BGH,
Urt. v. 23.8.2007 - 4 StR 180/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 180/07
vom
23.8.2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
wegen zu 1. bis 6.: schweren Raubes zu 7.: Nichtanzeige einer geplanten
Straftat zu 8.: Nichtanzeige einer geplanten Straftat u.a.
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
23.8.2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Maatz,
Prof. Dr. Kuckein, Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim BGH in der Verhandlung,
Staatsanwältin bei der Verkündung als Vertreterinnen
der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Denis H. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Christian D. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Sebastian Ho. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Christian He. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Mark F. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Diemo Ha. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten Enrico H. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten Nicole H.
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Magdeburg vom 28. August 2006, soweit es die Angeklagten
Denis H. , Christian D. , Sebastian Ho. , Christian He. , Mark F. ,
Diemo Ha. und Enrico H. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten dieser Rechtsmittel, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil
wird verworfen, soweit es die Angeklagte Nicole H. betrifft.
Die Kosten dieses Rechtsmittels und die der Angeklagten Nicole H.
hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu
tragen.
Von Rechts wegen
- 4 -
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten Denis H. , Christian D. , Sebastian
Ho. , Christian He. , Mark F. und Diemo Ha. vom Vorwurf des
gemeinschaftlichen schweren Raubes, begangen am 19. Dezember 2004 zum
Nachteil der Firma G. in Magdeburg, und die Angeklagten Enrico und
Nicole H. vom Vorwurf der Nichtanzeige dieser im Sommer 2004 geplanten
Straftat, Nicole H. zusätzlich vom Vorwurf der versuchten
Strafvereitelung, freigesprochen. Mit ihren Revisionen - die bis auf
das Rechtsmittel zum Nachteil der Nicole H. vom Generalbundesanwalt
vertreten werden - rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung
formellen und materiellen Rechts. Sie wendet sich insbesondere gegen
die Beweiswürdigung in dem angegriffenen Urteil. Die
Rechtsmittel haben in dem Umfang, in denen sie vom Generalbundesanwalt
vertreten werden, mit der Sachrüge Erfolg; auf die
Verfahrensrüge kommt es daher nicht an. Die Revision zum
Nachteil der Angeklagten Nicole H. ist unbegründet.
1
I.
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
2
1. Im Spätsommer 2004 trafen sich die angeklagten
Brüder Denis und Enrico H. sowie die Angeklagten Ho. , D. , F.
und Ha. in einem Park in Magdeburg. Der Angeklagte D. wollte die
anderen für die Beteiligung an einem Überfall auf das
Geldtransportunternehmen "G. " (G. ) im Magdeburger Stadtteil gewinnen.
Er berichtete, dass in der Firma über Nacht lediglich ein
Wachmann für Sicherheit sorge und vier Frauen damit
beschäftigt seien, Geld zu zählen. Es
3
- 5 -
sei eine Beute von mindestens 30 Millionen Euro zu erwarten. Den Tipp
habe er von einer bei der G. beschäftigten Putzfrau erhalten.
Als alle Anwesenden - bis auf Enrico H. - ihre generelle Bereitschaft
zur Teilnahme an der beabsichtigten Tat bekundeten, wurden "gewisse
Einzelheiten" abgestimmt. So sollte im Falle der Durchführung
des Überfalls der Angeklagte Ha. die Masken und der Angeklagte
D. Fluchtfahrzeuge und Waffen beschaffen. D. sollte selbst nicht in das
Objekt gehen. Einzelheiten zur Tatkleidung, zu Behältnissen
für die Beute, zu Tatzeit und Tatausführung wurden
allerdings nicht besprochen. Alle bei dem Gespräch Anwesenden
- bis auf Enrico H. - hatten das Objekt zuvor schon von außen
betrachtet; der Angeklagte D. berichtete, dort sogar schon einmal einen
Einbruchsversuch unternommen zu haben. Enrico H. sah sich noch in der
Nacht nach dem Treffen gemeinsam mit dem Angeklagten D. das
Gelände sowie das Gebäude der Firma G. von
außen an. Danach war auch er generell zum Mitmachen bereit
(UA 6, 13) und sagte seine Teilnahme an dem Überfall zu (UA
35).
