BGH,
Urt. v. 22.3.2006 - 5 StR 38/06
5 StR 38/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 22.3.2006
in der Strafsache
gegen 1. 2. 3. 4. 5.
wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der
Hauptverhandlung vom 21. und 22.03.2006, an der teilgenommen haben:
Richter Häger als Vorsitzender, Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum, Richter Dr. Brause, Richter Schaal als beisitzende
Richter, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt G. als Verteidiger für den
Angeklagten A. , Rechtsanwalt P. als Verteidiger für den
Angeklagten S. , Rechtsanwalt K. als Verteidiger für den
Angeklagten M. , Rechtsanwalt E. als Verteidiger für den
Angeklagten B. ,
- 3 -
Rechtsanwalt Pa. als Verteidiger für den Angeklagten St. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 4 -
in der Sitzung vom 22.03.2006 für Recht erkannt: Auf die
Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 19. August 2005 in den Schuldsprüchen insoweit
abgeändert, dass 1. der Angeklagte A. des schweren
Bandendiebstahls in vier Fällen (Fälle 1, 2, 8, 9 der
Urteilsgründe) und des versuchten schweren Bandendiebstahls
(Fall 4), 2. der Angeklagte S. des schweren Bandendiebstahls in
dreizehn Fällen (Fälle 1, 2, 5, 8, 9, 13, 27, 30, 37
bis 41) und des versuchten schweren Bandendiebstahls (Fall 4), 3. der
Angeklagte M. des schweren Bandendiebstahls in dreizehn Fällen
(Fälle 1, 2, 8, 9, 13, 30, 37 bis 41, 43, 44) und des
versuchten schweren Bandendiebstahls (Fall 42), 4. der Angeklagte B.
des schweren Bandendiebstahls in zwölf Fällen
(Fälle 2, 9, 13, 26, 27, 38 bis 41, 43 bis 45) und des
versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen
(Fälle 42, 46), 5. der Angeklagte St. des schweren
Bandendiebstahls in acht Fällen (Fälle 26, 27, 38 bis
40, 43 bis 45) und des versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei
Fällen (Fälle 42, 46) schuldig sind.
- 5 -
Die weitergehenden Revisionen werden verworfen. Die Staatskasse
trägt die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten
hierdurch entstanden notwendigen Auslagen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten unter anderem wegen einer Vielzahl
von gemeinschaftlich begangenen Diebstahlstaten in besonders schweren
Fällen, davon in einigen Fällen auch wegen Versuchs,
zu Jugendstrafen zwischen zwei Jahren sowie vier Jahren und sechs
Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützten
Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen beanstandet wird, dass die
Strafkammer in den Fällen 1, 2, 4, 5, 8, 9, 13, 26, 27, 30 und
37 bis 46 der Urteilsgründe keinen Bandendiebstahl bzw.
schweren Bandendiebstahl gemäß § 244 Abs. 1
Nr. 2, § 244a Abs. 1 StGB angenommen hat, führen zu
einer Änderung der Schuldsprüche; sie bleiben aber im
Übrigen ohne Erfolg. I. Nach den Feststellungen waren die
Angeklagten B. , M. , A. und S. seit Jahren eng miteinander befreundet.
Im Spätsommer 2004 schloss sich der mit B. bekannte St. der
Freundesgruppe an, die sich regelmäßig bei dem
Angeklagten A. traf. Bei diesen Treffen wurden gemeinsam
größere Mengen Cannabis und gelegentlich auch Kokain
und Ecstasy konsumiert. Keiner der Angeklagten ging einer legalen
Erwerbstätigkeit nach, sie alle lebten entweder von
öffentlichen Mitteln 2
- 6 -
oder vom elterlichen Taschengeld. Da sie jedoch nicht nur für
den Konsum von Drogen, sondern auch für teure Markenkleidung
und für den Besuch von Kinovorstellungen und Diskotheken
erhebliche Geldbeträge benötigten, wollten sie sich
durch Diebstahlstaten eine nicht nur vorübergehende
Einnahmequelle verschaffen. Zu diesem Zweck versteckten sie
Einbruchswerkzeuge (Schraubendreher und Brecheisen) in Wohnungen oder
öffentlichen Parkanlagen, auf die jeder der Angeklagten bei
Bedarf Zugriff hatte. Es gab auch für jeden der Angeklagten
zugängliche Keller, in denen das Beutegut versteckt wurde, das
stets zu gleichen Teilen unter den jeweiligen Tätern
aufgeteilt wurde. An den einzelnen Taten beteiligten sich stets nur
diejenigen Personen, die gerade anwesend waren, als ein Einbruch
geplant wurde, bzw. diejenigen, „die Zeit und Lust hatten
bzw. Geld brauchten“. Einige Taten wurden auch unter
Mitwirkung gruppenfremder Personen begangen. In der Zeit vom 13. Juni
2004 bis 7. Februar 2005 kam es neben anderen Straftaten in den 20 von
der Staatsanwaltschaft benannten Fällen zu Einbrüchen
oder Einbruchsversuchen in Gaststätten,
Geschäftsräume, Keller oder Arztpraxen, wobei in der
Regel drei oder vier der Angeklagten am Tatort agierten. In sieben
Fällen begingen jeweils zwei der Angeklagten mit unbekannten
oder gesondert verfolgten Personen die Taten. Das Landgericht hat in
den genannten Fällen das Vorliegen eines Bandendiebstahls bzw.
