je vier Jahren sowie
gegen den Angeklagten S. auf eine Einheitsjugendstrafe von vier Jahren
und sechs Monaten erkannt.
I. Nach den Feststellungen gehörten die zur Tatzeit zwischen
16 und 20 Jahre alten Angeklagten der rechtsextremistisch orientierten
Jugendszene von Eggesin an. Sie waren in zwei sogenannten Clubs mit
Namen "Nationaler Widerstand Eggesin" und "Arischer Widerstand Eggesin"
organisiert. Unter deren Mitgliedern, die sich gegenseitig als Kumpels
bezeichneten, wurde rechtsradikales Gedankengut gepflegt, das sich
insbesondere in ausgeprägtem Ausländerhaß
und der Propagierung der Reinhaltung einer weißen nordischen
Rasse durch gewaltsames Fernhalten und der Vertreibung von als
minderwertig betrachteten Ausländern
äußerte. Bei den Zusammenkünften, denen die
Angeklagten regelmäßig beiwohnten, wurden - zum Teil
gewaltverherrlichende - Videofilme angesehen, Lieder rechtsgerichteter
Musikgruppen mit menschen-, insbesondere ausländerverachtenden
Texten gehört und Alkohol im Übermaß
konsumiert. Die Mitglieder der Clubs demonstrierten ihre
Zugehörigkeit überwiegend schon durch ihr
Äußeres, wie kurzgeschorene Haare und das Tragen von
Bomber-Jacken und Springerstiefeln.
Am Abend des 21. August 1999 besuchten die Nebenkläger P. und
V. , zwei vietnamesische Staatsangehörige, das all-
jährlich in Eggesin stattfindende Volksfest. Sie hielten sich
bis in die späte Nacht mit mehreren, auch deutschen Bekannten
im Festzelt auf. Unter den Festbesuchern befand sich auch eine Gruppe
von etwa 20 bis 30 kahlgeschorenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen,
darunter auch die Angeklagten. Diese störten sich an der
Anwesenheit der Vietnamesen. Den Angeklagten S. ärgerte
insbesondere, daß diese sich gemeinsam mit deutschen Frauen
und Männern amüsierten und am Festausschank Bier
kauften. Er beschloß, sie zu verprügeln. Gemeinsam
mit dem Angeklagten Sch. warb er u.a. den Angeklagten E. und die
Nichtrevidenten K. und L. für eine Tatbeteiligung.
Als der Nebenkläger P. am Morgen des 22. August 1999 etwa
gegen 3.00 Uhr nach Hause gehen wollte, traf er am Zeltausgang auf den
Angeklagten S. und mehrere von dessen Gesinnungsgenossen. S. ging auf
P. zu und versetzte ihm mit voller Wucht einen beidhändigen
Stoß gegen die Brust. P. stürzte nach hinten gegen
die Zeltplane und fiel mit einem Schmerzensschrei zu Boden. Er
flüchtete zurück ins Festzelt zu seinem Bekannten V.
, weil er befürchtete, allein nicht unversehrt nach Hause
kommen zu können. Die Nebenkläger beschlossen
daraufhin, mit ihrem Aufbruch abzuwarten, bis am Zeltausgang keine
"Glatzen" mehr zu sehen seien. Die Angeklagten und ihre
Gesinnungsgenossen beschlossen dagegen, die Vietnamesen beim Verlassen
des Festgeländes zusammenzuschlagen. Gegen 4.00 Uhr
verließen P. und V. das Festzelt. Die Angeklagten, die den
Aufbruch bemerkt hatten, folgten ihnen zusammen mit den Nichtrevidenten
K. und L. sowie zwei weiteren Tatbeteiligten. Außerhalb des
Festgeländes begannen sie, die Nebenkläger mit
Steinen zu bewerfen. Als P. und V. daraufhin aus Angst wegrannten, lief
ihnen die siebenköpfige Gruppe mit den Angeklagten nach und
holte sie bald ein. Der gesondert verfolgte Se. stieß den
Nebenkläger V. , der Angeklagte Sch. den Nebenkläger
P. zu Boden. Als letzterer sich wieder zu erheben versuchte, wurde er
vom Angeklagten E. durch Fausthiebe zu Boden geschlagen. Die
Angeklagten und die anderen Tatbeteiligten, die teilweise schwere
Halbschuhe bzw. Springerstiefel trugen, umringten sodann die am Boden
liegenden Nebenkläger und traten wahllos sowohl von der Seite
wie auch von oben mit stampfenden Tritten auf ihre Opfer ein. Der
Nichtrevident K. führte wuchtige Tritte gegen die
Köpfe der Opfer und sprang mindestens einmal mit seinen mit
Stahlkappen versehenen schweren Halbschuhen gezielt auf den Kopf des
Nebenklägers V. . Während der Ausübung
dieser Tätlichkeiten brüllten die Angeklagten
ausländerfeindliche Parolen und Beleidigungen wie
"Ausländerschwein", "Ausländer verrecke" oder
"verrecke, Du Sau". Ein Tatbeteiligter intonierte den Refrain eines
volksverhetzenden Liedes. Die Angeklagten erkannten, daß die
Nebenkläger aufgrund der Tritte zu Tode kommen
könnten, nahmen dies jedoch billigend in Kauf. Beweggrund
für ihr Verhalten war ihr tiefer
Ausländerhaß.
Als die Angeklagten und die übrigen Tatbeteiligten mehrere
Minuten auf die Nebenkläger eingetreten hatten, wurden sie von
einer Zeugin entdeckt. Darauf ließen sie von ihren Opfern ab
und rannten weg. Der Angeklagte E.
und die Nichtrevidenten K. und L. kehrten jedoch nach kurzer Zeit
nochmals zu den am Boden liegenden Nebenklägern
zurück. Als sie hörten, daß V.
röchelte und stöhnte, äußerte
einer der Nichtrevidenten: "Was, bist Du immer noch nicht tot ?!",
woraufhin jeder der drei Zurückgekehrten noch mindestens
einmal auf die Opfer eintrat. Als sie von einer weiteren Zeugin
überrascht wurden, rannten sie zurück zum Festzelt.
Beide Nebenkläger wurden durch die Tätlichkeiten
erheblich verletzt, insbesondere im Kopfbereich. Das Leben des
Nebenklägers V. konnte nur durch eine Notoperation gerettet
werden. Beide Nebenkläger leiden noch heute unter den Folgen
der Tat. Der Nebenkläger V. ist aufgrund der bleibenden Folgen
zu 50 % schwerbehindert und nur noch eingeschränkt lese-,
sprach- und lernfähig.