Spätestens im November 2004 erzählte Enrico H. seiner
damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau, der
Angeklagten Nicole H. , von dem geplanten Überfall. Nicole H.
riet ihrem Lebensgefährten "dringend davon ab", an einer
solchen Tat teilzunehmen, da dies zu risikoreich sei. Enrico H.
versprach ihr dies und teilte dem Angeklagten D. danach mit, dass er
bei dem Überfall nicht mitmachen werde.
4
2. Die Firma G. war im Jahre 2004 bei einem Bremer Versicherungspool
versichert. Versicherungsvermittlerin und Maklerin war die Firma A. aus
Magdeburg. Ende des Jahres sollte ein Versicherungs- und Maklerwechsel
erfolgen. Der Inhaber der Firma A. ist der Vater von Steffen R. , dem
Lebensgefährten der Schwester des Angeklagten He. (UA 8, 16,
28).
5
- 6 -
3. Am Sonntag, dem 19. Dezember 2004, um 20.30 Uhr stürmten
fünf maskierte und mit Pistolen bewaffnete Männer auf
die Schichtleiterin Fo. der Firma G. zu, als sie gerade mit ihrer
Chip-Karte und PIN die Metalltür zum Eingang der
"Geldbearbeitung" öffnen wollte. Die Täter zwangen
sie, den Tresorraum zu öffnen. Der Wachmann wurde mit einer
Handschelle gefesselt; einer der Täter richtete seine - wie er
dem Wachmann sagte und zeigte: scharfe - Pistole auf dessen Kopf und
bewachte ihn. Aus dem Tresorraum entnahmen zwei der Täter
Transportlisten sowie 308 Geldtaschen ("Safebags") mit insgesamt
mindestens 1,2 Millionen Euro und füllten alles in
mitgebrachte Behältnisse. Die Täter trugen
Handschuhe; einer von ihnen hatte einen Rucksack. Bevor die
Männer gegen 20.37 Uhr das Gebäude
verließen, kettete einer von ihnen die Schichtleiterin an ein
Tischbein; sie konnte aber kurz danach einen Alarmknopf
betätigen. Der Tatablauf in dem "Geldbearbeitungsraum" wurde
von einer Videokamera aufgezeichnet.
6
4. Anfang Januar 2005 schilderte der Angeklagte Denis H. seinem Bruder
Enrico den Tatablauf wie folgt:
7
Der Raubüberfall auf die Firma G. sei - “wie vorher
besprochen“ (UA 22) - von ihm (Denis H. ) und weiteren bei
dem Treffen im Park im Sommer 2004 anwesenden Männern begangen
worden. Er (Denis H. ) habe das Fluchtfahrzeug gesteuert. Christian D.
habe während des Überfalls mit einem
Funkgerät die Zufahrtstraße zum Tatobjekt
überwacht. Christian He. sei für Enrico H.
eingesprungen. He. , F. , Ho. , ein namentlich nicht bekannter
russischer Staatsbürger und Ha. hätten in der Firma
G. gehandelt. Die fünf Männer hätten sich
ca. sieben Minuten in dem Tatobjekt aufgehalten. Später habe
er (Denis H. ) erfahren, dass Christian He. in dem Objekt einmal seine
Maske hochgezogen habe. Das Geld sei in drei bis vier
8
- 7 -
Müllsäcken abtransportiert worden. Zum Zeitpunkt des
Überfalls seien in dem Objekt lediglich eine Frau und ein
Wachmann gewesen. Die Beute sei durch die sieben Teilnehmer aufgeteilt
worden, wobei jeder ca. 170.000 Euro erhalten habe.