eines schweren Bandendiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 2,
§ 244a Abs. 1 StGB ausgeschlossen, da eine Bandenabrede im
Sinne dieser Vorschriften nicht festzustellen sei. Es habe weder eine
ausdrückliche, noch eine stillschweigende oder
schlüssige Bandenabrede zwischen den Angeklagten gegeben. Die
mittäterschaftliche Begehung einer Vielzahl von gleichartigen
Straftaten begründe nur dann eine
bandenmäßige Begehung, wenn ein entsprechender Wille
zur Bindung für die Zukunft und für eine gewisse
Dauer bei den Tätern gegeben sei. Ein solcher Wille zur
dauerhaften Einbindung habe nicht vorgelegen, da die Angeklagten die
Taten je nach Lust und Zeit in wechselnder Beteiligung begangen
hätten und die jeweiligen Taten auf stets neu gefassten
einzelnen Entscheidungen der jeweils an der 3
- 7 -
Tat beteiligten Personen beruht hätten. Dementsprechend
hätten auch nur die jeweils an der Tat Beteiligten einen
Anteil an der Beute erhalten, während die an der konkreten Tat
unbeteiligten Angeklagten daran nicht partizipiert hätten. Der
fehlende Bindungswille erschließe sich auch daraus, dass es
den Angeklagten jederzeit und ohne Weiteres möglich gewesen
wäre, von weiteren Taten ohne Erschwerung durch die anderen
Angeklagten Abstand zu nehmen. II. Die Revisionen der
Staatsanwaltschaft führen zu einer Änderung der
Schuldsprüche. Zu Recht beanstandet die
Beschwerdeführerin, die Strafkammer habe zu hohe Anforderungen
an die gesetzlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer
Bande im Sinne der § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244a Abs. 1
StGB gestellt. 4 5 Ein bandenmäßiger Zusammenschluss
mehrerer Personen im Sinne der genannten Vorschriften setzt lediglich
voraus, dass sich diese mit dem Willen verbunden haben,
künftig für eine gewisse Dauer mehrere
selbständige im Einzelnen noch ungewisse Straftaten der im
Gesetz beschriebenen Art zu begehen (BGHSt - Großer Senat
für Strafsachen - 46, 321, 329 f.; BGHSt 47, 214, 215, 216;
BGH NStZ 2002, 375; BGH StV 2005, 555, 556). Die Bande unterscheidet
sich danach von der Mittäterschaft durch das Element der auf
eine gewisse Dauer angelegten Verbindung mehrerer Täter zu
zukünftiger gemeinsamer Deliktsbegehung. Der Begriff der Bande
setzt weder eine gegenseitige Verpflichtung der Mitglieder zur Begehung
bestimmter Delikte noch die Bildung einer festen Organisation voraus.
Ein in diesem Sinne „verbindlicher Gesamtwille“
oder ein „Tätigwerden in einem
übergeordneten Bandeninteresse“ ist nach der
Rechtsprechung nicht (mehr) erforderlich (vgl. BGHSt 46, 321, 325).
