BGH,
Urt. v. 22.11.2000 - 3 StR 331/00
StGB § 222
Wer durch ein rechtswidriges Vorverhalten die Gefahr einer
tätlichen Auseinandersetzung mit tödlichem Ausgang
herbeigeführt hat, kann auch dann wegen fahrlässiger
Tötung bestraft werden, wenn er den zum Tode
führenden Schuß in Notwehr abgibt.
BGH, Urt. vom 22. November 2000 - 3 StR 331/00 - LG Kiel
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 331/00
vom
22. November 2000
in der Strafsache gegen
1.
2.
3.
wegen versuchter schwerer Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 8. November 2000 in der Sitzung am 22. November 2000, an denen
teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Kutzer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Winkler, Pfister, von
Lienen als beisitzende Richter, Bundesanwalt als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt für den Angeklagten G. ,
Rechtsanwalt für den Angeklagten S. , Rechtsanwalt
für den Angeklagten C. als Verteidiger - jeweils in der
Verhandlung vom 8. November 2000 -, Justizamtsinspektorin als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird
a) das Verfahren gegen den Angeklagten G. auf die nach Ausscheiden des
unerlaubten Erwerbs einer Schußwaffe und von Munition
verbleibenden Gesetzesverletzungen beschränkt;
b) das Urteil des Landgerichts Kiel vom 2. Februar 2000 im Schuldspruch
dahin geändert, daß verurteilt werden
- der Angeklagte G. wegen versuchter schwerer Körperverletzung
in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung, mit
unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt
über eine Schußwaffe, mit unerlaubtem
Führen derselben, mit unerlaubtem
Überlassen derselben an einen Nichtberechtigten und mit
unerlaubtem Überlassen von Munition an einen Nichtberechtigten,
- die Angeklagten C. und S. wegen versuchter schwerer
Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger
Tötung, mit unerlaubter Ausübung der
tatsächlichen Gewalt über eine Schußwaffe
und mit unerlaubtem Führen derselben,
sowie im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere - allgemeine - Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Körperverletzung mit
Todesfolge in Tateinheit mit versuchter schwerer
Körperverletzung sowie tatmehrheitlich (Angeklagter G. ) oder
in weiterer Tateinheit (die Angeklagten S. und C. ) wegen mehrerer
Vergehen gegen das Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun
Jahren und sechs Monaten (Angeklagter G. ) und zu Freiheitsstrafen von
acht Jahren (Angeklagter C. ) und von fünf Jahren (Angeklagter
S. ) verurteilt. Außerdem hat es gegen den Angeklagten S. auf
Maßregeln der Besserung und Sicherung erkannt und die
Tatwaffe, eine verkürzte Doppelflinte, eingezogen.
Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge in dem
aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Die
Verfahrensrügen sind aus den zutreffenden Gründen in
der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unzulässig oder
unbegründet.
I.
Nach den getroffenen Feststellungen erlitt der Angeklagte G. bei einer
Schlägerei, bei der auch der Angeklagte S. zugegen war,
erhebliche Verletzungen am linken Bein, die zwei langwierige
stationäre Behandlungen nach sich zogen und an deren Folgen in
Form von Schmerzen und Bewegungseinschränkungen der Angeklagte
noch im Zeitpunkt der späteren Tat litt. Für diese
Verletzungen hielt er das spätere Tatopfer M. für
verantwortlich, an dem er sich dadurch rächen wollte,
daß dieser ebenfalls verletzt werden sollte mit Folgen, wie
er sie selbst erlitten hatte. Dabei verfolgte er den Plan, M. die
beabsichtigten Verletzungen an den Beinen durch einen
Schrotschuß beibringen zu lassen. Er besprach dies mit dem
Angeklagten S.
, der schließlich den Angeklagten C. zur
Durchführung des Anschlags gewinnen konnte. Als der Angeklagte
S. dem Angeklagten C. das spätere Opfer zeigte, erkannte der
Angeklagte C. , daß M. bei dem geplanten Angriff ein
standfester und gefährlicher Gegner sein würde. Der
Angeklagte G. hatte zur Durchführung der Tat eine
Schrot-Doppelflinte mit abgesägten Läufen erworben.