5. Nach dem Treffen mit seinem Bruder Denis berichtete der Angeklagte
Enrico H. noch im Januar 2005 der Angeklagten Nicole H. von dem
Gehörten. Diese informierte am 1. März 2005 die
Polizei. Auch der Angeklagte Enrico H. gab in seiner
Beschuldigtenvernehmung vom selben Tag (1. März 2005) das
wieder, was er von seinem Bruder Denis erfahren und bereits seiner
Lebensgefährtin und seinem Freund Carsten A. erzählt
hatte. Noch am 1. März 2005 wurde u.a. der Angeklagte
Christian He. festgenommen (UA 3). Am 2. März 2005 wurde in
einem Schließfach des Magdeburger Hauptbahnhofs ein Rucksack
gefunden, in dem sich insgesamt 137.950 Euro befanden. Am Abend dieses
Tages erschien Steffen R. im Hauptbahnhof und fragte am "Servicepunkt"
nach dem Inhalt des Schließfachs. Er wurde durch
Polizeibeamte festgenommen und erklärte, er habe den
gefüllten Rucksack am Vortag (1.3.2005) in das
Schließfach gelegt; es seien rund 138.000 Euro darin gewesen,
die er nun wiederhaben wolle. An den Geldscheinen, die in dem Rucksack
waren, befand sich an einem Schein ein Fingerabdruck des Angeklagten
Denis H. , an vier Scheinen befanden sich Fingerabdrücke des
Angeklagten D. und an zwei Scheinen solche des Angeklagten F. . Bei
Durchsuchungen der Wohnungen der Angeklagten am 1. März 2005
fand die Polizei beim Angeklagten D. zwei Pistolen, Munition, ein
Nachtsichtfernglas, ein Richtmikrofon und zwei Handfunkgeräte,
beim Angeklagten Denis H. mehrere Pistolen und - versteckt - ca. 5.100
Euro Bargeld, beim Angeklagten F. eine Pistole und rund 8.300 Euro
Bargeld sowie beim Angeklagten Ho. ein Handsprechfunkgerät
sowie 1.800 Euro Bargeld.
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- 8 -
6. Die Angeklagte Nicole H. erwartete im Herbst 2004 ein Kind von ihrem
damaligen Lebensgefährten, dem Angeklagten Enrico H. . Beide
beschlossen, noch vor der im Juli 2005 erwarteten Geburt des Kindes zu
heiraten. Sie verlobten sich Anfang Dezember 2004 und heirateten am 1.
April 2005. Nicole H. sollte am 10. März 2005 auf Antrag der
Staatsanwaltschaft als Zeugin richterlich vernommen werden. Eine
Vernehmung erfolgte jedoch nicht, weil sich die Ermittlungsrichterin
für örtlich unzuständig erklärte
(UA 17). Nach der Eheschließung wurde eine weitere Ladung zur
Zeugenvernehmung nicht mehr vorgenommen. Das Landgericht hat nicht
feststellen können, dass die Angeklagte Nicole H. allein
deswegen geheiratet hat, um hierdurch für sich ein
Zeugnisverweigerungsrecht zu begründen (UA 36).
10
II.
Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch der Angeklagten
Denis H. , D. , Ho. , He. , F. und Ha. .
11
1. Das Landgericht hat die genannten Angeklagten aus
tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil ihre
Täterschaft nicht mit der für eine Verurteilung
ausreichenden Gewissheit habe festgestellt werden können. Zwar
sprächen die Angaben des Mitangeklagten Enrico H. im
Ermittlungsverfahren zur Planung (bestätigt insbesondere durch
die Angaben des Angeklagten Ha. im Ermittlungsverfahren) und
Durchführung des Überfalls auf die Firma G. gegen die
Angeklagten. Die Planung sei aber noch wenig konkret gewesen;
möglicherweise hätten auch "weitere Gruppen von
Personen" in Magdeburg über einen Überfall auf die G.
“nachgedacht“ (UA 22). Im Hinblick auf das
eigentliche Tatgeschehen sei Enrico H. nur "Zeuge vom
Hörensagen" und ein Großteil der von ihm
weitergegebenen Informationen stelle kein Täterwissen
12
- 9 -
dar, sondern sei der interessierten Öffentlichkeit durch
Zeitungsberichte bereits bekannt gewesen. So sei etwa das von ihm
bekundete Detail, das Geld sei in Müllsäcken
abtransportiert worden, zwar in den Medien berichtet worden,
tatsächlich aber falsch, weil die Videoaufnahme zeige, dass
als Transportmittel der Beute zwei Reisetaschen, ein Rucksack und zwei
feste Beutel oder Säcke (UA 27: zwei stabile
Transportsäcke) benutzt worden seien. Als mögliches
Motiv für falsche Angaben des Denis H. gegenüber
seinem Bruder komme in Betracht, dass Denis sich mit der Tat und seinem
Beuteanteil habe "brüsten" wollen (UA 25 f.).