- 8 -
Ein bandenmäßiger Zusammenschluss ergibt sich hier
insbesondere daraus, dass die seit langem miteinander befreundeten
Angeklagten regelmäßig größere
Geldbeträge für ihre kostspielige
Lebensführung benötigten und deshalb
übereinkamen, sich diese durch fortlaufende Diebstahlstaten im
Sinne einer nicht nur vorübergehenden Einnahmequelle zu
verschaffen. Zu diesem Zweck hatten sie für den Fall, dass
eine neue Tat begangen werden sollte, durch das Verbergen von
Einbruchswerkszeugen an verschiedenen, jedem Angeklagten
zugänglichen Orten und das Bereithalten von Verstecken
für die zu erwartende Tatbeute Vorsorge getroffen. Schon im
Hinblick auf diese Maßnahmen liegt es nahe, dass jede Tat in
ihrem Ursprung auf einem gemeinsamen Grundkonsens beruhte, was nicht
ausschließt, dass die einzelne Tat - als Ausfluss des
gemeinsamen Willens zur Begehung von Straftaten - jeweils einem neuen
Tatentschluss entsprang (vgl. BGH, Beschluss vom 17.01.2006 - 4 StR
595/05). Für einen übereinstimmenden Willen, sich
zusammenzutun, um künftig und über eine gewisse Dauer
Diebstahlstaten zu begehen, sprechen schließlich auch die
Anzahl der Täter, die Vielzahl der verübten Taten und
der beträchtliche Tatzeitraum (vgl. BGH StV 2005, 555, 556). 6
Der vom Landgericht für seine Auffassung herangezogene
Umstand, dass die Diebstähle je nach Lust, Zeit und aktuellem
Geldbedarf in stets wechselnder Beteiligung begangen wurden, mag - wie
die Beschwerdeführerin zutreffend anmerkt -
möglicherweise jugendtypisch sein, steht aber der Annahme
einer Bande nicht entgegen, da nicht stets alle Bandenmitglieder an den
Taten teilnehmen müssen. Dass nur diejenigen, die an den
jeweiligen Taten beteiligt waren, die Tatbeute erhielten, ist ebenfalls
nicht von entscheidender Bedeutung, da die Art und Weise der Verteilung
des Diebesgutes auch in einer Bande vom egoistischen Beute- und
Gewinnstreben der einzelnen Mitglieder bestimmt sein kann (vgl. BGHSt
46, 321, 330). Schließlich kann auch aus dem Fehlen
„mafiöser“ Strukturen kein Argument gegen
die Annahme einer Bande hergeleitet werden (vgl. BGH StV 1998, 599). 7
- 9 -
Die Änderung der Schuldsprüche kann der Senat selbst
vornehmen, weil nicht ersichtlich ist, wie sich die Angeklagten
hiergegen hätten anders verteidigen können, zumal da
in fast allen Fällen die Taten schon als entsprechend
qualifizierte Delikte angeklagt waren. Danach liegt in den von der
Beschwerdeführerin benannten Fällen jeweils ein
schwerer Bandendiebstahl bzw. in den Fällen 4, 42 und 46 ein
versuchter schwerer Bandendiebstahl (§ 244a Abs. 1 Nr. 2
i.V.m. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, §§
22, 23 StGB) vor. III. Einer Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es
gleichwohl nicht, weil der Senat ausschließen kann, dass sich
die fehlerhafte Verneinung einer Bande auf die verhängten
Jugendstrafen ausgewirkt hat. Die Strafzumessungserwägungen
der Jugendkammer enthalten für sich auch keinen Rechtsfehler
zum Vorteil der Angeklagten. Infolge der rechtsfehlerfreien Anwendung
von Jugendstrafrecht bleibt der Strafrahmen (§§ 18
Abs. 1, 105 Abs. 1 und Abs. 3 JGG) von der
Schuldspruchänderung unberührt. Doch selbst die
Berücksichtigung der gesetzlichen Bewertung des Tatunrechts
durch die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts hätte hier
bei Annahme eines schweren Bandendiebstahls nicht zu höheren
Strafen gedrängt. Für schweren Bandendiebstahl und
für Diebstahl in einem besonders schweren Fall sieht das
Gesetz dieselbe Höchststrafe vor, nur das Mindestmaß
unterscheidet sich. Die Strafkammer hat hinsichtlich jedes der
Angeklagten eine umfassende und sorgfältige
Gesamtwürdigung aller für die Strafzumessung im
Jugendstrafverfahren relevanten Gesichtspunkte vorgenommen und sowohl
dem Erziehungsgedanken als auch dem Gebot eines gerechten
Schuldausgleichs Rechnung getragen. Dabei hat sie das gravierende
Tatbild der Diebstahlshandlungen und die gemeinschaftliche
Begehungsweise ausdrücklich gewürdigt und jeweils zu
Lasten der Angeklagten berücksichtigt und für jeden
Angeklagten die danach angemessene, durchaus nicht milde Strafe
gefunden. 8
- 10 -
IV. Die umfassende Überprüfung des angefochtenen
Urteils (§ 301 StPO) hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der
Angeklagten ergeben. 9
Häger Gerhardt Raum Brause Schaal |