BGH,
Urt. v. 22.5.2003 - 5 StR 520/02
5 StR 520/02
AO § 370 Abs. 1 Nr. 1; UStG § 2 Abs. 1
Eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO begeht,
wer in Steuerverkürzungsabsicht Vorsteuer aus Rechnungen
geltend macht, die von Personen gestellt werden, die nicht Unternehmer
im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG sind.
Keine Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne sind Personen, die von
ihnen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht gegenüber dem Finanzamt
anmelden sollen, und die lediglich zu diesem Zweck in der Lieferkette
vorgeschaltet wurden.
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 22. Mai 2003
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 22.
Mai 2003, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger, Richter Dr. Raum, Richter Dr. Brause, Richter
Schaal als beisitzende Richter, Bundesanwalt als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten
Schuster, Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten Haardt,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Limburg a. d. Lahn vom 29. April 2002 wird hinsichtlich
des Angeklagten S mit der Maßgabe verworfen, daß
dieser wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen verurteilt
ist.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird - unter Verwerfung
ihrer Revision im übrigen - das vorgenannte Urteil
bezüglich des Angeklagten H mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Untreue in 41 Fällen verurteilt
wurde;
b) im Gesamtstrafausspruch.
3. Die Staatskasse trägt die Kosten des Revisionsverfahrens
und die den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des
Verfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten S wegen Beihilfe zur
Steuerhinterziehung in sechs Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, den Angeklagten H wegen Untreue
in 41 Fällen sowie Steuerhinterziehung in 17 Fällen,
davon in elf Fällen in Tateinheit mit
Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem
Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der
Freiheitsstrafen hat das Landgericht bei beiden Angeklagten zur
Bewährung ausgesetzt. Die gegen das Urteil zu Ungunsten der
Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben im
wesentlichen erfolglos. Im übrigen hat das Rechtsmittel
zugunsten des Angeklagten H in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen
Umfang Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte S , der
zunächst als freier Mitarbeiter der U H GmbH (im folgenden: U
) mit dem Einkauf von elektronischen Bauteilen (hier: Central
Processing Units - CPUs) betraut war, ab August 1996 in diesem
Unternehmen die Stellung eines Geschäftsführers inne.
Auf Rechnung der U kaufte der Angeklagte S von dem anderweit verfolgten
Zeugen He über dessen Unternehmen C und Co solche CPUs in
großem Ausmaß. Die U finanzierte dem Zeugen He die
Bestellungen vor, die dieser als innergemeinschaftliche Lieferung
umsatzsteuerfrei aus dem EU-Ausland einführte. Dem Angeklagten
S war dabei bewußt, daß He die CPUs an U zwar mit
Umsatzsteuerausweis verkaufte, seinerseits aber keine
Umsatzsteuervoranmeldungen abgab. Dies geschah in Absprache mit dem
Angeklagten S , der die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer
für die U als Vorsteuer geltend machte. Ihm kam es darauf an,
die Ware durch diese Vorgehensweise um den Umsatzsteueranteil zu
verbilligen. Den Vermögensvorteil, der durch die nicht
angemeldete und nicht abgeführte Umsatzsteuer entstand,
teilten sich Hembsch, der hiervon 70 % erhielt, und der Angeklagte
Schuster. Hierdurch erzielte der Angeklagte S insgesamt einen - von den
Beteiligten sogenannten - "Umsatzsteuergewinn" in Höhe von ca.
1 Million DM. Der Angeklagte S veräußerte die CPUs
überwiegend an die vom Angeklagten H geführte H P C
und V GmbH (HP ), deren Gesellschafter der Angeklagte H und dessen
Ehefrau waren. Der HP gegenüber stellte der Angeklagte S
Rechnungen mit Mehrwertsteuerausweis. Die HP machte die ausgewiesene
und von ihr bezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Der Angeklagte
H verkaufte über sein Unternehmen die CPUs dann an
verschiedene Abnehmer, unter anderem auch an die
niederländische Ha . Das Landgericht hat sich nicht davon
überzeugen können, daß der Angeklagte H
Kenntnis davon hatte, daß der Angeklagte S die CPUs vom He
bezog und dieser keine entsprechenden Umsatzsteueranmeldungen abgegeben
hatte.