II. Mit ihren Revisionen rügen sämtliche
Beschwerdeführer die Verletzung materiellen Rechts. Die
Angeklagten E. und Sch. beanstanden darüber hinaus auch das
Verfahren. Die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg. Die
Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum
Nachteil der Angeklagten ergeben. Näherer Erörterung
bedarf allein die Frage, ob das Oberlandesgericht zu Recht seine
Zuständigkeit nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst.
a GVG angenommen hat, was die Angeklagten E. und Sch. mit einer
Verfahrensrüge ausdrücklich beanstanden.
1. Der Senat ist befugt und verpflichtet, die sachliche
Zuständigkeit des Oberlandesgerichts revisionsrechtlich zu
prüfen. § 269 und § 336 Satz 2 StPO stehen
dem nicht entgegen.
a) Die Eröffnung des Hauptverfahrens ist für den
Angeklagten nicht anfechtbar (§ 210 Abs. 1 StPO). Dies gilt
auch dann, wenn die Zuständigkeit eines Gerichts niederer
Ordnung nach dem Ergebnis der der Anklageschrift zugrunde liegenden
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bereits im Zeitpunkt der
Zulassung der Anklage zu bejahen war (vgl. RGSt 16, 39, 41; BGH bei
Herlan GA 1963, 100; BGH GA 1980, 220; 1981, 321), so daß
nach § 209 Abs. 1 StPO das Hauptverfahren vor diesem
hätte eröffnet werden müssen.
Dementsprechend bestimmt § 269 StPO aus Gründen der
Verfahrensbeschleunigung und Prozeßwirtschaftlichkeit,
daß im Hauptverfahren die fehlerhafte Annahme seiner
Zuständigkeit durch ein Gericht höherer Ordnung
grundsätzlich unbeachtlich ist. Dem liegt die
Überlegung zugrunde, daß die weitergehende sachliche
Zuständigkeit des Gerichts höherer Ordnung die
weniger weit gehende des Gerichts niedrigerer Ordnung mitumfasse und
die Verhandlung vor einem unzuständigen Gericht
höherer Ordnung den Angeklagten nicht benachteilige (BGHSt 43,
53, 55). Demgemäß führt die fehlerhafte
Annahme eines Gerichts höherer Ordnung, es sei anstelle des
tatsächlich zuständigen Gerichts niederer Ordnung zur
Entscheidung berufen, in der Regel nicht zu einer Urteilsaufhebung in
der Revisionsinstanz (vgl. nur BGHSt 21, 334, 358; 43, 53, 55
m.w.Nachw.).
§ 269 StPO bedarf jedoch einschränkender Auslegung.
Es handelt sich bei dieser Vorschrift um eine Ausnahmeregelung zu dem
in § 6 StPO niedergelegten Grundsatz, daß das
Gericht seine sachliche Zuständigkeit in jeder Lage des
Verfahrens von Amts wegen zu prüfen hat (Engelhardt in KK-StPO
4. Aufl. § 269 Rdn. 5; Gollwitzer in LR 24. Aufl. §
269 Rdn. 4; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl.
§ 269 Rdn. 1). Sie darf daher nur so weit Anwendung finden,
wie die Nichtbeachtung der sachlichen Zuständigkeit eines
Gerichts niederer Ordnung durch den Zweck der Vorschrift, auf
Verfahrensbeschleunigung und Prozeßwirtschaftlichkeit
hinzuwirken, gerechtfertigt werden kann. Dies ist dann nicht mehr der
Fall, wenn höherrangige Rechtsgrundsätze
entgegenstehen (Schlüchter in SK-StPO 14. Lfg. Stand Mai 1995
§ 269 Rdn. 7).
So findet nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
§ 269 StPO dann keine Anwendung, wenn das Gericht
höherer Ordnung seine sachliche Zuständigkeit
aufgrund sachfremder oder sonstiger offensichtlich unhaltbarer
Erwägungen und damit willkürlich angenommen hat (s.
etwa BGHSt 38, 212; 40, 120, 122; BGH NJW 1993, 1607, 1608). Denn
hierdurch verstößt das Gericht höherer
Ordnung nicht nur gegen die einfachgesetzlichen Verfahrensbestimmungen
über die sachliche Zuständigkeit der Gerichte,
vielmehr wird der Angeklagte seinem gesetzlichen Richter entzogen und
damit in seinem Grundrecht aus Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt
(BVerfGE 9, 223, 230). Diesen Verstoß gegen grundrechtliche
Gewährleistungen hat nicht erst das Bundesverfassungsgericht
aufgrund einer Verfassungsbeschwerde zu beheben, vielmehr ist er
bereits im Verfahren vor den Fachgerichten zu prüfen und zu
korrigieren (BVerfGE 9, 223, 229 f.; BGH GA 1970, 25; BGHSt 43, 53,
56). Demgegenüber hat § 269 StPO
zurückzutreten.
Ein dem § 269 StPO vorgehender, höherstehender
Rechtsgrundsatz wird stets bei Annahme der erstinstanzlichen
Zuständigkeit eines Oberlandesgerichts
gemäß § 120 Abs. 1 oder 2 GVG nach
Anklageerhebung durch den Generalbundesanwalt berührt (vgl.
auch § 142 a Abs. 2 und 4 GVG). Denn damit wird nicht nur die
erstinstanzliche sachliche Zuständigkeit eines der
Strafgerichte des hierarchischen Gerichtsaufbaus bestimmt. Vielmehr
wird auch eine Entscheidung über die Abgrenzung zwischen der
Zuständigkeit der Bundes- und der Länderjustiz
vorgenommen. Die verfassungsrechtlich gebotene Beachtung der
grundgesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und
Ländern schließt es aber aus, daß das
Oberlandesgericht nach Eröffnung des Hauptverfahrens an die
fehlerhafte Bejahung seiner Zuständigkeit im
Eröffnungsbeschluß gebunden ist. Im einzelnen:
aa) Gemäß der Generalklausel der Kompetenzverteilung
zwischen Bund und Ländern in Artikel 30 GG ist die
Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung
staatlicher Aufgaben, das heißt auch die Ausübung
der rechtsprechenden Gewalt (Sachs/Erbguth, GG 2. Aufl. Art. 30 Rdn.
30, 32), Sache der Länder, soweit das Grundgesetz keine andere
Regelung trifft oder zuläßt. Die rechtsprechende
Gewalt wird durch das Bundesverfassungsgericht, die im Grundgesetz
vorgesehenen Bundesgerichte und die Gerichte der Länder
ausgeübt (Art. 92 Halbs. 2 GG). Artikel 95 Abs. 1 GG bestimmt,
daß der Bund als obersten Gerichtshof für das Gebiet
der ordentlichen Gerichtsbarkeit, zu der auch die Strafjustiz
zählt (vgl. § 13 GVG), den Bundesgerichtshof
errichtet. Weitere ausdrückliche Regelungen über die
Zuständigkeit des Bundes zur Ausübung von
Strafgerichtsbarkeit enthält das Grundgesetz nicht. Jedoch
setzt es von jeher unausgesprochen voraus, daß dem Bund auf
dem Gebiet des Staatsschutzes eine solche Zuständigkeit
zusteht (Maunz/Dürig/Herzog, GG Art. 96 Rdn. 47).
