BGH,
Urt. v. 22.9.2005 - 3 StR 256/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 256/05
vom
22.09.2005
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22.
September
2005, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Winkler
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
von Lienen,
Becker,
Hubert
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts
Oldenburg vom 24.01.2005 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben,
a) soweit die Angeklagte wegen gefährlicher
Körperverletzung
verurteilt worden ist (Ziff. I. 4. der Urteilsgründe) sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die
Maßregel.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Körperverletzung und
gefährlicher
Körperverletzung zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und
sechs Monaten (Einzelstrafen von sechs Monaten sowie von drei Jahren und
vier Monaten) verurteilt und ihre Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt
(§ 64 StGB) angeordnet. Mit ihrer zu Ungunsten der Angeklagten
eingelegten,
auf die Sachrüge gestützten Revision, die wirksam auf
die Verurteilung wegen
gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen
P. und die Maßregelanordnung
beschränkt ist, erstrebt die Staatsanwaltschaft eine
Verurteilung
auch wegen versuchten Totschlages sowie die Aufhebung der
Unterbringungsentscheidung.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
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Kurze Zeit nachdem sie einen ihr bis dahin unbekannten Mann heftig
geschlagen und getreten hatte (Fall I. 3. der Urteilsgründe),
brachte die erheblich
alkoholisierte Angeklagte dem Zeugen P. mit einem Küchenmesser
drei Stichverletzungen bei: über dem linken Auge, im Bereich
der linken Schulter
und im Bereich der linken Brustkorbvorderseite; dieser mehrere
Zentimeter
tiefe Stich war akut lebensbedrohlich und erforderte eine operative
Eröffnung
der linken Brusthöhle mit Teilentfernung des linken
Lungenoberlappens. Bevor
die Angeklagte nach der Tat mit ihrem Fahrrad flüchtete, hatte
sie die beiden
blutenden Verletzungen im Brustbereich ihres Opfers noch wahrgenommen.
Das Landgericht hat offen gelassen, ob die Angeklagte mit
Tötungsvorsatz
gehandelt hat. Von einem etwa vorliegenden Tötungsversuch sei
sie jedenfalls
mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten.
1. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die
Feststellungen zum
Rücktritt sind nicht ausreichend und lassen besorgen, dass das
Landgericht
bei der Annahme seiner Voraussetzungen von einem unrichtigen
Maßstab
ausgegangen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung kommt es für die
Abgrenzung eines unbeendeten
vom beendeten Versuch und damit für die Frage, unter welchen
Voraussetzungen ein strafbefreiender Rücktritt gegeben ist,
darauf an, ob der
Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen
Ausführungshandlung
den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs
für möglich hält (sog.
Rücktrittshorizont;
vgl. BGHSt 39, 221, 227 f. m. w. N.) oder sich - namentlich nach
besonders
gefährlichen Gewalthandlungen, die zu schweren Verletzungen
geführt
haben - keine Vorstellungen über die Folgen seines Handelns
macht (vgl.
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Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 24 Rdn. 15, 16 m.
w. N.). Das Landgericht
geht zwar im rechtlichen Ansatz zutreffend davon aus, dass es
für die Beurteilung
dieser Abgrenzungsfrage auf die Vorstellung der Angeklagten ankommt,
trifft hierzu aber keine ausreichenden Feststellungen. Insoweit teilt
das Urteil
im Sachverhalt lediglich mit, die Angeklagte könne auch
bemerkt haben, dass
der Verletzte die nach dem letzten Stich an ihn herantretende Zeugin H.
, die
ihn stützen oder ihm irgendwie beistehen wollte,
weggestoßen hat. Die Frage,
ob und gegebenenfalls welche Schlüsse die Angeklagte hieraus
hinsichtlich
des möglichen Todes ihres Opfers gezogen hat, bleibt indes
offen.
Die im Rahmen der rechtlichen Würdigung zum Rücktritt
angestellten
Erwägungen lassen besorgen, das Landgericht könne
verkannt haben, welche
Maßstäbe für das Vorliegen eines
strafbefreienden Rücktritts anzulegen sind.
Denn der beschriebene Eindruck und die unterstellte Vorstellung stellen
keine
Voraussetzungen für das Vorliegen des persönlichen
Strafaufhebungsgrundes
dar. Dies gilt entsprechend für die zusätzliche
Erwägung, die Angeklagte habe
annehmen dürfen, dass die beiden neben dem Opfer anwesenden
Personen
für lebenserhaltende medizinische Maßnahmen sorgen
werden.
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Die Teilaufhebung erfasst auch die - für sich gesehen
rechtsfehlerfreie -
Maßregelanordnung.
Winkler Miebach von Lienen
RiBGH Hubert ist durch Urlaub
an der Unterschrift gehindert.
Becker Winkler |