Den Angeklagten S hat es wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung des He
verurteilt, weil dieser in den Monaten Juli bis Dezember 1996 keine
Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben und dadurch ca. 15 Millionen DM
Steuern verkürzt hatte. Eine eigene Täterschaft bei
der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen der U durch den Angeklagten S
scheide aus, weil dieser berechtigt die ausgewiesene Umsatzsteuer als
Vorsteuer in Abzug gebracht habe. Unabhängig davon, ob He
für die C.S. die ausgewiesene Umsatzsteuer angemeldet habe,
habe er als Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne der U die Ware
verschafft.
Der Angeklagte H hatte nach den Feststellungen des Landgerichts in 39
Fällen Zahlungen an die Einkäufer Ho (M in Dreieich)
und N (J in Raunheim) geleistet, die aus einem vorher zu Lasten ihres
Arbeitgebers getätigten Preisaufschlag gezahlt wurden. Um
selbst aus dem Vermögen der GmbH seinen Anteil entnehmen zu
können, erstellte der Angeklagte H entsprechende
Provisionsabrechnungen, die teilweise über die Summe der
Preisaufschläge hinausgingen. Insgesamt fertigte er in 39
Fällen Provisionsabrechnungen in Höhe von ca. 275.000
DM. Weiterhin ließ sich der Angeklagte vom Zeugen B zwei
Scheinrechnungen - unter Ausweis der Umsatzsteuer - in Höhe
von brutto 138.000 DM und 172.500 DM über Beratungs- und
Vermittlungsleistungen ausstellen, die B tatsächlich nicht
erbracht hatte. Der Zeuge B erhielt hierfür eine Provision in
Höhe von 10 % der Rechnungssumme. Diese Gelder entnahm der
Angeklagte H dem Gesellschaftsvermögen. Diese vorgenannten
Entnahmen aus dem Vermögen der HP GmbH hat das Landgericht als
jeweils tatmehrheitlich begangene Untreuehandlungen zu Lasten der HP
GmbH gewertet.
Die Belege über die vorgenannten Entnahmen, die
sämtlich mit einem Umsatzsteuerausweis versehen waren,
verwandte der Angeklagte H , indem er hieraus Vorsteuern geltend
machte. Dadurch verkürzte er seine Umsatzsteuerlast. Weiterhin
legte er in elf Fällen seinen Umsatzsteueranmeldungen
Quittungen bei, in denen er in der Absicht, Umsatzsteuer zu
verkürzen, die ausgewiesenen Beträge durch
Manipulation am Beleg erhöht hatte. Insoweit hat ihn das
Landgericht wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen in
Tateinheit mit Urkundenfälschung in elf Fällen
verurteilt.
II.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben, soweit sie zu Ungunsten
der Angeklagten eingelegt wurden, im wesentlichen ohne Erfolg.
Die drei von der Staatsanwaltschaft erhobenen
Aufklärungsrügen sind jedenfalls schon deshalb
unzulässig, weil sich ihnen jeweils keine bestimmte
Beweisbehauptung entnehmen läßt. Insoweit
beschränken sich die Rügen darauf, lediglich
allgemeine Ermittlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
1. Hinsichtlich des Angeklagten S führt die Revision der
Staatsanwaltschaft zu einer Änderung des Schuldspruchs.
a) Ohne Rechtsfehler geht das Landgericht allerdings davon aus,
daß hinsichtlich der von dem Zeugen H begangenen
Umsatzsteuerhinterziehungen keine Mittäterschaft des
Mitangeklagten S vorliegt.
Zwar ist eine Mittäterschaft bei Steuerhinterziehungen Dritter
nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO grundsätzlich
möglich, weil Täter auch derjenige sein kann, den
selbst keine steuerlichen Pflichten treffen (BGHSt 38, 37, 41; BGH NStZ
1986, 463). Etwas anderes gilt aber für den echten
Unterlassenstatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs.
1 Nr. 2 AO. Danach macht sich strafbar, wer die Finanzbehörden
über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis
läßt, insbesondere indem er es
unterläßt, eine Steuererklärung abzugeben,
und dadurch Steuern verkürzt. Täter kann deshalb nur
derjenige sein, den die konkrete Pflicht zur Abgabe der Steueranmeldung
trifft (vgl. auch Gribbohm/Utech NStZ 1990, 209, 211). Hinsichtlich der
Firmen, für die der Zeuge H handelte, traf
ausschließlich ihn die steuerrechtliche Pflicht zur Abgabe
entsprechender Umsatzsteueranmeldungen.
b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet jedoch die Auffassung
des Landgerichts, der Angeklagte S habe die der U in Rechnung gestellte
Umsatzsteuer als Vorsteuer in Abzug bringen dürfen.