Dementsprechend übertrug es zunächst durch Artikel
143 Abs. 5 Satz 2 GG a. F. die Aburteilung bestimmter gegen den Bund
gerichteter Staatsschutzdelikte nur vorübergehend auf das
Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die erste Bundesregierung ihren
Sitz hatte. Die endgültige Abgrenzung der
Zuständigkeit zwischen Bundes- und Landesjustiz zur Verfolgung
von Staatsschutzdelikten überließ es dem
Bundesgesetzgeber (Art. 143 Abs. 6 GG a. F.). Dieser nahm mit dem
Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der
Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des
Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12. September 1950 (BGBl I
455) in den §§ 120, 134 GVG a. F. die ihm
aufgetragene Abgrenzung vor und unterstellte zunächst nur die
Delikte des Hochverrates (gegen den Bund, vgl. § 134 Abs. 2
GVG a. F.) und der Parlamentssprengung der Strafverfolgung durch den
Bund und der erst- und letztinstanzlichen Aburteilung durch den
Bundesgerichtshof (§ 134 Abs. 1 GVG a. F.; zur
späteren Ausweitung der Strafverfolgungskompetenz des Bundes
s. Schäfer in LR 21. Aufl. § 134 GVG vor Anm. 1).
Nur vor diesem Hintergrund ist die mit dem 26. Gesetz zur
Änderung des Grundgesetzes vom 26. August 1969 (BGBl I 1357)
in Artikel 96 Abs. 5 GG eingefügte Ermächtigung an
den Gesetzgeber zu verstehen, durch ein Bundesgesetz vorzusehen,
daß Gerichte der Länder für Strafverfahren
auf Gebieten des Artikel 26 Abs. 1 GG und des Staatsschutzes
Gerichtsbarkeit des Bundes ausüben. Den Begriff des
Staatsschutzes hat der Verfassungsgeber indessen auch in Artikel 96
Abs. 5 GG nicht näher konkretisiert. Ebensowenig hat er sich
zu der Frage geäußert, wie die verfassungsrechtlich
vorausgesetzte Bundeszuständigkeit für die Verfolgung
von Staatsschutzdelikten von derjenigen der Länder abzugrenzen
ist. Es ist daher davon auszugehen, daß auch insoweit dem
Gesetzgeber weiterhin die nähere Regelung durch ein einfaches
Bundesgesetz überlassen bleiben sollte.
Allerdings verfügt dieser bei der einfachgesetzlichen
Abgrenzung der Zuständigkeiten über keinen
unbegrenzten Gestaltungsspielraum. Vielmehr hat er die
verfassungsrechtliche Grundentscheidung im Auge zu behalten,
daß die Strafverfolgung prinzipiell Sache der Länder
ist, und zu bedenken, daß die Ermächtigung des
Artikel 96 Abs. 5 GG erkennbar auf die ungeschriebene
verfassungsrechtliche Rechtsprechungskompetenz des Bundes im Bereich
des Staatsschutzes bezogen ist, wie sie aufgrund der Umsetzung im
früheren Gerichtsverfassungsrecht bis zum Gesetz vom 8.
September 1969 vom Bundesgerichtshof wahrgenommen wurde. Er darf daher
nicht beliebig bestimmte Tatbestandsgruppen zu Staatsschutzdelikten
erklären und deren Verfolgung der Bundesjustiz anvertrauen,
sondern kann anknüpfend an den vom Grundgesetz vorgefundenen
Kernbestand des Staatsschutzstrafrechts nur solche Straftaten der
Strafverfolgung durch den Bund unterstellen, die das staatliche
Gefüge in länderübergreifender Weise treffen
und die Rechtsgüter des Gesamtstaates in derart starkem
Maße beeinträchtigen, daß ihre Ahndung
durch die Landesjustiz der Bedeutung des in der jeweiligen Tat
liegenden Angriffs auf die bundesstaatliche Gesamtordnung nicht gerecht
würde. Diese verfassungsrechtlichen Grundsätze sind
bei der Auslegung der entsprechenden einfachgesetzlichen
Zuständigkeitsregelungen zu beachten.
bb) Von der Ermächtigung des Artikel 96 Abs. 5 GG hat der
Gesetzgeber in § 120 GVG Gebrauch gemacht. Er hat dort die
Zuständigkeit der Strafjustiz des Bundes auf den Gebieten des
Artikel 26 Abs. 1 GG und des Staatsschutzes im einzelnen geregelt und
deren erstinstanzliche Ausübung (vgl. § 120 Abs. 6
GVG) insgesamt auf die Oberlandesgerichte, in deren Bezirk die
Landesregierungen ihren Sitz haben, übertragen. Denn eine
erstinstanzliche Zuständigkeit eines sonstigen Strafgerichts
des Bundes ist nicht mehr vorgesehen. Der Gesetzgeber hat
außerdem durch das Zusammenwirken der Regelungen der
§§ 24, 74, 74 a, 120 GVG die
Strafverfolgungskompetenz von Bund und Ländern auf den
genannten Gebieten neu gegeneinander abgegrenzt.
cc) Führen die Oberlandesgerichte nach Anklageerhebung durch
den Generalbundesanwalt aufgrund der ihnen in § 120 Abs. 1
oder 2 GVG zugeschriebenen Zuständigkeiten Strafverfahren
durch, werden sie im Wege der Organleihe für den Bund
tätig (Maunz/Dürig/Herzog Art. 96 Rdn. 46 und 51) und
üben Bundesgerichtsbarkeit aus (§ 120 Abs. 6 GVG).
Nimmt ein Oberlandesgericht nach Anklageerhebung durch den
Generalbundesanwalt seine Zuständigkeit an, obwohl eine solche
nach § 120 Abs. 1 oder 2 GVG nicht eröffnet ist,
liegt daher nicht nur ein Verstoß gegen einfachgesetzliche
Zuständigkeitsnormen vor. Vielmehr greift es damit unmittelbar
auch in die durch §§ 24, 74, 74 a, 120 GVG
näher konkretisierte grundgesetzliche Kompetenzverteilung
zwischen Bundes- und Landesjustiz ein.