Am Tattag, dem 25. März 1999, holten die Angeklagten G. und S.
den Angeklagten C. von dessen Wohnung ab. Dieser steckte die Waffe, die
er zuvor mit zwei Schrotpatronen geladen hatte, mit den Läufen
nach unten zusammen mit zwei zusätzlichen Schrotpatronen in
seine Jacke. Entsprechend dem gefaßten Tatplan der
Angeklagten lockte der Angeklagte C.
gegen 22.15 Uhr das spätere Tatopfer M. unter dem Vorwand
eines illegalen Zigarettengeschäftes zu einem Treffpunkt in
der Nähe eines Waldrandes. Beide begaben sich ohne Begleiter
zu der vereinbarten Stelle, der Angeklagte C. mit der geladenen
Schrotflinte unter der Jacke verborgen, M.
führte einen Teleskoptotschläger mit sich. Auf die
Frage des M. , wo die Ware sei, führte ihn der Angeklagte C.
in Richtung Waldrand.
M. befand sich zu diesem Zeitpunkt knapp rechts hinter dem Angeklagten
C. . Dieser entschloß sich nun, zum Zwecke der
Durchführung des Tatplans M. zunächst einen
unerwarteten schweren Faustschlag zu versetzen und ihn zu Fall zu
bringen. Danach wollte er ihm mit der Schrotflinte in das Knie
schießen. Er setzte deshalb mit geballter rechter Faust zu
einer blitzschnellen schlagartigen Drehung an. Um den gegen ihn
gerichteten Angriff zu stoppen - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang
der Urteilsgründe ergibt (UA S. 23, 24, 46, 54, 58) -,
versetzte M. mit dem Totschläger dem Angeklagten C. einen
wuchtigen schweren Schlag auf den Kopf, der diesen etwa in
Schädelmitte traf und eine sofort stark blutende Wunde
verursachte. Der Angeklagte C. wurde durch den Schlag völlig
überrascht, kam zu Fall und blieb auf dem Rücken
liegen. Unmittelbar danach sah er M. , den Totschläger in der
Hand und erneut zum Schlag ausholend, auf sich zustürzen mit
den Worten: "Du Schwein, Dich bring ich um". Der Angeklagte C.
verspürte Todesangst und zog die Schrotflinte aus seiner
Jacke. M. versuchte vergeblich die Waffe wegzutreten. Der Angeklagte C.
nahm sie in beide Hände, drückte ab und traf M. aus
einer Entfernung von ca. 30 cm in die Brust. M. brach zusammen und
verblutete kurz darauf noch am Tatort.
II.
Das Landgericht hat die Angeklagten nicht wegen Totschlags verurteilt.
Zwar sei der Gebrauch der Schußwaffe nicht durch Notwehr
gerechtfertigt, weil der Angeklagte C. den Eintritt der Notwehrlage
provoziert habe. Er sei
aber gemäß § 33 StGB entschuldigt, weil er
in Verwirrung, Schrecken und
Todesangst geriet und in diesem Zustand schoß. Die
Angeklagten hätten aber § 227 StGB verwirklicht. Denn
anders als bei dem Totschlag liege der Anknüpfungspunkt bei
der Körperverletzung mit Todesfolge bereits in dem Angriff des
Angeklagten C. auf M. , mit dem die tödlich endende
Kausalkette in Gang gesetzt worden sei. Diese von dem Angeklagten C.
bewußt herbeigeführte Situation werde von §
33 StGB nicht erfaßt.
Die Verurteilung der Angeklagten wegen Körperverletzung mit
Todesfolge hat keinen Bestand. Vielmehr belegen die getroffenen
Feststellungen insoweit, daß die Angeklagten rechtswidrig und
schuldhaft die Tatbestände der versuchten schweren
Körperverletzung und - tateinheitlich - der
fahrlässigen Tötung verwirklicht haben. Deshalb hat
der Senat die Schuldsprüche entsprechend geändert.
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts waren die Angeklagten nicht
wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu bestrafen. Der
Einsatz der Schußwaffe durch den Angeklagten C. war durch
Notwehr gerechtfertigt mit der Folge, daß im Rahmen des
§ 227 StGB der Tod des M. auch den Mitangeklagten nicht
zugerechnet werden kann.