aa) Eine - hier allein in Betracht kommende - Vorsteuererstattung nach
§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt voraus, daß in
Rechnungen im Sinne des § 14 UStG eine Steuer gesondert
ausgewiesen ist für Lieferungen, die von einem anderen
Unternehmen für das Unternehmen des Vorsteuerberechtigten
ausgeführt wurden. Demnach müßte zwischen
dem Lieferanten und dem Empfänger ein Leistungsaustausch
stattgefunden haben, mithin der Verurteilte H als Unternehmer im Sinne
des § 2 Abs. 1 UStG geliefert haben. Zwar ist Unternehmer
grundsätzlich derjenige, der nach außen als
Leistender aufgetreten und aus dem Rechtsverhältnis berechtigt
und verpflichtet ist. Etwas anderes gilt aber dann, wenn ein
vorgeschobenes Strohmanngeschäft vorliegt und die Parteien
davon ausgehen, daß die Rechtswirkungen des
Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen eintreten sollen (BFHE
198, 208, 213; vgl. auch Klenk in Sölch/Ringleb, UStG 48. Lfg.
§ 2 Rdn. 225 f.). Dies gilt insbesondere in den
Fällen, in denen der Strohmann und der Dritte kollusiv
handeln. In solchen Kollusionsfällen bedient sich eine Seite
des Strohmanns für die Durchsetzung eigener wirtschaftlicher
Interessen.
Liegt eine solche Fallgestaltung vor, ist dieser Strohmann nur noch als
Hilfsperson dem Lager desjenigen zuzuordnen, in dessen Interesse er
handelt (vgl. Heidner in Bunjes/Geist, UStG 7. Aufl. § 2 Rdn.
13 m. w. N.). Entscheidend ist deshalb immer, ob nach dem Gesamtbild
der Umstände noch ein Verhalten "wie ein Händler"
angenommen werden kann (vgl. BFH BStBl II 1985, 173, 176; 1987, 752;
Heidner aaO Rdn. 7; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG
8. Aufl. § 2 Rdn. 303).
bb) Entgegen der Auffassung des Landgerichts fehlt dem Zeugen He eine
entsprechende eigene Unternehmerstellung; denn er war in die
Lieferkette nicht wie ein typischer Händler einbezogen. Auch
wenn die Bestellungen formell über ihn abgewickelt wurden,
bestand seine wesentliche Aufgabe darin, durch Hinterziehung der
Umsatzsteuer einen Gewinn zu ermöglichen. Er hatte weder ein
Kapitalrisiko zu tragen, weil ihm die Waren durch die U vorfinanziert
wurden, noch bestand ein wesentliches Abnahmerisiko, weil er nur auf
Bestellung des Angeklagten S handelte. Aus dessen Sicht war He
lediglich ein nach seinen Vorgaben funktionierendes Zwischenglied,
dessen alleinige Aufgabe es war, einen "Umsatzsteuergewinn" zu
erwirtschaften. Dieses ist aber gerade kein handelstypisches Verhalten.
War He somit als unselbständiger Strohmann dem Lager des
Angeklagten S zuzurechnen, fehlte ihm die Unternehmereigenschaft im
Sinne des § 2 Abs. 1 UStG. Lieferungen, die durch He an die U
erfolgten, unterlagen damit nicht dem Vorsteuerabzug. Da der Angeklagte
S die CPUs über seinen Strohmann He für die U als
steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nr. 1 lit. b
i. V. m. § 6a Abs. 1 UStG) erhielt, war zu Lasten der U keine
Umsatzsteuer entstanden, die Gegenstand einer Vorsteuererstattung
hätte sein können.
cc) In der Geltendmachung der Vorsteuer in den Umsatzsteueranmeldungen
liegt damit eine täterschaftliche Handlung der
Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Daß
der Angeklagte, dem es um den "umsatzsteuerlichen Gewinn" ging, dabei
auch vorsätzlich gehandelt hat, bedarf keiner näheren
Erläuterung. Eine Beihilfehandlung zur Steuerhinterziehung des
He kommt daneben nicht mehr in Betracht, weil dessen Handlung eine ihm
steuerlich zuzurechnende Vorbereitungshandlung für seine
eigene Steuerhinterziehung darstellte. Die steuerliche
Verkürzung realisierte sich allein durch den unberechtigten
Vorsteuerabzug der U , den der Angeklagte S bewirkt hat. Ein
weiterreichender selbständiger Steuerschaden ist durch das
Verhalten des He nicht entstanden.