Ein derartiger Eingriff entzieht dem Verfahren als Ganzes die
Grundlage. Er begründet daher ein Verfahrenshindernis (BGHSt
32, 345, 350; 36, 294, 295):
Die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern im
Grundgesetz ist zwingend. Weder Bund noch Länder
können ihre Zuständigkeiten jeweils auf den anderen
übertragen (BVerfGE 26, 281, 296; 32, 145, 156; 63, 1, 39).
Jedem Bundesland kommt in derselben Weise wie dem Bund Staatscharakter
zu. Die staatliche Hoheit der Bundesländer wird zwar durch das
Grundgesetz gegenständlich beschränkt, nicht aber vom
Bund abgeleitet und von diesem auch nicht übertragen, sondern
anerkannt (BVerfGE 1, 14, 34; Sachs/Erbguth Art. 30 Rdn. 3). Aus
alledem folgt, daß nach dem Willen des Verfassungsgebers Bund
und Länder ihre jeweiligen Zuständigkeiten strikt zu
respektieren haben und diese untereinander nicht austauschbar sind.
Bejaht ein Gericht des Bundes in einer Sache, die der Gerichtsbarkeit
eines Landes unterliegt, seine Zuständigkeit, fehlt seinem
Verfahren daher die verfassungsrechtliche Legitimation, so
daß es bei Beachtung der Prinzipien, die den Regelungen des
Bund-Länder-Verhältnisses im Grundgesetz zugrunde
liegen, vor dem unzuständigen Gericht nicht
weitergeführt werden darf.
Dies ist von Amts wegen zu beachten. Denn die Prüfung der
Zuständigkeit des Oberlandesgerichts dient hier nicht
vorrangig dem Schutz individueller Rechte des Angeklagten, namentlich
seines grundrechtlichen Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art.
101 Abs. 1 Satz 2 GG), sondern der Wahrung der objektiven
Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Denn mit der Zuweisung einer Sache
an die Bundesjustiz werden nicht nur eine Ermittlungsbehörde
(§ 142 a Abs. 1 Satz 1 GVG) und ein Gericht des Bundes
(§ 120 Abs. 1, 2 und 6 GVG) für die Strafverfolgung
zuständig, vielmehr geht auch die Strafvollstreckung
(§ 451 Abs. 1 StPO, § 4 Buchst. c StVollstrO) und das
Gnadenrecht (§ 452 Satz 1 StPO, Art. 60 Abs. 2 GG) auf den
Bund über. Es besteht daher in besonderem Maße die
Notwendigkeit, die rechtlichen Maßstäbe, die die
Staatsschutzsenate der Oberlandesgerichte bei der Abgrenzung von
Bundes- und Landesjustiz anlegen, der Überprüfung
durch den Bundesgerichtshof zu unterstellen, um in dieser
verfassungsrechtlich bedeutsamen Frage eine einheitliche
Rechtsanwendung sicherzustellen. Danach kann es nicht der Disposition
des Angeklagten überlassen werden, ob er die mangelnde
Zuständigkeit des Oberlandesgerichts rügen will, wie
es der 1. Strafsenat (BGH NJW 1993, 1607 f.; BGHSt 43, 53, 56 ff.) und
der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH GA 1970, 25; BGHSt 42,
205) für Verstöße gegen Artikel 101 Abs. 1
Satz 2 GG im Gegensatz zum 4. Strafsenat (BGHSt 38, 172, 176; 40, 120;
BGH NStZ 1992, 397; NJW 1998, 2149, 2150) vertreten.
Demgegenüber muß § 269 StPO
zurücktreten. Sein Zweck der Verfahrensbeschleunigung und
Prozeßwirtschaftlichkeit kann es nicht rechtfertigen, einen
Verstoß gegen die Kompetenz eines Bundeslandes zur
Ausübung der rechtsprechenden Gewalt hinzunehmen. Auf diese
Fallgestaltung paßt auch nicht die zur Rechtfertigung des
§ 269 StPO herangezogene Überlegung, daß
die weitergehende sachliche Zuständigkeit des Gerichts
höherer Ordnung die weniger weit gehende des Gerichts
niedriger Ordnung mitumfasse. Denn in der Bundesjustiz, die das
Oberlandesgericht in den Fällen des § 120 GVG
ausübt, ist die Landesjustiz nicht inbegriffen. Die
Zuständigkeit des Oberlandesgerichts schließt daher
die Zuständigkeit der ihm ansonsten als Landesgericht
nachgeordneten Amts- und Landgerichte hier nicht ein. Insoweit ist es
ein Gericht anderer und nicht höherer Ordnung.
b) § 336 Satz 2 StPO steht trotz der Unanfechtbarkeit des
Eröffnungsbeschlusses der Prüfung der sachlichen
Zuständigkeit des Oberlandesgerichts auch im
Revisionsverfahren nicht entgegen. § 336 Satz 2 StPO findet
aus denselben Gründen keine Anwendung wie § 269 StPO.
Dies ist für die Fälle, in denen ein Landgericht
seine sachliche Zuständigkeit im
Eröffnungsbeschluß willkürlich angenommen
und damit den Angeklagten seinem gesetzlichen Richter entzogen hat,
nicht in Zweifel gezogen worden (vgl. BGHSt 38, 212; 40, 120). Auch
für sonstige Fälle, in denen dem Angeklagten durch
eine dem Urteil vorausgehende, unanfechtbare oder nur mit sofortiger
Beschwerde angreifbare Entscheidung sein gesetzlicher Richter
vorenthalten wird, geht die Wahrung des grundrechtlichen Anspruchs aus
Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 GG der Anwendung des § 336 Satz 2
StPO vor (OLG Karlsruhe NStZ 1981, 272; Rieß NJW 1978, 2265,
2271; Katholnigg NJW 1978, 2375, 2378). Für die
Prüfung der verfassungsrechtlich zutreffenden
Kompetenzabgrenzung zwischen der Bundes- und der Landesjustiz kann
nichts anderes gelten.
c) Aus dem Gesagten ergeben sich folgende verfahrensrechtliche
Auswirkungen:
aa) Auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens hat das
Oberlandesgericht die Sache an das zuständige Gericht der
Landesjustiz zu verweisen, wenn es nachträglich zu der
Erkenntnis gelangt, daß es bei Zulassung der Anklage des
Generalbundesanwaltes seine sachliche Zuständigkeit zu Unrecht
bejaht hat. Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen gesetzlichen
Regelung, die eine derartige Verweisung vorsieht. Jedoch bestehen keine
Bedenken, insoweit § 209 Abs. 1 StPO analog anzuwenden.
