BGH,
Urt. v. 22.3.2006 - 5 StR 475/05
5 StR 475/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 22.3.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
22.03.2006, an der teilgenommen haben: Richter Häger als
Vorsitzender Richterin Dr. Gerhardt, Richter Dr. Raum, Richter Dr.
Brause, Richter Schaal als beisitzende Richter, Bundesanwalt als
Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt: Die Revisionen des Angeklagten und der
Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Görlitz
vom 17. Februar 2005 werden verworfen. Die Staatskasse trägt
die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem
Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen. Der Angeklagte
trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue zu einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und die
Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Im
Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Gegen seine
Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner
unbeschränkt eingelegten Revision. Die Staatsanwaltschaft
greift mit ihrem Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten
wird, nur den Rechtsfolgenausspruch an. Beide Rechtsmittel bleiben ohne
Erfolg. 1 I. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der
Angeklagte Alleingesellschafter und -geschäftsführer
der R. S. M. GmbH (im Folgenden: RSM), die wiederum sämtliche
Anteile von zwei Toch-2
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tergesellschaften hielt. Der Angeklagte überwies am 13. Januar
2004 von dem bei der Commerzbank in Dresden geführten
Geschäftskonto der RSM 483.000 € auf sein ebendort
geführtes Privatkonto. Während er 30.000 €
wieder auf das Geschäftskonto zurückleitete, erwarb
er für ca. 300.000 € Wertpapiere, transferierte einen
Teil der Gelder auf ein weiteres Privatkonto bei der Sparkasse Mainz
und hob den Rest des Betrages in bar ab. Noch Ende Januar
veräußerte er sämtliche
Geschäftsanteile der RSM, über deren
Vermögen am 6. Januar 2005 das Insolvenzverfahren
eröffnet wurde, für 1 € an den in Spanien
ansässigen N. . II. Die Revisionen des Angeklagten und der
Staatsanwaltschaft sind unbegründet. 3 1. Das angefochtene
Urteil lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
erkennen. 4 a) Das Landgericht hat den Tatbestand der Untreue
rechtsfehlerfrei bejaht. Es ist nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass auch der
Alleingesellschafter und -geschäftsführer einer GmbH
dann Untreue begeht, wenn er die Existenz der Gesellschaft
gefährdet, indem er ihr die für ihren Fortbestand
benötigten Mittel entzieht (BGHSt 49, 147, 157; BGH NJW 2003,
2996, 2998). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Das
Landgericht hat hinreichend konkret die Vermögenssituation der
Gesellschaft zum Zeitpunkt der Entnahme der Gelder belegt. Damals
bestanden Verbindlichkeiten gegenüber Banken sowie Lieferanten
in Höhe von über einer Million €, die durch
anderweitige Vermögenswerte nicht abgedeckt waren. 5 b)
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist das
Landgericht zu Recht von einem Untreuevorsatz ausgegangen. Dieser liegt
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bei einer solchen Fallkonstellation nahe, weil der Angeklagte die
freien Gelder der Gesellschaft weitgehend in sein
Privatvermögen überführt hat. Soweit der
Angeklagte im Revisionsverfahren vorträgt, er habe mit den
entnommenen Geldern Verbindlichkeiten der Gesellschaft begleichen
wollen, widerspricht dies den Urteilsfeststellungen. Im
Übrigen ist - entgegen der Auffassung der Revision - dieser
Gesichtspunkt für die Beurteilung des Untreuetatbestands
ebenso unerheblich wie eine persönliche Haftung des
Angeklagten für Kredite der RSM. Entscheidend ist für
die hier die Untreue begründende Entnahme, dass der Angeklagte
der Gesellschaft wesentliche Vermögenswerte entzogen und so
die den Gläubigern zur Verfügung stehende
Haftungsmasse der nicht mehr lebensfähigen Gesellschaft
verkürzt hat. 2. Die Revision der Staatsanwaltschaft zeigt
keinen Rechtsfehler auf. 7 a) Ohne Rechtsverstoß konnte das
Landgericht zu Gunsten des Angeklagten würdigen, dass er durch
die Insolvenz der Gesellschaft seine wirtschaftliche Existenz verloren
hat. Zwar dürfen Ersatzansprüche von
Geschädigten aus der Straftat nicht mildernd
berücksichtigt werden, weil sie eine typische und
vorhersehbare Folge der Tat sind (BGH wistra 2005, 458). Im
vorliegenden Fall gehen jedoch die Tatfolgen für den
Betroffenen durch die Insolvenz und seine persönliche
Inanspruchnahme für Kreditverbindlichkeiten in ihrer
wirtschaftlichen Dimension über den bloßen
Untreueschaden hinaus. Dies durfte das Landgericht, das diesem Umstand
im Übrigen kein besonderes Gewicht beigemessen hat, als
Strafmilderungsgrund heranziehen. 8 b) Entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin hat das Landgericht nicht nur mildernde
Gesichtspunkte berücksichtigt. Zwar führt es - formal
gesehen - nur mildernde Gesichtspunkte auf, setzt diese ersichtlich
aber in Beziehung zu dem als strafschärfend gewerteten
Gesichtspunkt der 9
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Schadenshöhe. Das Landgericht hat den dem Unternehmen
zugefügten Vermögensnachteil in Höhe von
483.000 € als Vermögensverlust großen
Ausmaßes angesehen und das Regelbeispiel nach § 263
Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 266 Abs. 2 StGB angenommen. Damit
hat es den beträchtlichen Schaden schon durch die Wahl des
Strafrahmens berücksichtigt. Das Landgericht hat die
Schadenshöhe aber noch zusätzlich innerhalb des
Strafrahmens des besonders schweren Falls inzident schärfend
herangezogen. Dies ergibt sich aus dem Gesamtkontext der
Strafzumessungserwägungen und insbesondere daraus, dass die
Strafkammer die Schadenshöhe rechtsfehlerfrei aufgrund der
später erfolgten Sicherstellung von 150.000 €
relativiert hat. Die verhängte Strafe ist zwar mild, sie ist
aber nicht unvertretbar niedrig, so dass - entgegen der Auffassung der
Staatsanwaltschaft - kein zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
nötigender Rechtsfehler vorliegt. 10
Häger Gerhardt Raum Brause Schaal |