Weitere überzeugende Beweise für die
Täterschaft der Angeklagten fehlten (UA 26). Insbesondere
deute das im Schließfach des Magdeburger Hauptbahnhofs
gefundene Bargeld nicht auf eine Tatbeteiligung des Angeklagten He.
oder anderer Angeklagter hin, weil nicht habe festgestellt werden
können, dass dieses Geld aus dem Überfall stamme.
Zwar sei es "sonderbar", dass es sich bei Steffen R. gerade um den Sohn
des Geschäftsführers des Unternehmens handele, das
jahrelang als Makler für die Firma G. tätig gewesen
sei, so dass dort Details über
Geschäftsabläufe und vorhandene
Sicherheitseinrichtungen bei der Firma G. bekannt gewesen seien;
Anhaltspunkte für eine Zusammenarbeit des Steffen R. mit einem
oder mehreren der Angeklagten gebe es aber nicht. Allein der Umstand,
dass Steffen R. das Geld aus dem Schließfach habe abholen
wollen und er mit der Schwester des Angeklagten He. liiert sei, lasse
einen solchen Schluss nicht hinreichend sicher zu.
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2. Diese Beweiswürdigung begegnet durchgreifenden rechtlichen
Bedenken. Sie ist lückenhaft und stellt insgesamt
überspannte Anforderungen an die für eine
Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung (vgl. BGHR
§ 261 Beweiswürdigung 5, 16).
14
- 10 -
a) Das Urteil ist bereits deswegen lückenhaft, weil
Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der
Angeklagten, soweit diese die Beweiswürdigung
berühren können, nicht getroffen wurden. Das gilt
insbesondere für ihre Einkommens- und
Vermögensverhältnisse zur Tatzeit und ihre
strafrechtlichen Vorbelastungen. Zum Ersteren wurden überhaupt
keine Feststellungen getroffen, zum Letzteren heißt es
lediglich bei dem Angeklagten Denis H. im Rahmen der Prüfung,
ob dieser im Ermittlungsverfahren versucht hat, sich für die
Tatnacht ein falsches Alibi zu verschaffen, dass er "schon damals
mehrfach vorbestraft war" (UA 34). Neben den strafrechtlichen
Vorbelastungen können auch die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse der Angeklagten zur Tatzeit
für die Beweiswürdigung von Bedeutung sein. Dies
insbesondere deswegen, weil bei den Angeklagten Denis H. , F. und Ho.
nach der Tat größere Geldbeträge gefunden
wurden (UA 17) und sich die Angeklagten Denis H. und He. in ihrem
Urlaub zum Jahreswechsel 2004/2005 mit Geldscheinen, der Angeklagte He.
u.a. - in einem Lokal - mit einem "Bündel Euro-Scheinen" in
der Hand, fotografieren ließen (UA 31). Darüber
hinaus wären schlechte finanzielle Verhältnisse der
Angeklagten ein naheliegendes Motiv für die Begehung des
Überfalls.
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- 11 -
b) In der erforderlichen Gesamtschau hätte sich das
Landgericht insbesondere damit befassen müssen, dass
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(1) die im Spätsommer 2004 (nach den Angaben des Angeklagten
Ha. im Ermittlungsverfahren: für den Winter, UA 21, 27)
geplante Tat mit der Ausführung des Überfalls am 19.
Dezember 2004 übereinstimmt und insoweit die Bekundungen des
Denis H. seinem Bruder gegenüber nachvollziehbar und
schlüssig sind, zumal sie Details enthalten, die - soweit
ersichtlich - den Medien nicht entnommen worden sein konnten, wie z.B.
die Dauer des Aufenthalts im Tatobjekt von nur sieben Minuten (vgl. UA
14, 22, 24);
(2) die Angaben des Denis H. inhaltliche Realitätskriterien
enthalten, wie etwa die Schilderung einer Komplikation im Tatablauf
(der Angeklagte He. habe im Tatobjekt seine Maske hochgezogen, UA 14 -
vgl. auch [als psychisches Begleitgeschehen] UA 15, 23: die anderen
Tatbeteiligten seien deswegen auf ihn “sauer“
gewesen), die für eine - wie die Strafkammer meint (UA 25 f.)