Dem steht nicht entgegen, daß das auf der Grundlage des
§ 120 GVG tätig werdende Oberlandesgericht an sich
Bundesjustiz ausübt und es sich daher bei dem Amts- oder
Landgericht, an das die Sache zu verweisen ist, im Verhältnis
zum Oberlandesgericht nicht um ein Gericht niederer, sondern um ein
solches anderer Ordnung handelt. Denn da die
Bundeszuständigkeit fehlt und diese wegen der gebotenen
Wahrung der verfassungsrechtlichen Strafverfolgungskompetenz des Landes
in Abweichung von der sonst geltenden Rechtslage (§ 210 Abs.
1, § 269, § 336 Satz 2 StPO) auch nicht durch den
rechtswidrigen Eröffnungsbeschluß begründet
wurde (s. oben), ist das Oberlandesgericht objektiv als
unzuständiges Gericht des Bundeslandes tätig. Als
solches kann es die Sache indessen an das zuständige Amts-
oder Landgericht dieses Bundeslandes verweisen.
Ohne Bedeutung ist auch, daß § 209 Abs. 1 StPO die
Verweisung an ein Gericht niedrigerer Ordnung nur bis zur
Eröffnung des Hauptverfahrens vorsieht. Diese
Einschränkung ergänzt die Regelungen in §
210 Abs. 1, § 269, § 336 Satz 2 StPO. Finden diese
Vorschriften jedoch - wie hier - keine Anwendung, steht einer
entsprechenden Anwendung des § 209 Abs. 1 StPO im
Hauptverfahren nichts entgegen.
bb) Hat das Oberlandesgericht bei Zulassung der Anklage des
Generalbundesanwaltes dagegen seine Zuständigkeit zutreffend
angenommen und stellt sich aufgrund später im Hauptverfahren
gewonnener neuer Erkenntnisse heraus, daß eines der die
Zuständigkeit des Bundes begründenden gesetzlichen
Merkmale des § 120 Abs. 1 oder 2 GVG nicht mehr bejaht werden
kann, gilt der Grundsatz der perpetuatio fori. Mit dem
rechtmäßigen Eröffnungsbeschluß
hat das Oberlandesgericht die Zuständigkeit der Bundesjustiz
für das weitere Verfahren bindend festgestellt. Die
Fortsetzung des Verfahrens beinhaltet daher keinen Eingriff in die
Justizhoheit der Länder. Es kann somit dem Rechtsgedanken des
§ 269 StPO wieder Rechnung getragen werden, daß es
aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung und
Prozeßwirtschaftlichkeit bei der Zuständigkeit des
Gerichts bleiben soll, das das Hauptverfahren vor sich
eröffnet hat. Die Verweisung an ein anderes erstinstanzliches
Gericht hat daher zu unterbleiben.
cc) Im Revisionsverfahren prüft der Bundesgerichtshof von Amts
wegen, ob das Oberlandesgericht die Anklage des Generalbundesanwaltes
rechtsfehlerfrei zur Hauptverhandlung zugelassen hat. Das
bemißt sich danach, ob das Oberlandesgericht bei der Bejahung
des hinreichenden Verdachts (§ 203 StPO) einer der
Katalogtaten des § 120 Abs. 1 oder 2 GVG sowie des Vorliegens
der weiteren gesetzlichen Merkmale, an die § 120 GVG je nach
angeklagtem Delikt die Zuständigkeit der Bundesjustiz
knüpft, die zutreffenden rechtlichen
Maßstäbe angelegt hat. Abzustellen ist dabei allein
auf den Sachstand im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung (s.
oben bb).
Um dem Revisionsgericht diese Prüfung zu ermöglichen,
haben Generalbundesanwalt bzw. Oberlandesgericht die für die
Annahme ihrer Zuständigkeit geltend gemachten Gründe
aktenkundig zu machen. Dies kann dadurch geschehen, daß der
Generalbundesanwalt diese Gründe in der Anklageschrift im
wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen niederlegt und das
Oberlandesgericht hierauf im Eröffnungsbeschluß -
ggf. stillschweigend - Bezug nimmt, oder, soweit die Anklageschrift
keine Ausführungen zu diesem Punkte enthält bzw. das
Oberlandesgericht die besondere Bedeutung auf andere Umstände
als der Generalbundesanwalt stützen will, die entsprechenden
Überlegungen in den Eröffnungsbeschluß als
rechtlicher Hinweis aufgenommen werden.
Ergibt die Prüfung des Revisionsgerichts, daß das
Oberlandesgericht bei Eröffnung des Hauptverfahrens
unzutreffende rechtliche Maßstäbe angelegt hatte und
die Voraussetzungen des § 120 GVG nicht vorlagen, so ist
dessen Urteil aufzuheben und die Sache gemäß
§ 355 StPO an das zuständige erstinstanzliche Gericht
der Landesjustiz zu verweisen.
2. Das Oberlandesgericht hat im Eröffnungsbeschluß
vom 7. Februar 2000 seine Zuständigkeit nach § 120
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a GVG rechtsfehlerfrei bejaht.
a) Die Angeklagten waren des ihnen vorgeworfenen
Tötungsverbrechens hinreichend verdächtig. Die Tat
unterfällt dem Katalog des § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
GVG. Daß sie im Versuchsstadium steckenblieb, steht dem nicht
entgegen (Schnarr MDR 1993, 589, 592). Die Vorschrift
begründet die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts
für die Tat im prozessualen Sinne des § 264 Abs. 1
StPO, innerhalb derer der Angeklagte einen der
katalogmäßig aufgezählten
Straftatbestände verwirklicht haben soll. Sie umfaßt
hier daher auch die dem Angeklagten S. tatmehrheitlich neben dem
versuchten Mord angelastete vorsätzliche
Körperverletzung.
b) Die Tat war nach den Umständen bestimmt und geeignet, die
innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu
beeinträchtigen.
aa) Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung des
Terrorismus vom 19. Dezember 1986 (BGBl I 2566) lag die Verfolgung und
Aburteilung von Tötungsverbrechen und der weiteren in
§ 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GVG genannten Katalogtaten
ausschließlich in der Kompetenz der Staatsanwaltschaften und
Gerichte der Länder, es sei denn sie wurden im Zusammenhang
mit einem herkömmlichen Staatsschutzdelikt oder von einer
kriminellen oder terroristischen Vereinigung begangen. Erst §
120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GVG schuf die Rechtsgrundlage dafür,
daß der Generalbundesanwalt die Strafverfolgung derartiger
staatsgefährdender Verbrechen unabhängig von einem
solchen Zusammenhang mit einem Staatsschutzdelikt im engeren Sinne bei
besonderer Bedeutung des Falles unter anderem dann übernimmt,
wenn die konkrete Tat nach den Umständen bestimmt und geeignet
ist, die innere Sicherheit der Bundesrepublik zu
beeinträchtigen (vgl. § 142 a Abs. 1 Satz 1 GVG), und
damit die Sache in die Zuständigkeit der Bundesjustiz
überleitet.