Der Schußwaffengebrauch des Angeklagten C. war nicht
rechtswidrig. Denn nach dem festgestellten Sachverhalt lagen insoweit
die Voraussetzungen des § 32 StGB vor. Die Abgabe des zum Tode
führenden Schusses war geboten, um einen
gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff abzuwehren.
a) Der Annahme von Notwehr stehen nicht die Grundsätze der
Absichtsprovokation entgegen. Eine Absichtsprovokation begeht, wer
zielstrebig einen Angriff herausfordert, um den Gegner unter dem
Deckmantel der äußerlich gegebenen Notwehrlage an
seinen Rechtsgütern zu verletzen. In einem solchen Fall ist
dem Täter Notwehr - jedenfalls grundsätzlich -
versagt, weil er rechtsmißbräuchlich handelt, indem
er Verteidigungswillen vortäuscht, in Wirklichkeit aber
angreifen will (BGH NJW 1983, 2267 = JR 1984, 205 m. Anm. Lenckner).
Daß der Angeklagte C. nach einem solchen Tatplan vorgehen
wollte, ergeben die Feststellungen nicht. Wenn ihm auch erst die
Notwehrlage ermöglichte, wie geplant einen folgenschweren
Schuß auf M. abzugeben, so ergeben sich aus den
Feststellungen keine Hinweise darauf, daß sich der Angeklagte
bewußt in die Notwehrlage hineinbegeben wollte, um mit der
Waffe angreifen zu können. Daß angesichts der
körperlichen Überlegenheit des M.
eine solche Situation entstehen könnte und für den
Angeklagten auch nicht unvorhersehbar war, reicht für eine
Absichtsprovokation nicht aus.
b) Notwehr war auch nicht wegen des vorangegangenen Angriffs des
Angeklagten C. auf M. ausgeschlossen. Zwar kann sich auf ein
Notwehrrecht nicht berufen, wer einen anderen rechtswidrig angegriffen
hat und dieser seinerseits aus Notwehr handelt (vgl. Roxin, Strafrecht,
AT Bd. I § 14 m.w.Nachw.). Anknüpfungspunkt
für die Notwehrlage des Angeklagten C. ist aber nicht der
Zeitpunkt, in dem er durch das Ansetzen zum Faustschlag mit der
Verwirklichung des gemeinsamen Tatplans begonnen hatte, und in dem M.
ein Notwehrrecht gegen diesen rechtswidrigen Angriff zustand.
Anknüpfungspunkt ist vielmehr der Augenblick, in dem M . mit
erhobenem Totschläger und den Worten "Du Schwein, Dich bring
ich um" auf den unmittelbar vor ihm am Boden auf dem Rücken
liegenden Angeklagten C. zustürzte. Denn dieser Angriff
erfolgte erst, nachdem M. seine rechtmäßige
Notwehrhandlung abgeschlossen hatte und nun seinerseits aufgrund eines
neuen Tatentschlusses nicht mehr in Verteidigungs-, sondern
ausschließlich in Angriffsabsicht gegen den Angeklagten C.
vorging.
c) Der Angeklagte handelte in Verteidigungsabsicht. Daß er
seinerseits unmittelbar vor dem Schlag des M. selbst zu einem
Faustschlag angesetzt hatte, ist dabei unbeachtlich, weil er sich -
nach einer zeitlichen Zäsur - dem aufgrund eines neuen
Entschlusses gefaßten Angriff des M. unvermittelt
gegenübersah. Als der Angeklagte daraufhin den Schuß
abgab, handelte er zur Abwehr dieses lebensbedrohenden Angriffs.
d) Der Schuß mit der Schrotflinte war auch zur sicheren
Abwendung des Angriffs erforderlich und geboten.
Ob die Verteidigungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB
erforderlich ist, hängt im wesentlichen von Art und
Maß des Angriffs ab. Grundsätzlich darf der
Angegriffene das für ihn erreichbare Abwehrmittel
wählen, das eine sofortige und endgültige Beseitigung
der Gefahr erwarten läßt (vgl. BGHSt 25, 229, 230;
BGH NStZ 1996, 29 jeweils mit Nachweisen). Demgemäß
ist auch der Einsatz einer Schußwaffe nicht von vornherein
unzulässig; er kann aber nur das letzte Mittel der
Verteidigung sein. In der Regel ist der Angegriffene gehalten, den
Gebrauch der Waffe zunächst anzudrohen oder, sofern dies nicht
ausreicht, wenn möglich, vor dem tödlichen
Schuß einen weniger gefährlichen Waffeneinsatz
(Warnschuß) zu versuchen (BGHSt 26, 256, 258; BGHR StGB
§ 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 1, 13, Verteidigung 1; BGH NStZ
1996, 29).