dd) Den Schuldspruch kann der Senat hier selbst umstellen. Der
Angeklagte S war wegen täterschaftlicher Steuerhinterziehung
angeklagt. Die Frage der Unternehmerstellung im Sinne des § 2
Abs. 1 UStG war - wie die Urteilsgründe belegen - ein
zentraler Punkt der Erörterungen im landgerichtlichen
Verfahren. Vor diesem Hintergrund ist es auszuschließen,
daß sich der Angeklagte im Falle einer neuerlichen
Zurückverweisung anders hätte verteidigen
können als bislang geschehen.
c) Die Änderung des Schuldspruchs führt beim
Angeklagten S gleichwohl nicht zu einer Aufhebung des Strafausspruches.
Der Senat kann ausschließen, daß im Hinblick auf
die in den Urteilsgründen aufgeführten
Milderungsgründe und insbesondere aufgrund der dargestellten
Verfahrensverzögerung eine andere Strafe in Betracht kommt.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten H
beanstandet die unterbliebene Verurteilung wegen Steuerhinterziehung im
Zusammenhang mit der Abnahme der CPUs. Sie bleibt ohne Erfolg.
a) Die Auffassung der Beschwerdeführerin, im
Verhältnis zwischen der (vom Angeklagten S
repräsentierten) U und der vom Angeklagten H geleiteten HP
GmbH läge kein Liefervorgang im Sinne des § 15 Abs. 1
Nr. 1 UStG vor, trifft nicht zu. An einer Unternehmerstellung im Sinne
des § 2 Abs. 1 UStG bestehen in diesem Fall keine Zweifel. Sie
handelten die Preise aus und verhielten sich wie Kaufleute. Insoweit
waren sie beide Teil eines selbständigen Leistungsaustausches.
Allein der Umstand, daß der dem Angeklagten S vorgeschaltete
He kein Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne war, hat keinen
Einfluß auf das Verhältnis zwischen U und HP , weil
jede Leistungsbeziehung selbständig zu betrachten ist.
Die Unternehmereigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG mag
allerdings dann fehlen, wenn bloße Scheingeschäfte
abgewickelt werden, die letztlich nur auf einen "Umsatzsteuergewinn"
ausgerichtet sind. Im vorliegenden Fall hat das Landgericht jedoch nur
eine Kreislieferung in zwei Fällen festgestellt, wobei offen
geblieben ist, ob der Kreis sich bis zum Angeklagten H und dessen HP
geschlossen und er hiervon überhaupt Kenntnis erlangt hat.
b) Ohne Rechtsverstoß kommt das Landgericht nach einer
eingehenden und sorgfältigen Beweiswürdigung zu dem
Ergebnis, daß der Angeklagte H nicht in ein Gesamtsystem
eingebunden war, das auf die Verkürzung der Umsatzsteuer
ausgerichtet war, oder daß der Angeklagte H beim Ankauf der
CPUs hiervon zumindest Kenntnis erlangt hatte.
aa) Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel
eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen zu
verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatrichter.
Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht
regelmäßig hinzunehmen. Es ist ihm verwehrt, sie
durch eine eigene zu ersetzen oder sie nur deshalb zu beanstanden, weil
aus seiner Sicht eine andere Bewertung der Beweise näher
gelegen hätte. Das Revisionsgericht kann eine solche
Entscheidung im übrigen nur auf Rechtsfehler
überprüfen, insbesondere darauf, ob die
Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder
lückenhaft ist, die Beweismittel nicht ausschöpft,
Verstöße gegen Denkgesetze oder
Erfahrungssätze aufweist oder ob der Tatrichter
überspannte Anforderungen an die für eine
Verurteilung erforderliche Gewißheit gestellt hat
(ständige Rechtsprechung, vgl. BGHR StPO § 261
Beweiswürdigung 16; BGH NStZ-RR 2000, 171 f.).
bb) Diesen Anforderungen hält das landgerichtliche Urteil
stand.
(1) Die von der Beschwerdeführerin aufgeführten
Indiztatsachen hat das Landgericht gesehen und gewürdigt.