Der Rechtsbegriff der Beeinträchtigung der inneren Sicherheit
der Bundesrepublik Deutschland ist für sich jedoch konturenlos
und wenig aussagekräftig. Er bedarf daher in besonderer Weise
der wertenden Ausfüllung durch die Rechtsprechung und der
einengenden Konkretisierung unter Beachtung der verfassungsrechtlichen
Grundentscheidung zur Abgrenzung der Zuständigkeit von Bund
und Ländern (Art. 30 GG; s. oben 1. a aa). Hierbei ist zu
beachten, daß durchaus Katalogtaten im Sinne des §
120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GVG denkbar sind, die wegen ihrer besonderen
Abscheulichkeit, ihrer länderübergreifenden
Begehungsweise oder ihres bundesweiten Aufsehens Auswirkungen auf die
innere Sicherheit der Bundesrepublik haben können, wegen ihres
ausschließlich allgemein kriminellen Charakters jedoch nach
Sinn und Zweck des § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GVG und der
dieser Vorschrift zugrunde liegenden Ermächtigung des Artikel
96 Abs. 5 GG nicht als gegen den Gesamtstaat gerichtete
Staatsschutzdelikte einzustufen sind und daher weiterhin in die
ausschließliche Verfolgungskompetenz der Landesjustiz fallen.
Die Auslegung des gesetzlichen Merkmals der Beeinträchtigung
der inneren Sicherheit der Bundesrepublik darf sich daher nicht auf
eine reine Wortlautinterpretation beschränken, sondern
muß die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Abgrenzung
zwischen Bundes- und Landesjustiz für die Strafverfolgung
(Art. 30, 96 Abs. 5 GG) im Auge behalten sowie den Regelungszweck des
§ 120 Abs. 1 und 2 GVG berücksichtigen, die Kompetenz
des Bundes zur Verfolgung von Staatsschutzdelikten mit
länderübergreifender Bedeutung näher zu
konkretisieren.
Hieraus folgt, daß eine Beeinträchtigung der inneren
Sicherheit der Bundesrepublik im Sinne des § 120 Abs. 2 Satz 1
Nr. 3 Buchst. a GVG nur angenommen werden kann, wenn die Belange des
Bundes in vergleichbar schwerer Weise berührt werden, wie dies
bei den anderen in § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 3 GVG der
Ahndung durch die Bundesjustiz unterstellten Straftaten der Fall ist.
Dies wird in der Regel aber nur dann zutreffen, wenn die konkrete Tat
nach den jeweiligen Umständen das innere Gefüge des
Gesamtstaates beeinträchtigen kann oder sich gegen dessen
Verfassungsgrundsätze richtet. Auch wenn die Tat nach den
konkreten Umständen nicht bestimmt und geeignet ist, im Sinne
des § 120 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b GVG
Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung
zu setzen oder zu untergraben, kommt ihrer gegen
Verfassungsgrundsätze (§ 92 Abs. 2 StGB) gerichteten
Intention für die Auslegung des § 120 Abs. 2 Satz 1
Buchst. a GVG daher maßgebliche Bedeutung zu.
Eine Beeinträchtigung der inneren Sicherheit der
Bundesrepublik liegt demgemäß nicht nur dann vor,
wenn deren Fähigkeit, sich gegen Störungen von innen
zur Wehr zu setzen, herabgesetzt (vgl. BGHSt 28, 312, 316 f.; BGH NStZ
1988, 215; BVerwGE 62, 36, 38), mithin die Funktionsfähigkeit
des Staates (d. h. seiner Organe) und seiner Einrichtungen in
Mitleidenschaft gezogen wird (BVerwGE aaO; Schnarr MDR 1993, 589, 593;
s. auch § 4 Abs. 1 Buchst. a BVerfSchG). Sie kann vielmehr
auch dann zu bejahen sein, wenn die Tat durch den ihr innewohnenden
Verstoß gegen Verfassungsgrundsätze ihren im
Vergleich zu ähnlichen Straftaten besonderen Charakter gewinnt.
Zu den Verfassungsgrundsätzen zählt der
Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft
gegenüber Minderheiten (§ 92 Abs. 2 Nr. 6 StGB).
Dieser Grundsatz wird unter anderem dann verletzt, wenn der
Täter sein Opfer nur deshalb angreift, weil er es als Mitglied
einer nationalen, rassischen, religiösen oder durch ihr
Volkstum bestimmten Gruppe der Bevölkerung, mithin als deren
Repräsentant treffen will (vgl. BGHSt 21, 371, 372 f. zu
§ 130 StGB). Das Grundgesetz schützt als
höchste verfassungsrechtliche Werte die Unantastbarkeit der
Würde jedes einzelnen Menschen und die Gleichheit aller vor
dem Gesetz, unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Bevölkerungsgruppe oder zu einer gesellschaftlichen
Minderheit. Wird die konkrete Tat gerade durch eine
Mißachtung dieser Werte charakterisiert, wohnt ihr eine
über die Täter-Opfer-Beziehung hinausgehende Tendenz
inne, die über die Verletzung der individuellen
Rechtsgüter des Opfers hinaus das friedliche Zusammenleben der
unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in Frage stellt, weil
sie einem Teil der Bevölkerung das Recht abspricht,
gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (vgl. BGHSt
13, 32, 35 ff.). Damit erschüttert sie das Vertrauen aller
Bevölkerungsteile darauf, in der Bundesrepublik vor
gewaltsamen Einwirkungen geschützt zu sein, weil nicht die
Gewähr besteht, daß sich Handel und Wandel innerhalb
der Staatsgrenzen im Einklang mit Gesetz und Verfassung vollziehen
(vgl. Laufhütte in LK 11. Aufl. § 92 Rdn. 6).
Hierdurch beeinträchtigt sie die innere Sicherheit des
Gesamtstaates (s. auch den Bericht des Innenausschusses zum Entwurf des
VerfSchutzÄndG,
BTDrucks. 6/3533 S. 3 f.).
bb) Die Taten der Angeklagten waren geeignet, die innere Sicherheit der
Bundesrepublik durch Mißachtung ihrer
Verfassungsgrundsätze zu beeinträchtigen. Die
Angeklagten haben die Tat aufgrund ihres tiefen
Ausländerhasses begangen. Das Leben der Nebenkläger
war in ihren Augen nichts wert. Die Nebenkläger wurden eher
zufällig als Opfer ausgewählt. Es hätte auch
jeden anderen Ausländer, der sich am Tatabend
zufällig auf dem Volksfest aufhielt, treffen können.