Zwar darf ein Täter, der leichtfertig einen Angriff auf sich
provoziert hat, auch wenn er ihn nicht in Rechnung gestellt haben
sollte, nicht bedenkenlos von seinem Notwehrrecht Gebrauch machen und
sofort ein lebensgefährliches Mittel einsetzen. Er
muß vielmehr dem Angriff nach Möglichkeit ausweichen
und darf zur Trutzwehr mit einer lebensgefährlichen Waffe erst
Zuflucht nehmen, nachdem er alle Möglichkeiten der Schutzwehr
ausgenutzt hat; nur wenn sich ihm diese Möglichkeit nicht
bietet, ist er zu entsprechend weitreichender Verteidigung befugt. Kann
der Täter dem Angriff aber nicht ausweichen oder auch nicht
über ein Ausweichen zum Einsatz eines weniger
gefährlichen Verteidigungsmittels gelangen, so liegt auch im
Falle der verschuldeten Provokation eine
rechtsmißbräuchliche Verteidigung nicht vor (vgl.
BGHR StGB § 32 Abs. 2 Verteidigung 1, Erforderlichkeit 3).
Eine Haftung nach der Rechtsfigur der actio illicita in causa hat der
Bundesgerichtshof nicht anerkannt (vgl. BGH NJW 1983, 2267).
Dabei werden an den Täter, der sich auf Notwehr berufen will,
um so höhere Anforderungen im Hinblick auf die Vermeidung
gefährlicher Konstella-
tionen gestellt, je schwerer die rechtswidrige und vorwerfbare
Provokation der Notwehrlage wiegt. Wer unter erschwerenden
Umständen die Notwehrlage provoziert hat, muß unter
Umständen auf eine sichere erfolgversprechende Verteidigung
verzichten und das Risiko hinnehmen, daß ein minder
gefährliches Abwehrmittel keine gleichwertigen Erfolgschancen
hat (BGHSt 39, 374, 379). Diese Grundsätze zur
Einschränkung des Notwehrrechts kommen indes dann nicht zur
Anwendung, wenn die Notwehrhandlung des Opfers das einzige Mittel ist,
um einen möglicherweise tödlichen Angriff auf den in
Notwehr Handelnden abzuwenden, weil kein milderes Abwehrmittel zur
Verfügung steht. Nach dem festgestellten Sachverhalt hatte der
Angeklagte keine Wahl eines milderen Abwehrmittels oder einer
schonenderen Handlungsalternative. Nachdem der Angeklagte bereits am
Kopf verletzt und blutend auf dem Boden lag, M. sich mit einer
Todesdrohung und zum Schlag erhobenen Totschläger auf ihn
stürzte und sich nur noch in geringem Abstand zu dem
Angeklagten befand, war ein Weglaufen nicht mehr möglich, auch
wäre eine Drohung mit Worten oder das Vorhalten der
Schrotflinte mit Sicherheit ebenso wirkungslos gewesen wie ein vom
Landgericht für möglich gehaltenes seitliches
Abrollen. Denn dadurch hätte er den gegenwärtigen
Angriff des M. nicht nur nicht abgewendet, sondern sich selbst den in
Sekunden zu erwartenden möglicherweise tödlichen
Schlägen des M. ausgesetzt. Als einzige
Abwehrmaßnahme blieb ihm nur die schnelle Abgabe eines
notwendigerweise unkontrollierten Schusses, weil der
Oberkörper des Angreifers zu diesem Zeitpunkt nur noch 30 cm
von der Schußwaffe entfernt war.
2. Eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen versuchter
Körperverletzung mit Todesfolge oder wegen versuchten
Totschlags kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Tod des M. ist weder
unmittelbar durch die von dem Angeklagten C. versuchte
Körperverletzung (Ansetzen zum Faustschlag zur Vorbereitung
des Schusses ins Knie) herbeigeführt worden noch war er in der
Vorstellung des Angeklagten C. eine unmittelbare Folge der von ihm
beabsichtigten Körperverletzung.
3. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist die Verurteilung der
Angeklagten wegen versuchter schwerer Körperverletzung in der
Form der dauernden Gebrauchsunfähigkeit eines wichtigen
Körpergliedes (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl.
§ 226 Rdn. 8). Die Voraussetzungen liegen vor, denn
für den Versuch der Tatbestandsverwirklichung reicht aus,
daß der mit Vorsatz hinsichtlich der schweren Folge Handelnde
die Ausführung der Körperverletzung begonnen hat. Der
Grundtatbestand braucht nicht vollendet zu sein (Hirsch in LK, StGB 10.
Aufl. § 224 Rdn. 29 m.w.Nachw.). Der Angeklagte C. hat
unmittelbar zur Verwirklichung der Körperverletzung angesetzt,
indem er mit der geballten Faust zum Schlag auf den Kopf des M.
ausholte. Dieser Schlag sollte nach der Vorstellung des Angeklagten
unmittelbar dazu führen, daß M.
niederstürzte und in ungestörtem Fortgang wollte der
Angeklagte dann M. ins Knie schießen, so daß sein
Vorsatz im Zeitpunkt des Beginns des Faustschlags bereits auf die
Herbeiführung der schweren Folge gerichtet war (vgl. BGHR StGB
§ 22 Ansetzen 12, 16; vgl. auch BGH NStZ 2000, 422).
Diesen Versuch müssen sich die Mitangeklagten G. und S.
zurechnen lassen. Zwar läßt sich den Feststellungen
nicht entnehmen, daß diese Angeklagten sich den konkreten
Ablauf in der Form vorgestellt hatten, wie sie der Angeklagte C. kurz
vor der Tat beschlossen und zu verwirklichen begonnen hatte, indem er
möglicherweise abweichend vom ursprünglichen Tatplan
den M. zunächst niederstrecken und erst dann
anschießen wollte. Jedoch begründet nicht jede
Abweichung des tatsächlichen Geschehens von dem vereinbarten
Tatplan die Annahme eines Exzesses. In ihrer Schwere und
Gefährlichkeit gleichwertige Geschehensabläufe werden
in der Regel vom Willen aller Beteiligter umfaßt, auch wenn
sie sich diese nicht so vorgestellt haben. Der Beteiligte ist
für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten
Straftat verantwortlich, wenn ihm die Handlungsweise seines Tatgenossen
gleichgültig ist und deswegen auf seine Billigung geschlossen
werden kann (vgl. BGH NStZ 1998, 511 f = BGHR StGB § 251
Todesfolge 4 - jeweils m.w.Nachw.).
4. Nach den getroffenen Feststellungen haben sich die Angeklagten auch
wegen fahrlässiger Tötung strafbar gemacht. Sie haben
ihnen zurechenbar fahrlässig den Tod des M. verursacht
(§ 222 StGB).
Fahrlässig handelt, wer eine objektive Pflichtwidrigkeit
begeht, sofern er diese nach seinen subjektiven Kenntnissen und
Fähigkeiten vermeiden konnte, und wenn gerade die
Pflichtwidrigkeit objektiv und subjektiv vorhersehbar den Erfolg
gezeitigt hat. Die Einzelheiten des durch das pflichtwidrige Verhalten
in Gang gesetzten Kausalverlaufs brauchen dagegen nicht vorhersehbar
sein. Tritt der Erfolg durch das Zusammenwirken mehrerer
Umstände ein, müssen alle diese Umstände dem
Täter erkennbar sein, weil nur dann der Erfolg für
ihn voraussehbar ist (vgl. Jähnke in LK, StGB 11. Aufl.