Soweit die Staatsanwaltschaft sich bei ihrer abweichenden Beurteilung
auf zwei nachgewiesene Warenkreisläufe stützt, kommt
diesem Umstand kein Beweiswert zu, weil das Landgericht nicht
feststellen konnte, daß gerade der Angeklagte H in diesen
Kreislauf einbezogen war. Vielmehr schließt das Landgericht
auf der Grundlage der Aussage des Zeugen W eine Lieferung der
markierten Kisten an H aus. Weshalb ein Telefongespräch des
Angeklagten S mit dem He , das der Angeklagte H mithören
konnte, Anhaltspunkte für dessen Kenntnis von
Umsatzsteuerhinterziehungen im Vorfeld der Handelskette geben
könnte, ist nicht zu erkennen.
(2) Dem Zusammenhang der Urteilsgründe läßt
sich auch mit hinreichender Sicherheit entnehmen, daß der
Tatrichter die gebotene Gesamtwürdigung (vgl. BGHR StPO
§ 261 Beweiswürdigung 11, 24 jeweils m. w. N.)
vorgenommen hat. Er stellt nämlich die den Angeklagten H
entlastenden Gesichtspunkte (ordnungsgemäße und
unauffällige Abwicklung der Geschäfte, die
entlastende Aussage des Mitangeklagten S sowie mittelbar auch des
Zeugen He , der nichts von einer kollusiven Einbindung des Angeklagten
H wußte) den jeweils belastenden Umständen
(Nichtregistrierung der eine Identifizierung ermöglichenden
Lotnummern der CPUs, günstige Preise, schneller Warenumschlag)
gegenüber. Unter Würdigung der jeweils für
und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte ist das
Landgericht dann zu der Wertung gelangt, daß die Einlassung
des Angeklagten nicht widerlegbar ist. Bei diesem Gang der
Prüfung ist auszuschließen, daß der
Tatrichter die belastenden Indizien nicht auch in ihrer Gesamtheit
gesehen und gewürdigt hat.
(3) Keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet
schließlich die vom Landgericht im Rahmen der
Beweiswürdigung benutzte und von der
Beschwerdeführerin beanstandete Wendung, es halte "die
Einlassung des Angeklagten für nicht widerlegbar". Zwar
dürfen nicht alle denkbaren Gesichtspunkte und vagen
Möglichkeiten, zu denen keine Feststellungen getroffen werden
können, zugunsten des Angeklagten berücksichtigt
werden (BGH NJW 2002, 2188, 2189; NStZ-RR 2002, 243; BGHR StPO
§ 261 Überzeugungsbildung 18, 22). Dies hat das
Landgericht indes ersichtlich auch nicht getan. Vielmehr
würdigt es die Umstände, die für und gegen
die Einlassung des Angeklagten H sprechen, wonach er keine Kenntnis von
den Umsatzsteuermanipulationen erlangt haben will. Mit der
Schlußfolgerung, die Einlassung des Angeklagten sei nicht
widerlegbar, wird lediglich zum Ausdruck gebracht, das Landgericht habe
sich keine sichere Überzeugung davon bilden können,
daß der Angeklagte - entgegen seinen Beteuerungen - doch von
den umsatzsteuerlichen Manipulationen seines Lieferanten Kenntnis hatte.
3. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die gemäß
§ 301 StPO hier zugunsten des Angeklagten H wirkt,
führt zur Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte H wegen
Untreue verurteilt worden ist.
a) Die Staatsanwaltschaft hat im Hinblick auf den Angeklagten H die
umfassende Aufhebung des landgerichtlichen Urteils beantragt. In ihrer
Begründung wendet sich die Revision allerdings allein gegen
die unterbliebene Verurteilung wegen Umsatzsteuerhinterziehung im
Zusammenhang mit dem Erwerb der CPUs über die U . Ob in der
Begründung eine teilweise Beschränkung des
Rechtsmittels zu sehen ist, bedarf keiner Entscheidung. Eine
Beschränkung wäre unwirksam, wenn es sich -
unabhängig davon, ob Tateinheit (§ 52 StGB) oder
Tatmehrheit (§ 53 StGB) vorliegt - um eine einheitliche Tat im
Sinne des § 264 StPO handeln würde. Wie der
Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, sind diese
Voraussetzungen hier erfüllt. Der aufgrund der Anklage zur
Aburteilung gestellte Lebenssachverhalt enthält alle damit
zusammenhängenden und darauf bezogenen Vorkommnisse, auch wenn
diese in der Anklageschrift nicht ausdrücklich
erwähnt sind (BGHSt 29, 288, 292 f.; NStZ 2001, 440).