Die Taten sind in eine Reihe von seit Jahren zu beobachtenden und in
ihrer Häufigkeit zunehmenden rechtsextremistischen,
ausländerfeindlichen Straftaten eingebettet. Vor diesem
Hintergrund, der als ein die Taten wesentlich kennzeichnender Umstand
nicht außer Betracht gelassen werden darf, haben die den
Angeklagten vorgeworfenen Taten dazu beigetragen, über den
engeren örtlichen Bereich der Tatbegehung hinaus in der
gesamten Bundesrepublik bei Ausländern ein allgemeines Klima
der Angst vor willkürlichen, grundlosen tätlichen
Angriffen und eine Unsicherheit darüber auszulösen,
ob ihr Leben in diesem Staat noch sicher ist, das heißt, ob
die Sicherheitsorgane in ausreichendem Maße fähig
sind, die ausländischen Mitbürger zu
schützen. Sie sind darüber hinaus geeignet, bei
anderen Personen der gleichen Gesinnung einen Nachahmungseffekt
auszulösen mit der Folge einer für die
Sicherheitsorgane immer schwerer beherrschbaren Gefahr (BGHR GVG
§ 120 Abs. 2 Nr. 3 a Sicherheit 1).
cc) Die Tat der Angeklagten war nach den Umständen auch dazu
bestimmt, die innere Sicherheit der Bundesrepublik zu
beeinträchtigen. Dieses voluntative Element bedeutet,
daß der Täter die möglichen Folgen seiner
Tat
- hier eine Beeinträchtigung der inneren Sicherheit - in
seinen Willen aufgenommen und gewollt haben muß. Dabei reicht
es aus, daß er die tatsächlichen Umstände,
die die Eignung der Tat zur Beeinträchtigung des Schutzgutes
ergeben, kannte und in seinen Willen einbezog. Ein zielgerichtetes
Handeln zur Beeinträchtigung der inneren Sicherheit im Sinne
einer Absicht ist dagegen nicht erforderlich.
Zutreffend hat das Oberlandesgericht das Vorliegen dieses subjektiven
Merkmals aus den objektiven Umständen der Tatbegehung und
ihres Hintergrundes geschlossen. Die Angeklagten haben ihre Opfer
allein aufgrund deren Ausländereigenschaft ausgewählt
und angegriffen. Sie haben die Tat mit menschenverachtender,
Ausländer als minderwertig betrachtender Gesinnung begangen.
Die Tat wird gekennzeichnet durch die Einbindung der Angeklagten in ein
rechtsextremistisches, fremdenfeindliches Umfeld, aus dem bundesweit
schon vorher eine Reihe vergleichbarer Angriffe gegen
Ausländer unternommen worden war, sowie die
äußerste Brutalität der Angeklagten. Sie
war daher geeignet, einerseits in der rechtsradikalen Szene zu weiteren
Übergriffen auf Ausländer zu ermutigen, andererseits
nicht nur die konkreten Opfer und die im näheren Bereich von
Eggesin lebenden, sondern allgemein alle in der Bundesrepublik lebende
Ausländer in Angst um ihre zukünftige
persönliche Sicherheit zu versetzen und tiefe Zweifel an der
Möglichkeit einer ungefährdeten, friedlichen
Lebensführung auf dem Boden der Bundesrepublik zu wecken. All
dies haben die Angeklagten nicht verkannt.
c) Rechtlich nicht zu beanstanden ist letztlich auch die Ansicht des
Oberlandesgerichts, den Taten der Angeklagten komme besondere Bedeutung
im Sinne des § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GVG zu, so
daß der Generalbundesanwalt zur Übernahme der
Verfolgung und Anklageerhebung gehalten war.
aa) Nach dem in § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GVG deutlich zum
Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers fällt die
Strafverfolgung der dort aufgeführten
staatsgefährdenden Delikte grundsätzlich auch dann in
die Kompetenz der Bundesländer, wenn sich die Tat gegen die
Bundesrepublik als Gesamtstaat richtet. Die Zuständigkeit des
Bundes und damit die Evokationsbefugnis des Generalbundesanwaltes wird
erst dann begründet, wenn dem Fall darüber hinaus
besondere Bedeutung zukommt. Es muß sich danach unter
Beachtung des Ausmaßes der Verletzung der individuellen
Rechtsgüter des durch die Tat konkret Geschädigten um
ein staatsgefährdendes Delikt von erheblichem Gewicht handeln,
das seine besondere Bedeutung dadurch gewinnt, daß es die dem
§ 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GVG zugrunde liegenden
Schutzgüter des Gesamtstaates in einer derart spezifischen
Weise angreift, daß ein Einschreiten des
Generalbundesanwaltes und eine Aburteilung durch ein
Bundesgerichtsbarkeit ausübendes Gericht geboten ist. Dem
entspricht im übrigen komplementär die für
die Staatschutzdelikte des § 120 Abs. 1 GVG in § 142
a Abs. 2 GVG vorgesehene Abgabe des Ermittlungsverfahrens vom
Generalbundesanwalt an die Landesstaatsanwaltschaft bei weniger
gewichtigen Delikten bzw. in Sachen von minderer Bedeutung, die
andererseits u. a. dann zu unterbleiben hat, wenn die Tat die
Interessen des Bundes in besonderem Maße berührt
(§ 142 a Abs. 3 Nr. 1 GVG).
Die Beurteilung der Bedeutung des Falles erfordert eine
Gesamtwürdigung der Umstände und Auswirkungen der Tat
unter besonderer Berücksichtigung des Gewichts ihres Angriffs
auf das jeweils betroffene Rechtsgut des Gesamtstaates. Bezogen auf den
vorliegenden Fall bedeutet dies, daß zwar in erster Linie die
konkreten Folgen der Tat für die innere Sicherheit der
Bundesrepublik, insbesondere ihre Auswirkungen auf das
Sicherheitsgefühl der hier lebenden Ausländer und
ihre mögliche Signalwirkung auf potentielle
Nachahmungstäter in Betracht zu ziehen sind, daneben aber etwa
auch die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der
Bundesrepublik in solchen Staaten Gewicht gewinnen kann, die ihr durch
gemeinsame Wertvorstellungen verbunden sind. Denn die Tat
berührt außenpolitische Belange, wenn sie zu dem
Eindruck beiträgt, daß Ausländern ein
sicherer Aufenthalt in der Bundesrepublik nicht mehr möglich
ist. Dies kann zu Störungen der wirtschaftlichen,
wissenschaftlichen und kulturellen Beziehungen zum Ausland
führen, die nachteilige Wirkungen für die
Bundesrepublik als Gesamtstaat nach sich ziehen.
bb) Bei der Beantwortung der Frage, ob dem Fall besondere Bedeutung im
dargestellten Sinne zukommt, steht dem Generalbundesanwalt kein
Beurteilungsspielraum zu, der gerichtlicher
Überprüfung entzogen wäre. Ebensowenig steht
die Übernahme der Verfolgung in seinem Ermessen, wenn die
besondere Bedeutung des Falles zu bejahen ist. Nur in dieser Auslegung
hält § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 3 GVG
verfassungsrechtlichen Anforderungen stand.