§ 222 Rdn. 3 m.w.Nachw.). Diese Voraussetzungen liegen hier
vor.
a) Der Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung steht
nicht entgegen, daß der zum Tode führende
Schuß in Notwehr abgegeben worden ist. Zwar können
die einem zulässig eingesetzten Verteidigungsmittel
anhaftenden Gefahren als solche keinen Fahrlässigkeitsvorwurf
begründen (vgl. BGHSt 27, 313, 314; Jähnke aaO
§ 222 Rdn. 18). Denn ein und dieselbe Handlung kann nicht
sowohl rechtmäßig als auch rechtswidrig sein. Etwas
anderes gilt aber dann, wenn für den
Fahrlässigkeitsvorwurf auf ein vor dieser Handlung liegendes
rechtswidriges Verhalten abzustellen ist. Wer durch ein rechtswidriges
Vorverhalten die Gefahr einer tätlichen Auseinandersetzung mit
tödlichem Ausgang herbeigeführt hat, kann auch dann
wegen fahrlässiger Tötung bestraft werden, wenn er
den zum Tode führenden Schuß in Notwehr abgibt. Eine
derartige Gefahr lag hier vor, weil nach dem gemeinsamen Tatplan M. an
eine einsam gelegene Stelle unter dem Vorwand eines illegalen
Zigarettenverkaufs gelockt und ihm durch den Schuß mit der
Schrotflinte eine schwere Körperverletzung zugefügt
werden sollte.
b) Die Angeklagten haben damit auch die Ursache dafür gesetzt,
daß am Ende der Kausalkette der Tod des M. stand. Daran
ändert im Ergebnis nichts, daß M. nach der
erfolgreichen Abwehr des Angriffs des Angeklagten C. nun seinerseits
den Angeklagten C. aufgrund eines neuen Entschlusses rechtswidrig
angriff und die tödliche Folge dann als unmittelbare Folge der
Notwehrlage eintrat. Denn durch diese neu eintretenden
Umstände wird der Ursachenzusammenhang zwischen dem Locken in
die einsame Gegend sowie dem Beginn der Körperverletzung und
dem späteren Tod nicht unterbrochen. Es ist anerkannt,
daß eine Ursache im Rechtssinne ihre Bedeutung nicht
verliert, wenn außer ihr noch andere Ursachen zur
Herbeiführung des Erfolges beitragen. Ein Ursachenzusammenhang
ist nur zu verneinen, wenn ein späteres Ereignis - anders als
hier - die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitigt
und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen
Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat (BGHSt 39, 322, 324
m.w.Nachw.).
c) Daß dem rechtswidrigen Vorverhalten der Angeklagten die
Gefahr eines für M. tödlichen Ausganges innewohnte,
war für die Angeklagten nach ihren persönlichen
Kenntnissen und Fähigkeiten auch vorhersehbar. Nicht
erforderlich ist dabei, daß sie die Folgen ihrer Tat in den
Einzelheiten voraussehen konnten. Es genügt, daß die
Folgen in ihrem Gewicht im wesentlichen voraussehbar waren (BGHSt 39,
322, 324). Zwar könnte eine vernunftswidrige Handlungsweise
des später Getöteten die Vorhersehbarkeit des
Erfolges entfallen lassen (Jähnke aaO § 222 Rdn. 9).
Hier war aber für die Angeklagten angesichts der vorher von
ihnen erkannten Standfestigkeit und Gefährlichkeit des M. die
Annahme naheliegend, daß dieser sich zur Wehr setzen
würde, sobald und soweit ihm das möglich sein
würde, und sich daraus eine Notwehrlage für den
Angeklagten C. ergeben könnte.
III.
Entgegen der Annahme des Landgerichts stehen die in Tateinheit
zueinander stehenden Waffendelikte des Angeklagten G. (unerlaubtes
Ausüben der tatsächlichen Gewalt über eine
Schußwaffe, unerlaubtes Führen derselben,
unerlaubtes Überlassen derselben sowie von Munition an einen
Nichtberechtigten) in Tateinheit zu der versuchten schweren
Körperverletzung und der fahrlässigen
Tötung. Denn ein mittäterschaftlicher Tatbeitrag des
Angeklagten G. bestand in der Übergabe der Tatwaffe an den
Angeklagten C.
IV.
Die Änderung der Schuldsprüche führt bei
allen Angeklagten zur Aufhebung der Strafaussprüche. Die
Anordnung der Einziehung der Schußwaffe und der
Maßregelausspruch gegen den Angeklagten S. bleiben bestehen;
sie werden von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt.
Kutzer Miebach Winkler Pfister von Lienen |