Maßgeblich ist dabei, daß zwischen den eine
prozessuale Tat bildenden geschichtlichen Vorgängen unter
Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung ein
untrennbarer Zusammenhang besteht. Diese Voraussetzung ist hier schon
deshalb gegeben, weil die als Untreuehandlung ausgeurteilten Handlungen
zugleich den Gegenstand der Umsatzsteuerhinterziehung bildeten; denn
die zu Unrecht als Provisionen oder Beraterhonorare bezeichneten
Betriebsausgaben enthielten jeweils auch einen sachlich nicht
gerechtfertigten Umsatzsteuerausweis, den der Angeklagte bei seinen
monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen in Verkürzungsabsicht
als Vorsteuerabzug geltend machte. Da wiederum die von der
Staatsanwaltschaft angestrebte Verurteilung wegen der
Umsatzsteuerhinterziehungen im Zusammenhang mit dem Ankauf der CPUs
lediglich den Schuldumfang der bereits ausgeurteilten falschen
Umsatzsteueranmeldungen erhöhen würde, liegt zwischen
sämtlichen Handlungen ein derart untrennbarer Zusammenhang
vor, daß sie aufgrund ihrer Verzahnung insgesamt eine
einheitliche prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO bilden.
b) Die Verurteilungen wegen Untreue zum Nachteil der HP GmbH
gemäß § 266 StGB haben keinen Bestand.
Gesellschafter und Geschäftsführer der HP GmbH waren
der Angeklagte und seine Ehefrau. In der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes ist für den Alleingesellschafter
anerkannt, daß dieser ohne weiteres Vermögenswerte
aus der GmbH ziehen kann. Eine Grenze besteht insoweit, als das
Stammkapital nicht beeinträchtigt und insbesondere keine
Existenzgefährdung der Gesellschaft hierdurch
herbeigeführt werden darf (BGHSt 9, 203, 216; BGHR StGB
§ 266 Abs. 1 Nachteil 23, 37, 45). Dies gilt im
übrigen auch dann, wenn bei einer mehrgliedrigen
Kapitalgesellschaft sämtliche Gesellschafter einvernehmlich
handeln, selbst wenn die Entnahmen zum Zwecke der Steuerhinterziehung
verschleiert werden (BGHSt 35, 333, 336 f.; BGH NJW 2000, 154, 155 m.
Anm. Gehrlein S. 1089 f.).
c) Der neue Tatrichter wird demnach zu prüfen haben, ob die
Ehefrau des Angeklagten H als dessen Mitgesellschafterin die Entnahmen
gebilligt hat. Selbst wenn sich ein solches Einverständnis
nicht feststellen lassen sollte, hätte das Fehlen ihrer
Zustimmung allenfalls dann Bedeutung, wenn die Ehefrau des Angeklagten
H als verbliebene und alleingeschädigte Gesellschafterin
gemäß § 266 Abs. 2 StGB i.V.m. §
247 StGB fristgerecht einen Strafantrag gestellt hätte.
Unabhängig davon wird der neue Tatrichter feststellen
müssen, ob durch die Entnahmehandlungen des Angeklagten H das
Stammkapital der HP GmbH angegriffen oder deren Existenz
gefährdet worden ist. In diesem Falle käme es auf ein
Einverständnis seiner Mitgesellschafter nicht mehr an (BGH NJW
aaO).
Soweit eine Beihilfe zur Untreue der Zeugen N und Ho zu Lasten ihrer
Arbeitgeber in Betracht kommt, bezöge sich ein solcher
Tatvorwurf nicht auf die angeklagte Tat. Bei einer Beihilfe zu einer
Untreue der Zeugen N und Ho ist Tathandlung die Vereinbarung eines
Preisaufschlages, bei einer Untreue zu Lasten der HP GmbH ist die
Entnahme der Gelder Tathandlung. Beide Vorgänge stehen aber
nicht in einem so untrennbaren Zusammenhang, daß sie jeweils
als dieselbe prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO angesehen
werden müßten.
d) Die Aufhebung der Schuldsprüche wegen Untreue
führt zur Aufhebung des Gesamtstrafausspruches mit den
zugehörigen Feststellungen. Obwohl auch die Einsatzstrafe in
Wegfall gelangt, kann der Senat ausschließen, daß
die übrigen Einzelstrafen von dem Rechtsfehler
beeinflußt sind. Die insoweit zur Strafzumessung getroffenen
Feststellungen bleiben gleichfalls bestehen.
III.
Trotz der Teilaufhebung nach § 301 StPO sind die Rechtsmittel
der Staatsanwaltschaft im Sinne des Kostenrechts erfolglos (§
473 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Harms Häger Raum Brause Schaal
1
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