- erfundene Geschichte, um sich damit seinem Bruder gegenüber
“brüsten“ zu wollen, nicht erforderlich
wären und die eher auf einen realen Erlebnishintergrund
hindeuten;
(3) die belastenden Angaben des Denis H. durch mehrere Indizien in
hohem Maße gestützt werden, etwa dadurch dass
- 12 -
(a) der Lebensgefährte der Schwester des Angeklagten He. am
Tag von dessen Festnahme einen Rucksack mit fast 138.000 Euro in einem
Bahnhofs-Schließfach deponierte. Der Lebensgefährte
war der Sohn des Inhabers der Firma, die die - für die
Ausführung der Tat erforderlichen - Informationen
über die Geschäftsabläufe und
Sicherheitsrichtungen der Firma G. besaß. Auf mehreren
Banknoten fanden sich Fingerspuren von Angeklagten, mit deren Herkunft
sich die erkennende Strafkammer nicht auseinandergesetzt hat;
(b) mehrere Angeklagte nach der Tat - zum Teil versteckt - nicht
unerhebliche Geldbeträge besaßen; außerdem
wurden bei ihnen Pistolen und Munition, ein Nachtsichtfernglas, ein
Richtmikrofon und Handfunkgeräte - also mögliche
Tatmittel - sichergestellt.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei
einer rechtsfehlerfreien, die Anforderungen an die für eine
Verurteilung erforderliche Gewissheit nicht überspannenden
Beweiswürdigung zu einem anderen, die Angeklagten
verurteilenden Erkenntnis gekommen wäre. Das Urteil muss daher
insoweit auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft aufgehoben werden.
17
III.
Revision der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch des Angeklagten
Enrico H. .
18
- 13 -
1. Das Landgericht hat den Angeklagten Enrico H. aus rechtlichen
Gründen von dem Vorwurf, den geplanten Raubüberfall
nicht angezeigt zu haben, freigesprochen, weil der Angeklagte zwar
zunächst bei der Besprechung im Park im Sommer 2004 seine
Teilnahme an dem Überfall zugesagt, später jedoch
erklärt habe, dass er nicht mehr mitmachen werde (UA 35). Auf
Grund dieser Feststellungen habe eine Anzeigepflicht nach §
138 Abs. 1 Nr. 7 StGB nicht bestanden; denn eine solche entfalle nicht
nur für den, der einer strafbaren Beteiligung
verdächtig ist, sondern auch für den, der bei der
Planung der Tat lediglich beteiligt war, ohne dass es bei ihm mehr als
zu einer straflosen Vorbereitung gekommen wäre.
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2. Diese Bewertung hält ebenfalls rechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
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Nach den Feststellungen hatte sich der Angeklagte Enrico H. zur
Mitwirkung an dem geplanten Raubüberfall bereit
erklärt (UA 6, 35). Es kommt daher in Betracht, dass er sich
wegen Versuchs der Beteiligung an einem schweren Raub (§ 30
Abs. 2 i.V.m. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) strafbar gemacht hat.
21
Dann müsste er sich mit dem ernstlichen Willen verabredet
haben, an der Verwirklichung der geplanten, bereits hinreichend
konkretisierten Tat mittäterschaftlich mitzuwirken (vgl.
Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 30 Rdn. 12 m.w.N.).
Dies liegt nach den Feststellungen nahe: Der Tatort und das Tatobjekt
waren bestimmt (G. ), die Tat sollte offenbar im Winter
durchgeführt werden (vgl. UA 21, 27), die Art der
Tatausführung war konkretisiert (bewaffneter
Raubüberfall), die Beteiligten hatten die
Tatörtlichkeit in Augenschein genommen und einzelne
Tatmodalitäten festgelegt (der Angeklagte D. sollte der
“Anführer“ sein und bei der
Tatausführung nicht in das Tatobjekt gehen) und es war schon
22
- 14 -
bestimmt worden, wer sich um die Fluchtfahrzeuge, Waffen und Masken zu
kümmern hatte. Auf dem gemeinsamen Tatentschluss aufbauend (UA
22) wurde - nach den Angaben des Denis H. - die Tat dann
schließlich am 19. Dezember 2004 ausgeführt. Da nach
der "Absage" des Angeklagten Enrico H. , an der Tat mitzuwirken, nach
den Angaben des Denis H. der Angeklagte He. für Enrico H.