Bei der Übernahme der Strafverfolgung durch den
Generalbundesanwalt wird das Verfahren der Justizhoheit des bis dahin
die Ermittlungen führenden Bundeslandes entzogen. Deswegen mag
es sich für den Generalbundesanwalt gegebenenfalls empfehlen,
sich vor der Übernahmeentscheidung mit der bisher in der Sache
ermittelnden Landesstaatsanwaltschaft über den
zuständigen Generalstaatsanwalt ins Benehmen zu setzen (vgl.
auch BGHSt 45, 26 für den umgekehrten Fall, daß ein
Landgericht beabsichtigt, ein zu ihm angeklagtes Verfahren wegen
Vorliegens eines Staatsschutzdelikts nach § 120 Abs. 1 GVG an
den Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts zu verweisen). Erhebt der
Generalbundesanwalt Anklage, bestimmt er damit auch das zur Aburteilung
berufene Gericht. Ein derartiger Einfluß des
Generalbundesanwaltes auf die Person des gesetzlichen Richters kann vor
Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur Bestand haben, wenn das gesetzliche
Zuständigkeitsmerkmal der besonderen Bedeutung des Falles als
unbestimmter Rechtsbegriff verstanden wird. Diesen Rechtsbegriff hat
der Generalbundesanwalt bei Prüfung der Übernahme des
Verfahrens auszulegen und die Umstände des konkreten Falles
darunter zu subsumieren. Ist danach die besondere Bedeutung zu bejahen,
hat er die Sache an sich zu ziehen. Die Übernahme ist
zwingend, unterliegt jedoch der Nachprüfung durch die Gerichte
(vgl. BVerfGE 9, 223, 229 zu § 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG a. F. =
§ 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG n. F.). Demgemäß
sieht § 120 Abs. 2 Satz 2 GVG ausdrücklich vor,
daß die Oberlandesgerichte, wenn sie im Gegensatz zum
Generalbundesanwalt die besondere Bedeutung des Falles verneinen, die
Sache bei Eröffnung des Hauptverfahrens an das
zuständige Amts- oder Landgericht verweisen und damit an die
Landesjustiz zurückgeben.
Bejaht das Oberlandesgericht bei Zulassung der Anklage die besondere
Bedeutung des Falles, unterliegt dies nach den unter 1. dargestellten
Grundsätzen der rechtlichen Überprüfung
durch das Revisionsgericht darauf, ob das Oberlandesgericht bei der
Auslegung dieses Rechtsbegriffs die zutreffenden rechtlichen
Maßstäbe angelegt hat.
cc) Nach den unter aa) dargestellten Maßstäben hat
das Oberlandesgericht bei Zulassung der Anklage die besondere Bedeutung
des Falles rechtsfehlerfrei bejaht.
Zwar ist das Tötungsverbrechen der Angeklagten im
Versuchsstadium steckengeblieben. Die mit äußerster
Brutalität und aus menschenverachtender Motivation begangene
Tat hat jedoch zu schwerwiegenden Verletzungen und bleibenden Folgen
bei den Nebenklägern geführt. Der
Nebenkläger V. schwebte in ernster Lebensgefahr und war nur
durch eine Notoperation zu retten. Die Grenze zur Vollendung der Tat
war somit unmittelbar erreicht. Nach den gesamten Umständen
wiegt das Ausmaß der Verletzung der individuellen
Rechtsgüter der Tatopfer durch die Angeklagten daher besonders
schwer.
Die Tat der Angeklagten war durch deren rechtsradikale,
ausländerfeindliche Einstellung motiviert und geschah vor dem
Hintergrund ihrer Einbindung in jedenfalls örtlich gefestigte
rechtsradikale Strukturen. Solche Strukturen haben in den letzten
Jahren schon in einer Vielzahl von Fällen den Hintergrund
für Straftaten gegen Ausländer gebildet. Diese
fremdenfeindlichen Delikte haben in der gesamten Bevölkerung
Aufsehen, aber auch Verunsicherung hervorgerufen, insbesondere aber
unter den hier lebenden Ausländern zu einem allgemeinen
Gefühl der Bedrohung geführt und ihr Vertrauen in den
staatlichen Schutz vor fremdenfeindlichen Übergriffen
erschüttert. Sie haben auch weites Interesse im Ausland
gefunden und dem dortigen Ansehen der Bundesrepublik schweren Schaden
zugefügt. Es liegt daher im zentralen Interesse der
Bundesrepublik, die sich bundesweit zunehmend verfestigenden
rechtsradikalen Strukturen und die aus ihnen heraus begangenen
Straftaten in effektiver Weise aufzuklären, um weitere
einschlägige Straftaten wirksam bekämpfen zu
können. Da rechtsradikale Strukturen
länderübergreifend anzutreffen sind und aus ihnen
heraus begangene Straftaten im gesamten Bundesgebiet zugenommen haben,
ist hierfür das Eingreifen des Generalbundesanwaltes als
zentrales Ermittlungsorgan in besonderer Weise geeignet. Die Tat der
Angeklagten reiht sich in die bundesweite Serie fremdenfeindlicher
Straftaten ein. Ihrem Angriff auf die innere Sicherheit der
Bundesrepublik kommt daher die Bedeutung zu, die das Eingreifen der
Strafverfolgungsorgane des Bundes rechtfertigt.
Dem steht auch nicht entgegen, daß es sich bei den
Angeklagten um Jugendliche bzw. Heranwachsende handelt. Der Gesetzgeber
hat in § 102 Satz 1, § 112 Satz 1 JGG
ausdrücklich bestimmt, daß die
Zuständigkeit der Jugendgerichte hinter diejenige der
Oberlandesgerichte zurücktritt (kritisch hierzu Eisenberg NStZ
1996, 263 ff.). Der Umstand, daß es sich bei den Angeklagten
um Jugendliche oder Heranwachsende handelt, kann daher allein bei der
Beurteilung der Frage Berücksichtigung finden, ob dem Fall
besondere Bedeutung im Sinne des § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GVG
zukommt. Daß ihm das Oberlandesgericht insoweit keinen
entscheidenden Einfluß zumaß, ist aus
Rechtsgründen indessen nicht zu beanstanden.
3. Die Revisionen der Angeklagten sind daher zu verwerfen.
Kutzer Rissing-van Saan Miebach
Winkler Becker |