"eingesprungen" war (UA 14), dieser bei der unmittelbaren
Tatausführung in dem Tatobjekt mitwirkte und - wiederum nach
den Angaben des Denis H. - einen Beuteanteil von 170.000 Euro erhielt,
liegt es nahe, dass der Angeklagte Enrico H. als Mittäter
mitwirken sollte. Dadurch, dass er seine Tatbeteiligung vor der
Tatbegehung widerrief, wäre er nicht strafbefreiend vom
Versuch der Beteiligung zurückgetreten, weil er die Tat nicht
freiwillig verhindert hat (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB) bzw. er
sich auch nicht ernsthaft bemüht hat, sie zu verhindern
(§ 31 Abs. 2 2. Alt. StGB).
Das Landgericht wird daher die Sache auch insoweit neu zu verhandeln
und zu entscheiden haben.
23
IV.
Revision der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch der Angeklagten
Nicole H. .
24
1. Das Landgericht hat die Angeklagte Nicole H. im Hinblick auf die
vorgeworfene Nichtanzeige des geplanten schweren Raubes freigesprochen,
weil die Tat noch nicht hinreichend konkretisiert gewesen sei, und im
Hinblick auf die vorgeworfene, nach der Anklage durch die
Verzögerung ihrer richterlichen Zeugenvernehmung bis zur
Eheschließung mit Enrico H. begangene versuchte
Strafvereitelung, weil die Angeklagte nicht allein deshalb geheira-
25
- 15 -
tet habe, um hierdurch ein Zeugnisverweigerungsrecht zu erlangen, und
sie sich zudem nach der Heirat auch auf ein Zeugnisverweigerungsrecht
nicht berufen habe.
2. Insoweit hält das Urteil im Ergebnis rechtlicher
Prüfung stand.
26
a) Die Verfahrensrügen (rechtsfehlerhafte Ablehnung von zwei
Beweisanträgen), gegen deren Zulässigkeit bereits
Bedenken bestehen, weil weder die in Bezug genommenen Aktenstellen
vollständig (Verfahrensrüge II) noch die dienstliche
Äußerung der Amtsärztin Dr. E.
(Verfahrensrüge III) mitgeteilt werden, sind jedenfalls
unbegründet. Auch die Aufklärungspflicht gebot es
nicht, den Beweisbegehren der Staatsanwaltschaft nachzugehen.
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b) Die Sachrüge der Staatsanwaltschaft hat im Hinblick auf den
Freispruch der Angeklagten Nicole H. ebenfalls keinen Erfolg.
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Nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat die
Angeklagte den Mitangeklagten Enrico H. weder deswegen geheiratet, um
hierdurch ein Zeugnisverweigerungsrecht zu erhalten (zu einer
entsprechenden unlauteren Verfahrensmanipulation vgl. BGHSt 45, 342,
348), noch hat sie von ihrem durch die Heirat begründeten
Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO)
Gebrauch gemacht. Ein Versuch der Strafvereitelung liegt daher schon
deshalb nicht vor.
29
- 16 -
Die Angeklagte ist auch nicht wegen Nichtanzeige des geplanten schweren
Raubes (§ 138 Abs. 1 Nr. 7 StGB) zu bestrafen. Sie
hätte, nachdem sie (spätestens) im November 2004 von
der geplanten Tat erfahren hatte, bis zum 19. Dezember 2004 (dem
Tattag) - also als sie bereits mit dem Mitangeklagten Enrico H. verlobt
war - die geplante Tat und damit auch die Verstrickung ihres Verlobten
in die Tat anzeigen müssen. Da sie sich zuvor aber ernsthaft
(und mit Erfolg) bemüht hatte, ihn von der Tat abzuhalten, hat
sie Straffreiheit nach § 139 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. §
11 Abs. 1 Nr. 1 a StGB erlangt (vgl. Hanack in LK 11. Aufl. §
139 Rdn. 16; Hohmann in MünchKomm § 139 Rdn. 13;
Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder StGB 27.
Aufl. § 139 Rdn. 4).
30
- 17 -
V.
Mit der Urteilsaufhebung im Hinblick auf die Angeklagten Denis H. , D.
, Ho. , He. und F. ist die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft
gegen die Entscheidung über die Haftentschädigungen
gegenstandslos.
31
VRi'inBGH Dr. Tepperwien Maatz Kuckein ist urlaubsbedingt ortsabwesend
und deshalb verhindert zu
unterschreiben
Maatz
Ernemann Sost-Scheible |